Das Dritte Buch.

[193] Unter den nachdencklichen Sinnbildern der Liebe /verdienet keines weges den letzten Stand ihre vom Canathus Sycionius aus Helffenbein und Golde gebildete Säule / welche auf dem Haupte die Himmels-Kugel / in der einen Hand einen Granat-Apffel / in der andern ein. Maah-Haupt trug. Mit welchem letztern er nichts anders andeutete / als daß die Liebe nichts minder / als eine gewisse Art stechender Nattern / die allermuntersten einschläffte / und ihre wachsame Regungen fahrläßig machte. In welchem Absehen die Verliebten bey den Griechen ein gewisses Spiel mit Maah- und Anemonen-Blättern hegen musten. Dieser Einschläffungs-Krafft aber war der großmüthige Feldherr Herrmann überlegen / welcher die Glückseligkeit seiner gegen die vollkommenste Fürstin Thusnelde tragender Liebe bey ihrem Besitz zwar nunmehr nicht begreiffen / nichts desto weniger aber die Sorge für das Heil des Vaterlandes / als die allerwürdigste Buhlschafft der Helden niemahls vergessen konte. Der Krieg und die Liebe theilten gleichsam sein Hertz miteinander / oder seine angebetete Venus war mit keinem Spiegel und Wollust-Gürtel / sondern / wie sie die streitbaren Spartaner bey Acro-Corinth gebildet und verehret / mit Harnisch / Schild und Spisse gewaffnet. Diesem nach denn der kluge Feldherr folgende Tage mit eitel wichtigen Rathschlägen nebst denen andern Fürsten beschäfftiget war / wie der erlangte herrliche Sieg die Uberwinder nicht einschläffen und sicher machen / sondern vielmehr das Hertz und die Hoffnung der Kriegsleute aufmuntern / und man durch desselbten vernünfftige Verfolgung die rechtschaffene Frucht von so viel versprütztem Blute einerndten / Deutschland in beständige Sicherheit setzen / das verlorne wieder gewinnen / oder auch gar die so gefährliche Nachbarschafft der mächtigen Römer in ihres eigenen Landes Gebürge wieder einschrencken möge. Herrmann hielt deßwegen eine nachdenckliche Rede in dem versammleten Fürsten-Rathe / welche anfangs dahin ging / daß man diesen herrlichen Sieg numehr eifrigst verfolgen / auch für erlangter völligen Sicherheit Deutschlands nicht von einander ziehen solte. Sintemahl auch die / welche die Tapfferkeit der Deutschen zu Eroberung der gantzen Welt fähig hielten / sie dennoch beschuldigten / daß ihre Versammlungen allzu langsam geschehen / und ihre Rathschläge allzu zwistig wären / das Verhängnüß hätte ihnen einen grössern Sieg verliehen / als iemahls ihr Wuntsch gewest wäre; bey ihnen stünde es nun sich desselbten zu ihrem Vortheil zu gebrauchen. Die grösten Helden hätten hierinnen verstoffen / und deßwegen ihre ersten Lorber-Kräntze sich hernach in traurige Cypressen verwandeln gesehen. Der sonst unvergleichliche Hannibal hätte zwar die Römer zu überwinden / auch in dem fruchtbaren Campanien des Sieges zu genüssen / nicht aber selbten ihm nütze zu machen gewüst. König Antiochus hätte in einem Winter sein sieghafft- und streitbares Heer bey seinem Hochzeit-Feyer zu Chalcis weibisch / und sein vorig gutes Glücke ihm zum Unsterne und Fallbrete gemacht. Uberdiß wäre es numehr Zeit die Römer in ihrem Eigenthume anzugreiffen. Denn es wäre ein Kennzeichen der Furcht / und ein Bekäntnüß / daß man seinem Feinde nicht gewachsen sey / wenn man selbten erwartet / und ihm nicht entgegen geht. Der hertzhaffte Pericles hätte aus diesem Absehen nicht zu Beschirmung[194] des Atheniensischen Gebietes / Hannibal nicht zu Verwahrung Hispaniens seine Waffen gebraucht / sondern jener hätte das feindliche Sparta /dieser Italien darmit angefallen. Die Römer wären dadurch so groß worden / daß sie ihren Feind allezeit im Hertzen angegriffen / und als gleich Hannibal noch in den Eingeweiden Italiens genaget / hätte doch Scipio eben so wol als der in Sicilien schier von den Mohren zur Verzweifelung gebrachte Agathocles das Haupt Carthago mit erwünschtem Ausschlage angefallen /weil die Africaner hierdurch frembde Herrschsucht zu vergessen / und ihres Vaterlandes eigenem Feuer zuzulauffen gezwungen worden. Hätte Darius des Memnons Rathe gefolget / und / an statt der ersten Schlacht / in Macedonien übergesetzt / wäre Alexandern in Persien der gantze Compaß verrückt worden. Nichts minder hätten die Römer wol Asiens vergessen / wenn Antiochus nach Hannibals Anschlage sie in der Schwäche ihres Italiens besprungen hätte. Eben so würden diese allgemeine Räuber der Welt in Deutschland weder Klaue / noch Fuß aufgesetzt haben / hätten die Deutschen nicht ihrer Vor-Eltern Fußstappen über die Alpen vergessen / welche in Deutschland so viel leichter ihre Waffen ausgebreitet / weil diß ihr Vaterland mit keinen Festungen / ausser denen von der Natur verliehenen Strömen und Gebürgen versorget gewest wäre. Bey welcher Beschaffenheit es die ärgste Gefahr nach sich ziehe / den Feind in seinem offenem Lande zu erwarten / welcher in einem verschlossenen freylich mehrmals von sich selbst zu Grunde gegangen wäre. Dannenher hielte er für rathsam / die erschrockenen Römer nach ihrem eigenen mehrmals glücklich-ausgeschlagenem Beyspiele selbst in dem ihrigen heimzusuchen / und dadurch denen Deutschen den beschwerlichen Dorn aus dem Fusse zu ziehen. Der Riese Antäus wäre auf seinem Grund und Boden unversehrlich gewest / weswegen ihn Hercules auf frembdes Gebiete hätte locken müssen. Mit den Römern aber hätte es das Widerspiel / welche in der Frembde Löwen / in ihrem Vaterlande Schaffe wären. Jederman pflichtete des Feldherrn Meinung bey / und fiel der Schluß dahin / daß Hertzog Ganasch und Melo über den Rhein setzen / Hertzog Catumer an der Donau sein Heil versuchen / Ingviomer aber dem Könige Marbod des Qvintilius Varus Kopf als ein Kennzeichen des so grossen Sieges überbringen / und selbtem zu einem Bindnüsse wider den allgemeinen Feind bewegen solte. Der Feldherr nam nebst dem Hertzoge der Catten inzwischen auf sich / denen innerlichen Kranckheiten Deutschlandes / nemlich dem eine zeither zwischen den Fürsten eingerissenen Mißtrauen abzuhelffen / und die alte Vertrauligkeit zu befestigen. Worzu seine beschlossene Heyrath iedermänniglich ein sehr heilsames Mittel zu seyn bedeuchtete /und daher derselben Vollziehung von den Fürsten und dem Volcke so begierig verlangt / als zu der herrlichen Ausrichtung alle mögliche Anstalt gemacht ward. Der Feldherr schrieb auch selbst mit eigner Hand an die Menapier und Eburoner: Es hätte das Verhängnüß ihnen numehro gleichsam den Himmel /die Erde und die Flüsse wieder eröfnet / welche ihnen die Römer zugesperret / daß sie nicht einmahl hätten zusammen kommen / und einander ihr Leid klagen /weniger über das gemeine Heil rathschlagen können. Nun wäre es die rechte Zeit / daß sie als ein zun Waffen gebohrnes Volck / welches zeither gleichsam nackt / und unter frembder Aufsicht sich hätte bücken müssen / selbte ihren erschlagenen Feinden wieder abnehmen. Es dörffe keines Fechtens mehr / sondern es sey nur noch übrig / daß sie der Römer leere Festungen / als die Kapzäune freyer Völcker / und die Ketten der Dienstbarkeit schleifften. Wäre ja irgendswo noch eine Handvoll Römer übrig / müsten sie selbte[195] zu erwürgen kein Erbarmnüß haben / weil zwischen herschsüchtigen und freyen Leuten keine Verträgligkeit / von ihnen aber als Nachbarn und Bluts-Verwandten nicht nur iederzeit auf den Fall der Noth genugsame Hülffe / sondern gar eine Macht /welche wie ihre Vor-Eltern mit ihnen in Italien zu brechen / und Rom zu zerstören / mächtig und behertzt wäre / zu hoffen sey. Inzwischen fing die frembde Königin / welche von der Fürstin Thußnelda für der Schlacht im Zweykampfe war zu Boden gefället worden / durch sorgfältige Wartung wieder an zu genesen. Wie nun Thusnelda / so bald sie die Beschaffenheit dieser überwundenen vernommen hatte /aus einer angebohrnen Guthertzigkeit mit ihr empfindliches Mitleiden trug / also unterließ sie nicht /alles ersiñliche fürzukehren / daß sie ihrem Stande gemäß / und nach Erheischung ihrer kummerhafften Beschaffenheit unterhalten würde. Sie erkundigte sich alle Tage mehr als einmahl ihrer Besserung bey ihrer Gefärthin / welche alsofort auch die Mannskleider von sich geworffen / und für ein Frauenzimmer sich zu erkennen gegeben hatte / als mit dieser Königin Falle auch ihre Heimligkeit offenbar worden war. So bald es nun die Erholung ihrer Kräffte / und der Königin gesuchte Erlaubung verstattete / hielt es die Fürstin Thußnelda und Ismene ihre Schuldigkeit zu seyn sie selbst heimzusuchen. Als sie nun einander ansichtig worden / überfiel eine iegliche so eine nachdrückliche Verwunderung über der andern ungemeinen Gestalt / daß weder eine noch die andere ihre entschlossene Gemüths-Meinung alsobald eröfnen konte. Thußnelde hatte ein wolgebildetes Antlitz / eine klare Haut / einen Blut-rothen allezeit lächelnden Mund /Himmel-blaue Augen / aus welchen die Freundligkeit selbst zu sehen schien / weisse kringlichte Haarlocken / welche über ihre Achseln und aufschwellenden Brüste spielten / und gleichsam mit einander / oder vielmehr selbst mit dem Schnee um den Vorzug ihrer Farbe strietten. Ihr Leib war lang und geschlang / ihre Geberden holdselig / welche mit ihrer Anmuth im ersten Anblicke gleichsam aller Anschauer Seelen bezauberten / und ihnen das Band der Zuneigung anschlingeten. Fast eben so war die Fürstin Ismene gebildet / auser / daß ihre Haare ein wenig Goldfärbicht / ihre Gebehrdung was mehr trauriger / oder vielmehr nachsinnend zu seyn schien. Die Königin war mehr rößlicht / ihre Haarlocken braun / ihre Augen groß und schwartz / und in steter Bewegung / welche unaufhörlich Strahlen als einen beweglichen Blitz von sich liessen / und die Lebhafftigkeit ihres Geistes andeuteten. Das Gesichte schien zwar etwas ernsthafft zu seyn / die Gebehrden aber vermischten selbtes mit einer durchdringenden Freundligkeit / also daß es schien / das Glücke hätte hier drey Muster einer unterschiedenen Schönheit mit Fleiß zusammen bringen /und dadurch so wol die Allmacht der Natur / welche dreyen gegen einander gesetzten Dingen einerley. Wunder und Würckungen einpflantzen könne / erhärten / als der Liebe einen Zanckapfel / wohin sie greiffen solle / aufwerffen wollen. Thußnelde färbte ihre Wangen mit einer züchtigen Scham-röthe / als sie durch ihre Verwunderung etwas ihre sonst fertige Zunge gehemmet empfandt / erholete sich aber bald wieder / umbarmte die Königin mit einer so beweglichen Anstellung / welche auch ohne einigen Wortes Ausdrückung ihr ihr hertzliches Mitleiden einredete. Diese erste Versicherung bekräfftigte sie mit durchdringenden Worten / daß sie ihre Wunden und Unglück in ihrer selbst eigenen Seele empfinde / und alle Kräfften ihres Gemüthes zu ihrer Genes- und Befreyung anzuwenden begierig wäre; und wormit sie solchen Unrechts-Verzeihung so viel leichter erlangen könte / hätte sie die Fürstin Ismene zu einer Vorbitterin vermocht. Die Königin[196] nam die Empfahung mit holdseligsten Gebehrden und verbindlichster Antwort auf / und betheuerte / sie wäre zu ohnmächtig so übermäßige Leutseligkeit und Wolthaten zu begreiffen. Ja sie könte nicht ergründen / wie zwey so grosse Heldinnen nicht die Gemeinschafft einer so unglücklichen Ausländerin verschmäheten / nach dem insgemein das Unglück nichts minder / als die Pest für anfällig gehalten würde. Wiewol sie sich numehr billich aus dem Register der Unglückseligen auszuleschen schuldig wäre / nach dem sie sich unter der gütigen Beschirmung solcher irrdischen Göttinnen befindete. Sie hätte besorgt in die Hände der rauhesten Völcker und grimmigsten Feinde verfallen zu seyn / so hätte sie in ihrer Gefangenschafft mehr Vergnügung / als in der Freyheit; in diesen kalten Nordländern mehr Feuer unverdienter Freundschafft und Gewogenheit gefunden /als in den warmen Morgenländern / oder in ihrem unbarmhertzigen Vaterlande bey Bluts-Verwandten anzutreffen wäre. Ob nun wol sonst bey derogleichen ersteren Zusammenkünfften man biß zu Ergründung ein- und andern Gemüthes gerne an sich hält / so kamen doch diese drey Fürstinnen einander so offenhertzig für / daß iede sich euserst bemühete / ihre aufrichtige Zuneigung in der andern Erkäntnüß fest einzudrücken. Worauf denn Thußnelde und Ismene für dißmal / weil die Königin sich noch schwach und bettlägerig befand / Abschied nahmen / und einander ihrer Begierde öffterer und fördersamer Wiederersehung vertrösteten. Sie war kaum in ihr Zimmer zurück kommen / als der Feldherr und Ingviomer bey ihr eintraten / und zwar dieser schon reisefertig / und von ihr Abschied zu nehmen / und zu der vorstehenden Verehligung mehr als tausendfaches Glück zu wüntschen. Thußnelde begegnete Ingviomern mit einer freundlichen Dancknehmung und zierlichem Glückwuntsche zu seiner so wichtigen Reise. Gegen dem Feldherrn aber vermochten Mund / Augen und Gebehrden nicht genungsam ihr Hertz auszuschütten. Nach unzehlbaren Liebes-Bezeigungen vergaß sie auch nicht der frembden Königin Lob aufs beste herauszustreichen / wordurch sie beym Feldherrn ein sonderlich Verlangen erweckte / sie zu schauen / und die von ihr gemuthmaste seltzame Begebnüsse zu erfahren. Dieses bewegte Thußnelden / daß sie bald folgenden Tages bey der Königin Verlaub sie zu besuchen / und den Feldherrn mitzubringen ausbat.


Die Königin / welche diese Ersuchung nicht allein für ein Glücke / sondern auch für eine Staffel zu ihrer Befreyung aufnahm / wolte ihr Erkäntnüß auch mit Ubernehmung ihrer Kräffte bestätigen; daher machte sie sich über Macht aus dem Bette / wormit sie dem Feldherrn und der in ihren Augen so lieben Thußnelde mit desto mehr Ehrerbietung begegnen könte. Sie lehnte sich auf die Achseln Saloninens / (also hieß die bey ihr befindliche Frau) um beyde an der Schwellen ihres Vorgemachs zu bewillkommen. Der Feldherr verwunderte sich über ihre Gestalt und Annehmligkeit / und befand beydes in größer Vollkommenheit / als Thußneldens Erzehlung ihm von ihr fürbilden können / weil doch kein Pinsel der Beredsamkeit eine vollkommene Schönheit so gut nachbilden kan / als das lebhaffte Bild sich in die Taffel des Auges eindrücket. Ja Thußnelde selbst hätte betheuert / daß entweder die Verminderung ihres Betrübnüsses / oder ihre aufrechte Darstellung des gantzen Leibes sie über Nacht um ein gutes Theil schöner gemacht hätte. Hertzog Herrmann bezeugte gegen sie alle ersinnliche Höfligkeit /und erlangte bey ihr den Ruhm / daß er nichts minder ein geschickter Hoffmann / als ein tapfferer Heerführer sey. Sie selbst nahm sich über der Besuchung des Feldherrn etlicher[197] massen einer Verwirrung an. Denn zuweilen ist diese beredsamer / als die zierlichste Rede das Erkäntnüß seines Gemüthes auszudrücken. Nach vielfältiger Abwechselung gegen einander betheuerter Verbindligkeiten / entschuldigte der Feldherr den ihr in dem Zweykampff zugestossenen Zufall / bat / sie möchte den Deutschen diese Unart nicht zutrauen / daß sie wider das Frauenzimmer vorsetzlich ihre Degen zückten. Die ungemeine Verstellung ihres Geschlechtes / oder vielmehr die eigenwillige Stürtzung in die Gefahr wäre dißmal die Ursache eines so schädlichen Fehlers gewest. Die Königin antwortete mit lächelndem Munde: So höre ich wol / der Feldherr halte die Tapfferkeit für eine dem Frauenzimmer unanständige Tugend / und die Waffen für eine ihrem Geschlechte nicht gewiedmete Waare. Hertzog Herrmann versetzte: Es hätten zwar beyde Geschlechte an allen Tugenden ihr Theil / und könten die Weiber auch wol gewisser massen und in etlichen Dingen ihre Hertzhaftigkeit bezeigen. Alleine / wie das weibliche Geschlechte gewisse Tugenden / als Keuschheit und Demuth / in ihrer Vollkommenheit zu voraus bekommen hätte / als hätte die Natur selbtes mit der Bürde der Waffen / als dem Eigenthume der Männer / verschonet. Der Königin stieg hierüber eine kleine Röthe ins Antlitz / und fing an: Sie wolte sich zu der Natur nicht versehen / daß sie dem Frauenzimmer ein so schlimmes Recht / und eine so ärgerliche Freyheit durch Entziehung der so herrlichen Tapfferkeit gegeben habe. Der Feldherr brach alsofort ein: Es wäre diß Kleinod ihnen nicht gar versagt / und bliebe / ausser dem Kriege / ihnen noch ein weites Feld übrig ihre Großmüthigkeit auszuüben. Welche ihre Keuschheit wider die Reitzungen der Wollust / wider den Glantz der blendenden Ehrsucht / wider den Donner angedräueter Schande / wider die Pfeile der Verläumbdung vertheidigen / welche das Band ihrer Liebe kein Ungewitter der Trübsal / keine frembde Ablockungen und Fürbildung güldener Berge / keine Widersinnligkeit ihres eigenen Geblütes / keine heimliche Verkleinerung / keine offentliche Verfolgung /keine Zeit und Abwesenheit vertilgen lassen / sondern den einmahl gefangenen reinen Zunder in ihrem Hertzen bewahrten; dieselbten übten sicherlich so grosse Heldenthaten aus / als kaum diese / die ein geharnischtes Krieges-Volck aus dem Felde schlügen / oder eine Festung eroberten. In seinen Augen sey Camme /des Fürsten in Galatien Sinnate Gemahlin eine grössere Heldin / daß sie den Sinorix für dem brennenden Altare / allwo sie sich diesem unkeuschen Meuchelmörder ihres Ehherrn solte verloben lassen /durch einen Gifft-Trunck des erblasten Geiste aufopffert / als der grosse Alexander / der die halbe Welt bemeistert. So könne auch eine Frau ihren grossen Geist in Rathschlägen / ihre Tapfferkeit in Anordnungen / ihre Ruhms-Begierde in Pracht der Gebäue schauen lassen. Livia sey Augustus tägliche Rathgeberin. Für nicht gar langer Zeit habe eine Königin Britannien glückselig beherrschet. Die höchste Wundersäule in Egypten sey ein Werck einer Königin. Mausolens Grab / welches die Künste aller Baumeister / die kostbaren Steinbrüche gantz Asiens erschöpffet; Die hängenden Gärte / die unvergleichlichen Mauren Babylons wären unvergeßliche Zeugnüsse der trefflichen Artemisie / und der grossen Semiramis. Ja dieser ihre Pracht hätte allen Glantz überstiegen / der einem Manne ie träumen können; als sie auf einem ihrer Sieges-Plätze ihr eine Ehren- und Gedächtnüß-Säule aus dem grossen Berge Bagistan hauen lassen. Die Königin brach ihm ein: Wol an dem! warum soll denn eine Frau mit dem Degen in der Faust ein Ungeheuer seyn? Warum soll ein Helm /oder ein Hut voll Federn sie mehr als die Schlangen das Haupt Medusens verstellen?[198] Ich bilde mir ein /daß das Schwerdt und Bogen der behertzten Thomiris / als sie des unersättlichen Cyrus Kopf in die Wanne voll Blut geworffen; daß der Spieß und die Sebel der grossen Semiramis / als sie alle königliche Zepter Asiens unter ihre Füsse trat / nicht so unanständlich gewesen sind. Auch düncket mich / daß Omphale /wenn ihr Hercules die Löwen-Haut umgegeben / nicht so sehr verstellet worden sey / als wenn er ihre Spindel genommen / oder Sardanapal Polster genehet /und Teppichte gestückt hat. Thußnelda fiel der Königin bey / und meldete / daß die Sitten Deutschlandes /welches iederzeit hertzhaffte Weiber mit in die Schlachten genommen / der Königin selbst das Wort redeten. Der Feldherr begegnete ihnen / er könte sie nicht verdencken / daß beyde ihre eigene und noch so frische Thaten vertheidigten; alleine die allgemeine Gewonheit / die mit der Natur in einem Alter wäre /hätte die Weiber zu häußlichen Sorgen / ja die Natur ihre Leibes-Beschaffenheit zum Kinder gebähren bestimmet. Die Fürstin Thußnelde wolte diesen Einwurff hintertreiben / die Königin aber fiel ihr in die Rede: Was höre ich? Haben diese zarten Glieder auch iemahls Waffen geführet? Thußnelde verstummte über dieser Frage / und gab mit ihrem bestürtzten Stillschweigen ihr eine verjahende / der Feldherr aber diese deutliche Antwort: Es wäre nicht anders / sie hätte mit in der Schlacht / und zwar zweyfach unglückselig gefochten / indem sie erstlich auf sie die Königin / hernach auf ihren eigenen Vater zu treffen kommen. Die Königin fing also fort an: Sie wüste nicht / ob sie es für Ernst oder Schertz annehmen solte / und ob Thußnelde der Ritter wäre / der sie überwunden hätte? Thußnelda fing säufzende an: Es wäre / leider! wol wahr / sie könte ihr zweyfach Unglück nicht läugnen / und ihre Beleidigung bey so einer holdreichen Königin nimmermehr genung abbitten. Aber sie hätte sich über sie keiner Uberwindung zu rühmen; denn sie wäre nicht durch ihrer Feindin Tapfferkeit / sondern durch einen blossen Fehltritt des Pferdes verunglückt. Kein Zufall aber vermöchte sich eines Sieges über ein Helden-Gemüthe zu rühmen. Die Königin umarmte und küste hierüber Thusnelden so empfindlich / daß sie daraus ihre hefftige Zuneigung allzugewiß warnehmen konte. Ich erfreue mich /rief sie / daß ich von einer solchen Göttin überwunden worden. Und was meinet nun der Feldherr / verstattet ihm die Sitten seines Vaterlandes / erlaubet ihm seine Liebe einer solchen Heldin den Gebrauch der Waffen abzuerkennen? Ich gebe gerne nach / daß nicht alleine die niedrigen Seelen ihr Hauß versorgen / sondern auch die geistigen ein Auge darauf haben sollen. Aber Häußligkeit und Tugend stehet so wol neben einander / als die streitbaren Amazonen aus der lincken Brust die Kinder säugten / und / wo die rechte gestanden /den Bogen ansetzten / welche sie mit mehrerm Ruhm weggebrennet / als die thun / welche dem weiblichen Geschlechte die Waffen nehmen / das ist / ihnen das Hertz aus dem Leibe reissen / und die Hände von Armen hauen. Hertzog Herrmann erklärte sich hierauf: Es wäre seine Meinung nicht alle streitbare Frauen in die Acht zu erklären / oder daß keine zu den Waffen geschickt wäre / ihm träumen zu lassen. Des letztern Irrthums würden ihn beyde anwesende Heldinnen überführen / und durch das erstere müste er manches Reich vieler Siege und seiner Wohlfarth berauben. Allein es wäre gleichwol eine seltene Begebenheit / daß ein Frauenzimmer mit einem so unerschrockenen Geiste / mit einem anständigen Eyfer /und demselben Feuer / welches einen Helden oftmals /besonders in grossen Gefährligkeiten / auser ihm selbst und über die Schrancken sterblicher Entschlüssungen versetzen müsse / versorget sey. Daher müste man aus einer Schwalbe keinen Sommer / und aus[199] wenigen Beyspielen kein Gesetze machen / welches dem weiblichen Geschlechte ohne Unterscheid die Waffen in die Hand gebe. Nein / nein / großmüthiger Feldherr / brach die Königin heraus / wir lassen uns damit nicht besänfftigen / daß er gegen uns zwey ein Auge zudrücken / unserm Geschlechte aber die gantze Sache abzusprechen vermeinet. Sintemal die kriegerischen Amazonen gantze Länder angefüllet / die sie denen sonst so streitbaren Scythen abgeschlagen. Ich gebe gerne nach / daß die Großmütigkeit eine feurige Tugend sey / welche sich über die gemeinen empor schwinge / und die Ehre zu ihrem Augenziel habe. Warum aber soll das weibliche Gesichte nicht auch ihr Hertze zu diesem Gestirne tragen? Die Rennebahn der Ehre und Erbarkeit stehet uns so weit offen / als den Männern / und ich weiß nicht / wer uns allein hier solte Fuß-Eisen gelegt haben. Wir finden in allen Geschichten eine frische Spur hiervon / daß Weiber-Lust und Nutzen auser Augen gesetzt / durch Dörner und Steinklüfften / durch Flammen und Rad nicht nur nach Ehre / sondern wol oft nach einem blossen Schatten derselben gerennet / wenn sie das Glück und seine Geschencke aus einer gefasten Liebe mit Füssen von sich gestossen / Kron und Zepter / um ihr Wort zu halten / verschmähet / dem Hencker den Nacken geboten / ehe sie was verkleinerlichs eingegangen /ihren frischen Leib lieber auf dem Holtzstosse ihrer Männer verbrennet / als die Schande der Wanckelmuth auf sich kleben lassen wollen. Ich gestehe es /die Großmüthigkeit erfordere ein tiefsinniges Nachdenken / und ein verschmitztes Urthel. Aber ich habe noch nicht gehöret / daß der Unterschied des Geschlechtes die Kräfften der Seelen unterscheide. Findet man Weiber / derer Geist sich nicht weit über die Erde schwingen kan / so sind auch nicht alle Männer gantz himmlisch / und in beyden ist oft nicht ein Funcken dieses herrlichen Lichts / welches den Nebel der Irrthümer niederschläget / nicht ein Sonnenstaub warhaffter Klugheit / die die irrdischen Schwachheiten unterdrücken kan. Es ist auch auser Zweifel / daß diese Liebe der Ehre / dieser Verstand etwas fürtreffliches zu erkiesen durch ein absonderliches / und andern gemeinen Tugenden nicht gemeines Feuer erleuchtet werden muß / welches den Menschen über sein eigenes Wesen erhöhet / welches ihm den Reitz aller Wollust tilget / die Empfindligkeit aller Schmertzen benimmt / die Furcht aller Schande und des Todes zernichtet / ja die Unmögligkeit selbst für eine Bländung der Zagheit hält. Wer aber unterwindet sich diese Entzückung des Geistes unserm Geschlechte strittig zu machen? Wenn Clelie über die Tyber schwimmet / und in ein feindliches Läger einbricht; wenn Lucretie lieber ihre Brüste mit ihrem eignen Blute / als ihren Nahmen mit Unehre besudelt / wenn eine andere lieber sich vom Hencker erwürgen / als ihre Keuschheit beflecken läst; wenn eine Mutter lieber ihre Kinder zerfleischet / und auf glüende Röste leget / als in Aber glauben versincken läst; wenn eine Tochter den von Blut und Gehirne trieffenden Stein /der das Haupt ihrer Mutter zerschmettert / den Feinden auf den Hals weltzet; wenn eine Frau das Mordschwerdt aus den Därmern ihres Ehemannes zeucht /und statt der Thränen und Wehmuth das Blut seiner Feinde verspritzet und Rache ausübet; wenn die ergrimmte Semiramis ihre halbgeflochtene Haare so lange unausgeputzt hängen läst / biß sie ihre auffrührische Unterthanen zu Gehorsam bracht; wenn eine andere ihr Hembde auszuwechseln verschweret / biß sie eine Festung erobert und ihres Gelübdes sich loß gemacht. Für was will es der Feldherr halten? Will er es nicht für einen großmüthigen Eyfer / für eine Entzückung eines auser sich gelassenen Geistes gelten lassen? Der Feldherr ward hierdurch bezwungen der Königin recht zu geben.[200] Alleine / sagt er / es gehet noch eines ab / so wohl ihrer Erzehlung / als dem weiblichen Geschlechte / welches zu glücklicher Ausübung der Waffen und Tapfferkeit nöthig ist. Ich wolte es leicht errathen / fiel die Königin ihm ein /daß der Feldherr die uns insgemein vorgerückten Gebrechen / nehmlich die Schwäche und Zärtligkeit unser Glieder / und die übermäßige Feuchtigkeit unsers Leibes meine; welche uns so wohl an Ausübung nöthiger Kräfften / als an Geschwindigkeit der Bewegung hindern sollen. Der Feldherr muste gestehen /daß sie es getroffen. Denn / sagte er / man hat scheinbare Merckmahle / daß die Tauben so zornig und so kühn als die Adler sind; daß in Hermelinen so viel Tugend und Hertzhafftigkeit zu sterben / als kaum in Löwen stecke. Gleichwohl aber stehet die Ohnmacht ihrer Kräffte / der Mangel der Klauen ihnen im Wege / daß sie nicht unter die kriegerischen Thiere können gerechnet werden. Dahero / im fall sich meine offenhertzige Freyheit keines Anstosses zu besorgen / und insonderheit von zweyen Fürstinnen / welche als sonderbare Wunderwercke alle Tugenden unsers / und keine Schwachheiten ihres Geschlechts an sich haben / keiner Empfindligkeit zu besorgen hat / unterwinde ich mich meine Meinung nicht zu verhelen / daß das Frauenzimmer / welches nichts als Zibeth und Ambra zu rüchen gewohnt / den Staub in Schlachten nicht vertragen; daß Hände / welche niemahls aus den ausgebisamten Handschuhen / und in kein kaltes Wasser kommen / schwerlich eine strenge Klinge führen / und mit dem Wurff-Spiesse spielen; daß ein Haupt / welches unter Seide geschwitzet / und sich unter einem Pusch Blumen gebeuget / schwerlich einen stählernen Helm tragen; daß ein Leib / welchen eine kühle Lufft / oder ein Sonnen-Strahl beleidigt / weder die rauhen Winde / noch die Hitze eines blutigen Kampffs vertragen könne. Die weichen Lilgen ihrer zarten Brüste wären nicht geschickt / die Amboß-Stösse der Streithämmer und Lantzen zu vertragen / noch die Bürde ihres Unterleibs ohne Bügel auff und von den raschen Pferden zu springen. So höre ich wohl / brach die Königin ein / der Feldherr wil etlicher Pulster-Töchter schlimme Sitten für eine unserm Geschlechte angebohrne Unartverkauffen / und diß / was eine wollüstige Aufferziehung / oder böse Gewonheiten verstellet /zu Mißgeburten machen. Das meiste fürgerückte sind Gebrechen der Aufferziehung / nicht der Natur. Und man hat mehr als einen Sardanapal gefunden / der nie aus dem Frauen-Zimmer kommen / der mit seinen Beyschläfferinnen sich Tag und Nacht auff dem mit Zobeln belegten Fußboden herum geweltzet / der keine Speise ohne Ambra gegessen / der ihm selbst Bisam-Suppen gekochet / der einen Seidenstücker abgegeben / ja der sich selbst zum Weibe gemacht / und einem Ausgeschnittenen verheyrathet / der auff die Natur und seine Mutter sich erboset / daß sie an ihm einen Mann gebohren / welcher nicht im Huren-Hause sich öffentlich feil zu haben fähig sey. Solte man aber dieser Wechselbälge halber das gantze Männliche Geschlechte verkleinern? Unsere Leibes-Beschaffenheit soll ja etwas wässerichter / als der Männer seyn; aber deßwegen sind die Flügel unserer Seele / welche eben so wohl vom Himmel entsprungen / und feuriger Art ist / in keinen so zähen Schlamm eingetauchet / daß sie sich nicht von dem Wuste der Erden / und über die Dünste des niedrigen Pöfels empor schwingen könte /noch auch der Leib so faul und zu ritterlichen Ubungen / insonderheit zum Reiten gantz ungeschickt wäre. Wormit hätte sonst Cloelia und Valeria ein zu Pferde sitzendes Ehrenbild / welches der Freyheitsgeber Brutus nicht erlangt hat / erworben? Ich erinnere mich / daß mein Lehrmeister Dionysius Periegetes mir einst aus dem göttlichen Plato diesen Trost fürgelesen / daß / wenn der Weiber weichliche Feuchtigkeit durch mäßige Bewegungen ausgetrocknet[201] würde / erlange ihr Leib vom Feuer und Wasser eine viel vollkommenere Vermischung. Ihre Leiber würden stärcker und geschwinder / und derselben Bewegung wäre ungezwungener und tauerhafftiger / als der Männer. Dieses bestärckte er ferner dadurch / daß alle weibliche Raub-Vögel mit ihrem geschwinden Fluge alle andere kriegrische Thiere im Lauffe / und beyde im hitzigen Kämpffen die Männlichen übertreffen. Ja ich setze unserm Lobe sonder Eigenruhm bey / daß Löwen / Tiger und Adler männlicher Art nicht so wohl aus einem hertzhafften Triebe / als aus Hunger /nicht wegen eines rühmlichen Absehens / sondern nur wegen des Raubes mit einer blinden Ungestüm / die weiblichen aber aus einer viel edlern Regung / zu ihrem Ruhme / für Erhaltung ihrer Jungen / und mit einem beständigern Nachdrucke kämpffen / auch sich weder Flammen nach Stahl von ihrer schuldigen Beschirmung abschrecken lassen. Die weiblichen Kräuter und Bäume sind auch zum Theil kräfftiger / als die andern. Die männliche Muscaten-Nuß ist zwar grösser und länger / aber sie hat viel weniger Krafft / als die weiblichen / und unsere Art Palmen werden in gewissen Fällen für den männlichen zu Siegs-Kräntzen genommen. Die freudige Thußnelde hörte dieser Schutzrede mit Lust zu / und ward ermuntert selbter anzuhängen: Warum wirfft man uns nicht auch für /daß kein Weibsbild iemahl zugleich linck und rechts /noch / wie die Männer insgemein / auff die Glieder der rechten Seiten stärcker / als an der lincken sind? daß wir eh als sie veralten sollen? und andere uns angetichtete Schwachheiten? Welche wir aber als der Großmüthigkeit nichts benehmende Gebrechen ohne unsere Verkleinerung leicht enthängen könten. Denn auch die äusserlichen Leibs-Kräfften sind nicht nach der Elle der Glieder abzumessen / sondern wie es nicht genug ist / daß die Natur dem Stahle solche Härte gegeben / es muß selbten allererst das Feuer glüend / der Schleiffstein spitzig und zum Degen machen; also müssen Armen Und Schenckel von der Hitze des Geblüts / und von einer mäßigen Ergiessung der Galle / als der letzten Anfeuchtung wackerer Leute / und dem Wetzsteine der Stärcke beselet werden. Dahero / weil dieser natürliche Zunder eine heimliche Abscheu von Riesen-Knochen hat / findet man in so schwämmichten Menschen / welche dem Ansehen nach Thürme feil tragen möchten / weder Geschicke noch Beregligkeit / wie ich selbst zu Rom am Pusion und Secundellen wahrgenommen / derer zwar eilff und einen halben Fuß lange / aber zugleich baufällige Cörper der Käyser nach ihrem frühen Tode in die Salustischen Gärte begraben ließ. Und weiß ich diese ungeheuere / aber geistleere Geschöpffe nicht besser / als denen Gebäuen zu vergleichen / die von aussen das Ansehen einer Königlichen Burg / innwendig aber Winckel an statt der Zimmer haben. Hingegen hat die niedrige Balsam-Staude mehr Krafft in sich / als die lang-hälsichte Fichte. Das kleine in der Serischen Landschafft Kingcheu wachsende Kraut von tausend Jahren dauret länger / als die Himmel-hohen Cedern / denen doch kein Blat abfällt / die kein Wurm anbeist / indem jenes nimmermehr verdorret. Nun ist das in etlicher Augen so klein scheinende weibliche Geschlechte ja nicht unter die Thiere zu rechnen / welche keine Galle haben / sondern man eignet ihnen hiervon zuweilen auch eine Ubermasse zu. Weniger fleust von einem edlen Stamme die Blüthe des guten Geblüts nur auff die männlichen Zweige / also daß die Hefenden Töchtern übrig bleiben / sondern es wallet die angebohrne Tapfferkeit so wohl in diesen als jenen Adern. Der Granatapffel-Baum trägt so wenig Blüthen ohne Purpur / als Früchte sonder Kronen; also wird auff die Töchter so wohl / als ihre Brüder das hohe Geblüte und der Adel fortgepflantzet. Und alle Helden der Welt haben noch unter den[202] Hertzen der Frauen gelegen. Suchen wir aber das Gestirne dieser unbegreifflichen Tugend in seinem eigenthümlichen Himmels-Zirckel / und diese Blume so wohl unsers / als euren Geschlechtes auff ihren eigenen Stengel / müssen wir nicht die Asche des stinckenden Leibes / noch den Schimmel der faulenden Glieder durchscharren / sondern / weil die Großmüthigkeit eine Lebhafftigkeit des Geistes ist / und ihren Ursprung und Sitz in dem Hertzen hat / müssen wir sie nach der Eigenschafft ihrer hi lischen Wohnstatt urtheilen / und ihr ein Ziel nach dem Maßstabe der unumschräncklichen Seele ausstecken. Diese erscheint zum ersten auff den Kampffplatz / und zeucht am letzten davon ab. Diese verwendet kein Auge /wenn schon der Blitz mit Donnerkeilen um ihr Haupt spielet / oder ihr der Himmel auff den Hals fällt. Diese sieget auch mit zerschmetterten Gliedern / und in dem Staube des Todes. Ist aber wohl das Hertze der Mäñer von anderm Talg als das unsrige? Hat eure Seele einen andern Schöpffer / als wir? Sind alle großmüthige Helden aus dem Geschlecht der Riesen entsprossen? Haben sie alle Armen aus Stahl / und Schenckel aus Marmel gehabt? Bestehet die Tapfferkeit am Ausreissen der Bäume / und Versetzen der Berge? Nein sicher! Junius Valens / welchen ich Pferd und Wagen mit einer Hand anhalten gesehen; Rusticellus / der seinen Maulesel mit einer Hand empor hob; Milo / dem kein Mensch einen Finger beugen konte / werden von mir nicht in die Schau-Bühne der Helden gesetzt. Hingegen sind die / welche die Welt bemeistert / keine ertztene Colossen gewest. Den itzigen Kayser würde niemand seine Thaten an der Grösse / welcher nach des Julius Marathus genommenem Maaße nicht länger / als fünff Füße und ein drittel ist / anschauen. Die auch itzt die Römer geschlagen / den Varus erlegt / die deutsche Freyheit erhalten / sind keine Cyclopen / deren Daumen von Satyren mit Stengeln ausgemessen werden könten. Im Fall aber ja unsere Leibes-Schwäche und Zärtligkeit der Glieder eine Hinderniß der Tapfferkeit / und ein Fehler unsers Geschlechts seyn soll / wird man uns zuversichtlich das Recht zu den Waffen nicht gar absprechen / sondern vielmehr nicht ausser Augen setzen können: Daß auch die Sonne nicht ohne Finsterniß / kein Demant ohne Mangel / keine Rose ohne Dornen sey. Die Königin fiel Thußnelden mit einer ernsthafften Anmuth in die Rede / und meinte: Sie hätte ihrem Geschlechte zum Nachtheil allzuviel nachgegeben; sintemahl es dem Frauenzimmer mehr zum Ruhm als zur Schande gereichte / daß es mit so schwachen Gliedern Helden- und Riesenwercke ausübte. Wäre also ihre Schwachheit denselben Maalen zu vergleichen / welche durch ihren schwartzen Gegensatz den Glantz einer schneeweissen Schönheit erhöheten. Oder es hätte die Natur ihnen diesen Gebrechen mit sonderbarem Fleiß / und zu ihrem Besten angehengt / wormit nehmlich der Neid hieran etwas zu käuen / das männliche Geschlechte aber mit ihnen zu eyvern nicht noch grössere Ursach habe. Der Feldherr konte sich länger des Lachens nicht enthalten / sagende: Er sehe wohl / daß er auff eine so tieffsinnige Beredsamkeit verfallen wäre / welche auch der Warheit abgewinnen könte / und wäre er nur zu vernehmen begierig: Ob sie auch die durch Mißbräuche angenommene Zärtligkeiten des Frauenzimmers heraus zu streichen / und ihr Wort zu reden auff sich nehmen würde. Die Königin verwechselte diesen Schertz mit einem andern / und fing an: So wenig die Heßligkeit schön / und der Irrthum zur Warheit würde / wenn man jene schon in Güldenstücke kleidete / dieser aber eitel Centner-Worte zulegte / so wenig traute sie des Feldherrn Höffligkeit zu / daß er zwischen des Frauenzimmers Rein- und Gemächligkeit / und den Waffen keine Gemeinschafft dulden könte. Die Tugend sey der Wollust[203] selbst nicht so feind / als die Feinde des unschuldigen Epicurus gerne wolten / von denen sie sich wunderte / daß sie nicht den Schöpffer der Welt meisterten / weil er nicht den gantzen Erdkreiß entweder unter dem frostigen Bär / oder unter den alles versengenden Hund-Stern gesetzet / oder daß er es nicht allezeit Winter seyn / und statt der Rosen Disteln / statt des Weines Schleen / statt der Granaten Holtzäpffel wachsen habe lassen. Der Tapfferkeit Absehen ziele allezeit auff den Sieg / dieser aber wäre von der Ergetzligkeit unabtrennlich. Es hätten weder für Alters / noch heute zu Tage nur diese Schlachten gewonnen / und Städte erobert / welche Hände wie Horn / und Gesichter wie Löwen gehabt / welche die Sonnen-Hitze ausgetrocknet / und die Kälte abgehärtet habe. Die alten Persier wären die grösten Zärtlinge / aber die hertzhafftesten Uberwinder anderer Völcker gewest. Die Helden / welche bey Marathon des gantzen Asiens Kräffte erlegt / hätten eitel gekräuselte Haare / eingebalsamte Leiber / und seidene Röcke angehabt. Der grosse Alexander hätte mehrmahls in allen Wollüsten sich gebadet / auff einmahl vier hundert Heerführer auff güldenen Sesseln und auffgebreitetem Purper gespeiset / und bey dem Grabe des weisen Alanus denen / die am meisten trincken würden /ansehnliche Preiße auffgesetzt. Der berühmte Weltweise Xenocrates hätte durch seinen Sieg im Trincken eine vom Dionysius auffgesetzte güldene Krone erworben. Die klugen Könige der Egyptier hätten ihren Gemahlinnen der Stadt Antylla Einkünffte zu Zierrathen ihrer Gürtel gewidmet. Ihm selbst nicht gram /und gleichwohl hertzhafft seyn / seiner Gelegenheit /und gleichwohl der Waffen pflegen / könte so wohl bey einander stehen / als die Rose bey den Dornen /als das Honig bey dem Stachel der Bienen. Warum solten die nutzbaren Früchte / die annehmlichen Blätter an den Bäumen / die Tugend ihren Firnß die Anmuth hassen? Das Hertze selbst / der Sitz der Tapfferkeit wäre beynahe das weicheste Glied am Menschen /dessen Fleisch keine Spann-Adern und Knochen / weniger Klauen noch Zähne hätte. Diesem nach liesse sie ihr nicht ausreden: Es könne sich ein Helden-Geist eben so wohl mit einem zarten Leibe vertragen / als ein schneidentes Schwerdt in eine Sammtene Scheide stecken; Es möge ein Sieger seine Hände wohl in rüchende Handschuch stecken / und ein Uberwinder der Welt unter einem Goldgestückten Zelte seyn. Mit einem Worte: Mich dünckt / die Tugend könne die Wollust zwar nicht zu ihrer Hofmeisterin / wohl aber zu ihrer Gespielin vertragen / und sie sehe sauer /wenn man sie gar zur Magd / oder zum Scheusale machen wil.

Der Feldherr ward ie länger ie mehr verwundernd über dieser Königin tieffsinnigen Schlüssen / und derselben artiger Ausdrückung; gab daher gegen ihr zu verstehen / er gäbe ihr in alle wege Beyfall / daß die Tapfferkeit nicht eben rauh und wilde seyn / Eicheln oder rohes Fleisch essen / unter freyem Himmel oder auff stets umirrenden Wagen wohnen / aus Ochsen-Häuten Häuser bauen / nackt oder in Hanffenen Kitteln gehen müße; Sondern die Tugend könne gar wohl ihrer Gelegenheit pflegen / das Frauenzimmer sich ihrer Tugend anmassen. Alleine die Erfahrung habe leider gewiesen / daß die zuläßliche Beqvemligkeit leicht aus dem Geschirre schlage / die Ergetzung sich in eine häßliche Uppigkeit verwandele. Die Gewächse / welche in Nesseln sich lange hielten / verfaulten alsobald in Blumen. Griechenland wäre an Witz und Großmüthigkeit allen Völckern überlegen gewest / biß ihre Ordnung zum Uberfluße / der Uberfluß zur Wollust / die Wollust zum Laster worden wäre; Und des Aristophanes in einem Schauspiele fürgestellte Frösche / oder des Sophocles Antigone mehr / als der Krieg wider den Xerxes kostete. Die Gallier solten für Zeiten[204] hertzhaffter als wir Deutschen gewesen seyn / welches daher glaublich schiene / daß die Helvetier sich zwischen dem Rhein und Mayn / die Bojen aber in dem Hercinischen Walde niedergelassen / und die Deutschen überwältigt hätten. Es hätte sie aber ihr Reichthum unbewehrt gemacht / und ihr Wolleben sie so verzärtelt / daß die Römer / welche schon einmal mit uns Deutschen angebunden hatten / es ihnen für Schande hielten / wenn sie wolten wider die weibischen Gallier geführet werden. Dahero die verschmitzten Römer durch ein besonderes Kunststücke mehr Völcker durch angewöhnte Wollüste / durch Einführung warmer Bäder / durch Bauung kostbarer Lustgärte / durch Anrichtung prächtiger Gastmahle / durch Fürstellung lustiger Schauspiele / als mit ihren Waffen unters Joch gebracht. Sintemal die groben geschwinder geritten sind; durch Wollüste aber gewohnt man ehe der Ruhe und des Müssiggangs. Hingegen hat die unbändigen Scythen ihre rauhe Art so viel tausend Jahr wider den mächtigen Vexoris / wider den gewaltigen Cyrus /wider den grossen Alexander erhalten / und an sie fast alleine haben sich die stoltzen Römer noch nie gewagt. Ihre Einfalt oder Ungeschickligkeit hat ihnen den Schatz des Goldes / die Geschickligkeit der Künste / zugleich aber viel schädliche Laster wolgesitteter Völcker verborgen. Diese Unwissenheit aber hat ihnen mehr gefruchtet / als andern die Wissenschafft der Tugend. Ja ihnen und uns sind zu selbsteigener Erhaltung die unschuldigen Sitten nützlicher gewest /als den Griechen und Römern ihre heilsame Gesetze. So lange in Deutschland keine andere Schauspiele gewesen / als da die nacketen Jünglinge über blosse Degen und Spiesse sprangen / und dafür keine andere Belohnung / als das Wolgefallen du Zuschauer suchten / hat kein Deutscher einen Römer gefürchtet /noch die Begierden sie ihnen zinß- und dienstbar gemacht. Nun aber kan ich meine selbsteigene Schande nicht verschweigen / daß ich unter ihnen Kriegs-Sold verdienet.

Der Feldherr hätte noch länger geredet / wenn nicht Adgandester / sein geheimster Rath / ins Gemach kommen / und ihm die Ankunft eines Gesandten von Gottwalden / einem Hertzoge der an der Weichsel und dem Baltischen Meere gelegener Gothonen angemeldet / und zugleich andere geheime Schreiben abgegeben hätte. Diese aber nöthigten ihn von der Königin höflichen Abschied zu nehmen / und weil allbereit die Demmerung einbrach / seine wunderschöne Braut wider auf ihr Zimmer zu begleiten.

Folgenden Morgen hielt der Feldherr mit anbrechendem Tage Fürsten-Rath / die Königin aber ließ Thußnelden vermelden: Sie hätte auf ihr annehmliches Gespräche so wol geruhet / und darvon so viel Kräfften empfunden / daß sie ihr in ihrem Zimmer aufzuwarten mächtig und begierig wäre. Thußnelde beantwortete ihren Edel-Knaben / derer etliche der Catten Hertzog aus seinen Gefangenen sie wieder zu bedienen loßgelassen hatte: Es wäre zwar ihre selbsteigene Pflicht sich in der Königin Zimmer einzufinden / doch wolte sie lieber etwas ihrer Höfligkeit abbrechen / als dem zuentbotenen Befehl widerstreben. Sie erwartete also höchstbegierig die Gelegenheit ihr die Hände zu küssen. Ismene fand inzwischen sich auch bey Thußnelden ein. Bey erfolgender Zusammenkunft umbfingen diese drey Heldinnen einander mit einer so grossen Verträuligkeit / als wenn sie nicht alleine vieljährige Freundschafft mit einander verknüpft /sondern auch selbst das Geblüte zusammen verbunden hätte. Thußnelde hatte für die Königin und ihre Gefertin Salonine alsofort / weil so wol ihre Sprache als Leute / daß sie eine Morgenländerin wäre / kund gemacht hatten / von Persischen Teppichten ein ihrer Landes-Art und Bequemligkeit dienendes Bette aufputzen lassen / für sich und Ißmenen aber zwey Helffenbeinene[205] Stüle nach deutscher Art behalten. Diese Anstalt machte der Königin alsofort ein Nachdencken / und nach dem sie eine Weile von des vorigen Tages Gesprächen geredet / des Feldherrn Tugenden und Höfligkeit überaus heraus gestrichen / und seinetwegen Thußneldens Glückseligkeit gepriesen hatte /fragte sie Thußnelden: Wie sie darzu käme / daß sie ihr einen in diesen Ländern so frembden Sitz zubereitet hätte? Thußnelde antwortete: Sie stünde in denen Gedancken / daß die von Kind-an gewohnte väterliche Sitten zur Gemächligkeit am dienlichsten wären. Wie / sagte die Königin / woher wissen sie denn mein Vaterland? Thußnelde lächelte / und fing an: Es hat mirs nicht allein die Sprache zum theil verrathen / daß sie eine Morgenländerin sey / sondern mein Fürwitz /oder / wahrer zu sagen / meine zu ihr tragende Zuneigung haben bey mir eine ungemeine Sorgfalt erwecket / mich nicht allein umb ihren Ursprung / sondern auch gantzen Zustand zu bekümmern. Von dem erstern hätte sie etwas muthmaßliches / von dem letztern aber gar nichts ergründen können. Die Königin bemühete sich diese so geneigte. Erklärung mit einer empfindlichen Dancksagung zu beehren / und zu vermelden: Sie könte nicht umbstehen / daß sie eine Morgenländerin wäre / ihr Lebenslauff aber hätte so viel Bitterkeit an sich / daß auch dessen blosse Wissenschafft mitleidentlichen Seelen schmertzhafte Empfindligkeit zu erwecken mächtig wäre. Thußnelde begegnete ihr: Sie hielte dafür / daß wie etliche Früchte eine annehmliche Säuere / also das Mitleiden über dem Leiden der Tugend eine durchdringende Anmuth habe. Und die erwähnten Unglücks-Fälle wären eben ein gewisses Merckmal so wol ihrer Tugenden / welche in so kurtzer Zeit aller Gemüther an sich gezogen hätten / als der hohen Ankunft. Denn es hätte das Verhängnüß entweder seine Lust / oder ein den Leidenden zum besten zielendes Absehen / nichts weniger das Glücke hoher Geblüts-Personen / als den Glantz nur der zwey grossen / nicht der kleiner Himmels-Lichter zu verfinstern. Dieses Ungewitter treffe noch darzu öfter die Tugend- als Lasterhaften; nicht anders / als der Blitz mehrmals in Kirchen / als Huren-Häuser /die Schlossen den Weitzen / nicht das Unkraut niederschlügen. Denen See-Räubern diente wohl eh eine Steinklippe zur Windstille / an der ein Heiliger gescheitert hätte. Die Königin fing an inniglich zu seufzen: Ja / sagte sie / ich habe es / leider / allzusehr erfahren / daß die Unschuld nicht selten Ketten und Bande schleppen / die Tugend auf dem Blut-Gerüste vergehen müsse / wenn die Boßheit auf Rosen geht /und ein Wüterich den Königlichen Stul einni t. Ach! aber / auf was für Schwachheit verleitet mich meine Ungedult? Wer wider sein Unglück murret / geust in das / was er gerne ausleschen sehe / nur Oel. Wer mit den Schickungen des Verhängnüsses nicht zu frieden ist / entfrembdet sich von den Göttern / suchet sich in sich selbst / und verlieret sich darüber. Er schleppet die Kette seines Ungemachs mit grosser Beschwerligkeit nach sich / die er viel leichter tragen könte. Ißmenen wurden hierüber die Augen nichts minder / als der Königin / wäßricht / und fing sie an: Es wäre wahr /daß / wer die Gedult in seinem Hertzen behielte /wenn ihn das Unglück gleich aller Güter beraubete /dörfte sich über keinen Verlust beschweren. Sie wäre das Oel / welches alle Hertzens-Wunden heilte / und der köstliche Balsam / welcher auch die halbtodten wieder beseelte. Ja / sagte Erato / diese ohmächtige Tugend hat mich wider das Ungeheuer der Verzweifelung kräftiger / als Perseus Andromeden für dem grausamen Meer-Wunder vertheidiget; und da der Himmel selbst mich zu zermalmen gedräuet / hat mir die Hoffnung stets ein gut Hertze gemacht: Wenn es das Ansehen gewonnen / als wenn das Verhängnüß mich nur deswegen nicht tödtete / weil es mein ängstiges Leben zu einem ärgern Ubel aufhübe / hat das Vertrauen auf die Göttliche[206] Weissagungen mich doch iederzeit aufgerichtet. Diesemnach ich denn gerne eine Beypflichterin der Elpistischen Weisen zu seyn gestehe / welche die Hoffnung für das höchste Gut hielten /und sonder diese das Elend des Lebens für unerträglich; hingegen derselben Meynung als irrig verwerffe /die auch das vollkommenste Gut / das nicht gegenwärtig ist / für kein Gut halten / weil es allererst kommen soll. Weswegen ich zu Athen in dem Tempel des guten Glückes für dem Bilde der Hoffnung sieben Tage lang meine Andacht verrichtete. Dieses Heiligthum ist wegen des von dem Bupalus aus Marmel gehauenen / die Erdkugel auf dem Haupte / und der Amalthee Horn in der Hand haltenden Glücks-Bildes sehr berühmt / in welches sich ein Griechischer Jüngling so sehr verliebt / daß / als er dessen von dem Rathe zu Athen nicht umb groß Geld habhafft werden konte /nach dessen Bekräntz- und vieler Thränen Vergiessung selbtes umbarmende sich tödtete. Weil nun das Bild der Hoffnung und ihr Altar nahe darbey stand /ward diese von allen / die das Glücke anbeteten / ebensfalls verehret. Auf allen vier Seiten des Altar-Fusses sind so viel Wachs-Taffeln / darein die Betenden mit einem Griffel ihre Wüntsche und Gelübde zu schreiben pflegen. Den sechsten Tag fand ich darinn diese Reime gekritzelt:


Welch Wahnwitz zündet hier der Hoffnung Weyrauch an?

Die nur die Hungrigen aus leeren Schüsseln speist /

Ein Traum der Machenden / ein Schatz der Armen heist /

Weil sie mit ihrem Nichts die Einfalt bländen kan.


Was hilfst' s / daß sie mit Noth das Leben uns noch läst?

Wenn sie sich gegen ihn als einen Hencker zeugt /

Durch Schatten / Rauch und Wind Begierd und Wuntsch betreugt /

Ja mehrmals in ein Horn mit unserm Unglück bläst.


Ich entsetzte mich über dieser verzweifelten Schändung derselben Gottheit / welche ich als meinen einigen Glücks-Stern / wie die Afrikanischen Ziegen den aufgehenden Hunds-Stern verehrte. Diesemnach ich aus einem Andachts Eifer wider den verzweifelnden Wallfarther mit folgenden Zeilen meine Rachgier ausließ:


Welch Unmensch ist / der nicht der Hoffnung Weyrauch schenckt?

Die doch des Landmanns Pflug / des Schiffers Ruder regt /

Verliebter Leit-Stern ist / des Kriegsmanns Faust bewegt /

Halbtodte lebend macht / Blutarme speist und tränckt.


Was sie gibt / ist nicht Nichts; scheint sie gleich nichts zu seyn /

Wer ohne sie verdirbt / genest durch ihre Hold.

Wenn die Verschwenderin das Glücke / Gut und Gold

Uns raubt / bringt den Verlust die milde Hoffnung ein.


Den siebenden Tag / fuhr die Königin fort / war ich die erste im Tempel / wie ich den Abend vorher die Pfosten desselbten selbst zugeschlossen hatte. Zu meiner höchsten Verwunderung aber fand ich unter meinen Reymen nachfolgende aufs zierlichste in Wachs gedrückt:


Die Hoffnung kan nicht fehln / es muß der Wuntsch bekleiben /

Wenn wir ein Reich verschmähn / und treu im Lieben bleiben.


Diese sich auf meinen Zustand so wol schickende Schrifft befestigte mein Gemüthe mehr als vorhin nichts anders; weil ich sie für nichts anders / als für eine Göttliche Antwort hielt / und ich lasse sie auch noch niemals aus meinen Gedancken.


Thußnelde fing hierauf an: Dieser Vorschmack ihrer Zufälle machte sie so viel lüsterner den völligen Verlauff zu vernehmen; wordurch der Königin ein unzweifelbarer Ruhm / ihr und Ismenen aber eine vollkommene Vergnügung erwachsen würde. Die Königin Erato antwortete: Es wäre wol wahr / daß die Geschicht-Schreiber so sorgfältig wären die unglückseligen in ihre Zeit-Register / als die Sternseher die Finsternüsse in ihre Jahr-Bücher aufzumercken; iedoch wüste sie nicht zu urtheilen: Ob die ruhenden wie die fallenden Lufft-Sterne mehr Glantz / oder / wie der verfinsterte Monde mehr Schatten bekämen. Einem Unglückseligen wäre die Eindenckmachung des vergangenen Ubels zwar so schmertzhafft / als einem Verwundeten die Anrührung des Schadens. Daher sie insgemein[207] wie das fühlende Kraut Egypten geartet sind / welches / wenn man es anrühret / seine Zweige zurücke / seine Blätter zusammen zeucht / oder gar verdorren läst. Alleine / dafern zwo so gütige Fürstinnen aus dem Nacht-Gemählde ihrer traurigen Begebnüsse einiges Anmuths-Licht zu holen vermeynten /könten sie ohne schwärtzesten Undanck selbtes ihnen nicht entziehen. Ihre Zuversicht zu so tugendhaften Heldinnen verbiete ihr auch das geheimste / was sie unter ihrem Hertzẽ hätte / zu verhelen. Da es ihnen denn beliebig wäre / solte ihr das geringste nicht verschwiegen bleiben / welches iedoch sie selbst für Wehmuth ohne Irrthum schwerlich würde werckstellig machẽ. Es solte aber Salonine ihre Stelle vertreten; iedoch / weil diese Erzehlung zugleich eine Entdeckung ihrer Schwachheiten seyn würde / könte ihr kein grösseres Glücke begegnen / als da die tugendhafte Thußnelde sie hernach der Wissenschafft ihrer Zufälle würdig machte / die ohne diß schon durch ihre mehrmalige Seufzer zum Theil verrathen wären. Die Gemeinschafft des Unglücks würde vielleicht beyden zu einer Erleichterung / Thußneldens Tugenden aber ihr zu einer Richtschnur ihres künftigen Wandels dienen. Thußnelde begegnete ihr: Ihre Fehler könten keinen andern Wegweiser / als zu einem Irrgarten abgeben /sonst aber würde es ihre selbsteigne Erleichterung seyn / wenn sie für einer solchen Königin / welche aus eigenem Betrübnüß so viel mehr Zunder des Mitleidens gefangen hätte / ihr gantzes Hertz ausschütten könte. Aller auf Saloninen gerichtete Augen nöthigten diese numehr gleichsam durch die stu e Erinnerung ihre Erzehlung folgender gestalt anzufangen:

Ich zweifele zwar nicht / daß die so kluge Fürstin Thußnelda durch das Geschrey das in der Welt so berühmte Reich Armenien / welches nach dem Parthischen allen andern Asiatischen Reichen an Grösse überlegen ist / auch zum Theil werde haben kennen lernen. Gleichwohl aber wil ich mit wenigen Worten melden: Seinen Nahmen soll es haben entweder von seinem ersten Bewohner Togarma / oder von des Helden Melichus Vaterlande / einer Thessalischen Stadt Arimenus / welchen König Pelias eben so wol als den seiner Tugend halber zu Hause verdächtigen Jason in Colchis nach dem güldenen wieder zu schiffen genöthiget. Ob sie nun wohl diese gefährliche Reise glücklich überstanden / Jason auch seine Colchische Gemahlin Medea verstieß / und den mit ihr gezeugten Sohn Absyrtus aufopferte / ward er doch mit seinem rittermässigen Hauffen von des Pelias Kindern wieder aus dem Lande gejagt. Thußnelda fiel ein: Es müssen die Griechischen Wüteriche mit der denen Herrschenden so sehr verhaßten Tugend noch viel gelinder / als andere / gebahren / weil sie sie alleine mit der Landsverweisung straffen / da sonst insgemein die Tugenden den gewissesten Untergang nach sich ziehen / wie Aristodemus bey den Cumanern / Polycelus von seinem Bruder Hiero / und Clytus vom grossen Alexander erfahren; ja Tyrannen ihren Stul am meisten zu befestigen sich träumen lassen / wenn sie nur die Tugend mit Strumpf und Stiel ausrotten könten. Aber /fuhr Salonine fort / vielmal gereichet ihr auch diese Bedrängnüß nichts weniger / als der Sturm-Wind der schon halbtodten Flamme zum Vortheil. Jason kam mit der wieder zu sich genommenen Medea in Colchis / setzte seinen verstossenen Schweher-Vater Aetes wieder ins Königreich ein / bemächtigte sich vieler Morgenländer / öffnete dem sonst die Thäler ersäuffenden Flusse Araxes einen Außfluß in das Caspische Meer / weßwegen ihm daselbst Göttliche Ehre angethan / und viel Tempel / besonders ein sehr herrlicher in der Stadt Abderis / den hernach der Neid des Parmenio eingeäschert / gebauet worden. Nach seinem Tode richtete Medius der Meden / oberwehnter Armenius mit seinen zusammen gezogenen Thessaliern das Armenische Reich auf. Nach einer langen Reyhe seiner Nachkommen bemächtigten die Perlen / hernach die Macedonier / und endlich die Syrer sich dieses mächtigen und von der Natur befestigten Reichs.[208] Sintemal es von dem Taurischen und Masischen Gebürge / worauf der Schnee so gar madicht wird / und zuweilen gantze Heere verschlinget / von dem Caspischen und Schwartzen Meere umgeben / und von sechs Hauptflüssen / nemlich dem Phrat / Tyger / Cyrus /Araxes / Phasis / und Lycus / derer immer zwey in ein absonderlich Meer flüssen / beströmet wird. Es hat nebst andern Reichthum nicht nur viel / sondern die edlesten Pferde / also / daß die Parthischen Könige kein anders reiten / und unter dem Persischen Reiche wurden dahin jährlich zwantzig tausend Fohlen gezinset. Unter oberwehnten Königen war Hydarnis aus des Orontes Geblüte der letzte. Als aber der grosse Antiochus von den Römern überwunden ward / theilten sich zwey seiner Landvögte Artaxias / und Zadriades in das grosse und kleine Armenien / welche von den Römern auch für rechtmäßige Könige erkannt /hernach aber vom Antiochus Epiphanes vom Reiche verjagt wurden. Ja Artaxias / der sein Geschlechte vom Könige Barzanes herführte / welcher lange für dem Jason diß Reich beherrscht / und mit dem Assyrischen Könige Ninus ein Bündnüß gemacht hatte / gerieth selbst in des Syrers Hände. Allein sein Sohn Tigranes und Zariadres rufften die Parthen zu hülffe /und gab jener sich selbst / dieser aber seinen Sohn Artanes Sophen ihnen zur Geissel / daß sie nach wiedererlangtem Reiche den Parthen siebzig Thäler in Armenien abtreten wolten. Antiochus ward hierüber so erbittert / daß er den Artaxias im Gefängnüsse hinrichtete / und Zariadres starb durch Gifft. Die Waffen der Parthen aber setzten den Tigranes und Artanes wieder auff ihren väterlichen Thron. Tigranes ließ alsofort fürtreffliche Zeichen seiner Herrschens-Kunst und Tapfferkeit von sich blicken / also daß die Parther selbst darüber Nachdencken kriegten / und um seine Kräfften zu unterbrechen dem Artanes in Ohren lagen / daß er mit dem Tigranes einen Gräntz-Streit /und zugleich einen Krieg anfing. Wiewol andere diesem Kriege eine viel geheimere Ursache gegeben /nemlich / daß des Artanes Gemahlin an den Tigranes Unehre vermuthet / und / weil dieser seines wolthätigen Wirthes Bette nicht besudeln wollen / habe dieses geile Weib ihre Unkeuschheit in Rache verwandelt /und unter dem tugendhafften Vorwande / daß Tigranes an sie diese Schandthat begehret hätte / den Artanes die Waffen zu ergreiffen beredet. Die Fürstin Thußnelda fiel Saloninen ein / und meldete: Es wäre diß ein denckwürdiges Beyspiel / daß die Ursachen und der Vorwand eines Krieges meist gantz abgesonderte Dinge wären. Es fiele ihr hierbey Meleagers Ehweib ein / von welcher ihr wäre erzehlet worden / daß sein König / als andere ihre Liebhaber so viel von ihrer Schönheit und Anmuth zu sagen gewüst / auf sie einst ein Auge geworffen / auch von derselben / welche nicht leicht einen verzweifeln / oder in seiner Liebe Schiffbruch leiden ließ / unschwer diß / was sie wol geringern nicht versagt / erlangt haben würde /wenn der König nicht ihre Waare weit unter dem Ruff befunden / und sich ihrer ohne Vergnügung entbrochen hätte. Den Schimpf dieser in ihren eigenen Augen so ansehnlichen / und ietzt zum ersten verschmähten Schönheit dräuete sie ihme ins Gesichte zu rächen / und wie sie ihrem Ehmanne die durch nichts als durch Blut ausleschliche Flecken der ihrer Keuschheit zugemutheten Unehre meisterlich fürzubilden wuste; also war ihre Ehre täglich allen denen feil / welche nur mit Meleagern wider den König den Degen auszuziehen sich erkläreten. Derogestalt ward dieser tapffere Mann ein Aufrührer wider seinen Herrn / ein Kriegesknecht seines geilen Weibes / da doch andere die Ursache seines Aufstandes viel weiter herholten / einer / daß der König in Macedonien in Anwesenheit der Thessalischen Gesandschafft ihm schimpfliche Worte gegeben; Ein ander / daß[209] er seinem Sohne ein Ehren-Amt versagt / der Pöfel aber /daß die Liebe der Freyheit und des alten numehr untergedrückten Gottesdiensts ihn zum Kriege bewogen hätte. Die Armenische Königin setzte bey: Dieses wären noch gar wichtige Ursachen eines mittelmäßigen Krieges. Den weltberühmten Zug des grossen Xerxes in Griechenland / da er drey mahl hundert tausend Menschen ausgerüstet / Berge abgetragen / Flüsse ausgetrocknet / Meere ausgefüllet / hätte ein Griechischer Artzt der Persischen Königin durch ihr Einblasen erreget / weil er gerne noch einst den Pyreischen Hafen gesehen / und zu Athen gewachsene Feigen gegessen hätte / da doch dieser Qvecksalber seine Reise mit geringern Kosten verrichten können; Hingegen Xerxes zu Ursachen seines Krieges anführte: Er käme die Griechen aus einer so magern Dienstbarkeit / die sie von so viel kleinen Wüterichen erduldeten /in eine reiche Freyheit zu versetzen / ja die unsterblichen Götter hätten ihn zu seiner Entschlüssung gebracht / und die Sonne wäre der erste Urheber seines Krieges. Freylich wol / fing Thusnelda an / auch unser Deutschland hat mit seinem Schaden erfahren / daß aus einem kleinen Qvelle grosse Flüsse / aus einem Funcken unausleschliche Brände / aus einem übel-aufgenommenem Worte lange Kriege entstanden / daß eine Tracht einer gewissen Farbe den Adel eines gantzen Volckes zergliedert / eine auffgerichtete Säule /ein Sinnenbild / das andere auf sich gezogen / viel Aufrühre gestifftet / und daß die heimliche Verschneidung eines Cammerdieners manchen grossen Reichs-Colossen von seinem Ehrenstande gestürtzt. Also haben so wol die grossen Schauplätze der Königreiche / als die Gaucklerbühnen mehrmahls euserlich ein prächtiges Ansehen / wenn man aber hinter ihre Schirme gucket / ist ihr gantzes Gebäue lachens werth. Die Königin pflichtete ihr bey / und fing an: Nachdem selten iemand aus blosser Liebe der Gefahr / wie von Deutschen insgemein geglaubet wird / oder aus blossem Durfte nach Menschen-Blute / wie die wilden Thiere / seinen Nachbar überzeucht / sondern Geitz und Ehrsucht die älteste und gemeinste Ursache des Krieges ist / so hat man sich nicht zu verwundern / daß fast alle mahl von den Herrschsüchtigen die wahre Ursache und das Absehen ihrer blutbegierigen Entschlüssungen versteckt / und fast iederzeit die scheinbaren Nahmen des Gottesdienstes / der Gerechten Rache / und der Freyheit zum Vorwandt gebraucht werden. Es ist unnöthig in das Alterthum zurück zu sehen. August verdeckte seine Herrschenssucht in dem Bürgerlichen Kriege meisterlich mit der Frömmigkeit / welche ihn nöthigte den Todt seines Vatern Julius wider den Brutus zu rächen. Antonius gebrauchte sich auch dieser Farbe wider den Decimus /welcher ihm Gallien anzuvertrauen verhindert hatte; Gleichwohl aber bin ich in denen Gedancken / daß es nicht allemahl rathsam sey auch in gerechten Kriegen / weder die wahre Ursache / noch das eigentliche Absehen kund zu machen. Sintemahl der Kern aller kluger Entschlüssungen in derselben Heimligkeit bestehet. Auch der / welcher die beste Karte hat / muß insgemein verspielen / der ihm darein sehen läst. So begreifft auch Volck und Pöfel nicht allezeit die Gerechtigkeit eines Fürnehmens / sondern man muß selbten an dem Fademe seines Eigennutzes an sich ziehen /und / wenn selbter durch widrige Verleitung wilde gemacht worden / ihm selbsten zum besten / selbten wie die kollernden Pferde bländen. Salonine brach ein /um in ihre Erzehlung wieder einzufallen: Artanes wuste seinen Krieg so klüglich nicht auszuführen /sondern seine Eyversucht blickte bald für / seiner Unterthanen Abneigung brach mit seinem Unglücke bald aus. Denn der großmüthige Tigranes erlegte ihn in der ersten Schlacht biß aufs Haupt / und er leschte mit seiner[210] eigenen Hand der unleidlichen Neben-Sonne Armeniens das Licht aus / welches vollends für dem Sieger alsofort die Waffen niederlegte. Mit dieser vereinbarten Macht nahm er denen auf des Artanes Seite stehenden Parthern nicht allein die abgetretenen siebzig Thäler wieder / sondern er bemächtigte sich auch der Parthischen Städte Ninus und Arbela. Diese Siege erwarben ihm des grossen Pontischen Königes Mithridatens Tochter / und diese Verbindung zweyer so mächtigen Reiche in gantz Asien ein so grosses Ansehen / als kein Armenischer König für ihm nie gehabt hatte. Die Syrer rufften ihn wider die Bedrängnisse ihrer vom Seleucus herstammender Könige zum Schutzherrn an / und hierdurch brachte er alles / was zwischen dem Phrat und Tiger liegt / die Atropatener und Gordyeer unter sein Gebiete / ja er bemächtigte sich gantz Syriens und der Phönicier; baute auch zum Gedächtnisse dieser grossen Thaten zwischen Iberien und der Stadt Zeugma an dem Flusse Nicephorius die mächtige Stadt Tigranocerta / beschloß sie mit einer Mauer funfzig Ellenbogen hoch / und mit einem fast unüberwindlichen Schlosse. Höret aber / wie das Glücke meistentheils nur deßhalben einen bereichere /daß es hernach mit ihm durch Abnehmung einer reichen Beute seine Kurtzweil habe / und wie es seine gestrige Schoß-Kinder heute in Staub und unter die Füsse trete! Ja es vergnüget sich nicht am Raube seiner eigenen Geschencke / sondern windet einem auch den Gewinn der Tugend aus den Händen. Welche zwey grosse Räder des Verhängnüsses mit einander viel Jahre gestritten hatten / ob diß oder jenes unter beyden den Tigranes am höchsten empor heben könte? Jedoch hatte es das Ansehen / als wenn das Glücke seinen Kräfften mißtrauete / daß es dem Tigranes in seinen selbsteigenen Reichshändeln etwas anhaben würde / dahero es seinen so feste bergseten Wolstand nicht so wohl mit eigenen Händen auszurotten / als durch den Fall eines andern grossen Glücks-Steines in Abgrund zu reissen erfand. Der grosse Mithridates war vom Sylla und Lucullus so sehr ins Gedrange gebracht / daß sein eigener Sohn Machar des Bosphors König vom Vater absetzte / und den Lucullus mit einer güldenen Krone beschenckte / um der Römer Freundschafft zu erlangen. Tigranes aber war viel zu großmüthig / daß er nicht lieber der Römer sieghaffte Waffen ihm über den Hals ziehen /als seinen zu ihm sich flüchtenden Schweher-Vater dem Lucullus hätte sollen ausfolgen lassen. Dieser aber kam ihm so unvermuthet auf den Hals / daß Tigranes den / welcher ihm von der Römer Einfall in Armenien die erste Post brachte / als einen Aufwiegler des Volcks aufhängen ließ. Thußnelde fiel ihr ein: Ich erinnere mich / daß zu meiner Zeit ein Fürst / als man ihm von mehr denn zu gewisser Eroberung einer Berg-Festung sagte / den Boten hönisch fragte: Ob er gesehen / daß des Feindes Kriegs-Volck geflügelt wäre? Aber der Glaube kam ihm bald in die Hand /und der Feind ins Hertze seines Hertzogthums. Nichts anders / sagte Salonine / ging es dem Tigranes. Denn sein den Römern mit zwey tausend Pferden begegnender Obrister Mithrobarzanes ward von dem Vortrab zerstreuet / Mancäus in Tigranocerta belägert / und das dabey liegende Schloß ging mit Sturm über. Tigranes versammlete inzwischen ein Heer von drittehalb hundert tausend zu Fusse / und funfzig tausend Reutern. Orontes sein Feld-Hauptmann fiel den Belägerern für Tigranocerta ein / erlösete auch das gefangene Königliche Frauenzimmer aus ihren Händen. Der König aber ging gerade auf den Lucullus loß. Wiewohl ihm nun Mithridates rieth / er solte keine Schlacht liefern / sondern / wie es Lucullus bey der Stadt Cycizum[211] ihm gemacht / und dardurch sein gantzes Heer zernichtet hätte / nur mit der Reuterey das Römische Heer hinten und fornen ofters anfallen und müde machen / das Land rings umbher verwüsten /und die Lebens-Mittel abschneiden. Alleine dieses Kunst-Stücke deuchtete dem Tigranes nicht genungsam heldenmäßig / und aller Verzug knechtisch zu seyn / zumal er die Römische Macht / als er derselben ansichtig ward / zu Gesandten für zu starck / zu Feinden für zu schwach schätzte. Diesemnach schlug Tigranes mit dem Lucullus / dieser aber erhielt durch eine besondere Kriegslist in Eroberung eines vortheilhafftigen Hügels / und durch halsbrüchiges Verbot /bey währender Schlacht keine Beute zu machen / die Oberhand. Thusnelde fing hierüber an: Es ist die erste Staffel zum Verlust die Verachtung seines auch schon halb bezwungenen Feindes / und die / welche iemals zu ihrem in den Händen habenden Siege Zuschauer gebeten / oder ihren Feind hönisch gehalten / sind meistentheils vom Glücke / oder ihrer Vermessenheit hinters Licht geführet worden. Es war wenig Zeit dazwischen / da Democritus / welchen Qvinctius ihm den Etolischen Rathschluß / darinnen sie den Antiochus zu hülffe geruffen hatten / zu weisen ersuchte /ihm verächtlich antwortete: Er wolte solches ihm in Italien zeigen / wenn er dar sein Läger auffgeschlagen haben würde / und da er des Qvinctius Gefangener ward. Solonine antwortete: Ja / und das Mißtrauen ist die andere Staffel des Untergangs. Jene machet nur sein eigenes Volck fahrläßig / dieses aber gar zu Feinden. Hierinnen verstieß Mancäus / als er nach erlangter Nachricht vom Verluste der Schlacht in der belägerten Stadt Tigranocerta alle in Griechenland geworbene Kriegsknechte entwafnete. Denn diese rotteten sich mit Prügeln zusammen / und als Mancäus mit seinen Armeniern auf sie loß ging / wickelten sie ihnen statt der Schilde die Mäntel um den lincken Arm / fielen ihren Feind verzweifelt an / biß sie von den Waffen der Erlegten sich wieder bewehrt machten / sich etlicher Thürme an der Stadtmauer bemächtigten / und den Römern selbst hinauf / und zu Eroberung dieser reichen Stadt verhalffen. Tigranes suchte hierauf nichts weniger als Lucullus bey den Parthern Hülffe; derer König solche auch zwar beyden heimlich versprach / aber keinem schickte / aus vernünfftiger Erwegung / daß der Ausschlag des Krieges noch ungewiß wäre / und sich einer leicht selbst in das Garn verwickeln / oder der undanckbare Nachbar auch wol gar seinen Helffer in dem Leime stecken lassen könte / daraus ihn das gegen sich selbst oft allzu unbarmhertzige Mitleiden errettet hatte. Dessen aber ungeachtet / brachten die in das kleinere Armenien gewichene Tigranes und Mithridates wieder ein mächtiges Heer auf die Beine / schlugen anfänglich den Fabius / der aber durch Freylassung aller Knechte sich wieder erholete / und den Mithridates mit einem Steine unter dem Auge hefftig verwundete; hernach erlegten sie den Triarius aufs Haupt / welcher des Lucullus ihm zu wissen gemachte Ankunfft nicht erwarten /sondern die Ehre des Sieges alleine davon tragen wolte / und also mit seiner fruhzeitigen Stürmung des feindlichen Lägers vier und zwantzig Obersten / hundert und funfzig Hauptleute / als die Römer kaum iemahls sonst verlohren / auf die Schlachtbanck lieferte. Weßwegen auch Lucullus zurück gefodert / und der grosse Pompejus / der sich gleich durch Vertilgung der Seeräuber in grosses Ansehen gesetzt hatte / zu Ausführung dieses Krieges mit unverschrenckter Gewalt gemächtiget ward. Pompejus war wider den Mithridates so glückselig / daß dieser zu den Scythen und denen um den Mäotischen Pfuel wohnenden Völckern seine Zuflucht nehmen muste. Nichts minder schlug er den König der Albaner Orozes / und der Hiberer Artocus / sammt denen in ihrem[212] Heere vermischten Amazonen / und drang hierauf dem Tigranes und seiner Hauptstadt Artaxata auf den Hals. Tigranes aber / der in seinem eigenen Reiche und Hause so viel Feinde hatte / hielt es nicht für rathsam / die innerlichen Wunden mit euserlichen zu häuffen / und mit dem Pompejus sich in einen gefährlichen Krieg zu vertieffen. Denn sein ältester Sohn Barzanes hatte sich wider ihn empöret / und sein Leben in einer Schlacht eingebüsset. Den andern aber / Pharnaces genennt / hatte Tigranes auf der Jagt mit eigener Faust durchstochen / weil selbter ihm / als mit dem Pferde bey Verfolgung eines Hirsches stürtzenden Vater nicht aufgeholffen / sondern vielmehr die vom Haupte gefallene Krone seinem aufgesetzt. Sein dritter Sohn Tigranes hatte ihn zwar unter dem stürtzenden Pferde hervor gerissen / und war deßwegen von dem Vater mit einer güldenen Krone beschenckt worden / alleine kurtz hierauf ward er ebenfalls meyneidig / und / nach verlohrner Schlacht / flüchtete er sich anfangs zu dem Parthischen Könige Phraates / der seinem Vater Sintricus erst im Reiche gefolget war; hernach aber auf des Parthers Eingeben zum Pompejus / ungeachtet er des feindlichen Mithridates Tochter Sohn war / führete auch selbst wider seinen eigenen Vater ein Kriegs-Heer in Armenien. König Tigranes setzte bey so bekümmertem Zustande sein Vertrauen auf des Römischen Feldherrn beruffene Treue und Glauben / lieferte nicht allein Mithridatens Gesandten / sondern auch sich / sein Reich / und die Hauptstadt Artaxata ohne Erlangung einigen sicheren Geleites in des grossen Pompejus Willkühr / legte seinen Purpur-Mantel ab /und die Krone knieende zu Pompejus Füssen / nur daß er seinen abtrünnigen Sohn bey ihm anklagen konte / welcher für seinem Vater nicht aufstand / weniger gegen ihm einige Ehrerbietung bezeugte / ja auch bey dem Abendmahle / dazu Pompejus seinen Vater und ihn einlud / nicht erscheinen wolte. Also ist die Rachgier mächtiger / als die Staats-Klugheit / und das Bündniß des Geblütes. Tigranes hingegen beschenckte den Pompejus mit 6000. Talenten / und das gantze Römische Heer nach Standes Gebühr / entschuldigte seinen vorigen Krieg mit Mithridatens naher Anverwandniß. Pompejus nam den Tigranes mit dem Bedinge / daß er die in Syrien und Cilicien noch besatzte Plätze abtrete / für einen Freund der Römer an / machte zwischen ihm und seinem Sohne einen Vergleich / kraft dessen jener das grosse / dieser das kleinere Armenien beherrschen solte. Alleine der junge Tigranes ließ sich etliche meineydige Armenier verleiten / daß er seiner Stief-Mutter der Königin Asterie mit Gifft vergab / und auf seinen Vater wegelagern ließ um ihn zu ermorden. Alleine die Schutzgötter Armeniens / welche unter keinem scheinbaren Vorwand solche Meuchelmörde billigen / liessen diesen unmenschlichen Sohn in sein eigenes Garn fallen. Denn die zu Beschirmung des Königs mitgegebene Römer nahmen ihn gefangen / und nöthigten hierdurch seine Gewalthaber in etlichen Schlössern der Sophenischen Landschaft / daß sie selbte / und die darein geflüchtete königlichen Schätze den Römern einliefern musten. Ja weil er auch in solcher Bestrickung die Parther aufzuwickeln bemüht war / schickte er mit dem Mitellus Celer ihn in Band und Eisen nach Rom / allwo er ihn nach gehaltenem Siegs-Gepränge nebst dem Könige Aristobulus im Kercker erwürgen ließ. Eine gerechte Rache! rief Thußnelde / wenn die Boßheit in das Mordbeil fällt / daß sie andern aufgestellt. Gerechtester Irrthum! wenn der Druyden oberster Priester Sigabor selbst durch Verwechselung der Flasche den vergifften Wein zu trincken bekommt /den er andern eingeschenckt. Wenn die geile Apellis an ihren Gifft-Torten den Tod essen muß / die sie für andere gebacken; Wenn die Megarenser / welche das Athenische[213] Frauenzimmer bey dem Eleusinischen Feyer zu überfallen vermeinen / dem Pisistratus in die Hände gerathen! Durch so viel Siege / fuhr Salonine abermahls fort / ward der Parther König Phraates gezwungen beym Pompejus um Frieden Ansuchung zu thun. Dieser aber hielt seine Gesandten verkleinerlich / entzog dem Phraates den Titel eines Königes der Könige / welchen ihm doch sonst der Römische Rath selbst gab / befahl ihm auch die Corduenische Landschafft dem Tigranes / mit welchem er deßhalben im Streit lebte / abzutreten; Ehe er aber noch hierüber Antwort bekam / nahm er sie durch den Afranius ein. Phraates ward hierdurch euserst erbittert / fiel daher nicht allein mit einem mächtigen Heere in Armenien /sondern beschwerte sich auch durch eine Botschafft über den vom Pompejus erlittenen Schimpf und Unrecht. Hingegen suchte Tigranes vergebens wider die Parther Hülffe / statt welcher Pompejus drey Schiedes-Richter beyde Könige zu vertragen abfertigte /welche sich denn auch nach etlichen bald auf eine /bald auf die andere Seite gefallenem Treffen mit einander vereinbarten. Sintemahl Tigranes über die vom Pompejus ihm versagte Hülffe / und daß er dem Könige in Cappadocien Ariobarzanes die seinem Sohne vorher zugesprochene Sophen- und Gordenischen Länder zuschlug / unwillig ward / Phraates aber den Tigranes nicht gar zu Boden zu treten / sondern ihn vielmehr wider die Römische Macht mit der Zeit zu einem Gehülffen aufzuheben / für rathsam hielt. Nach dieser Zeit beherschte Tigranes Armenien in gewüntschter Ruh / weil die Römer theils mit Bürgerlicher Unruh / theils mit dem Gallischen Kriege beschäfftiget waren / der Parther Schwerdter aber wurden von den Römischen in der Scheide gehalten /derer Gewalt sie nothigte mit ihren Nachbaren in Freundschafft und gutem Vernehmen zustehen. Endlich starb er auf der Jagt durch einen Fall / und ließ sein Reich seinem einigen noch übrigen mit des grossen Mithridates Tochter gezeugten Sohne Artabazes / und nebst ihm eine schöne Fürstin Sigambis. Inzwischen ward auch Phraates der Parther König von den Griechen und Scythen erschlagen / ingleichen nach ihm Artaban von Tocharischen Scythen im Arme verwundet / daß er davon starb. Nach diesem wolte sich zwar Pacorus eindringen / alleine ihn überwog Mithridates in Parthen / welcher alle seine Vorfahren an Großmüthigkeit übertraff / viel Länder seinem Reiche anhing / und insonderheit an den Scythen das Blut seiner Vor-Eltern durch unterschiedene Siege rächete. Dieser Mithridates zerriß aus Regiersucht endlich auch das beyden Reichen so vorträgliche Bündniß mit dem Artabazes / fiel selbtem in Armenien / und wütete mit Feuer und Schwerdt als ein Unmensch / schonete weder der unbewehrten Weiber / noch der Kinder im Mutterleibe. Es überfiel ihn aber Artabazes mit einem fliegenden Heere / als er mit der Helffte seines Volckes über dem Araxes gesetzt hatte / hieb selbtes in stücken / und zwang ihn / daß er mit der andern Helffte nach Aufopfferung vielen edlen Blutes sich in Hircanien zurück ziehen muste.

Dieser unglückliche Zug / und die in Armenien verübte Grausamkeit machte ihn seinem selbst eigenen Volcke so verhast / daß der Parthische Reichs-Rath ihn als einen des Reichs unwürdigen Wüterich ab /und seinen Bruder Orodes auf den Thron setzte. Der flüchtige Mithridates kam zu dem vom Pompejus in Syrien eingesetzten Römischen Landvogte Gabinius /und bemühete sich ihn wider die Parther aufzuhetzen. Alleine das Gold des aus Egypten vertriebenen Ptolomäus überwog die Noth und Beredsamkeit Mithridatens / also / daß der Landvogt den Parther hülff loß ließ / den Ptolomäus aber ohne Vorbewust des Römischen Raths / und wider die Verwarnigung der Sibyllischen Weissagung in Alexandrien wieder[214] einsetzte. Ismene fing hier an: der gute Parthe hat gemeint / das Gold sey im Kriege zu nichts / als zu Beschlagung der Schwerdter und zu Stückung der Fahnen nütze / da doch diß mehr Feinde schlägt / als der Stahl / und Mauren zermalmet / welche kein eiserner Bock erschellen kan / ja auch den sonst in den menschlichen Gemüthern so kräfftigen Aberglauben wegsticht. Salonine fuhr fort: der hierzu freylich nicht genungsam verschmitzte Mithridates meinte bey den Babyloniern Hülffe zu finden / welche Stadt ihn zwar aufnahm /aber vom Orodes lange belägert / Mithridates auch durch Hunger gezwungen ward sich in des Brudern Gewalt zu ergeben. Alleine der Dampf der Herrschenssucht hatte die Augen des Orodes so verdüstert / daß er ihn zwar wol für seinen Feind / aber nicht mehr für seinen Bruder ansah / und daher ließ er ihn in seinem Angesichte ermorden. Also kennen die Menschen / welche das Glück an den Gipffel der Ehren erhoben / auch ihr eigenes Blut nicht. Ja da das ausdampffende Blut eines frembden Feindes wie Rosen / eines ermordeten Bürgers wie Weyrauch reucht / so übertrifft das Bruder- und Kinder-Blut den süssen Geruch des edelsten Balsams. Immittelst ward Marcus Crassus zum Römischen Stadthalter in Syrien bestellt / dessen Reichthum ihm einen unleschlichen Durst nach dem Parthischen Golde erweckte / seine Vermessenheit aber hatte in Gedancken schon die Indianer und Bactrianer verschlungen. Artabazes / welcher das von den Parthern erlittene Unrecht zu rächen verlangte / nahm dieser Gelegenheit wahr / und verhetzte durch seine zu Rom habende Botschafft den Crassus mit vielen Versprechungen wider dieses Volck / welches allein die Römische Hoheit verächtlich hielt. Und Julius Cäsar wuste in seinen Schreiben / und durch den jungen von ihm reichlich beschenckten / und mit tausend Reutern abgefertigten Crassus sein Fürnehmen nicht genungsam heraus zu streichen / nur daß er mit Gallien den Kern des Romischen Kriegs-Volcks in seiner Gewalt behielt. Atejus der Römische Zunfftmeister mühte sich zwar euserst durch Widersetzung des Pöfels / und allerhand abergläubische Opffer ihn von diesem Zuge zurück zu halten / gab auch selbten mit vielen Flüchen den höllischen Rach-Göttern; zu Hierapolis fiel er und sein Sohn über die Schwelle deß der Mutter alles Gesämes zu Ehren gebauten Tempels / die Warsager und Priester deuteten ihm allerhand Unheil an / der erste Römische Adler kehrte sich im fortziehen über den Phrat bey der Stadt Zeugma zurücke / ja Donner und Sturmwinde mühten sich die Römer zurück zu halten. Alleine der vom Verhängnisse herrührende Untergang ist unentrinnlich / ja wenn es iemands Glücke umdrehen will / verwirret es auch seinen Verstand und Rathschläge. Dahero hatte Crassus zu allen Wunderzeichen nicht allein blinde Augen und taube Ohren / wie er denn auch des Orodes Gesandten Vagises nicht einst zu hören würdigte / und ihn mit dieser spöttischen Antwort: daß er sein Anbringen in der Stadt Seleucia vernehmen wolte / abfertigte / sondern er versäumte alle Sorge eines fürsichtigen Feldherrns / in dem er in Syrien mehr einen Schatzmeister abgab /und viel Tage im Tempel zu Hierapolis mit Abwägung des dahin gewiedmeten Geldes zubrachte / und aller / insonderheit aber des Armenischen Königes guten Rath aus der Acht schlug. Dieser kam mit 6000. Armenischen Rittern in das Römische Lager /ersuchte den Crassus / daß er durch sein sicheres /und mit genungsamen Vorrath versehenes Land in Parthen einbrechen möchte / allwo er 10000. geharnischte Reuter / und 30000. Fußknechte in Bereitschaft stehen hätte / welche mit den Römern nicht über die sändichten Flächen / da der Parthische Reiterey kein Feind gewachsen wäre / sondern[215] durch eitel bergichte Landstriche einbrechen solten. Allein Crassus blieb auf seinem Kopffe durch Mesopotamien zu ziehen / weil ihn das betrügliche Glücke anfangs anlachte / und er Nicephorium einnam / Zenodotia einäscherte / den Mesopotamischen Unter-König Talymenus Ilaces aus dem Felde schlug / also / daß Artabazes mit Unwillen nach Hause zog / besonders da Crassus auch nicht in Mesopotamien überwinterte /sondern in das lustige Syrien zurücke zog. Wiewol Cajus Caßius auch nur auf diesen Fall sich der den Parthen stets gehäßigen Städte Babylon und Seleucia zu bemächtigen / und an den Fluß Tygris / welcher eine Schußwehre und reiche Zufuhre abgeben / und so denn zu der Parthischen Hauptstadt Ctesiphon den Weg unschwer öfnen könte / sich zu halten einrieth /folgte doch Crassus dem Arabischen Fürsten Agbarus / welcher sich zu dem Crassus / um nur die Römer ins Garn zu führen / geschlagen hatte. Dieser machte von seiner Treue gegen die Römer / und der mit dem Pompejus aufgerichteten Freundschafft viel Worte / fluchte auf seinen Nachbar den abtrünnigen Araber Alhauden / vernichtete hingegen den König Orodes / welcher bereit sich in Scythien und Hircanien geflüchtet /ja die besten Sachen im Stiche gelassen hätte. Der verzweifelte Wagehals Sillaces und der weibische Surena wären nur noch in Parthen / nicht / daß sie das Hertz hätten für den Römern zu stehen / sondern allein den Rücken der Flüchtigen zu bedecken. Dahero /wolte Crassus noch einen Feind finden / den er überwinden könte / müste er keinen Augenblick versäumen / und keinen Umweg suchen. Diese Verrätherey konte Crassus mit den Händen greiffen. Denn Agbarus führte das Römische Heer in ein rechtes Sand-Meer Aßyriens / wo weder Laub / noch Graß / noch Wasser zu sehen war / weßwegen ihm auch die verschmachtenden Römer nicht nur als einem Betrüger /sondern auch / der den Crassus durch Zauberey aller Vernunfft beraubet hätte / alle böse Flüche auf den Hals wüntschten. Artabazes machte auch dem Crassus zu wissen / daß Orodes selbst in Armenien mit einer grossen Macht / der er nicht gewachsen sey /eingefallen wäre / daher könte er keine Hülffe schicken / sondern erwartete selbter von Römern / zumahl der fürtreffliche Held Surena / dessen fürnehmes Geschlechte alleine die Parthischen Könige zu krönen berechtigt wäre / der den Orodes aus dem Elende auf den Königlichen Stuhl erhoben / und Seleucien mit seiner Tapfferkeit erobert hatte / mit zehn tausend der schnellesten Reuter in der Sandfläche auf die Römer lauerte. Crassus aber blieb hartnäckicht auf seinem verderblichen Fürsatze / würdigte den Artabazes keiner Antwort / ja dräuete ihm noch / daß er ihn im Rückwege zu verdienter Straffe ziehen wolte. Agbarus / als er nun die Römer im Garne zu seyn meinte /entritt bey ersehender Gelegenheit zu den Parthen /worauf die Römer ein mehr als natürliches Schrecken überfiel / da sie doch noch den ersten Feind erblicken solten. Ja Crassus ward so kleinmüthig / daß er dem Caßius mit Genehmhabung des Heeres die Feldhauptmannschafft abzutreten antrug / so er aber anzunehmen weigerte. Die Königin brach hierbey Saloninen ein: Diß ist sicher ein gewisses Kennzeichen / daß des Crassus Fehler nicht so wohl von seiner Unvernunfft /als von einem göttlichen Triebe hergerühret haben. Denn in Warheit / es halset sich offt der menschlichen Klugheit ein verborgener Irrthum mit Gewalt auf /drehet unsere festgesetzten Rathschläge wie Würffel herum / lachet unserer Weißheit / rühret die Zufälle wie die Zettel in einem Glücks-Topfe durcheinander /und zeucht endlich einen solchen Ausschlag ans Licht / darauf unser Wille nie ein Absehen gehabt / noch unser Witz ihm hätte träumen lassen. Ja / wenn das Verhängniß die Königin und[216] Schiedes-Richterin aller Dinge uns nicht nur ins Verderben / sondern auch in Verfluchung der Lebenden / und in Schande bey der Nachwelt bringen will; so läst es den Allerklügsten in höchste Thorheit versincken / und bildet ihm albere Sachen für heilsame Entschlüssungen vor / derer sich auch Kinder zu schämen haben. Salomine verjahete es / und fing an: da die Götter iemahls einen Menschen von seiner Vernunfft kommen lassen / ist es gewiß dem Crassus geschehen. Denn da gleich sein Heer mit genauer Noth den Strom Balissus erreichte; ließ er doch wieder aller Obersten Meinung es nicht einmahl verblasen / weniger die Beschaffenheit des Feindes ausspüren / sondern übertrieb sie gleichsam ohne Athem-holen so lange / biß sie auff allen Seiten von der Parthischen Reiterey / welche ihre aus Margianischem Stahl gemachte / und wie Feuer schimmernde Waffen in der Ferne mit leichten Röcken verdeckt hatten / itzt aber wegwarffen / überfallen wurden. Diese hielten den schweren Römischen Kriegsknechten gar nicht stand / sondern erregten mit ihrem Rennen einen dicken Staub / wormit der Wind den Sand den Römern ins Gesichte jagte. Alsdenn fielen die Parther erst an / und so bald sich ihr Feind gegen sie setzte /dreheten sie ihnen zwar die Fersen / thäten aber in der Flucht mit denen rückwärts geschossenen Pfeilen /wormit sie eine gantze Herde Camele bebürdet hatten / den ärgsten Schaden. Durch diese angenommene Flucht verleiteten sie den jungen Crassus / daß er mit der Römischen Reuterey und Publius mit einer Legion Fußvolck die Parther allzuweit verfolgte / welche alsdenn sie von dem gantzen Heere abschnitt. Der junge Publius Crassus ward gezwungen einen Sandhügel einzunehmen / und rings um sich her die Schilde fürzusetzen; aber diese Höhe / auff welcher die zurück und empor stehenden von den Pfeilen so viel leichter verwundet werden konten / gereichte den Römern selbst zum Verderben. Publius und Censorinus / weil sie mit durchschossener Hand sich nicht mehr wehren kunten / auch nach zweyer Griechen des Hieronymus und Nicomachus Rathgeben sich nach der Stadt Ichne nicht flüchten wolten / liessen sich ihre eigene Waffenträger durchstossen / Megabachus trieb ihm selbst das Schwerdt durch die Brust / die übrigen wurden von den grimmigen Parthen zerfleischet / und mehr nicht als fünff hundert Gefangene auffgehalten. Unterdessen aber hielt sich Sigimer ein junger Fürst mit seinen tausend halb nackend-fechtenden Galern überaus tapffer / sie rennten bald mit ihren Lantzen die Feinde von Pferden / bald sprangen sie selbst herunter / und hieben den Parthischen Pferden die Seenen entzwey / daß also Mann und Pferd stürtzen muste. Sigimer verwundete selbst den Sillaces in Arm / und brach durch drey geschlossene Hauffen der gewaffneten Parther / ließ auch den Crassus wissen: daß sein Sohn in eusserster Gefahr / er mit seiner Reuterey in dem hitzigsten Gefechte gegen der halben feindlichen Macht / sie aber ingesamt verlohren wären / da er ihnen nicht schleunigst zu Hülffe käme. Endlich aber wurden die Gallier nicht so wohl durch die Menge der Feinde / als durch ungewohnten Durst und unleidliche Sonnenhitze überwunden / und / weil sie für Mattigkeit kaum mehr die Glieder bewegen konten / niedergehauen. Der unvergleichliche Sigimer / welchen Surena wegen so grosser Tapfferkeit zu tödten verbot /ward nach erlegtem Pferde lebendig gefangen. Dieser Fürst machte sich bey den Parthen so beliebt / und gewann des Surena Zuneigung so weil / daß er ihm seine wunderwürdige Tochter verheyrathete. Ismene konte sich hierüber des Lachens nicht enthalten / und nachdem die Königin sie beschwur die Ursache nicht zu verschweigen / bekannte sie / daß dieser Sigimer /des Feldherrn Herrmanns und ihr eigener Vater / und Surenens Tochter beyder Mutter / die so genennten[217] tausend Gallier alle Deutsche gewest wären / welche die Römischen Geschichtschreiber insgemein Gallier nennten / wenn sie nur auff der West-Seite des Rheines gewohnet. Dieser Irrthum habe den Deutschen den Ruhm mancher Heldenthaten entzogen / und fremden Völckern zugeeignet. Also sey der Nachruhm nicht allezeit eine Tochter der Tugend / sondern ein Weckselbalg / den das Glück einer fremden Mutter einschiebt. Uberdiß hätten die Römer der Deutschen Großmüthigkeit nichts minder / als der fremden Völcker Sprachen und Schrifften / darinnen der Sachen wahrer Verlauff auffgezeichnet gewest / verdrückt / so viel sie gekönnt / um ihren Siegen desto grösseres Ansehen zu machen. Denn ob wohl Julius Cäsar nicht verschweigen können / daß die Deutschen ihm die berühmte Schlacht gegen dẽ Vercingetorich bey den Seqvanern gewonnen / daß sie bey Belägerung der Berg-Festung Alesia einmahl die schon zertrennten Römer wieder zum stehen brache / das andere mahl dem Feind aus dem Felde geschlagen / daß Caninius ihnen den Sieg wider den Fürsten Draxes / den sie auch selbst gefangen bekommen / zu dancken gehabt /daß sie in Cäsars Alexandrinischem Kriege das beste gethan / und über den besetzten Nil gedrungen / so ist doch diß alles nicht das hundevste Theil ihrer Verdienste.

Die kluge Salonine antwortete; die Tugend ist ihr selbst Preißes genug / und darff nicht nach dem irrigen oder vergänglichen Nachruhme lächsen. Ein gutes Urthel kan den Koth keines Lasters vergülden / und ein böses so wenig als die Vergessenheit die Tugend häßlich / oder zu nichts machen. Weßwegen die / welche mit standhafftem Vorsatze auf der Bahn der Tugend wandeln / so wenig sich die üblen Auslegungen des Pöfels / als die Reisenden im Sommer sich das Schwirren der Heuschrecken müssen irre machen /noch eines andern unverdienten Ruhm auff Abwege leiten lassen. Also erwarb Fabius einen unsterblichen Ruhm / weil er die Verläumdung der hitzigen Köpffe seiner Langsamkeit halber verachtete / und lieber sein Vaterland erhalten / bey seinen klugen Feinden im Ansehen seyn / als von närrischen Leuten gelobt seyn wolte. Ungeachtet auch der Nachruhm für ein Besitzthum der Todten gepriesen wird / so bestehet doch dieser bloß in der Einbildung der eitelen Erben / und die alleine in dem Gedächtnisse schwermende Unsterbligkeit ist ein blosses Gespenste des Gehirns /und ein Irrlicht der Ehrsucht. Ja der Ruhm ist nicht selten ein offenbarer Feind der Tugend / und eine Buhlerin der Unwarheit / indem das gegenwärtige Lobwürdige meist von dem Neide gedrückt / die Gedichte der Vorwelt aber als Wunderwercke in hohen Ehren gehalten werden / nach dem es uns insgemein fürkommt / als wenn jener Licht unsern Ruhm verdüstere / dieses uns aber den Weg zu der Tugend wiese. Aber die verschwindende Zeit heist mich wieder zum Crassus kehren / welchem die Parther seines Sohnes an eine Lantze gespißten Kopff mit dieser hönischen Frage zu schauen brachten: Was dieser tapffere Jüngling für Eltern habe? Denn seine bezeugte Tugend liesse sie nicht glauben / daß der weibische Crassus sein Vater wäre. Gleichwohl aber wolten sie die Römer selbigen Tag nicht gar aufreiben / sondern dem Feldherrn eine Nacht seinen Sohn zu betrauren vergünstigen. Hiermit wichen sie nach etlichen Scharmützeln bey anbrechender Nacht etwas von den Römern ab; Crassus aber sahe seinem Elende kein Ende / gerieth in eusserste Verzweiffelung / verhüllte sein Haupt /und verscharrte sich in Staub. Octavius und Cassius riethen ihm daher das Heer des Nachts zurück zu ziehen. Alleine der Ja er ward i er grösser / Egnatius flüchtete sich mit den berittensten dreyhundert Reutern nach Carras / entblössete das Fußvolck / und ließ seinen Feldherrn schimpflich im Stiche. Verguntejus kam mit vier Fahnen aus dem Wege / und ward biß auff[218] zwantzig tapffere Catten / die sich biß nach Carras durchschlugen / niedergesebelt. Im verlassenen Lager blieben vier tausend schwache zurück / und worden wie Kälber abgeschlachtet. Das Heer erreichte zwar auch Carras / allein durch des Andromachus Verrätherey / und einem vom Surena mit den Römern zum Schein gemachten Frieden / und gepflogener Unterredung / fiel es erst in die Falle / sintemal die Parther / nach dem sie ihren Feind sicher gemacht / und ihm Crassus im Nahmen ihres Königs mit einem köstlich auffgeputzten Pferde beschenckt hatten / sie überfielen. Octavius stieß zwar den / der ihm zum ersten in Zügel fiel / todt / ward aber rückwerts / und nach ihm Petronius / durchstochen. Maxarthes hieb dem Crassus mit seinem Sebel den Kopff und die rechte Hand ab. Die Kriegsknechte kamen von dem verfolgenden Feinde fast alle um / oder wurden von den Arabern in ihre Einöden verschleppet / also / daß von hundert tausend kaum zehen tausend in Armenien / Cilicien und Syrien entrannen / welche von dieser grausamen Niederlage die Botschaft zu bringen kaum genug waren. Worunter auch Caßius war / der hernach den Julius Cäsar erstach. Surena hingegen hielt zu Seleucia ein herrliches Siegs-Gepränge / ieder Parthe hatte auff seinem Sebel einen Feindes-Kopff angespitzt / ein dem Crassus ähnlicher Gefangener ward in Königlicher Tracht zum Schauspiele geführet / welchem eine Menge fürreitender Huren seine Zagheit in schimfflilichen Liedern fürrückten. Unterdessen gieng es in Armenien zwischen dem Könige Orodes und Artabazes scharff her / und das Glücke hielt ihre Siege fast in gleicher Wagschale. So trug sich auch dieser seltzame Zufall zu / daß Artabazes den Pacor Orodens Sohn in einem Treffen / Orodes aber Artabazens Schwester / die schöne Sigambis / in einem Berg-Schlosse gefangen bekam. Als diese zwey grosse Gefangenen nun an dem Flusse auff einer Insel gegen einander ausgewechselt wurden / ward Pacorus im ersten Augenblicke von Liebe dergestalt entzündet / daß er alsofort seinem Vater zu Fuße fiel / und ihn um ihre Vermählung anstehete. Artabazes kriegte gleich die Post von des Crassus Untergange / sahe also die gantze Parthische Macht ihm auff den Hals dringen / dahero hielt er es nicht für thulich diese Gelegenheit aus den Händen zu lassen / so wohl einen anständigen Frieden zu stifften / als das mächtige Haus der Arsacer mit seinem so feste zu verknüpfen. Die Heyrath und Bündniß ward noch selbigen Tag geschlossen / und das Beylager mit höchster Pracht und allen ersinnlichen Ergetzligkeiten vollzogen. Der gelehrte Fürst Artabazes gab selbst durch unterschiedene Gedichte seine Vergnügung an Tag / in derer einem das glückwünschende Armenien eingeführt ward / daraus ich alleine den Schluß erzehlen wil:


Augapffel Persiens / und Auge dieser Welt /

Schweig / Sonne / daß du gebst die Wärmde den Gewächsen /

Den Völckern Geist und Licht. Der Parthen Volck und Feld /

Ja ihre Sonne muß nach meinem Labsal lächsen.

Mein Phrat- und Tiger-Qvell tränckt ihren heissen Sand /

Sigambens Liebes-Thau lescht ihres Fürsten Brand.


Ich gönne / Sonne / dir ein weisses Opffer-Pferd /

Daß Griechenland dir Oel / der Mohre Zimmet bringet /

Doch ist mein Caucasus viel edler Opffer werth /

Mehr Weyrauchs; weil sein Schnee weit deine Glut verdringet.

Die Seele brennt bey ihm / die dort nicht glimmen kan /

Wenn Arsaces sein Hertz fleckt meiner Göttin an.


Doch bleibt Armenien auch Parthens Schuldnerin /

Sein kalter Taurus fühlt des Perseus Liebes-Feuer /

Reisst von Andromeden die schweren Fessel hin /

Erlegt durch seine Huld der Zwytracht Ungeheuer.

Sigambis macht Pacorn / Pacor Sigamben frey /

Daß durch sie beyder Reich verknüpfft und einig sey.


Es bisamt Parthens Sud so uns're Wässer ein /

Daß Oel und Balsam nur aus ihnen kömmt geronnen.

So mag iedwedes nur den andern Weyrauch streun /

Die Sonne meiner Fluth / Araxes seiner Sonnen.

Sigambens Seele schmiltzt für Parthens Liebes-Glut /

Und Arsacens zerrinnt in ihrer Anmuths-Flut.


Als nun beyde Könige mit den Verlobten gleich Taffel hielten / brachte Sillaces des Crassus Haupt in das Zimmer / und warff es dem[219] Orodes zu Füssen. Die Parthen aber hoben selbtes mit grossem Getümmel empor / und Sillaces ward als ein angenehmer! Sieges-Bote mit an den Königlichen Tisch gesetzt. Nach diesem ergriff Jason Trallianus / welcher gleich das Griechische Gedichte vom Pentheus / wie er von seiner Mutter Agarcen / und der Schwester zerrissen ward / aus dem Euripides fürstellete / des Crassus Kopff mit den Haaren / lieff in Gestalt des wütenden Pentheus darmit auff und nieder / und sang darzu:


Wir haben einen Berg mit Netzen rings umstellt /

Sehr gute Jagt gehabt / ein feistes Wild gefällt.


Als nun in der Ordnung des Reyhens einer zu singen kam:


Daß dieser Eber hier

Entseelt und Krafftloß liegt / gebührt die Ehre mir;


sprang Maxarthes von der Taffel auff / und riß das blutige Haupt dem Jason aus der Faust / legte es auff eine güldene Schüssel / und überreichte es als ein Zeichen seiner Tapfferkeit dem Orodes. Dieser beschenckte nicht allein den Maxarthes / sondern auch den Jason mit einem Talent / und niemand war / der nicht mit diesem abscheulichen Schau-Gerichte sein Gespötte trieb; endlich goß Orodes zerschmeltztes Gold dem Crassus in Mund / fürgebende / daß doch sein Golddurst schwerlich mit seinem Leben würde verloschen seyn. Seine Hand ward auch durch alle Parthische Städte geschleppet / und allen entgegen kommenden fürgehalten / um diesem unersättlichen Gliede etwas zu schencken. Nach diesem ergab sich alles / was zwischen dem Phrat und Tiger lag / den Parthen / und diese fielen unter dem Osaces mit einem fliegenden Heere in Syrien ein / wurden aber vom Cassius leichte zurücke getrieben. Alleine es folgte Fürst Pacor alsbald mit einem mächtigern Läger /welchem sich biß an Antiochien alles ergab / theils weil die Römer wenig Volcks in Syrien hatten / theils weil die Syrer mehr den Parthen als Römern geneigt waren. Diese grossen Siege jagten seinem Vater / der ohnediß wegen seiner Grausamkeit verhast war /Schrecken und Argwohn ein / daß er durch Hülffe seines siegenden Heeres ihn vom Throne verdringen möchte; verursachte also / daß ihn Orodes zurück forderte. Also ist das Laster / das einen zum Knechte macht / nicht so verdächtig / als die zu herrschen würdige Tugend. Und ein guter Ruhm ist gefährlicher /als eine böse Nachrede. Der König in Assyrien Balthasar ließ einen jungen Edelmann entmannen / weil eine seiner Kebsweiber nur seine Gestalt gerühmet /und die / welche ihn heyrathen würde / glückselig gepriesen hatte. Den Sohn des Gobrias durchstach er mit einem Spiesse / weil dieser auff der Jagt einen Löwen getroffen / er aber gefehlt hatte. Die Herrschafft aber ist auch so gar gegen eigene Kinder eyversüchtig. Gegen diese mehr / als gegen fremde / fing Ismene an / weil sie zu selbter mehr Anspruch haben. Daher in Gallien ein gewisser Fürst aus Argwohn /daß sein erwachsener Sohn ihm mit Gifft nachstellte /erhungerte / ein ander Vater in Hispanien seinem Sohne das Licht ausleschte. Salonine fuhr fort: Orodes machte unter Söhnen und Dienern keinen Unterscheid / denn er ließ den wegen des grossen Sieges in allzu grosses Ansehen gekommenen Surena gar hinrichten / daß derogestalt tapffere Helden sich mehr ihrer grossen Verdienste / als unwürdige Diener sich ihrer Gebrechen halber fürzusehen haben. Sintemal Fürsten leichter aus Verächtligkeit dieser Fehler verzeihen / als jener Dienste vergelten / nachdem es ihnen beschwerlicher ist Schuldener / als Gläubiger zu seyn. Pacor aber zohe für Unmuth und aus Furcht gleichen Undancks mit seiner Gemahlin zum Artabazes / und streuete daselbst allerhand Samen zu neuer Unruhe wider die Parthen. Also ist ein unzeitiges Mißtrauen ein Ursprung der Untreu / und die Empörung ein verdienter Lohn der übel verhaltenen Tugend. Osaces[220] belägerte inzwischen Antiochien /Caßius aber trieb ihn nicht mit geringem Verlust ab /und nach dem er hierauff Antigonien zusetzte / schnitt ihm Cassius und Ventidius durch tägliche Scharmützel die Lebens mittel ab. Als nun der Hunger ihn Antigonien zu verlassen zwang / versteckte Cassius theils hinter Berge / theils im Gepüsche / wodurch Osaces abziehen muste / seine Völcker; griff ihn hierauff an der Spitze an / und als beyde Heere im hitzigsten Gefechte waren / fielen die versteckten den Parthen in Rücken / erlegten sie auffs Haupt / ja Cassius selbst den Osaces. Dieser Verlust erhielt etliche Jahr auff der Parthen Seite den Friede / den Bürgerlichen Krieg aber zwischen dem Julius und Pompejus auff Seiten der Römer. Weil auch nach des Osaces Niederlage Pacor wieder in Parthen beruffen / und ihm die Kriegs-Macht anvertrauet ward / blieb Artabazes und Armenien ebenfalls ruhig. Endlich wurden doch auch die Parthen vom Pompejus in den Römischen Bürger-Krieg geflochten / weil dieser bey ihnen beliebt / des Julius Glücke aber für gefährlich geachtet ward. Als auch schon Cäsar und Pompejus todt war / schickten sie wider den Antonius und Augustus Hülffs-Völcker; ja Pacor brach mit einer grossen Macht in Syrien /machte mit des Cassius und Brutus Gesandten Labienus ein Bündnüß / streiffte biß nach Alexandrien /und nahm Apamea / Mylassa / Alabanda / ja Cilicien und vom Phrat biß in Jonien alle Städte ein / welche meist mit des Brutus Gefangenen / und also den andern Römern selbst abgeneigten Kriegs-Leuten besetzt waren / schlug den Feld-Hauptmann Saxa in zweyen Schlachten / und in Cilicien ihn selbst todt /setzte den König der Juden Hircanus ab / und seinen Bruder Aristobulus an seine Stelle / belägerte Tyrus und Stratonicea / also daß Antonius / weil ihn selbst dahin zu ziehen Fulvia zurück hielt / den Ventidius wider die Parthen schicken muste. Dieser kam den Labienus in Cilicien über den Hals / ehe er von ihm die geringste Nachricht erhielt; doch standen sie mit ihren Lägern nur gegen einander. Denn Ventidius erwartete die Legionen / Labienus die Parthen. Diese aber vereinbarten sich bey ihrer Ankunfft nicht mit ihm / sondern griffen auff einem Berge die mit Fleiß still liegenden Römer an / wurden aber von ihrer gedrungenen Macht über Hals und Kopff herunter gestürtzet. Labienus muste hierauff wegen seines Volckes Zagheit des Nachts die Flucht ergreiffen / und sich verkleidet in Cilicien verstecken. Demetrius aber / ein Käpserlicher Freygelassener / und des Antonius Stadthalter in Cypern / spürte ihn aus / und tödtete ihn. Hierauff schickte Ventidius den Upedius Silo mit der Reuterey gegen Syrien voran / Pharnabates aber hatte die Enge deß Amanischen Gebürges eingenommen / brachte den Silo ins Gedränge / und es war nahe mit ihm geschehen / als Ventidius ohngefehr zum Treffen kam / und den Pharnabates erlegte. Hiermit fiel gantz Syrien wieder in die Hand des Siegers Antiochus in Palestina / und Malchus der Nabatheer König / die den Parthern Hülffe geschickt hatten /wurden um großes Geld gestrafft. Die Phönicische Stadt Aradus alleine setzte sich zu verzweiffelter Gegenwehr. Pacor aber brachte bald wieder ein neues Heer auff; Hingegen pflegte Ventidius mit dem auff der Parther Seite hangenden Chauneus / einem Syrischen Fürsten grosse Vertrauligkeit / hielt mit ihm unterschiedene Rathschläge / und zwar zu dem Ende /daß er solche den Parthen verrathen solte. Hierdurch brachte er zu wege / daß sie nicht bey Zeugma geraden Weges / sondern an einem flachen Orte über den Phrat setzen / wormit er inzwischen[221] sich verstecken konte. Er ließ auch den besten Parthischen Feldhauptmann Thraates mit dem Vortrab / und den Pacor mit dem gantzen Heer unverhindert über den Fluß setzen /verschantzte sich auf einem Berge / und stellte sich an / als wenn er dem Feinde nicht gewachsen wäre. Unversehens aber überfiel er mit seiner halben Macht den Phraates im besten Wolleben / und jagte ihn aus dem Felde. Pacor meynte: Die gantze Römische Macht wäre hinter des Phraates Völckern her / und fiel daher das seiner Einbildung nach leere Läger des Ventidius an. Ventidius aber ließ seine versteckte Legionen aus dem Läger und den Cyressischen Püschen die Parther vor und rückwerts anfallen. Daß ein unversehener Uberfall gegen dreyfacher Macht bestehe /ward dißmal wahr. Denn die Parthen verlohren anfangs das Hertze / hernach die Schlacht / und endlich auch ihren Erb-Fürsten Pacor / welchem Ventidius nach Ausübung wunderwürdiger Tapferkeit die Lantze selbst durch die Brust rennte / und durch Herumbschickung seines abgehauenen Kopfes alle übrige den Parthen anhängende Städte eroberte. Der einige Camogenische Fürst Antiochus entran nach Samosata /und ward darinnen belägert / endlich aber / ob er schon durch den daselbst befindlichẽ sich von dem Wasser anzündẽtẽ Schla aufs äuserste wehrte / mit dem Antonius sich zu vereinbarn genöthiget. Orodes kam über dieser den Parthen noch nie begegneten Niederlage halb von Sinnen / er ließ viel Tage keinen Menschen für sich / enthielt sich aller Speise / und des redens so lang / daß man in Gedancken kam / er wärestu worden. Endlich kamen ihm viel Tage die Thränen nicht von den Wangen / und kein ander Wort aus dem Munde / als Pacor / Pacor; ja / wenn er schlief / stellte sich ihm sein blutiger Sohn allezeit durch traurige Träume fürs Gesichte. Uber diesem Betrübnüsse ward der ohne diß verlebte Orodes kranck /jede seiner Beyschläferinnen aber sorgfältig ihren Sohn / derer dreissig er mit ihnen gezeugt hatte / ihm zum Nachfolger einzuloben. Wie aber das Verhängnüß die Parther ins gemein zu Vatermörderischen Königen versehen hat; also kriegte auch dißmal Phraates unter allen der schlimste an statt des gütigsten Pacor das Heft in die Hände / welcher seinen wassersüchtigen Vater durch eingegebene Wolfs-Milch / seine neun und zwantzig Brüder aber durch das Mord-Beil in einer Stunde hinrichtete. Alleine diese Laster waren für den unmenschlichen Phraates noch zu wenig / und die durch Mord erworbene Herrschaft konte mit Gelindigkeit nicht fortgeführet werden. Daher muste er sich auch mit dem Blute seines Sohnes Tiridates besudeln. Seinen ersten Eifer gegen ihn verursachte die allen Wüterichen verhaßte Tugend und Tapferkeit ihrer Unterthanen / indem Phraates wegen seiner Grausamkeit verfluchet / Tiridates Nahmen aber weit über des Königs erhoben ward. Welcher Kummer ihn denn zu der Entschlüssung brachte / den Tiridates hinzurichten / wormit die ihm abholden. Parthen niemanden aus dem allein Reichs-fähigen Geblüte des Arsaces hätten / den sie zum Könige benenneten /also ihn wider Willen behalten müsten. Hierzu goß seine gegen deß Pacors Wittib die schöne Sigambis gefangene Brunst Oel ins Feuer / in die er so sehr entbrennte / daß er ihrentwegen auch Berenicen / des Medischen Königs Artavasdes Tochter zu verstossen versprach. Wie nun Sigambis gar nicht in Phraatens Willen kommen wolte / hingegen durch heimliche Kundschafft ausspürete / daß sein Sohn Tiridates sich in Sigamben verliebt / und sich umb ihre Gewogenheit bemüht hatte / machte ihn seine unbändige Begierde gegen Tiridaten gantz rasend / in Meynung /daß nicht die von Sigamben vorgeschützte nahe Anverwandniß / sondern seines eigenen Sohnes Liebe seiner Vergnügung am Wege stünde. Daher legte er auf alle ihre Tritte Kundschafft / und wie er erfuhr /daß Tiridates mit Sigambẽ in den Königlichen[222] Lust-Garten / umb frische Abend-Luft zu schöpfen / ungefähr zusammen kommen waren / rennte er als ein wütender Tiger sie mit blosser Sebel an / stieß selbte seinem eigenen Sohne durchs Hertz / und ließ die mit Tiridatens Blute bespritzte Sigamben aus einem Schlosse in Band und Eisen schliessen. In diesem setzte er Sigambens Keuschheit bald mit Liebkosen und grossen Versprechungen / bald mit Andräuung grausamer Marter zu. Sie aber verhönete das erstere / und verlachte das andere / biß ihr in Vertrauen zu wissen gemacht ward / daß Phraates sie mit Gewalt nothzüchtigen und hernach zu Asche verbrennen wolte. Thußnelde fing überlaut an zu ruffen: Hilff Himmel! Mir gehen die Haare zu Berge über dieses Unmenschen grausamen Lastern / welcher sich schwerlich der grimmesten Thiere / zu geschweigen eines andern Menschen vergleichen lassen. Salonine sagte: Sie wüste gleichfalls ihm kein ander Beyspiel beyzusetzen / als den Persischen König Darius / welcher / umb seiner Stiefmutter Aspasia vermählt zu werden / mit 50. seinen Brüdern den Vater Artaxerxes zu ermorden ein Bündnüß machte. Unsere vorerwehnte Sigambis aber gerieth über Phraatens Entschlüssung in äuserste Verzweifelung / und zu so erbärmlichem Wehklagen /daß der tapfere Maneses / einer der fürnehmsten Parthischen Fürsten / der über solch Schloß und darumb liegendes Land die Aufsicht hatte / zu Mitleiden gegen ihr bewegt ward / sonderlich / da sie sich selbst / umb ihre Verunehrung zu verhüten / in den Fesseln zu erwürgen bemühete / und die Hippo / weil sie hätte ins Meer springen / und ihre Keuschheit unverletzt erhalten können / für ihr mehr als selig prieß. Daher setzte Maneses alle sein Glück entweder aus der Liebe der Tugend / oder der Sigambis selbst für Ihre Ehre in die Schantze / und führte sie aus dem Gefängüsse zu ihrem Bruder Artabazes / beredete ihn auch /daß er / umb dieses Unrecht / wie auch sich an dem mit den Parthen verbundenen Könige der Meden Artavasdes / welcher der Sigambis aus Eifersucht für seine Tochter Berenicen des Phraates Gemahlin Berenicen Gift beyzubringen getrachtet hatte / zu rächen /sich mit dem Antonius wider die Parther verband /sonderlich da Sosius und Canidius allbereit mit 16. Legionen den König in Iberien Pharnabaces und der Albaner Zoberes zu gleichmässigem Bündnüsse gezwungen hatte. Phraates / dem am Maneses sehr viel gelegen war / schickte an Antonius / der ihm inzwischen die Städte Larissa / Arethusa / und Hierapolis geschenckt hatte / eine prächtige Botschafft / trug ihm Frieden an / und bat ihn umb Zurückschickung des Maneses / welchen er durch kräftigste Eydschwüre versicherte / daß / nach dem er durch Rettung der unschuldigen Sigambis mehr lob- als straffwürdig wäre / ihm kein Haar gekrümmet werden solte. Also müssen endlich die schrecklichsten Wüteriche / welche die Tugend für einen schlangichten Gorgons-Kopf ansehen / ihren heilsamen Nachdruck erkennen / und ihr selber das Wort reden. Antonius ließ also den Maneses von sich / umb Phraaten durch Hoffnung des Friedens mehr einzuschläffen / brach aber bald hierauf mit anderthalb hundert tausend Mann / darunter 13000. Armenier und 6000. Gallier waren / in Atropatenen und Meden ein / und belägerte in der Haupt-Stadt Phraata Artavasdens Gemahlin und seine Kinder; alleine / weil Tatian allen Sturmzeug langsam nachführete / vergebens. Hingegen fiel Phraates mit seiner gantzen Macht in Armenien; also / daß Artabazes sein eignes Feuer zuleschen dahin seine Macht zu ziehen gezwungen / von Römern aber im Stiche gelassen /und endlich durch Manesen einen Stillestand mit den Parthen zu machen beredet ward. Inzwischen traff Artavasdes auf den ermüdeten Tatian / er schlug ihn mit 2. gantzen Legionen / verbrennte allen Kriegszeug und kriegte den Pontischen König Polemon gefangen. Phraates und[223] Artavasdes stiessen hierauf zusammen /und schnidten dem Antonius bey Phraata alle Lebens-Mittel ab / endlichen aber liessen sie ihm solche wieder zu / und erklärten sich gegen seine Gesandschafft / daß sie die Römer aus Gnade unbeschädigt wolten zurück ziehen lassen. So bald aber die Belägerung aufgehoben ward / lagen ihnen die Parthen in Eisen /wenn auch Mardus ein den Römern getreuer Parthe zu ihrem grossen Vortheil ihnen nicht einen bergichten Weg in Armenien abzulencken gewiesen / ja zu Versicherung sich selbst hätte binden lassen / und einen sonderbaren Vortheil sich gegen die Parthische Reiterey zu stellen gewiesen / oder auch die Gallier sich so tapfer gehalten hätten / wäre ihres Gebeines nicht davon kommen. Wiewohl ihrer täglich viel für Hunger verschmachteten / oder zum Feinde überlieffen /dessen unvorsichtige Grausamkeit und Unwissenheit /daß man feindlichen Uberläuffern Pflaumen streichen / und seidene Küssen unterlegen solle / alleine verhinderte / daß nicht das gantze Heer den Antonius verließ. Insonderheit wurden die Gallier und andere frembde Hülffs-Völcker sehr erbittert / daß Titius und Canidius den fürtrefflichen Gallischen Fürsten Flavius / der den Rücken der Römer alle Tage mit unsterblichem Ruhme beschirmete / unter denen ihn übermannen den Feinden alleine baden / und nebst 3000. Galliern durch das Ungewitter der Persischen Pfeile zerfleischen ließ. Ißmene konte bey dieser Erzehlung sich abermals des Lächelns nicht enthalten / muste auch auf der Königin bewegliches Ersuchen und Saloninens Stillschweigen bekennen / daß diese Gallier eitel Deutsche / und der von den Römern wegen seiner weissen Haare so genante Flavius ihr Bluts- Freund gewesen sey / der nach der Belägerung Alesiens mit dem Antonius in Italien / und folgends in Morgenland gezogen wäre. Nach diesem Flavius hätte auch Ernst Hertzog Herrmanns Bruder derogleichen zum Nahmen bekommen. Salonine fing hierauf an ferner zu erzehlen: Nach oberwehntem Verlust wuchs den Parthen wieder der Muth / die Römer aber geriethen in äuserste Kleinmuth und Drangsal / also / daß das Gersten-Brodt gegen Silber ausgewogen ward /und sie so gar mit wahnsinnigmachenden Kräutern den Hunger stillen musten / wiewohl Antonius mit seiner Beredsamkeit und Freygebigkeit sie zu unglaublicher Gedult bewegte / und mit aufgehobenen Händen in Trauer-Kleidern anruffte: Daß sie das dem Römischen Heere besti te Unheil auf seinen Kopf ausgiessen möchten. Endlich hätten sie sich vollends auf die Schlachtbanck geliefert / als sie gegen ein erblicktes Gebürge wegen Durst ihren Zug nahmen /wenn nicht Manesens Vetter Mithridates sie gewarnigt / und daß unter selbigen Bergen die gantze Parthische Macht auf sie wegelagert / berichtet hätte. Endlich entstund wegen ermangelnden Wassers ein Aufruhr im Läger / also / daß man so gar selbst des Feldherrn kostbare Sachen plünderte. Ja Antonius gerieth in solche Verzweifelung / daß er ihm seinen Freygelassenen Rhamnus schweren ließ / er wolte ihm den Kopf abschneiden / wormit er weder lebendig in des Feindes Hände geliefert / noch auch unter den Todten erkeñet würde. Aber Mithridates kam abermals ans Läger / und vergewisserte sie / daß eine Tage-Reise von dar ein süsser Fluß / und über selbtem das Ziel sey / wie weit die Parther sie zu verfolgen entschlossen wären. Welches denn auch also erfolgte; wiewohl die Römer 6. Tage noch mit Furcht und Zittern forteileten / biß sie den Fluß Araxes / der Meden von Armenien trennet / erreichten / daselbst aber / und insonderheit die Verwundeten / unter dem Taurischen Schnee-Gebürge einen neuen Feind / nemlich die Kälte antraffen. Artabazes hätte ohne Schwerdtschlag mit blosser Entziehung des Schiff-Gefässes an dem Flusse Araxes die Römer vertilgen können / Phraates und Artavasdes verwarnigten ihn auch / daß er[224] dem wegen nicht geleisteten Beystandes ergri ten Antonius nicht trauen solte. Alleine dieser redliche Fürst ließ sich seine Schmeichel-Worte einnehmen / daß er ihm mit allem Fahrzeuge über den Strom halff / ihm Geld und Lebens-Mittel entgegen schickte / und das erhungerte Heer in Armenien überwintern lies. Antonius selbst zohe in Egypten zu Cleopatren / und nachdem Artabazes auf sein Ersuchen nicht zu ihm kommen / und auf das ihm gestellte Fallbret treten wolte / zohe er auf den Frühling wieder in Armenien / als sich vorher bey ihm Polemon eingefunden / und nicht allein für sich / sondern auch im Nahmen des Medischen Königes ein Bündnüß mit ihm wider den Artabazes und Phraates gemacht hatte. Wider jenen / weil er ihm die Römer über den Hals geführt; wider diesen / weil er mit ihm die Römische Beute ungleich getheilet / und seine Tochter Berenizen von sich verstossen hatte. Antonius eignete dem Polemon zur Vergeltung das kleinere Armenien zu /schickte aber Artabazen so viel leichter ins Garn zu locken den Quintus Dellius zu ihm / und ließ für seinen mit Cleopatren gezeugten Knaben Alexander um seine Tochter Statira werben / und umb eine Zusammenkunft anhalten. Wie nun der von Maneses aufs neue verwarnigte Artabazes allerhand Außflüchte brauchte / schickte Antonius den Dellius mit eydlicher Versicherung seiner Freundschafft / und betheuerlichen Schreiben des König Archelaus in Cappadocien / und des Amyntens in Galatien / welche er daselbst eingesetzt hatte / noch einmal zum Artabazes / folgte aber bald mit seinem Heere auf dem Fusse nach. Artabazes ward hierdurch theils beredet dem Antonius auf seine glatte Worte zu trauen / theils auch gezwungen sein Mißtrauen nicht mercken zu lassen / fand sich also gutwillig in sein Läger ein. Antonius aber nahm ihn alsobald in Haft / und gab für: Er müsse sich wegen entzogener Hülffe mit einem grossen Stücke Geldes lösen / führte ihn also für die Schlösser / darinnen der Königliche Schatz verwahret war. Nach dem aber die Stadthalter solche nicht öfneten / der Armenische Adel auch alsofort seinen Sohn Artaxias zum Könige erklärte / ließ Antonius Artabazen in silberne Fessel schliessen / führete ihn mit seiner Gemahlin und Kindern in einem Siegs-Gepränge nach Alexandrien / legte sie Cleopatren in güldenen Ketten zun Füssen / und ließ ihnen endlich in einem Schauspiele den Kopf abhauen / als er vernahm / daß sich Artaxias mit dem Parthischen Könige Tiridates verbunden hatte. Denn weil Phraatens grausame Herrschafft alle Erträgligkeit überstieg / hatten ihn die Parther verstossen / und Tiridaten auf den Reichs-Stul gesetzet; hingegen vermählete Antonius des Medischen Königes Tochter Jotapen seinem Sohne Alexander / und schenckte ihm ein Stücke Armeniens /welche nach des Antonius Tode Augustus ihrem Vater wieder zurück schickte; Cleopatra aber sendete Artabazens abgehauenen Kopf zum Augustus. Als Salonine allhier ein wenig Athem holete / fing die Königin an: Ich besorge / die holdselige Thußnelda und die schöne Ismene werde aus Unwissenheit / wohin so viel frembde Geschichte zielen / unserer Erzehlungen überdrüssig werden / daher kan ich mich länger nicht enthalten / ihr zu eröffnen / daß diese Armenische Könige meine Voreltern / Artaxias mein Vater gewesen /ich aber die verstossene Königin Erato sey / welcher Unglück Salonine nicht gnugsam auszudrücken getrauet / wenn sie nicht die Trauer-Fälle meines zum Elende versehenen / nicht aber so lasterhaften Geschlechtes / wie die Römer in der Welt von ihm ausgesprenget / mit auf die Schaubühne stellete. Thußnelde umbhalsete die Königin Erato mit Vergiessung vieler Thränen / und versicherte die / daß wie ihres Stammes Trauer-Fälle ihr mitleidentlich tief zu Hertzen gegangen wären; also schöpfte sie mit Ismenen aus derselben umbständlichen Erzehlung nicht wenige Ergetzligkeit. Denn es hätte[225] das menschliche Elend die Eigenschafft des Feuers an sich / welches /seines Verderbens wegen / Schaden und weh thäte /gleichwohl aber annehmlich anzuschauen wäre. Also hörete man ins gemein die allertraurigsten Ebentheuer am liebsten. Uber diß machte die Unglückseligkeit ihr Geschlechte bey ihr weder schuldig noch verdächtig. Das feinste Gold komme so geschwind in den Schmeltz-Ofen / als das schlimmen Beysatz hat / und der Hagel schlage so geschwinde Weitzen als Unkraut nieder. Das Verhängnüß habe etliche Geschlechter zu grossem Glück / andere zu unaufhörlichem Jammer versehen / ohne daß es auf die Tugend oder die Laster ein oder des andern ein Auge habe. Dahero erbete man von seinen Eltern nicht nur die Aehnligkeit des Gesichts / und die Gemüths-Regungen / sondern auch die Gunst und Verfolgung des Glückes; nicht anders /als die jungen Panther von den alten ihre Flecken /und die Zibet-Katzen den Geruch. Also habe in Hibernien ein Geschlechte geherrschet / dessen Zweige fast alle vom Hencker-Beile abgehauen worden. Ja was noch seltzamer: Oftmals klebete einem gewissen Nahmen ein unabsonderlich Unglück oder Schandfleck an. Sie habe ihr offt erzehlen lassen / daß in Armenien alle Tigranes / im Pontus alle Mithridates / in Persen alle Artaban tapfer / aber unglückselig gewest. In Gallien wären fast alle Inducianarer eines gewaltsamen Todes gestorben / einer sey in einem Strome erschossen / der andere auf seiner Schwester Beylager im Turnier von seinem Stallmeister mit der Lantze ins Auge gerennt / der dritte von einem Druys in seinem Zimmer / der vierdte von einem Meuchelmörder in seinem Wagen erstochen worden. Salonine fing an: Da die Fürsti en ihr wieder gnädiges Gehöre verleihen wolten / würde ihre folgende Erzehlung die erwehnte Meynung so viel mehr verstärcken. Als sie sä tlich durch ihr Stillschweigen zu verstehen gaben / daß sie durch ihr darzwischen reden nicht gern einigen Aufschub verursachen wolten / fuhr sie derogestalt fort: Artaxias der neue Königin Armenien rüstete sich nach seines Vätern Artabazes Gefängnüsse alsofort möglichst zur Gegenwehr / und ob ihm schon Antonius sein angesta etes Reich unter Bedingungen antragẽ ließ / so wolte er doch nichts zum Schimpfe seines gefangenen Vaters einwilligen / sondern mit Behauptung der Ehre alles zufällige lieber auf die Spitze setzen. Allein es zogen wider ihn nicht alleine die Römer / sondern auch der König in Meden / dessen Tochter der junge Alexander geheyrathet hatte /der König in Pontus Polemon / dem Antonius das kleinere Armenien geschenckt / und der hernach gar für einen Bundsgenossen der Römer angenommen ward; Archelaus der König in Cappadocien / und der Fürst in Galatien Amyntas ins Feld. Gleichwohl ließ Artaxias sich diese zusammenziehenden Gewitter nicht schrecken / zohe ihnen also entgegen / und lieferte ihnen an der Medischen Gräntze eine Schlacht /in welcher er alle Griffe eines klugen Feldherrn / und alle Thaten eines tapfern Kriegshelden ausübte. Sieg und Verlust hingen den halben Tag auf einer Wagschale. Denn was dem Artaxias an der Grösse des Heeres abging / ersetzte seine Großmüthigkeit. Diese aber ward von der Leichtfertigkeit des verrätherischen Artabazes / welchem Artaxias den Hinterhalt anvertrauet hatte / endlich mürbe gemacht / indem selbter sich zum Feinde schlug / und mit einem Theile seiner Reiterey seinem Könige in Rücken fiel. Hierüber geriethen die Armenier in Unordnung / und / nach dem Artaxias durch keine Müh sie aus solcher Verwirrung bringen konte / in die Flucht. Der König kriegte selbst drey Wunden / diese aber hinderten ihn nicht zu dem Parthischen Könige Tiridates seine Zuflucht zu neh men / als er an dem Flusse Cyrus ein Theil seines[226] Volckes wieder versa let / und hin und wieder gute Anstalt gemacht hatte den Lauff des Sieges dem Feinde zu hemmen. Dieser Tiridates nahm den Artaxias freundlich auf / gab ihm nicht allein ansehnliche Hülffe / sondern vermählete ihm auch seine Tochter die wunderschöne Olympia. Hiemit kam Artaxias zu grossen Freuden der bedrängten Armenier in seinem Reiche wieder an; und weil Antonius inzwischen alle Römische Kriegs-Völcker wider den Augustus abgefordert hatte / wolte er keine Zeit versäumen / sondern ging auf den König der Meden getrost loß. Dieser aber konte für dem Blitze dieses hurtigen Feindes nicht stehen / sondern ward nach kaum einstündiger Gegenwehre flüchtig. Die Festungen ergaben sich meist gutwillig dem Artaxias / und schlugen ihre frembde Besatzung todt. Artavasdes machte sich über Hals und Kopf aus Armenien; alleine Artaxias folgte ihm in Meden nach / ereilte ihn bey der Stadt Ecbatana. Beyde Heere traffen hertzhafft auf einander. Die Armenier munterte die Rache / die Meder ihre für Augen schwebende äuserste Noth auf / welche auch Furchtsamen ein Hertze macht. Alleine Artaxias drang mit dem Armenischen Adel auf einer / und Artaban ein Parthischer Fürst mit den Parthischen Hülffs-Völckern so gewaltig auf die Meden / daß sie gegen der Stadt in offentliche Flucht geriethen. Als Artavasdes nun die Seinigen zurück halten wolte / traf Artaxias auf ihn / rennte ihn vom Pferde / und konte mit genauer Noth verwehren / daß er von den hitzigen Armeniern nicht getödtet / oder von Pferden zertreten ward. Artaxias kam also mit dem gefangenen Könige für die Stadt Ecbatana / welche sich ohne Gegenwehr der Willkühr des Siegers untergab. Artaxias konte sich über der Pracht dieser Stadt / und insonderheit des Schlosses / welches billich unter die Wunderwercke der Welt zu rechnen ist / nicht gnungsam verwundern. Dieses hat der mächtige König der Meden Dejoces von Grund aus erbauet / und mit sieben festen Mauern umgeben. Die äuserste ist von weissem Marmelsteine / die andere von schwartzem / die dritte von rothem / die vierdte von einem Himmel-blauen Alabaster; die fünfte ist von gebackenen Steinen / welche mit dem allerhöchsten Zinober und Sandarach übergläset sind / die sechste ist gantz übersilbert / und die siebende vergoldet. Die Königliche Burg inwendig ist von dem köstlichsten Marmel / und nach der vollkommensten Bau-Kunst gebauet. Alle Thore sind von Ertzt / das Pflaster von vielfärbicht durcheinander eingelegten Steinen bereitet / das Dach vergoldet / daß bey Sonnen-Scheine niemand selbtes anschauen darff. Die Wände sind mit güldenen Tapezereyen / an welchen noch gewisse Bilder mit Perlen und Edelgesteinen gestückt zu sehen / die Bödeme mit Persischem Gewebe bedecket. In einem der Sonne gewiedmeten Tempel stehet des Medischen Reichs-Stiffters Arbaces / wie auch des Dejoces Bildnüß in Gold / und nach ihm alle Medische Könige aus Ertzt in Lebens-Grösse gegossen / oder aus Alabaster gehauen. An dem Schilde des Arbaces war Sardanapal eingeetzet /wie er mit einer Hand dem Arbaces den Assyrischen Reichs-Stab überreicht / mit der andern den unter sich gemachten Holtz-Stoß anzündet / mit dieser Uberschrifft:


Ihr Meden lernt von uns: Das Reich sey ein Gewebe /

Zu dem die Klugheit spinnt / daran die Tugend stückt /

Wozu kein Weiber-Arm / kein knechtisch Geist sich schickt /

Daß Wollust Zepter nähm' / und Tapferkeit sie gebe.

Die krönt nun Arbacen / stürtzt den Sardanapal /

Setzt Helden auf den Thron / und Weiber an den Pfel.


Unter Dejocens güldenem Bilde war die Stadt Ecbatana geetzt mit dieser Uberschrifft:[227]


Der Ban hier ist ein Bild Dejocens Hand und Stärcke /

Die so viel Stadt einriß / und Länder äschert ein.

In welchem mag nun wol Dejoces grösser seyn?

Er brach nur Mauren ab / hier baut er Wunderwercke.

Zermalmte Stein und Kalck / erhöhte Gold für Koth.

In jenem war er nur ein Mensch / in dem ein Gott.


Alle andere Bilder / sagte Salonine / haben dar ihre denckwürdige Uberschriften; ich wil aber alle / ausser dieselbe / verschweigen / welche Artavasdes unter des letzthin überwundenen Crassus Kopf / welchen ein Griechischer Bildhauer aus Alabaster gemacht / und ihm verehret hatte / schreiben ließ:


Des geitz'gen Crassus Kopf ist zwar nur schlechter Stein /

Doch ist er güldner hier / als wo er Gold schlingt ein.


Die Ergebung der Stadt Ecbatana war ein Wegweiser der andern Haupt-Stadt Phraata / ja des Königes Artavasdes Gefängnüß ein Schlüssel zu dem gantzen Medischen Reiche / welches ihren König als einen Störer der allgemeinen Ruh verfluchte / und dem Artaxias fast Göttliche Ehre anthat. Unter andern liessen die Reichs-Stände sein Bildnüß aus dichtem Golde giessen / stellten es mitten in den Tempel der Sonnen / und schrieben darbey: Dem grossen Artaxias /dem dritten Erhalter der Meden. Also liebkoset die Heucheley nicht nur den Lastern / sondern auch der Tugend. Wenn sie aber ihre Larve wegwirfft / übt sie ihre Gramschafft nicht minder gegen diese / als gegen jene aus; gleich als wenn die Tugend nur nach Eigenschafft der Heucheley in nichts wesentlichem /sondern auf eitelem Scheine bestünde / und ihre Schönheit nur betrüglicher Firnüß wäre / wie der Verlauff ausweisen wird. Weil nun aber / wie die Glieder an der Kette / also auch ein Glück an dem andern hängt / war es nicht genung / daß Artaxias das Königreich Armenien wieder gewonnen / und sich noch darzu zum Herren der Meden gemacht hatte / sondern seine Gemahlin Olympia kam auch in den Tempel der Sonnen / dahin sie sich aus Andacht verfügt hatte /mit der hier anwesenden Königin Erato und einem jungen Herrn / und zwar gleich mit aufgehender Sonne darnieder / als die in und ausser des Tempels aus vergüldetem Kupfer gemachte Himmels-Kugeln entweder durch Zauberey / oder durch heimliche Krafft solchen Gestirnes feurig und klingend zu werden anfingen. Die Wahrsager wusten nicht genung auszusprechen / wie viel Gutes das Verhängnüß diesen zwey neugebornen Kindern zudächte. Denn über diese merckwürdige Zeit war der Ort der Geburt der Meden gröstes Heiligthum / und ein vollko enes Nach-Gemächte des Indianischen Sonnen-Tempels /welchen Porus dem grossen Alexander zu Ehren gebauet / sein Bild einmal stehende / und denn auch zu Roße aus dichtem Golde / des Ajax aus Helffen-Bein / sein eigenes dem Leben nach fünf Ellenbogen hoch darein gesetzet hatte / und darinnen die Säulen des Tempels mit Feuerfärbichtem Marmel / und gleichsam blitzendem Golde gezieret / die Bödeme aber mit Perlen eingelegt waren. Ihre Eitelkeit aber kam allzu zeitlich ans Licht. Denn als Artaxias zurück in Armenien kehrte / und auf dem Flusse Tigris durch den Arethusischen See fuhr / gerieth das eine Schiff / worauf die Königlichen Kinder waren / auf einen Steinfels /daß es zu scheitern ging. Ob nun wol die Bootsleute das Fräulein mit Nachschwimmen aus dem Wasser brachten / so ward doch die Wiege / darinnen der junge Fürst Artaxias lag / von dem Strome davon gerissen; und wie fleissig man auch an den Ufern nachsuchte / von ihm das geringste Merckmal nicht gefunden. Die Trauer-Fälle sind mitten zwischen vielem Glücke am empfindlichsten / dahero gieng dieser dem Artaxias so viel mehr zu Gemüthe. Denn grosse Gemüther vermögen zwar / wie die Erdkugel / beständig / aber nicht unbeweglich zu seyn. Helden haben eben so wenig Diamantene Augen ohne Thränen / und stählerne Hertzen ohne Fühlen / als andere. Zumahl Olympien bey der Geburt ein Zufall[228] begegnet war /welcher der Wehmutter Urthel nach sie zu künfftiger Empfängniß unfähig machte. Gleichwol aber beraubte ihn die Grösse dieses Hertzeleides nicht seiner durch öfftere Zufälle abgehärteten Klugheit / und weil seine Liebe gegen Olympien unausleschlich war / setzte er ihm für / weder durch die sonst nicht ungewöhnliche Heyrath mehrerer Frauen seine eigene durch andere Neben-Sonnen zu verdüstern / noch iemanden anderst / als diß / was sie gebohren / mit der Zeit zu seinem Stuel-Erben zu erklären. Es stand ihm aber am Wege / daß in Armenien noch kein Weibsbild den Reichs-Apffel in Händen gehabt hatte. Daher berieht er sich mit seinem vertrautesten und höchsten Staats-Diener dem klugen Artafernes / was bey so gestalten Sachen zu thun wäre. Dieser urtheilte: Er hielte es in allewege für eine verdammliche Ketzerey / wenn etliche das weibliche Geschlechte für unfähig der Königlichen Herrschafft schätzten. Die Staats-Klugheit steckte nicht im Barte / und die Königliche Hoheit nicht im Sauersehen. Das Gewichte / welches die Uhr des gemeinen Wesens triebe / sey die Krafft eines lebhafften Geistes / und die Geschickligkeit einer scharffsinnigen Vernunfft / welche nichts minder in Frauen- als Manns-Köpffen Raum hätten. Das Gestirne der Caßiopea und der Venus sey so schön und kräfftig / als des Theseus und des Mars. Der Kopff mache einen zum Weltweisen / die Zunge einen zum Redner / die Brust einen zum Ringer / die Armen zum Kriegsknechte /die Füsse zum Lauffer / die Achseln zum Träger / ein grosses Hertz aber einen zum Könige. Wenn an starcken Spann-Adern das gemeine Heil hinge / müste Griechenland seine Fürsten von den Olympischen Rennebahnen / und Rom seine Bürgermeister aus den Schauplätzen nehmen. Man hätte wohl eh Riesen zu Fürsten / welche Bäume auszureissen vermöchten /derer Achseln sich doch unter einer mittelmäßigen Schwerde der Reichs-Sorgen beugten. Hingegen wären offtmals kräncklichte Fürsten gewest / die etliche Jahr nie aus dem Zimmer kommen / oder vom Siech-Bette auffgestanden / denen aber die Last etlicher Königreiche leichte gewest. Diese wären von Zeuge zubereitet / der zum Kopffe gehörete / und keine Spann-Adern dörfte / jene aber von solchem /der zu Gliedern und Dienern erfodert wird. Diese gehörten zum Steuer-Ruder / welches nur Klugheit /keine Stärcke erfordert; jene auf die gemeine Ruder-Banck / da die Armen das beste thun / die weder der Schweiß / noch die rauhe Lufft entkräfftet. Es ist wahr / sagte Thußnelde / es hat in Britannien ein König Hippo Marcomirs Sohn eine und die andere Welt aus seinem Zi er / welches einem Kranckenhause ähnlicher / als einer Raths-Stube war / so klüglich beherrscht / daß man ihn den Salomon seiner Zeit geheissen. Und ich muß unserm Geschlechte / daß es zum Herrschen geschickt sey / abermal das Wort reden. Ich wil von der Semiramis und Nitocris zu Babylon /Artemisien und Laodicen in Asien / von der Thomyris bey den Scythen den Wundern der Vor-Welt nichts erzehlen. Zu erwehnten Königs Hippo Zeit regierte in Hibernien Telesbia eine Jungfrau lange Jahre zu der gantzen Welt Verwunderung / ja sie hielt oberwehntem Könige Hippo dergestalt die Wage / daß seine klügste Anstalten / und die mächtigsten See-Rüstun gen zu Wasser wurden. Für wenigen Jahren hat Canistria den Svionern und Gothen mit grossem Ruhm für gestanden / und ihr Reich über zwey Meere erweitert Die Sitones haben insgemein Weiber zu Königinnen. Diesemnach deñ hoffentlich unsern Deutschen nicht wird zu verargen seyn / daß sie die Frauen in den wichtigsten Sachen zu rathe ziehen / und ihr Gutachten meistentheils gelten lassen / festiglich glaubende /daß diß Geschlechte nichts minder heilig als fürsichtig sey. Auch sind die Britannier nicht zu schelten /daß sie in der Reichs-Folge kein Geschlechte unterscheiden. Salonine kam hierauff wieder[229] an den Faden ihrer Erzehlung: Artafernes habe den König Artaxias durch obige und mehr Gründe in seiner Meinung bestärckt / daß er das Reich auf seine Tochter Erato zu bringen Anstalt machen solte; iedoch weil alle Neuerung verdächtig wäre / und einige ehrsüchtige Unterthanen ihre Herrschaft zu unterbrechen sich erkühnen dörften / solte er den Schiffbruch seines Sohnes verdrücken / und das Fräulein Erato an des Verstorbenen Stelle aufferziehen. Artaxias lies ihm diesen Anschlag belieben / von welchem niemand als der König Artafernes / und ich als Hoffmeisterin des Königlichen Frauenzimmers wuste. Also glaubete gantz Armenien und Persien / daß Erato todt / und Artaxias lebendig wäre. Die Lebhafftigkeit / und die ansehnliche Gestalt dieses Fräuleins halff diese Blendung nicht wenig ver hüllen. Artaxias gab ihr den aus der Stadt Susiana am rothen Meer bürtigen Dionysius Periegetes / welchen Käyser Augustus / um sich der Morgenländer Beschaffenheit zu erkundigen / mit Fleiß in Armenien zu wohnen befehlichet hatte / zum Lehrmeister. Denn es verstand Artaxias wohl: daß alle Schönheit ohne Auffputzung unvollkommen / und alle Vollkommenheit ohne Beyhülffe rauh sey / ja das Gold selbst müsse gefärbt / die Diamanten geschliffen werden. Dahero eine kluge Erziehung das Böse verbessere /dem Guten seine noch ermangelnde Helffte der Vollkommenheit beysetze. Also unterwieß Dionysius sie nicht alleine in allerhand Sprachen / und der Platonischen Weltweißheit; sondern sie ward auch in allen Ritterspielen auffs fleißigste ausgemustert; also daß an ihr keine Eigenschafft ihres Geschlechtes zu sehen war / als die Schamhafftigkeit und Anmuth. In dieser Lehre blieb Erato biß ins zwölffte Jahr / und Artaxias in ruhigem Besitz beyder Königreiche. Denn nach dem Augustus den Antonius bey Actium überwunden hatte / war er mit Behauptung Egyptens / und mit Demüthigung der Dacier / Mysier und Bastarnen beschäfftigt / welche mit Hülffe des Getischen Königs Rotes geschlagen / ja der Bastarnen König Deldo selbsthändig von des Crassus jüngstem Sohne getödtet ward. Dieser kriegte auch mit den Meden und Serden / und dem Getischen Könige Dapyr und Zyraxes zu schaffen / allwo er das Gebürge Ceyra und die Haupt-Festung Genucla nebst denen dem Cajus Antonius vorhin abgenommenen Fahnen wieder eroberte. So hat auch Augustus mit Einrichtung seines einhäuptigen Reichs / und mit Besetzung der Aemter genung zu thun. Uberdiß dräuten die Britannier in Gallien einzufallen / die Cantabrer und Asturier wurden auffrührisch; also daß Augustus wider jene in Gallien /wider diese nach Tarracon ziehen / und nachdem sein Feldhäuptmann Elius Largus wider den König des glückseligen Arabiens Sabos einen unglückseligen Zug gethan / und in der Wassermangelnden Sandwüsten für Hitze und Durst sein gantzes Heer verschmachtet war / daselbst die Grentzen besetzen muste. Zu geschweigen seiner vielfältigen Haus-Bekümmernisse / welche ihn an alle Ecken des so grossen Reichs die Römischen Heerspitzen zusenden /und den bey ihm in schlechter Gewogenhiet stehenden Artaxias mit Kriegs-Macht zu überziehen hinderte; also gegen ihm seine Unhold nicht anders auslassen konte / als daß er ihm seine vom Antonius aus Armenien gefangen mit weggeführte Brüder frey zu lassen weigerte; da er doch den Meden die dem jungen Alexander verlobte Jotapen willig abfolgen ließ. Wie aber das Glücke entweder müde wild einen lange mit unverwendetem Auge anzuschauen / oder ihm verkleinerlich hält / daß es allezeit mit einerley Winde in ein Segel blasen müsse; also konte auch der Wohlstand des Königs Artaxias weder für sich selbst unveränderlich bleiben / noch seine Klugheit das sich stets umwältzende Rad des Verhängnißes hemmen. Sehet aber / wie das Wetter / so von weitem her über Armenien auffzog! Der Comagenische König[230] Antiochus hatte seinen Blutsverwandten Alexander / der mit einem Theile des ihm anvertrauten Kriegsvolcks zu den Römern übergegangen / und dabey dem mit dem Antonius getroffenen Frieden ihm ausgelieffert worden war / auff offentlicher Schaubühne andern Aufrührern zum Abscheu hinrichten lassen. Dieses hielt Augustus für einen Schimpff des Römischen Volcks /welches zeither allen fremden Aufwieglern Thür und Thor aufgesperret / und durch selbte mehr als durch eigene Kräffte in dem trüben Wasser der unruhigen Länder gefischt hatte. Dahero trug er ihm solche That welche künftig Meineidigen die Lust nach Rom ziemlich versaltzen dörfte / zu rächen lange nach / biß er bey sich ereignenden Zwytracht zwischen ihm und seinen Bruder dem blinden Könige der Dentheleter /Sitas / Gelegenheit solche auszuüben erlangte. Wiewol insgemein dafür gehalten ward: daß des Sitas Gemahlin Arimanthe / mit welcher Augustus die hernach mit seiner Tochter Julia sich als eine Freygelassene auff haltende / und bey ihrem ausbrechenden Ehebruche mit dem Julius Antonius sich erhenckende Phorbe durch Ehebruch erzeugt hatte / den Käyser wider den Antiochus verhetzt hätte. Diese Herrschsüchtige Arimanthe meinte / nachdem sie dem Käyser in dem Schooß säße / er ihrem Ehemanne auch schon Hülffe wider den Antiochus versprochen hatte / es trüge ihr mehr keine Busse alle Laster auszuüben. Daher schickte Sitas / oder vielmehr sie unter dem Scheine die brüderliche Uneinigkeit gütlich beyzulegen einen Gesandten zum Antiochus / der von dar vollends nach Rom ziehen / uñ den Verlauff der Sachen berichten solte. Im Werck aber kundschaffte dieser des Antiochus Verfassung aus / und trachtete nicht allein seine Diener zu bestechen / sondern ihm auch gar Gifft beyzubringen. Diese Verrätherey aber ward offenbar /und Antiochus ließ seines Bruders Gesandten aus Creutz schlagen. Augustus nam diese gerechte Straffe für eine Verletzung des Völcker-Rechts und des Römischen Volcks / zu welchem der Gecreutzigte gehen solte / auff / und foderte den Antiochus nach Rom /dafür Red und Antwort zu geben. Artaxias / dessen Schwester Antiochus hatte / widerrieth ihm zu erscheinen / aber er verließ sich auff seine gerechte Sache. So bald er aber nach Rom kam / ward er für den Rath gestellet / und gegen ihm auffgemutzet / wie nicht allein alle Völcker / sondern auch die Götter das den Botschafftern zugefügte Unrecht mit Feuer und Schwerdt gerochen hätten. Als König Psa enitus in Egypten des Königs Cambyses Herold niedersebeln lassen / hätten ihn und sein Königreich die Götter in Cambysens Hände gegeben / welcher des Psammenitus Sohne und zwey tausend Memphitischen Knaben Knöbel an den Mund legen / sie zur Schlachtbanck schleppen / und dem Geiste des Herolds auffopffern lassen. Also hätten sie auch den Ariovist gestrafft /weil er des Julius Cäsars Gesandten Valerius Procillus in Ketten geschlossen und verbrennen wollen. Als die Athenienser des Darius Botschafft / ungeachtet sie ihnen Erde und Wasser ansprachen / in ein tieffes Loch steckten / wären sie fast alles ihrigen entsetzt; und als sie des Königs Philippus todtes Bild (Gesandten aber wären lebendige Bilder ihrer Fürsten) mit Harn begossen / wäre ihre Stadt mit Asche / Blut und Saltz besprenget worden. Insonderheit wäre es bey den Römern ein löbliches Herkommen / solche Schmach mit des Verbrechers Untergange abzutilgen. Als die Tarentiner den Römischen Botschaffter Lucius Posthumius verlachet und besudelt / hätte Tarent hernach bitterlich weinen und den wenigen Koth mit grossen Strömen Bluts abwaschen müssen. Die gantze Stadt Fidena sey deßwegen eingeäschert worden. Sie selbst hätten ihre eigene Bürger ihren Feinden zur Straffe ausfolgen lassen / die sich an ihren Gesandten vergriffen / als den L. Minutius und L. Mannlius den Carthaginensern / den Qvintus Fabius /[231] und Cneus Apronius der Stadt Apollonia. Antiochus schützte hingegen für / der gecreutzigte Gesandte wäre kein Römischer / sondern seines Brudern / ja nicht ein Gesandter / sondern ein Auffwiegler und Meuchel Mörder gewest. Zu dessen Beweiß er unterschiedene Zeugnisse und Uhrkunden fürlegte. Die Unversehrligkeit einer Botschafft währete nicht länger / als ihre Unschuld. Alle Freyheiten würden durch Mißbrauch verspielet. Weil nun das heilige Amt eines Gesandten kein Deckmantel unstrafbarer Boßheit seyn solte /hätte er zu Beschirmung seiner Hoheit / und zur Sicherheit seiner selbst billich Urthel und Recht über ihn ergehen lassen. Hätten doch die Römer den Tarentinischen Gesandten Phileas / welcher nur durch Bestechung der Auffseher zwey Tarentinische Geissel von Rom wegspielen wollen / mit Ruthen gestrichen /und vom Tarpejischen Felsen gestürtzet. Für wenigen Jahren hätte der Schutzherr Hiberniens des Königlichen Gesandten aus den glückseligen Eylanden Bruder wegen eines gemeinen Todschlages enthaupten lassen. Warum solte ein König nun nicht den / der ihm nach Reich und Leben strebt / den Gesetzen und dem Richterstuhl unterwerffen? Allein ihm ward begegnet: Das Unrecht eines Gesandten ginge auch den an / zu dem er geschickt würde. Als die Antiater die nach Rom von Sicilien abgefertigte Botschafft eingekerckert hätten / wären die Römer am ersten wider sie zu Felde gezogen. Hätte ein Gesandter was verwürcket / stünde das Erkäntniß seinem Herrn zu / dem er zu Bestraffung abgefolgt werden müste. Als der grosse Alexander Tyrus erobert / habe er zwar zweytausend Bürger gecreutziget / denen Carthaginensischen Gesandten aber kein Haar krümmen lassen / ob sie schon wider ihn geschickt waren / und die Stadt gegen ihn zur Hartnäckigkeit verhetzt hatten. Als Rom den Phileas gestrafft / wäre Tarent schon den Römern unterthänig gewest. Antiochus zog endlich unterschiedene Schreiben der Königin Arimanthe heraus / daraus er bescheinigte / daß sie und König Sitas an ihres Gesandten Lastern Theil und Wohlgefallen / als er sich von den Mitschuldigen keiner Gerechtigkeit zu versehen gehabt hätte. Dessen aber allem ungeachtet /sprach der Rath ihm auff deß in die Arimanthe verliebten Augustus Befehl den Kopff ab / welch grausames Urthel auch an ihm unerhörter Weise vollzogen ward. Alleine dieser Streich zielete noch auff einen grössern Kopff / nemlich den Artaxias / gegen den sich nun mehr durch Hinrichtung seines Schwagers des Augustus Haß so vielmehr vergrösserte / nach dem es des menschlichen Geschlechts Eigenschafft ist / den zu hassen / den wir verletzt haben. Gleichwol aber hielt den Augustus die Macht und Tapfferkeit des Artaxias / und das Bündniß mit den Parthen zurücke / sich gegen ihn öffentlich Feind zu erklären /ungeachtet er hörte / daß des Artaxias Schwester mit dem von Rom überkommenen blutigen Kopffe ihres Gemahls zum Artaxias gezogen war / und ihn um Schirm und Rache mit beweglichen Thränen anflehete. Diesemnach sahe er nach durch List ihm ein Bein unterschlagen / und befand des Ariaxias eigenen Bruder Artabazes / der nebst dem Tigranes vom Antonius aus Armenien gefangen weggeführet / und zu Bedienung dem Tiberius zugeeignet war / zu einem tauglichen Werckzeuge. Denn er war ein Mensch von Natur zu allen Lastern geneigt / und die Gemeinschafft mit dem Tiberius hatte ihm diese Lehre fest eingepräget /daß des Herrschens wegen nicht nur alle Rechte verletzt / das Gewissen an Nagel gehenckt / sondern auch das Geblüte in Galle verwandelt werden müste. Dieser ward zu einem schönen Vorwand / daß der Käyser nur dem Verbrechen des Antiochus nicht seinem Geschlechte gram sey / König in Comagene erkläret /und / die Warheit zu sagen / Artaxias hierdurch nicht alleine besänfftiget / sondern[232] auch sicher gemacht. Artabazes erschien selbst nach Artaxata / strich seiner brüderlichen Liebe und des Käysers Zuneigung eine schöne Farbe an / ersuchte ihn auch ihm behülfflich zu seyn / daß der Parthische König Tiridates ihm seine andere Tochter vermählen möchte. Artaxias half ihm nicht alleine zu dieser ansehnlichen Heyrath /sondern er hätte ihm gerne die Sonne zugeeignet /wenn diß so wohl in seiner Gewalt gestanden / als ihn brüderlich zu lieben. Ist aber wol ein schwärtzerer Undanck / ein abscheulicherer Meuchelmord iemals gehöret worden! Artaxias hielt Artabazen mit seiner neuen Gemahlin Antigone durch gantz Armenien königlich aus / und begleitete ihn biß an die Comagenische Gräntze. Als sie nun das letzte mahl gut dem ersten Comagenischen Schlosse nicht weit von Samosela Taffel hielten / Artaxias auch seine meisten Leute über dem Flusse Phrat gelassen hatte / die übrigen aber mit Fleiß durch den Wein eingeschläfft waren /auch sich diesem fürsichtigen Könige Gifft beyzubringen nicht schicken wolte / stieß der unmenschliche Artabazes unversehens einen gifftigen Dolch in des Artaxias Hertze / und besudelte sich und seine Braut mit dem brüderlichen Blute / und eines solchen Fürstens / dessen Gedächtniß die Tugend unsterblich erhalten wird / wo sie anders nicht besorget / daß mit ihm auch des keines Namens und Andenckenswürdige Artabazes dörfte gedacht werden. Die Königin Erato konte sich nicht enthalten / daß die Wehmuth die Thränen Strom-weise aus ihren Augen preste; Thusnelde aber umb sie von so schmertzhaffter Erinnerung auf was anders zu bringen / warf ein: Sie hielte zwey Dinge für ungerechte Schickungen des Glückes; eines wäre daß / nachdem der Nachruhm der schönste Preiß der Tugend sey / der tapffersten Helden Gedächtniß offt gar vergessen / oder doch gar ungeschickt aufgemerckt würde. Der unvergleichliche Scipio sey nur von der groben Feder des Ennius gerühmet / die alten deutschen Heldenthaten aber von niemanden aufgeschrieben worden. Das andere bestehe darinnen: daß / nachdem die Vergessenheit / welche alles in den Staub des unsichtbaren Nichts vergräbet / die gröste Rache wider die Laster ist / dennoch der Name und das Thun vieler boßhafften Menschen / welche der Geburt nie werth gewest / unvergessen bleibt / und also die Boßheit nichts minder als die Tugend die Gewalt iemanden zu verewigen haben soll. Die Ephesier meinten durch ihr Verbot den Namen des ihren Dianischen Tempel anzündenden Mordbrenners / weil er dardurch ihm die Unsterbligkeit zu erwerben für gehabt / der Nachwelt aus Ohren und Augen zu reissen; Gleichwol hat der beredte Theopompus mehr ihm als den Nachkommen zu Liebe aufgezeichnet / daß es Herostratus gewesen sey. Pausanias erstach den grossen König Philipp / und sein Mord ist nach dem Einrathen Hermocratens nicht weniger / als des Ermordeten Siege / bekandt. Ja seine Gemahlin Olympias dorfte diesem ans Creutz geschlagenen Meuchelmörder noch wol einen Lorber-Krantz aufsetzen / und Lebenslang bey seinem ehrlichen Grabe ein prächtiges Jahr-Gedächtnüß halten lassen. Es ist nicht ohne /antwortete die sich wieder erholende Erato / daß viel tugendhaffte Gemüther einer gelehrtern oder aufachtsamern Welt würdig gewest sind / als in welcher sie gelebet / da entweder der Mangel der Geschichtschreiber / oder der Undanck der Lebenden / welchen meist nur die verfaulten Knochen der verstorbenen wolrüchen / ihrer vergessen. Gleichwol aber träget das Verhängniß für die Tugend so grosse Sorge / daß der Nachruhm derselben / derer Fleisch in unbekanten Gräbern stincket oder vermodert ist / sich noch als eine kräfftige Salbe in die gantze Welt zertheilet / und daß die / von welchen bey ihren Lebzeiten kaum ihr Nachbar was gewüst / tausend Jahr hernach in der gantzen Welt berühmt sind. Worbey ich mich der[233] Reimen erinnere / die in dem Delfischen Tempel unter dem Bilde des seine Kinder fressenden / und dardurch die Zeit fürbildenden Saturnus eingeetzt sind; Worauf Faunus / der daselbst für Zeiten im Nähmen des Saturnus der Helden Glücksfälle geweissagt haben soll /mit dem Finger zeigte:


Den Menschen ist zwar iede Morgenröthe

Ein Sterbelicht; die Sonn' ein Todt-Comete;

Denn ieder Augenblick eilt mit ihm in das Grab /

Als wie die Ström' ins Meer' und Pfeile zu dem Zwecke.

Allein / wie nichts verdirbt / das nicht was neues hecke;

So seil'n sich zwar die Stunden ab;

Doch wird ein Tag daraus. Der Monat wird zum Jahre /

Wenn er zwölf mahl sich leget auf die Bahre.

Und so ist der Verlust ein Wachsthum selbst der Zeit.

Wenn auch nun gleich sich Tugend äschert ein /

So scheint doch ihre Grufft ein Fenix-Nest zu seyn.

Denn's Lebens-Todt gebier't des Nachruhms Ewigkeit.


Hingegen kan man freylich wol durch keine gegenwärtige Käpfer-Gewalt weder des bösen noch guten Gedächtniß vertilgen. Wiewohl sich nun die nach solchem Andencken strebende Boßheit mit ihrer eigenen Schande / wie der Geyer an stinckenden Aessern sättigt; so ist doch diß eine mehr als gifftige Nahrung /welche macht / daß man für beyden Grauen und Abscheu hat. Daher haben die Lasterhafften sich so sehr für der Feder eines Geschichtschreibers / als die häßlichen für dem Pinsel des Mahlers zu fürchten. Salonine setzte bey: Aber noch vielmehr für dem unaufhörlich nagenden Wurme des Gewissens und der göttlichen Rache. Jenes führet wider den Schuldigen täglich tausend Zeugen / es stellet ihm für einen Richter /der ihn alle Augenblicke zu Schwerd / Pfal und Schweffel verdammet; es über giebt ihn einem Hencker / der ihn stündlich mit Ruthen streicht. Weder Leibwache / noch Festungen können ihn hierwider schützen. Denn weil wir von Natur für Lastern eine Abscheu haben / ist das Zittern der boßhafften Eigenschafft / die Furcht bleibt auch in der grösten Sicherheit nicht aussen / und sie glauben weder ihren selbst eigenen Schadloß-Bürgen / noch denen / die durch heuchlerische Lobsprüche dem Laster eine schöne Farbe anstreichen. Der Schlaff kan sie nicht beruhigen / das Schrecken schleichet mit dem Schatten ihrer Träume in ihre innerste Gemächer; so oft man von frembden Verbrechen redet / so oft verurtheilt sie das ihrige. Diese Angst bleibt niemahls aussen / wo gleich die Rache der Götter verweilet. Jedoch folget diese doch endlich / und wenn sie mit einem langsamen Bley-Fusse einen Ubelthäter einholet / so tritt sie ihm desto schwerer auf den Hals. Beydes erfuhr der Bruder-Mörder Artabazes / welchen von der Zeit so grausamer That niemand mehr lachen gesehen. Er wolte selbte zwar verdrücken / und daß Artaxias durch einen Zufall umkommen wäre / die Armenier bereden; alleine die Ubelthäter haben meist ihr eignes Antlitz / oder wol gar die stummen Spinnen zum Verräther / in dem die Mörder in ihren Geweben wol mehrmals ihre Ubelthaten zu lesen vermeinen / und einen Fischkopf für das Haupt eines unschuldigen Todten ansehen. Ja Artabazens eigene Rathgeber behertzigten allererst nach vollbrachter That die Grösse des Lasters / und nach dem der nur / den sie hasten /erblichen war / verwandelte sich ihre vorige Mißgunst in Mitleiden / und welche vorhin zu solcher Entschlüssung ein Auge zugedrückt / zohen den Kopf aus der Schlinge / und verriethen das abscheuliche Beginnen ihres Fürsten. Wie nun Artabazes seinen Mord entdeckt sahe / muste er seinem offenbaren Laster mit Kühnheit zu hülffe kommen. Dahero ruffte er den Tiberius zu Hülffe / welcher alsofort mit sechs Römischen Legionen in Armenien einbrach. Die Reichsstände geriethen bey solcher Bestürtz- und Entfallung ihres Hauptes / wie auch in Mangel eines erwachsenen Nachfolgers in höchste Verwirrung; Einer wolte mit seinem Rathschlage dar / der andere dort hinaus /und also hinderten auch die / welche es gleich mit dem Vaterlande und[234] des Artaxias Erben gut meinten /einander. Die Meden fielen ab / und setzten den Ariobarzanes auf den Thron / welcher durch Gesandschafft und Geschencke den damals in Asien sich befindenden Tiberius auf seine Seite brachte / und vom Käyser die Bestätigung seiner Herrschafft erlangte. So verlautete auch / daß Augustus persönlich mit grosser Macht in Asien kommen würde. Artafernes mein Ehmann brachte es gleichwol in der Eile so weit / daß Erato unter dem Namen des andern Artaxias zu Artaxata gekrönet ward / und Astyages mit einem fliegenden Heere dem Artabazes entgegen zog. Er selbst nahm aufs schleunigste seinen Weg in Parthen / um bey solchem Nothstande vom Könige Tiridates Hülffe zu bitten. Aber / O der ohnmächtigen Kräffte / welche sich auff frembde Achseln lehnen! Denn / sehet /gleich als Artabazes in Armenien gedrungen / war der grimmige von den Parthen vertriebene Phraates mit zwey mahl hundert tausend Scythen / welche er nach hin und wieder vergebens gesuchter Hülffe durch grosse Vertröstungen gewonnen hatte / in Parthen eingefallen / und hatte theils von denen / welche die öftere Veränderung der Fürsten für den Wolstand des Reichs halten / oder bey dessen Verwirrung sich höher ans Bret zu bringen vermeinen / einen grossen Zulauff erlanget. Tiridates raffte zwar in der Eil ein ziemliches Heer zusammen / und / weil die Geschwindigkeit in Bürgerlichen Kriegen das meiste thut /wolte er seinem Feinde bey zeiten begegnen. Artafernes kam mit etlichen hundert Armenischen Edelleuten gleich darzu / als Phraates und Tiridates im hitzigsten Treffen waren / und fand diesen mit Staub und Blut derogestalt besprützet / daß er ihm kaum mehr kenntlich war. Gleichwol hielt er es nicht für rathsam / bey so gefährlichem Zustande den Tiridates durch Eröffnung der schlechten Beschaffenheit in Armenien kleinmüthig zu machen / sondern er vermengte vielmehr seine Waffen gleichfalls mit dem Feinde / und wie klein gleich diese Hülffe war / so machte es doch den Phraates stutzig / als er Armenier wider sich fechten sahe. Meine endlich überwog die Menge der Scythen die Tapfferkeit des Tiridates / und er muste sich mit seinem Volcke / so gut er konte / nach eines gantzen Tages ritterlichem Gefechte zurück ziehen. Das Schrecken etlicher Flüchtigen brachte den Ruff in das gantze Königreich / Tiridates wäre mit seinem gantzen Heere erschlagen / und hiermit auch die Furcht unter die dem Tiridates sonst getreue Unterthanen /also / daß eine unzehlbare Menge dem Phraates zufiel / entweder / weil dem Sieger ieder geneigt ist / oder weil sie durch zeitliche Unterwerfung seine bekandte Grausamkeit besänftigen wolten / welche er itzt / nach Art der neuen Herrscher / mit angenommener Leutseligkeit verhüllte / und als eine ertichtete Tugend so viel mehr gefürchtet ward. Als nun Tiridates sein Läger alle Tage abnehmen / Phraatens Macht aber wachsen sahe; Massen denn unter einem neuen Herrn der Gehorsam seine Dienste sehr eifrig abstattet / entschloß er sich auf Artafernens Einrathen dem Phraates lieber das Reich zu räumen / als noch so viel edlen Blutes ohne Hoffnung des Sieges auf die Fleischbanck zu opffern. Daher befahl er / daß gegen Mitternacht sein übriges Heer in Bereitschafft seyn solte /und nachdem er dieses auf einen geheimen Anschlag angesehen zu seyn vermeinte / trug er ihnen gantz unvermuthet für: Nachdem die Götter ihm das Reich nicht länger gönneten / welches er durch einmüthige Sti e der Parthen überkommen / wolte er dem Verhängnisse aus dem Wege gehen / und dieses mit gutem Willen abtreten / was ihm doch das Glücke aus den Händen winden würde. Dahero erliesse er sie ihrer Pflicht / und des ihm gethanen Eydes. Jeder solte nach seinem Belieben sich bey dem Phraates aussohnen / oder sonst sein Heil versuchen. Er wäre nun auch aus dem Sprunge[235] dahin zu folgen / wohin ihn sein Stern oder Unstern leiten würde. Auf allem Fall würden sie und sein Gewissen ihm zeugen / daß er sein Schwerd in kein unschuldiges Blut der Parthen getaucht habe. Die Fürstin Ismene fing hierüber laut an zu ruffen: Hilf Himmel! aus was für Blödsinnigkeit hat der so berühmte Tiridates / ehe er völlig überwunden worden / seine so getreue Unterthanen diesem Wüterich auff die Schlachtbanck liefern / sich selbst aber der Herrschafft enteusern können? Einem Könige thut es ja nicht so weh sterben / als seiner Hoheit entsetzt werden. Denn jenes ist nur eine Empfindung eines Augenblicks / dieses aber ein unaufhörlicher Todt / und das überbliebene Athemholen ein stetes Seufzen. Salonine antwortete: Eben dieser Meinung wären die getreuen Parthen gewest. Denn dem Kriegsvolcke giengen über dieser seltzamen Entschlüssung die Augen über / die Obersten umarmten seine Knie / reichten ihm die Hände / weisten ihre Narben und baten: Er möchte doch das so getreue Heer / die so wol verdienten und der Wunden gewohnte Parthen nicht verlassen / und in des Wüterichs Hände ungerochen fallenlassen. Es sey besser widrigen Zufällen begegnen / als ausweichen. Tapffere Leute müsten mehr Hoffnung schöpffen / als das Unglücke dräuen könte / und die Furchtsamen eilten nur zu kleinmüthiger Verzweiffelung. Sie wären entschlossen mit einem so frommen Fürsten zu leben und zu sterben. Alleine Tiridates hatte als ein kluger Fürst schon seine übrige / und des Phraates Kräfften gegen einander auf die Wage gelegt / und daraus die Unmöglichkeit seinem Feinde fruchtbar die Stirne zu bieten erkennet. Die Chimeren der Herrschens-Begierde streichen zwar leicht auch der Unmögligkeit eine Farbe an / und die Anbeter des blinden Glückes verleiten die Fürsten leicht zu tollkühnen Entschlüssungen; aber ein kluger Fürst hält es für keine Schande dem Blitze des Himmels auszuweichen / und der Gelegenheit zu erwarten sich wieder in Stand zu setzen und in Bügel zu heben / insonderheit aber in einer verzweiffelten Sache das Bürger-Blut zu sparen. Phraatens Grausamkeit hätte die Zeit mit dem Schimmel der Vergessenheit überzogen / und die lüsterne Liebe der Neuigkeit das Volck mit Phraaten verbunden. Weil nun aber ein Wüterich so wenig als ein Tiegerthier nicht von seiner wilden Art lassen / ja sein mit Blut erworbenes Reich ohne Mord nicht behaupten kan / der veränderliche Pöfel aber / als ein Cameleon unter den Menschen / und ein Thier / das den Wirbel des Unbestandes zu seinem Angelsterne braucht / so geschwinde hasset / als liebet; meinte Tiridates / es würde Phraates bald erkennet werden /und also seine Herrschafft so wenig als die Zuneigung der Parthen keinen Bestand haben / und er also mit mehr Ruhm / und wenigerm Blute den Königlichen Stul wieder besteigen können. Diesemnach er denn seinen Getreuen zur Antwort gab: Er nehme ihre großmüthige Erklärung zu Danck auf / und da noch einige Hoffnung dem Vaterlande zu helffen übrig wäre / würde er mit Freuden sich für selbtes aufopffern. Alleine er hätte es nun schon mit dem Glücke versucht / und das Verhängniß kennen lernen. Möchte er auch gleich durch ihre Tugend Kron und Zepter behaupten können / so würde diese Eitelkeit doch durch so viel edles Blut allzu theuer gekaufft seyn. Es sey besser sie dem Vaterlande zum besten erhalten / als es ihm rühmlich wäre für seine Bürde iemanden zu verderben. Sie hätten Ehre genung davon / daß ihre Treue alles mit ihm auszustehen wäre willens gewest. Dahero solten sie nicht länger ihrer Wolfarth und seiner Beständigkeit am Wege stehen. Traute aber ein und ander nicht beym Phraates Gnade zu finden / so wäre er nicht darwider / daß derselbe ihm nachfolgte /und an seinem Glücke Theil hätte. Hiermit gab er und Artafernes dem Pferde die[236] Sporne / und ritt aus dem Läger fort / welchem das Kriegsvolck gantz verstummet / und als wenn es vom Wetter gerühret wäre / bestürtzt nachsahe. Gleichwohl aber folgten ihm über tausend Pferde von dem fürnehmsten Adel / welche zu Verstossung Phraatens am meisten geholffen hatten /und daher lieber ihre Güter / als Köpffe im Stiche lassen wolten. Mit anbrechendem Tage traffen sie auf ein Geschwader Scythen / welche sie alsofort umringten /und von ihren Gefangenen vernahmen / daß hinter ihnen zwey tausend Phraatische Völcker mit vielen beladenen Camelen im Anzuge wären / welche Phraatens jüngsten Sohn Tiridates wegen zugestossener Unpäßligkeit in eine sich unferne von dar ergebene Festung bringen solten. König Tiridates wolte diese Gelegenheit sich noch zu guter letzte zu rächen nicht aus den Händen lassen; Gab daher seinem gewesenen Feldherrn Artaban das dritte Theil seiner Gefehrten darmit den Scythen zu begegnen / mit dem Befehl / er solte alsofort Fuß für Fuß zurücke weichen /er selbst aber setzte sich mit einem Drittel hinter einen Sandhügel / und Artafernes war befehlicht dem Feinde durch einen Umschweif in den Rücken zu kommen / und / wo möglich / den jungen Tiridates nicht entwischen zu lassen. Der Anschlag lief nach Wuntsch ab; die Scythen gingen auf des Artabans geringen Hauffen / so bald sie dessen ansichtig waren /halb blind loß / wurden auch des Königs Tiridates bey ihrer unvorsichtigen Verfolgung nicht ehe gewahr / als biß Artaban festen Fuß setzte / und Artafernes hinter dem Sandhügel herfür ihnen in die Seite fiel. Hiermit wurden sie in einer viertel Stunde zertrennet /und / weil es ihnen meist um den bey den Kamelen sich befindenden Sohn des Phraates zu thun war /kehrten sie den Parthen den Rücken / setzten den jungen Tiridates geschwind auff ein Pferd / in Meinung mit ihm alleine durchzugehen / und ihrem Feinde die übrige Beute im Stiche / und zu seiner Verweilung zu hinterlassen. Aber Artafernes kam ihnen schnurstracks entgegen / und derogestalt rennten sie meist einander selbst zu Boden / also / daß die Parthen nicht so wol zu fechten / als nur zu würgen hatten. Den jungen Tiridates konte Artafernes mit genauer Noth erretten / daß er nicht von seiner eigenen Reuterey ertreten ward. Nach dieser letzten Rache und fetten Beute nahmen sie ihren Weg gerade nach Armenien zu; auf der Gräntze aber wurden sie von dieser betrübten Zeitung erschrecket / daß Astyages mit seinem Heere von den Römern erlegt / Artaxata durch Verrätherey erobert / die verwittibte Königin Olympia gefangen / Artabazes gekrönet / Mithridates hingegen ein Sohn des meineydigen Alexanders / welchem der zu Rom enthauptete König Antiochus hatte den Kopf abschlagen lassen / in Comagena eingesetzt; Erato /oder der so genante junge König Artaxias durch mich und etliche getreue Armenier geflüchtet / und gantz Armenien unter Artabazens Botmäßigkeit gebracht worden wäre. Diesemnach wuste König Tiridates aus dem Stegereiffen / und da ihm Armenien / Parthen und Scythen verschlossen war / keinen andern Schluß zu fassen / als gegen Edessa und Antiochien in Syrien abzulencken / bey dem Käyser / welcher wegen der gegen die Römer verübten Grausamkeit und abgenommener Adler dem Phraates nicht gut seyn konte /Zuflucht und Schutz zu suchen / auch ihm den jungen Tiridates einzuantworten. Tiridates ward vom Käyser freundlich bewillkommet / und ob wohl Phraates beym Augustus um Ausfolgung seines so genennten Knechtes des Tiridates und seines Sohnes / Tiridates hingegen um Hülffe wider Phraaten anhielt; so schickte er zwar jenem den Sohn / das übrige aber schlug er so wol Tiridaten als Phraaten ab / iedoch ließ er den König Tiridates in Syrien Königlich unterhalten. Nachdem auch Augustus hierauf selbst in[237] Syrien kam / und Phraates wegen Tiridatens Einfall sorgfältig war / schickte jener dem Käyser nicht allein die dem Crassus und Antonius abgenommenen Adler und noch lebenden Gefangene zurücke / sondern auch seine zwey ältester Söhne Unnones und Phraates zur Geissel; oder vielmehr / weil er mit seinem gantzen Geschlechte bey den Parthen verhast war / zu ihrer eigenen Versicherung. Welches Augustus für ein so grosses Werck hielt / daß er sieghafft unter einer Ehrenpforte in Rom seinen Einritt hielt / dem rächenden Jupiter einen Tempel baute / um die ohne Schwerdstreich weder bekommenen Adler darinnen aufzuhängen. Ich muß aber zurück in Armenien kehren / und auf den fürgesetzten Zweck kommen. Als die Post nach Artaxata von des Astyages Niederlage und Artabazens Anzuge kam / nahm die Königin Olympia mich / und Ariarathen einen ihrer vertrautesten Räthe allein in ihr Zimmer / stellte uns ihre und ihres Sohnes des jungen Königs augenscheinliche Gefahr mit heissen und bittern Thränen für / beschwur uns auch bey unserer Eydes-Pflicht / daß wir in dieser eusersten Noth sie nicht Trostloß lassen / sondern / weil der Wüterich Artabazes nach ermordetem Vater auch dessen Sohn nicht leben lassen würde / wir selbten / unserm Gutbedüncken nach / wohin wir wüsten und könten / retten möchten. Sie wäre entschlossen das Haupt des Reiches Artaxata nicht zu verlassen / sondern so lange sie athemte / ihrem grimmigen Feinde die Spitze zu bieten. Ariarathes und ich musten die Entschlüssung dieser wehmüthigen Mutter billigen /erboten uns zu aller möglichsten Außrichtung ihres Befehls / und wurden nach ein- und anderer Berathschlagung schlüßig uns mit dem jungen Artaxias in die von dem Königlichen Sitze des Pontischen Reichs berühmte Stadt Sinope zu flüchten. Ich mag oder kan nicht aussprechen / mit was für empfindlichem Hertzeleide Olympia und Erato von einander Abschied nahmen. Die Zunge war nicht mächtig einiges Wort /noch die Augen einige Thränen auszulassen / gleichsam als wenn beyde allzugeringe Andeutungen ihrer Liebe und Schmertzens wären. Eine so empfindliche Zärtligkeit hatte die Natur mit der Mutter-Liebe in Olympiens Hertze gepflantzet / welcher sonst das Unglück mit allen Zähnen und Nägeln ihres Rades keinen Seufzer abzuzwingen vermocht hätte. Wir zohen also aus Artaxata / und nahm Erato so viel Schwermuth mit sich / als sie ihrer Mutter Olympia zurück ließ. Gleichwohl hielten die Schutz-Götter die Hand über uns / daß wir in geheim aus Artaxata / und durch allerhand Umwege über die rauhesten Gebürge in Galatien / und zu Sinope glücklich ankamen. Viel erbärmlicher aber ging es zu Artaxata mit Olympien her / welcher Tugend das Glücke gegen sie eyversüchtig /die Boßheit aber unsinnig machte. Als Artabazes mit den Römischen Legionen für Artaxata kam / fingen die / auf welche sich die Königin zeither am meisten gestützt hatte / an zu wancken / und denen sie am meisten zugetraut / veränderten mit dem Glücke auch ihre Gesichter und Gemüthe. Ja Artabazes war fast ehe mit gezückter Sebel durch Verrätherey im Schlosse ihr auf dem Halse / ehe sie des ersten Angriffs auf die Stadt gewar ward. Dieser / sage ich / trat mit feurigen Augen / mit blutbegierigen Händen und giftigem Hertzen in ihr Zimmer / in festem Vorsatze die Königin eigenhändig seiner Mord-Begierde aufzuopffern. Höret aber / was die Tugend über die Grausamkeit / und die Schönheit auch über die Unmenschen für eine nachdrückliche Herrschafft führet! So bald Artabazes Olympien erblickte / welche alle Annehmligkeiten des weiblichen / und alle Tugenden des männlichen Geschlechts besaß / erblaste sein Antlitz / die Sebel sanck ihm auf die Erde / und sein schäumender Mund wuste nicht / was er sagen solte. Endlich befahl er alleine / daß sie die Königin ehrlich verwahren / und / wo[238] Artaxias sich aufhalte / genau nachforschen solten. Die scharffsinnige Olympia dachte alsofort nach / an was für Klippen sich die Zornwellen dieses blutdürstigen Wüterichs gestossen haben müsten. Alleine sie konte selbte unschwer im Spiegel ihrer unvergleichlichen Schönheit / und durchdringenden Anmuth / als ihrer vorhin schon geprüften zwey ärgsten Feinde / finden; welche zwey Amazonen nicht nur auf die weiche Schwanen / sondern auch auf die Tieger- und Bären-Jagt zu ziehen /ja den Panthern die Klauen / und den Löwen die Rachen zu hemmen mächtig sind. Die Bluts-Freundschafft konte diesen Unmenschen / der mit seines eigenen Bruders Blute seine Taffel bespritzt hatte / und nach seinem überbliebenen Erben so scharffe Fragen verordnete / nicht gezähmet haben. Daher konte sie ihr an den Fingern ausrechnen / und / als sie diesen Wüterich nur zum andern mal ins Gesichte kriegte /ihm leicht an der Stirne ansehen / daß er in sie verliebt worden / als so viel mehr vernünftiger nachsinnen / wie sie dem andräuenden Sturme seiner Uppigkeit hertzhafft begegnen solte. Wie nun die Liebe freylich das übermüthige Glücke zu demüthigen bemühet / und der Sieger ein Leibeigner seiner Gefangenen worden war; Also dachte Olympia auf keine Weise wieder überwunden zu werden. In ihrem schönen Leibe wohnte noch ein grösser Hertze; Ihre Keuschheit war mit einer so grossen Hertzhafftigkeit ausgerüstet / daß ihr auch aller Welt Annehmligkeit keine neue Liebe eindrücken / keine höllische Marter sie den Pfad der Tugend zu verlassen / bewegen konte / und daher war ihr fester Schluß / Artabazens vermuthetes Liebkosen zu verlachen / und seinen Dräuungen Hohn zu bieten. Aber die unausleschliche Liebe ihres Artaxias stellete ihr seinen Geist für Augen / welcher sie mit aufgehobenen Händen und Darzeigung seiner Wunden um Rache gegen seinem mördrischen Bruder anflehete. Wo aber solte die schwache Hindin / die selbst von den Klauen dieses Wolffes zerrissen zu werden alle Augenblicke besorgen muste / Rache und Kräfften finden? Endlich zeigte ihr die Liebe einen Weg durch die Liebe. Denn als Artabazes das dritte mal zu Olympien in das Zimmer kam / wischte er ihr selbst die Thränen von den Wangen / verkleinerte ihr die bißherigen Trauerfälle mit dem gewöhnlichen Wechsel des Glückes / und ließ sich heraus: Es hätte wol ehe einer / die in grössere Finsterniß gestürtzt worden / die Sonne geschienen. Wie er nun an Olympien weniger Ungebehrdung / als ihn die Grösse ihres Elendes besorgen ließ / vermerckte / ward er den vierdten Tag gegen ihr so offenhertzig / daß er / ohne Verblümung / seine Liebe entdeckte / und wie sie durch ihre Zuneigung die Staffel ihrer königlichen Würde alsofort wieder betreten könte / mit höchster Betheuerung seiner Aufrichtigkeit meisterlich und vermessen fürzubilden wuste. Sintemal ihm das lachende Glücke ohne diß eingebildet hatte / daß in der eroberten Stadt Artaxata nichts unüberwindliches / und so gar alle Seelen gegen ihm entwaffnet wären. Olympie muste bey diesem Angriffe alle Kräfften ihrer Seele zusammen ziehen / um die in ihrem Hertzen hellodernde Rache und den Zunder der Tugend verbergen. Denn die annehmlichen Anfechtungen müssen mit keiner rasenden Ungedult überwunden / noch / wenn man sich des Gefängnisses erledigen will / der Kercker-Meister ermordet / am wenigsten / um sich des Hals-Eisens loß zu machen /der eigene Kopf abgeschnitten werden. Dahero ließ sie sich gegen ihm heraus: Sie bescheidete sich wol /daß wenn sie auch Bäume ausrisse / sie ihren Gemahl nicht lebendig machen könte; daß unter Fürstlichen Brüdern wol mehrmal Zwist und Feindschafft erwachsen / und daß es erträglicher wäre den Sterbekittel an /als den Königlichen Purpur auszuziehen / aber ihre Niedrigkeit verbiete ihr wol ihr ein solches Glücke träumen zu lassen / daß der so mächtige in der Schoß der Römer und des Glückes sitzende Artabazes / welchem der Käyser seine eigene Tochter nicht versagen[239] würde / auf eine durch Zeit und Kummer verungestaltete Gefangene ein Auge werffen / und von der / welche kaum noch lächsete / Vergnügung hoffen solte. Der von toller Brunst mehr als blinde Artabazes konte diese ihm nie eingebildete Glückseligkeit kaum begreiffen / und krönete seine Begierden schon mit einem Braut- seine Einbildung mit einem Siegs-Krantze; meinte auch durch oftere Eydschwüre über seiner Liebe / und durch Lobsprüche ihrer Vollkommenheit den Stein aller Hinderniß aus dem Wege zu räumen. Endlich schloß er: Weil die Sonne und edelsten Gestirne nicht nur am fähigsten / sondern auch gleichsam zu einer Verschwendung geneigt wären ihre vermögende Wolthaten über die Welt auszuschütten / könte er von einer so schönen Olympie sich nichts anders / als einer vollkommenen Beseligung versehen. Olympia stellte sich / als wenn sie seinen Betheuerungen völligen Glauben gäbe / begleitete auch selbten mit ein und anderm annehmlichen Blicke. Wormit aber einige Ubereilung ihr Thun nicht verdächtig machte / bat sie zu ihrer Erklärung drey Tage Frist / um durch solchen Aufschub diesen geilen Wollüster so viel blind und brünstiger zu machen. Denn wie der schwere und unzeitliche Genüß auch die hefftigste Liebe laulicht macht; also wird selbte durch nichts mehr / als durch Verzug und halb kaltsinnige Bezeugung des Geliebten angezündet. Artabazes muste nach vergebens gesuchter Abkürtzung dieser Bedenck-Zeit in solche Gedult willigen / ob ihm schon seine unbändige Begierde iedern Augenblick zu einem Tage machte. Nach Verfliessung dieser Zeit /und zum Scheine hierüber gehaltener Berathung unterschiedener Armenischer Fürsten / welche bey Verlust ihrer Köpfe Artabazens Ansinnen nicht unlöblich und unheilsam schelten dorfften / drückte Olympiens Vernunfft alle Dünste der Traurigkeit unter sich / und ihr Antlitz vermute sich in einen gantz freudigen Geist / gab auch Artabazen diese erwünschte Antwort: Sie müste es für eine Schickung der Götter erkennen / daß sie / welche sonst geartet wäre einen geringen Kummer zu Bergen zu machen / nicht allein ihre grosse Unfälle so leicht aus dem Sinne schlagen könte / sondern auch dessen Hertze / dem das Verhängniß und Kriegs-Recht die Gewalt des Todes über ihr Leben verliehen / mit so heisser Liebe gegen sie gerühret würde. Dahero wolte sie weder der Götter Schickung noch dem Willen Artabazens widerstreben / nach dem sie zumal durch beständige Vermählung ihre königliche Würde mit besserm Recht und grösserm Ruhm behielte / als es die Königin Kleofis von dem grossen Alexander mit ihrer Liebe erworben. Jedoch getröstete sie sich / daß / da Fürst Artaxias ihr Sohn zu Stande gebracht würde / Artabazes die Heyrath nicht mit seinem Blüte versiegeln / und dadurch ihre aufrichtige Liebe ausleschen / sondern nebst dem Leben einen zu seinem Fürstlichen Unterhalt ausko entlichen Landstrich zu verwalten vergönnen würde. Artabazes kam für Freuden gantz auser ihm selbst. Denn da die hefftige Liebe gleichsam die Fächer des Gehirnes mit einem schwartzen Rauche anzufüllen /die warhafften Bilder der Dinge in den Sinnen zu verstellen / und die Vernunfft in eine gäntzliche Thorheit zu versetzen mächtig ist; so darf Leichtglaubigkeit und übermäßige Freude für keine Chimere der Liebe gehalten werden. Wiewol seine Boßheit hierdurch nicht entwaffnet ward / noch seine Grausamkeit listigen Anschlägen nachzusinnen vergaß. Deñ / wormit er Olympien so viel mehr ihren Sohn herbey zu bringen bewegte / er aber durch seine Hinrichtung ihm diesen beschwerlichẽ Dorn aus dem Fusse ziehen möchte / verschwor er sich den Artaxias als sein Kind zu halten / ihme die Stadt Carcathiocerta mit der Sophenischen Landschaft einzuräumen / ja / so viel an ihm läge / zu der Medischen Krone seines Vaters zu verhelffen. Welch vergüldeter Vogel-Leim unschwer alle / auser eine so nachdenkliche Olympia / zu fangen fähig zu seyn scheinet. Hiermit machte Artabazes alsofort Anstalt zu einem prächtigen Beylager /[240] verschrieb so wol hierzu / als zu Ablegung der Huldigung die Armenischen Reichs-Stände / welche Olympiens Untreu heimlich biß in die Hölle verfluchten. Die Nacht für dem Tage / da die Vermählung geschehen solte / entstand ein erschreckliches Erdbeben /welches etliche Gebäue in Artaxata über einen Hauffen warff / und / welches nachdencklich / den steinernen Opfer-Tisch / für welchem die Vermählung geschehen solte / mitten entzwey spaltete. Worüber die Gottsfürchtige Olympia ihr anfing ein Gewissen zu machen / daß sie / wiewohl aus einem guten Absehen / zu Aergernüß der Welt ihren Ehherrn so liederlich ausser Augen zu setzen sich angeberdete. Zu geschweigen / daß ihr einkam: Die Götter wolten sie hierdurch für einem unglücklichen Ausschlage ihres Fürnehmens warnigen. Uberdiß war ihr sehr bedencklich / daß Artabazes die Vermählung nicht in demselben Theile des Tempels / wo die keusche Anaitis /nehmlich Diana verehret / und worein für Zeiten Aspasia zu ewiger Keuschheit verbannet ward / sondern in dem Heiligthume der geilen Anaitis oder Venus vollziehen wolte. Alleine ihre Vernunft erholete sich alsobald / und ihre Großmüthigkeit deutete diß Wunder-Zeichen für sich aus; Artabazes hingegen / weil die Brunst nicht allein das Gemüthe zerrüttet sondern auch einen der äuserlichen Sinnen beraubet / ließ es anfangs ausser aller Acht / nach dem aber die gantze Stadt solches so gar groß machte / und auf allerhand Art den erzürnten Himmel zu begütigen suchte; sintemal der Pöfel ohne diß alles / was ihre Unwissenheit nicht begreifft / zu Wundern macht / und furchtsame Gemüther zum Aberglauben geneigt sind; wolte Artabazes alleine nicht für einen Verächter der Götter angesehen seyn / befahl also aus einer teuffelischen Andacht die 300. in der Schlacht noch gefangene Armenier hinzurichten / und durch Aufopferung dieses edlen Blutes den Gri des Himmels von seinem Kopfe abzulehnen. Olympia hätte über dieser wilden Aussohnung Blut weinen / und für Leid sich in Asche verscharren mögen; aber sie muste nun mit lachendem Munde / mit spielenden Augen / mit freudigem Geiste in Purper voll schütternden Diamanten und brennender Rubinen in dem Tempel der hochheiligen Anaitis erscheinen / dahin sie auf einem vergüldeten Siegs-Wagen von vier schneeweissen Pferden geführt ward. Sie fand den Artabazes schon in der Mitte als einen Gott auf einem prächtigen von Edelgesteinen bedecktem Throne sitzen / neben welchem ihr nicht geringerer Sitz bereitet stand. Diese kluge Königin gab einen so ungemeinen Glantz von sich / daß es schien: Es hätte Kunst und Natur miteinander sie so herrlich aus zuschmücken Gelübde gethan. Die Comagener selbst / welche zeither im Hertzen des mit der Olympie Schwester Antigone vermählten Artabazens Liebe geunbilligt hatten / fühlten sich überwiesen / daß ihr Fürst in einem schönen Gefängnüsse verstrickt / und seine Liebes-Kette aller irrdischer Kronen würdig wäre. Insonderheit grüßte sie Artabazen mit einer so durchdringenden Anmuth / daß nicht einer aus so viel tausend Zuschauern nur muthmassete / daß unter ihren Sonnen-Straalen so ein schrecklicher Blitz versteckt / diese Freundligkeit nur angenommen / und so freye Geberdung gezwungen wäre. Der Priester hatte das Feuer auf dem Altar nur angezündet / und die zwey weissen zum Opfer besti ten Kühe waren schon an beyde Hörner des Altares angebunden / als siebenmal sieben der auserlesensten in Himmel-blauen Damaß gekleideten Jungfrauen mit glüenden Rauch-Fässern / darein sie Weyrauch und andere wolrüchende Sachen streuten / für Artabazen / und siebenmal sieben der edlesten in Purper und Gold gekleideten Knaben / welche in der rechten Hand brennende Wachs-Fackeln / an der Seite Köcher und Bogen trugen / für Olympien mit tieffster Ehrerbietung zu knien kamen / und hierauf sie für den[241] Opfer-Tisch begleiteten. Nach vielen andächtigen Geberdungen und Besprengungen mit Balsam und wolrüchenden Wässern / reichte der Priester / oder vielmehr der unheilige La ster-Knecht dem Artabazes ein in der Spitze glüendes Eisen / mit welchem er / nach selbigen Heiligthums Gewohnheit / der auf der lincken Seiten des Opfer-Tisches angebundenen / und zum Opfer besti ten Kuh durch die Brust fahren muste. Als Artabazes dieses mit grosser Scheinheiligkeit verrichtet hatte / gab der Priester einen eben so glüenden Pfriemer Olympien /umb es mit dem andern Opfer-Vieh eben so zu machen. Höret aber eine seltzame Umbkehrung! Die Liebe ladet den Tod ein zu einem allgemeinen Freuden- und Königlichen Hochzeit-Feste. Die Tugend wird zu einer Ruhms-würdigen Betrügerin und Erbarmnüß-werthen Mörderin / die Verlobten zum blutigen Opfer ihres sich für der Bestätigung zertrennenden Bindnüsses. Denn es hob Olympie die Augen gegen dem Bilde der Anaitis empor / sie holete einen tieffen Seufzer / und ehe es einige Seele der so viel tausend Umbstehenden gewahr ward / stieß sie das feurige Eisen dem neben ihr knienden Artabazes durch die Brust / daß er ohn einiges Lebens-Zeichen stein-todt zur Erden sanck / und derogestalt von derselben Hand das Leben einbüßte / die mit ihren Augen ihn vorher schon seines Hertzens und der Vernunft beraubet hatte. Ihr Antlitz verlor in einem Augenblicke die Rosen voriger Annehmligkeit / die Freundligkeit schien numehr mit den Augen alle Zuschauer zu erstechen; die Blumen / mit welchen sie bekräntzt war / verblaßten mit ihren Wangen / und der gantze Tempel schien mehr anietzt von einem Donner-Straal / als vorhergehende Nacht vom Erdbeben berühret zu seyn. Ihre Hand reckte das glüende /und von Artabazens anklebendem Blut noch zischende Eisen als ein Siegs-Zeichen empor / gleich als weñ die Göttin der Liebe sich mit der Fackel der Megera /und die selbständige Schönheit mit den Waffen des Todes in ihr ausgerüstet hätte. Denn ihr vor lachender Mund schäumte Zorn und Galle / brach auch endlich in diese Worte aus: Umbirrender Schatten meines Artaxias / und ihr Schutz-Götter des durch so viel Blut befleckten Armeniens / nehmet von meiner schwachen Hand dieses wolrüchende Opfer des schlimsten Bluthunds zu euer Rache / zu des Vaterlands Aussöhnung und meiner Reinigung an! Ihr Sterblichen aber glaubet / daß ich niemals dieses Wüterichs Sclavin / wohl aber seine unversöhnliche Tod-Feindin gewest sey /und daß ich / ob meine Rache gleich das Glücke gehabt seine Scharffrichterin zu seyn / dennoch nimmermehr aufhören werde seinem Geiste eine höllische Unholdin abzugeben. Hierauf veränderte sie wieder ihre gantze Gestalt / gerieth gleichsam durch eine Göttliche Verzückung in ein Paradis aller Wollüste /und nach dem sie das Bild der Göttin Anaitis eine Weile mit starrenden Augen angesehen / auch etliche andächtige Seufzer aus der Tieffe ihres Hertzens geholet hatte / fing sie an: Heiligste Göttin / was werde ich dir nun wol für ein Danck-Opfer bringen: daß du mein der Rache und Liebe besti tes Opfer in diesem dir alleine gewiedmetem Tempel / an dem Fusse deines Altares hast so glückselig abschlachten / und mit so schwartzem Blute dieses Bluthundes dein heiliges Bild besprengen lassen? Sihe da / nim die weder durch Mord noch Geilheit befleckte Seele der sterbenden Olympie an / und vereinbare sie mit dem Geiste ihres Artaxias / welche zeither so sehnlich nach einander gelächset haben. Hierauf umbarmte sie mit der lincken Hand das güldene Bild der Anaitis / mit der rechten aber ergrieff sie einen im Ermel versteckten Dolch / und stach ihn in ihr Hertz / also daß wie ein Strom das Blut auf die Göttin heraus spritzte / sie aber mit lächelndem Antlitze / und mit nicht minderer Vergnügung als ein Feldherr / der nach gewonnener Schlacht in währendem Siegs-Gepränge von seinen Wunden stirbt /[242] als ein Marmel-Bild stehende den Geist ausbließ. So hertzhafft besiegte diese Heldin die Liebe / die Wollust / den Ehrgeitz / und die Furcht des Todes / welches doch die abscheulichsten Feinde beyder Geschlechter sind / zu einem unvergeßlichen Merckmale / daß die Mässigung des Gemüthes auf den Nothfall so geschickt zu den Waffen / als sonst friedfertig sey. Allen Zuschauern band das Schrecken die Glieder / das Geblüte geran in ihren Adern / also daß sie unbeweglicher / als das todte Bild der Anaitis standen; bald Olympien als ein Muster der ehlichen Treue / bald Artabazen als ein Beyspiel Göttlicher Rache ansahen; alle Sterblichen aber hernach diesen Ort / der von dem Blitze Göttlichen Zornes gerühret worden / für zweyfach heilig verehrten. Dem Priester fiel das Messer / den Knaben die Fackeln aus den Händen / und leschten sich in denen zum Opfer bereiteten Kesseln aus / welche nun nicht mehr alleine mit Milch und Weine / sondern dem heiligen Blute der keuschen Olympie gefüllt waren. Als sie aber endlich wieder zu sich selbst kommen / eilte iedweder mit Furcht für grösserm Ubel aus dem Tempel / einige dem Artabazes wol wollende waren zwar über Olympien erbittert / sie aber hatte durch ihren großmüthigen Tod sich dahin geschwungen / wo ihr weder Rache noch Mordlust einiges Leid mehr anthun konte. Die meisten aber verfluchten Artabazens Unthaten /danckten den gerechten Rach-Göttern für so scheinbare Bestrafung / und hoben die Helden-Thaten Olympiens über alle Tapferkeiten der Vor-Welt. Daher / wie Artabazes schlecht / und in der Stille beerdiget ward / also baute man Olympien ein prächtiges Grabmahl aus Marmelstein / setzte ihr Bildnüß aus gediegenem Golde in den Tempel neben die Göttin Anaitis / in dessen Fuß der Priester nachfolgenden Lob-Spruch setzen ließ:


Heb' / Rom / Lucretien biß an das Stern-Gerůste!

Weil sie in Ahern-Brunn den kalten Stahl gesteckt /

Nach dem sie vom Tarquin durch Ehbruch ward befleckt.

Hier dringt ein reiner Dolch durch unbefleckte Brůste.

Lucretie ließ zu / vorher die schnöden Lüste;

Olympie hat nichts von geiler Brunst geschmeckt.

Die ihren Helden-Arm zu strenger Rach' außstreckt

Eh' als zum erstenmahl sie Artabazes kůßte.


Lucretie verschenckt dem Schånder nur den Thron /

Hier bůßt der Fůrsatz ein Lust / Ehre / Leben / Kron.

Die Nachwelt wird gestehn / die beyder Bild wird sehen:

Gold / Ertzt und Marmel sey Olympien zu schlecht /

Lucrezen Holtz zu gut / Lucrezen seh nur recht /

Olympien zu viel durch ihren Stich geschehen.


Die allgemeine Ruh nöthigte doch endlich die Armenischen Reichs-Stände auf ein neues Haupt zu sinnen; und obwol etliche getreue Liebhaber des Vaterlandes ihr Absehen auf den rechtmässigen Stul-Erben / nemlich den geflüchteten jungen Artaxias hattẽ / so waren ihnen doch die Hände von den Römischen Legionen gebunden / gleichwohl riethen sie solchen selbst dem Kaiser zu ihrem Könige fürzuschlagen. Es stand aber Vologeses / einer von den Fürsten Armeniens auf / eröffnete der gantzen Versa lung / daß er /und etliche andere Stände / welchen Artabazens Bru der-Mord ein Greuel gewest wäre / dem Kaiser seine abscheuliche Laster geklagt / und weil sie unter einem solchen Unmenschen nicht zu leben getrauten / umb einen andern König / und zwar den Augustus so viel eher zu gewinnen / umb den andern Bruder des Artaxias / nemlich den Tigranes gebeten hätten. Hierauf laß er ein eigenhändiges Schreiben des Kaisers ab /des Inhalts: Er habe des Armenischen Volcks Bedrängüsse behertzigt / und an Artabazens Lastern ein Mißfallen / daher sey Tiberius Nero mit noch vier Legionen im Anzuge / und befehlicht den Artabazes des Reichs wieder zu entsetzen / und den verlangtẽ Tigranes auf den Thron zu erheben. Dieser Brief verbot ihnen mehr an Artaxias zu gedencken / sondern nöthigte sie vielmehr / wie sie den Tiberius bewillkommen möchten / fürzusinnen. Zumal noch selbigen Tag die Post kam: daß Tiberius und Tigranes schon aus Macedonien über den Fluß Strymon in Thracien gesetzt / und daselbst bey der Stadt Philippis ein seltzames Ebentheuer überstanden[243] hätten / in dem sie auf der Wahlstatt / wo der Kaiser und Antonius mit dem Brutus und Cassius geschlagen / ein erbärmliches Heulen und Feld-Geschrey gehöret / auch aus dem Altare / welches Antonius in seinem Läger aufgerichtet /eine helle Flamme hätten gesehen empor klimmen. Nach weniger Zeit kamen sie beyde mit grosser / wiewohl nach Artabazens Tode / und da nirgends kein Feind war / mit vergeblicher Macht an / und setzte Tiberius dem Tigranes selbst die Krone auf; ja / wormit er sein Haus so vielmehr bey dem Reiche befestigte /nahm er seinen Sohn Artavasdes zum Reichs-Geferten an / und weil seine Tochter Laodice von grossem Verstande / aber Herrschenssüchtigem Geiste war / vermählte er diese beyde Kinder / welche er mit Mallien einer Baase der schönen Terentia gezeugt hatte. Diese Mallia war im Verdacht / daß Augustus mit ihr zugehalten / Tigranes aber sie aus blossen Staats-Ursachen geheyrathet hatte. Es war aber nach des Tiberius Rückkehr / welcher von seinem Zuge groß Wesen machte / auch deswegen zu Rom absondere Opfer hielt / Tigranes wenige Zeit in Armenien: da die Armenier / welche mehr gewohnt waren Könige von Rom zu bitten / als zu behalten / ihm und seinem gantzen Hause / als Frembdlingen abgeneigt / und endlich als Wollüstigen / feind zu werden anfingen. Es mißfiel ihnen am Könige / daß er ieden alsbald für sich ließ / und sich mit den niedrigern zu gemein machte / daß er selten ritt und jagte / selten Gastmahle hielt / und sich meist auf der Sänfte tragen ließ; die geringsten Dinge ohne Versiegelung niemanden traute; sonst aber in der Herrschafft allzu wenigen Ernst spüren ließ. Welches alles zwar zu Rom / aber den Armeniern unbekandte Tugenden waren / und deswegen frembde Laster hiessen. Denn Völckern / welche der Dienstbarkeit gewohnt / ist die edelste Freyheit verdrüßlicher / als Freyen die Dienstbarkeit. Insonderheit war ihnen Mallia / der junge Artavasdes und Laodice ein Greuel in Augen / und die Vermessenheit kam so weit / daß sie von Mallien / als des Augustus Kebsweibe Lieder machten / ja einsmals des Nachts an die Pforte der Königlichen Burg schrieben:


Nicht ärgert euch daß zwey Geschwister ehlich sind.

Er ist nur's Königs Sohn / sie ist des Kaisers Kind.


Denn obwohl Königliche Höfe entweder nur die /welche zu gehorsamen wissen / einlassen / oder sie darzu machen; insonderheit aber die Morgen-Länder der Knechtschafft gewohnet / an ihren Fürsten alles zu billigen / und es nachzuthun beflissen sind / und die Heucheley nichts minder / als die Treue für eine den Königen schuldige Schatzung halten; so können doch auch diese dienstbare Völcker nicht die Aufhebung der väterlichen Sitten / ja auch ihre Verbesserung nicht vertragen; am wenigsten aber den zum Herrn leiden / der durch Entschlagung der Reichs-Sorgen sie gleichsam ihr Herr zu seyn nicht würdiget. Hierinnen aber verstieß Tigranes am ärgsten / indem er zweyen üppigen Weibern / nemlich der Mallia und Laodicen das Heft in Händen ließ. Diesen zu Liebe führte er den in Lydien anfangs aufgekommenen / und bey den Persen / Meden und Armeniern eingerissenen / hernach aber vom vorigen Tigranes abgeschafften Mißbrauch wieder ein / da die edlesten ihre Töchter der Göttin Anaitis wiedmeten / welche unter dem Scheine eines Gottes-Dienstes gemeine Unzucht trieben / und so denn allererst als für andern heilige Frauen begierig geheyrathet wurden. Wie schläfrig nun Tigranes im herrschen war; so viel eifriger bezeugten sich Mallia und Laodice. Denn sie vergaben die hohen Aempter / besichtigten die Gräntzen und Festungen / musterten das Kriegs-Volck / machten Reichs-Satzungen / versa leten die Stände / schrieben Steuern aus; Wenn Tigranes etwan auf einem Lust-Hause sich mit einem geilen Weibe belustigte. Unter diesen[244] war auch die schöne Datapherne Vologesens Ehweib / welcher zum ersten dem Tigranes den Armenischen Reichsstab zugedacht hatte. Diesem gab er zu Lohne / daß er sein Ehweib anfangs zu heimlicher Buhlerey verleitete / hernach aber / weil die anfangs verstohlnen und furchtsamen Laster nach und nach immer kühner werden / verschickte er Vologesen in Gesandschafft zum Ariobarzanes in Meden; und in seiner Abwesenheit nahm er Dataphernen gar nach Hofe. Vologeses erfuhr in Meden die Untreu seines Weibes / gleichwohl aber wartete er seiner Geschäffte aus / und kam mit vergnügter Verrichtung zu Artaxata an; verstellte auch alle Empfindligkeit wegen des ihm angefügten Unrechts. Nach abgelegten Bericht ließ er sich bey seiner Gemalin anmelden. Diese verwegene Ehbrecherin aber lies Vologesen schimpfflich antworten: Der König hätte den Schlüssel zu ihrem Zimmer / und das Siegel zu ihrem Leibe. Hierüber brach Vologesen die Gedult aus / so daß er Dataphernen verfluchte / und den Tigranes ersuchen ließ: Er möchte ihm seine Gemahlin folgen lassen; kriegte aber vom Könige zur Antwort: Er solte sich noch bey Sonnenscheine auff seine Landgüter begeben / oder man würde ihn ins Tollhaus einsperren. Gleich als weñ es um die Ehre seines Eh-Weibes zu eyfern eine grössere Unsinnigkeit wåre / als sich mit einer fremden Unehre besudeln. Vogoleses zohe aus Artaxata voll Gifft und Galle / und nahm den geraden Weg in Parthen zum Phraates. Weil er aber vielleicht behertzigte / daß aus eines Ehbrecherischen Weibes Laster einem Manne keine Schmach zuwachse / oder dieser Fleck mit desselbten Verhüllung verwischt werde; und damit es nicht schiene / als wenn er mit des Phaates Waffen und Gefahr nur seine Beleidigung rachen wolte / trug er ihm alleine umständlich für: wie schwürig Armenien wider den mit Kömischen Künsten und Lastern angefüllten Tigranes; wie schimpfflich es allen Morgenländern wäre / daß des Käysers Leibeigene / welche so viel Jahr in der Dienstbarkeit gelebt / bey ihnen zu Königen eingesetzt würden; und noch in solcher Würde schlechten Römischen Landvögten zu Gebote stehen / ja für ihnen die Knie beugen müsten; Wie das von den Römern nun angefesselte Armenien der Schlüssel in das sonst durch die Sandflächen genugsam sichere Parthen wäre / welchem der Käyser eben so wohl ein Seil an die Hörner zu legẽ anzielte. Daher wäre es nun / da Tigranes ein Weib / Artavasdes ein Weichling / oder gar / wie etliche muthmasten / ein Verschnittener wäre / da der gantze Adel zum Aufstande fertig stünde / die Römischen Legionen anderwerts zu thun hätten / hohe Zeit durch einen schleunigen Krieg Armeniens Wohlfarth /Parthens Sicherheit zu beobachten / sein Haupt mit einer neuen Krone / seinen Nahmen mit unsterblichem Nachruhme zu bereichern. König Phraates hörte Vologesens Vortrag begierig an / und ob ihm wohl im Wege stand / daß er durch Bekriegung Armeniens den Käyser beleidigen würde / der in seinen Händen seine zwey ältisten Söhne hatte / so überwog doch seine Regiersucht die Vater-Liebe / und hatte er auff allen Fall noch seinen liebsten Sohn Tiridates zum Stichblate und Kron-Erben übrig. Daher schickte er Vologesen mit sechs tausend leichten Reutern in Armenien voran; er aber folgte mit einem mächtigen Heere auff dem Fuße nach / und schrieb an den Käyser: daß er von seinen bedrängten Freunden in Armenien um Hülffe wider den grausamen Tigranes angeflohen worden wäre; also ziehe er alleine dahin selbigem Volcke ihre vorige Freyheit und alten Gottesdienst wieder zu geben; ausser dem begehrte er sich mit Armenien nicht zu vergrössern. Ehe aber dieses Schreiben nach Rom kam / fiel die Parthische Macht in Armenien / allwo die meisten Städte Vologesen die Schlüssel entgegen[245] brachten / und die besten Festungen Thür und Thor auffsperreten; also daß Phraates nur genugsam zu besetzen / und wenig zu fechten fand. Augustus kriegte die Nachricht hiervon / und Phraatens Schreiben auff einen Tag / als er seinen zwey muthwilligen Enckeln des Agrippa Söhnen Cajus und Lucius in den Rath zu kommen erlaubt /dem Cajus auch das Priesterthum / hingegen dem Tiberius auff fünff Jahr die Zunfftmeisterschafft zugeeignet / durch diß letztere aber seine Enckel mehr beleidiget / als durch das erste vergnügt hatte / Der Käyser / der ohnediß deshalben unwillig war / schrieb im Eyfer einen hefftigen Brieff an Phraates / darin er ihm gar den Königlichen Titel entzog / und aus Armenien zu ziehen anbefahl; welchem aber Phraates noch hoffärtiger antwortete / dem Käyser wie einem Bürgermeister schrieb / sich aber selbst einen König der Könige nennte / und / daß die Parthischen Waffen sich keine Feder jagen liessen / bedeutete. Inzwischen trug der Käyser dem Tiberius den Zug in das abgefallene Armenien auff / dieser aber / weil er denen in der Schooß des Käysers sitzenden und frechen Jünglingen aus dem Wege zu weichen für rathsamer hielt; oder weil er mit der Julia seinem Ehweibe nicht länger hausen konte / (welche die Freyheit alle einem Weibe mögliche Laster zu thun oder zu leiden nach der Grösse ihres Glückes ausmaß /) lehnete solches bescheidentlich ab / und verlangte: daß er auff der Insel Rhodus in Einsamkeit der Weltweisheit obliegen / und von bißherigen Reichs-Sorgen Lufft schöpffen möchte. Wiewohl nun der Käyser und Livia ihn hiervon abwendig zu machen bemühet war; Jener zwar dadurch /daß das gemeine Wesen seiner vonnöthen hätte / und die Süßigkeit des Feld-Lebens ein grosser Geist denen nütz- und rühmlichen Sorgen für die Wohlfarth des Vaterlandes sich nicht solte abstehlen / und keine ihm mehrmahls aus eitelem Argwohn eingebildete Verdrüßligkeit seinen Zirckel verrücken lassen. Livia aber: daß die Enteusserung vom Hoffe nicht nur sein Ansehen und Gewalt unterbrechen / sondern die durch so viel Sorgen in Grund gelegte Hoffnung der Reichs-Folge durch seine Abwesenheit verschwinden würde. Denn die Völcker / welche gleich die Sonne als einen Gott verehren / vergäßen ihre Andacht gegen sie /weñ sie nicht gesehen würde; So war doch Tiber hiervon nicht abwendig zu machen; sondern antwortete Livien: daß das tollkühne Beginnen des Cajus und Lucius ein Verlangen in Rom nach ihm / dessen man schon überdrüssig wäre / und ihn auch bey denen / die ihn gegenwärtig haßten / beliebt machen würde. Gegen den Käyser aber führte er an: Seine bißherige Bemühung hätte nichts minder einer Erholung / als Bäume und Aecker der Ruh von nöthen. Sintemahl August nach der Fähigkeit seiner unermüdlichen Achseln als ein zweyfacher Atlas nicht anderer Kräffte messen müste. Wie er nun frische Lufft zu schöpffen unnachbleiblich vonnöthen hätte; also wüste er keine anständigere als das Landleben zu erkiesen. Die ersten Helden in Griechenland hätten sich auch im Kriege für Troja dadurch erholet; und wie Augeus bey den Griechen / also Hercules in Italien die Tingung und andere Vortheile des Ackerbaues gewiesen; ja so gar vier Könige / nehmlich Hieron / Philometor / Attalus und Archelaus diese Kunst schrifftlich abzufassen gewürdigt. Die Persischen Könige wären im Friede nichts minder um ihre fruchtbaren Gärte und Auen /als zur Kriegszeit um die Waffen bekümmert gewest. Semiramis hätte mit ihren hängenden Gärten sich berühmter / als mit so viel Siegen gemacht. Xenophon /welcher am Cyrus ein Muster eines vollkommenen Fürsten fürbilden wollen / setzte seinen gewohnten Auffenthalt auffs Land / und in die Persischen Lustwälder. Der vermeinte Urheber des Müssiggangs Epicur hätte nicht nur zu Athen in der Stadt Lustgärte angelegt; sondern Tarqvinius[246] zu Rom auch darinnen gewohnt / und seinem Sohne daraus mit denen geköpfften Maah-Häuptern die blutgierige Lehre zuentboten; Curius aber nach überwundenem Pyrrhus mit seinen sieben Huben Ackers / mit der schlechten Kohl- und Rüben-Kost sich so vergnüget / daß er das von Samnitern ihm geschickte Gold anzunehmen nicht gewürdigt. Das Schoos-Kind des Glücks Sylla wäre seiner Siegs-Gepränge überdrüßig worden / und hätte um auff seinem Cumanischen Vorwerge der Fisch- und Jagt-Lust zu geniessen die höchste Gewalt in Rom niedergelegt. Dem Scipio und Lelius wäre es annehmlicher gewest in Campanien die Bäume / als in Africa die sieghafften Kriegs-Schaaren in Ordnung zu stellen; und beyde hätten zuletzt freudiger an dem Meer-Ufer mit den Muscheln / als in Spanien mit der Beute der Mohren gespielet. Ja der Käyser August selbst hätte seinem Kriegs-Gefehrten Agrippa in dem Eylande Mitylene / und dem vertrautesten Mecänas in der Stadt Rom gleichsam eine entfernte Einsamkeit erlaubet. Also hoffte er durch seine Treue und Gehorsam eine kurtze Erhol- und Lufftschöpffung verdient zu haben. Sintemal auch die unausleschlichen Gestirne der Ruh benöthigt wären / und ihren Schein mit ihrer Verhüllung abwechselten.

Dieser beständige Vorsatz gewann endlich / oder vergnügte vielmehr den Käyser / daß er in des Tyberius Reise willigte. Denn weil er des Agrippa Söhne zu sehr verdüsterte / war August gleichsam mit seinem Stieff-Sohne für seine Enckel eyversüchtig; und Tiberius selbst pflegte hierüber zu schertzen: Er würde das Alter der Egyptischen Spitz-Thürme bey Hofe nicht erreichen / weil er / wie viel kleiner er auch wäre /mehr Schatten als jene von sich würffe. So bald nun Tiberius Rom gesegnete / warff die übermäßige Liebe des Käysers dem Cajus eine solche Geschickligkeit zu / daß er ihm den Armenischen Krieg anzuvertrauen fähig hielt. Sintemahl die Neigung zu seinem Geblüte nichts minder als Selbst-Liebe insgemein auch einem untüchtigen Wunderwercke zutrauet. Ehe aber die Römische Macht in Armenien anlangte / kam Phraates für die Stadt Artaxata / und beängstigte theils dieser Feind / theils die auffsätzigen Armenier / theils sein böses Gewissen den wollüstigen Tigranes derogestalt / daß er dem Römischen Bündnüße abzusagen / und mit Phraaten Armenien zu theilen sich erbot. Als aber diß nicht verfing / und die Parthen der Stadt mit Stürmen hefftig zusetzten / sich / um nach einem weibischen Leben auch durch einen männlichen Tod seinem wahrhafften Ebenbilde dem lüsternen Sardanapal gantz ähnlich zu werden / mit seiner wollüstigen Mallien auff einen Holtzstoß setzte / und nach dem eines das andere tödtlich verwundet / sich mit einander verbrennten / und also der Grausamkeit ihres Uberwinders entrissen. Artaxata lag nun in letzten Zügen / und stand auff der Ubergabe; als Censorinus mit seinen zweyen Legionen des Nachts / ehe es die Parthen gewahr wurden / hinein kam; und weil Cajus ohne diß vom Käyser Befehl hatte / den weibischen Tigranes ab / und seinen Sohn an die Stelle zu setzen / um dadurch die Gemüther der Armenier wieder ein wenig an sich zu ziehen; erklärte er alsofort Artavasden zum Könige Armeniens. Wie nun Cajus an die Armenische Grentze ankam / ward Phraates gezwungen Artaxata zu verlassen / und dem Cajus entgegen zu ziehen / wie denn auch beyde Heere an dem Fuß Phrat bey Metilene gegeneinander zu stehen kamen. Allwo die Römer zwar mit Gewalt an einem seichten Furthe über den Fluß setzen wolten / aber mit grossem Verlust zurück getrieben wurden. Als Cajus ihm derogestalt die Stirne bieten sahe / sich auch an des Crassus und des Antonius Niederlage spiegelte / ließ er dem Phraates zu gütlicher Hinlegung ihrer Zwistigkeitẽ eine Unterredung antragen; massen sie beyde denn auch auff einer[247] mitten in Strome gelegener Insel mit einer gewissen Anzahl Volcks ankamen. Der Parthe betheuerte: daß er mit dem Römischen Volcke / welchem er so gar seine zwey liebsten Söhne freywillig anvertrauet hätte / die Freundschafft zu erhalten verlangete / Cajus hingegen hatte eben so wenig Lust die Würffel einer Schlacht auf den Teppicht zu werfen / und also wurden sie mit einander eins: daß zwar des Tigranes Sohn Artavasdes Armenischer König sey /und so wol den Parthischen Großherrn / als den Kayser für seine Oberherren erkeñen / die Atropaten und Acilisenische Landschafft mit der festen Stadt Artagera aber Phraaten für die Kriegs-Kosten eigenthümlich verbleiben solte. Dieser Friede ward mit zwey prächtigen Gastmahlen / derer das erste Cajus an dem Syrischen Ufer des Flusses dem Phraates / das andere auff dem Armenischen Phraates dem Cajus zu ehren hielt /beschlossen. Als auch sie durch den Wein erwärmet /und mit einander verträulich worden / weiste Phraates dem Cajus unterschiedene geheime Schreiben / darinnen Marcus Lollius / welchen doch Augustus dem Cajus zu seinem geheimsten Rathe und Obersten Hoffmeister zugegeben hatte / ihm gegen ein grosses Stücke Goldes alle Römische Kräfften und Anschläge verrathen hatte; welchem Cajus alsofort Gifft beybringen ließ. Als nun derogestalt alles strittige abgethan zu seyn schien / kam von Artaxata diese seltzame Zeitung: daß so bald Censorinus mit dem grösten Theile seines Volcks aus selbiger Stadt auff einen Anschlag ausgegangen wäre / hätte die Königin Laodice sich Artavasdens entbrochen / und in den Anaitischen Tempel geflüchtet; auch auff des Königs Wiederfoderung zu entbieten lassen: Sie wolte lieber in der Einsamkeit / als in dem Bette eines Ohnmächtigen so viel kalte Nächte zubringen. Wie nun Artavasdes sie mit gewaffneter Hand hätte wollen aus dem Tempel neh men / hätte sein jüngerer Bruder Gotarzes und nebst ihm eine gute Anzahl Armenischer Edelleute dem Könige mit entblösten Degen abgetrieben; ja Gotarzes sich alsofort in den Reichs-Rath verfügt / und in wenig Stunden wider Artavasden ein Urthel ausbracht / Krafft dessen er für unfähig des Reichs und der Eh erkennet; in ein auff dem Caspischen Meere entferntes Eyland weggeschlept / Gotarzes hingegen auff den Thron / und Laodice in sein Bette erhoben worden. Censorinus wäre zwar mit seinem Volcke zurück geeilt / Gotarzes aber habe ihm die Pforten verschlossen; Vologeses hätte ihn auch mit einem Theile Armenier und Parthen überfallen / und mit grossem Verlust aus dem Felde geschlagen / also daß von den zwey Legionen ihrer wenig in das Gebürge entronnen wären. Diese unvermuthete Veränderung warff einen neuen Zanck-Apffel auff den Teppicht / und veranlaste den Cajus: daß nach dem ihm einige einhielten / er habe sich durch so grosse den Parthen gethane Verwilligung / insonderheit durch Abtretung der vortheilhafftigen Stadt Artagera übereilet / er den Parthischen Stadthalter Donnes Adduus zu bestechen / und zu Ubergebung der ihm anvertrauten Festung Thospia zu verleiten trachtete. Dieser nahm den Schein der Verrätherey an / und besti te einen gewissen Ort zu Behandlung des Wercks. Wie nun Donnes bey der Zusammenkunfft sechs hundert Talent zu seiner Belohnung forderte / dieses aber dem Cajus vervielte /reichte ihm Donnes ein Verzeichniß / darinnen die zu Thospia verwahrten grossen Schätze auffgezeichnet waren; und als Cajus sich in solchen begierig ersahe /versetzte ihm Donnes eine hefftige Wunde ins Haupt /worvon er zu Boden fiel; und ehe die entfernten Römer herbey kommen kunten / schwung er sich auff sein flüchtiges Pferdt / auff welchem er zweiffelsfrey entronnen wäre / wenn er nicht mit selbtem gestürtzet hätte. Gleichwohl aber erreichte er noch ein von den Parthen besetztes festes Schloß / welches als er[248] es nicht länger gegen die Römer zu halten getraute / dieser treue Diener mit samt sich einäscherte. Weil aber weder Parthen noch Römer dem Gotarzes gut waren /ward dieser Zwytrachts-Axt noch ein Stiel gefunden /daß Ariobarzanes der König in Meden / zu welchem ohne diß wegen seiner fürtrefflichen Leibes-Gestalt /und tapfferen Gemüthes die Armenier ihr Hertze trugen / auf die dem Artavasdes behandelte Bedingungen das Königreich Armenien haben solte. Dieser erschien nach weniger Zeit in beyden Lägern / legte auch wegen Armenien so wol den Parthen / als den Römern die Huldigung ab. Die empfangene Wunde hingegen machte des Cajus Leib nicht alleine zu Kriegs-Ubungen / und das Gemüthe zu nachdencklichen Rathschlägen gantz ungeschickt / sondern als er mit Unwillen wider seinen gemachten Schluß nach Rom zurückkehren solte / starb er davon in der Syrischen Stadt Lincyra Emesa / allwo sein Grabmahl noch mit einer viereckichten Spitz-Säule / aus dessen Fusse ein Brunn entspringt / zu sehen / und daran zu lesen ist:


Dem Abgott des August / des Röm'schen Halb- Gott's Beinen

Gibt dieser schlechte Sand und Qvell ein Grabmahl ab.

Die Nachwelt schelte nicht des Cajus seltzam Grab!

Der Todt ist ja nur Staub / das Leben nichts als weinen.


Als diese seltzame Umwechselungen sich in Armenien ereigneten / ließ das Glücke nicht ab / auch mit der Fürstin Erato und mir seine Kurtzweil zu treiben. Die schlimmen Zeitungen unsers verwirrten Vaterlandes / und insonderheit der Todt der grossen Olympia erschollen in die gantze Welt / und hiemit auch für unsere Ohren. Alleine die zwar noch so zarte / aber behertze Erato vertrug alle diese Ambos-Schläge des drückenden Verhängnüsses mit unverändertem Gesichte / und unerschrockenen Hertzen. Wenn ich sie trösten solte / kam sie selbst meiner Schwachheit zu Hülffe / und hielt mir ein: Alle Dinge und Begebenheiten in der Welt hätten zweyerley Antlitze / und wenn etwas einem abscheulich fürkäme / rührte es nur daher / daß man selbtes nicht vor / sondern hinterwärts ansehe. Der Verlust ihres Reiches schiene der Ehrsucht ein unermäßlicher Schade zu seyn; Dieser aber entbürdete ihr Gemüthe von einer Zentner-Last tausend unruhiger Sorgen. Der Todt ihrer Mutter käme weibischer Wehmuth für als ein unerträgliches Hertzeleid; aber die Tugend / als die Sonne der kleinern Welt / kröne ihre Leiche in ihren beyden Himmels-Zirckeln / nemlich in dem Gewissen / und in dem Urthel der Menschen mit unverwelckenden Siegs-Kronen. Ja der durch die Brüste ihrer leiblichen Mutter fahrende Dolch käme ihrer Empfindligkeit nicht häßlich für / nachdem er von dem glüenden Eisen / welches dem Artabazen durch die Adern dringet / einen so herrlichen Glantz bekommt / und die Rache sich in dem höchsten Blute des Bruder-Mörders / welches das Oel der Beleidigten ist / so annehmlich abkühlet. Uberdiß zohe ihr die holdselige Erato fast aus allen Bitterkeiten eine Ergötzligkeit /und ihre Bedrängnüß ward fast mit ieder einlauffenden Nachricht erleichtert / wenn sie hörete / wie keiner der unrechtmäßigen Besitzer ihres väterlichen Thrones feste sitzen bliebe / sondern immer einer dem andern das Hefft aus den Händen winde. Daher / ob wir wol uns anfangs ziemlich eingezogen hielten /indem wir nicht wusten / wessen wir uns zum Könige Polemon / weil er von den Römern für einen Freund und Bundsgenossen aufgenommen war / zu versehen hatten / so war uns doch unsere Einsamkeit erträglich. Denn weil alleine die Laster schrecklich sind / und mit ihrer Langsamkeit an den Hertzen ihrer eignen Liebhaber nagen / war unsere Unschuld allezeit wohl gemuthet / und diese machte uns so behertzt / daß wir einsmahls / als wir hörten / daß der König Polemon zweyen von Rom nach Sinope angekommenen Rathsherren[249] zu Ehren etliche Schauspiele halten wolte / uns in den Schauplatz auch einfanden. Wir kamen gleich dem Könige und dem Statilius Taurus und Junius Silanus / welchem jener mit unser Verwunderung die Oberstelle eingeräumt hatte / gegen über zu stehen. Unferne davon befand sich auch die Königin Dynamis / mit ihrer wohlgewachsenen Tochter Arsinoe. Mitten im Schauplatze standen zwey Marmel-Säulen / auf der einen war das Bild Augustens / auf der andern des Vipsanius Agrippa aus Corinthischem Ertzte. In den Schauspielen wurden erstlich Wölffe / Luchse / Bären / Panther und Löwen zum Kampffe aufgeführet / hernach aber ward der Schauplatz durch etliche tausend durcheinander spritzende Röhren wol zwölf Schuh hoch mit Wasser angefüllet / und aus dem einen Gatter ein Crocodil / aus einem andern ein Delfin heraus gelassen. Es ist unbeschreiblich / wie hefftigen Grimm diese zwar von der Natur mit ungleichen Kräfften / aber mit gleichverbitterter Feindschafft ausgerüsteten Thiere gegen einander bey ihrer ersten Erblickung bezeugten. Der Crocodil verfolgte den Delfin aufs euserste / dieser aber tauchte bald unter das Wasser / bald wich er auf die Seite / also / daß jener wegen seines starrenden Rückgrades / und weil er sich mit dem gantzen Leibe nicht ohne Langsamkeit umwenden konte / den Delfin zu ereilen nicht vermochte. Hingegen spitzte der Delfin seine auf dem Rücken habende scharffe Flüßfeder / und nach einer langen und lustigen Jagt gerieth es ihm unter dem Wasser so wol / daß er dieses sein einiges Waffen dem sonst unverletzlichem Crocodil in den Bauch stieß / worvon er mit einem grossen Strome Blutes das gantze Gewässer anfärbete / und mit dem wieder abgelassenen Wasser todt auf dem trockenen Boden zu liegen kam. Bey diesen vielfältigen Kurtzweilen machte ihm ein neben mir sitzender Edelmann Gelegenheit mit mir zu sprechen / und seine Freundligkeit veranlaste mich auch ein und anders von ihm zu erforschen. Dieser erzehlte mir / daß diese zwey Römische Rathsherren / nach dem der König in Lycaonien und Gallo-Grecien Amyntas gestorben wären / mit Ausschlüssung seiner Söhne selbige Länder für den Römischen Rath eingezogen hätten. Weil denn sie nach Sinope ihren Weg zugenommen / wäre er nebst dem einen Lycaonischen Fürsten nachgefolgt / um den bey den Römern hochangesehenen König Polemon um eine Fürbitte zu ersuchen / daß doch des Amyntas Kindern wo nicht gar / doch ein Theil ihres väterlichen Reiches gelassen werden möchte. Ich ward er freuet über dieser Nachricht / sintemal König Artaxias mit dem Amyntas in verträulicher Freundschafft gelebt hatte / gleichwol aber wolte ich mich / wer wir wären / nicht bald bloß geben / sondern meldete auf seine höfliche Erkündigung / wir wären Edelleute aus Albanien / welche aus blosser Begierde frembde Länder zu beschauen / für wenig Tagen in Sinope ankommen wären; bezeugte gleichwol gegen ihm möglichste Zuneigung mit ihm in mehrere Kundschafft zu gerathen. Hierauf fiel ich auf die zwey Säulen / und fragte insonderheit: Warum des Agrippa Bildnüß in diesem Schauplatze gesetzt worden? Der Lycaonier / der sich Meherdates nennen ließ / antwortete mir: Polemon hätte wohl Ursache beyde Bildnüsse zweyfach in den Schauplatz zu setzen / weil er beyden das Besitzthum des Bosphorischen Reichs zu dancken hätte. Denn mir würde vielleicht wissend seyn / daß der gewesene Pergamenische König Mithridates des Darius Sohn /der in Egypten ihm treulich beygestanden war / dem Julius Cäsar seine wunderschöne Schwester Dynamis zu seiner Ergetzligkeit übergeben / hingegen habe der Käyser ihm nach dem überwundenen Pharnaces Galatien geschenckt / auch ihm wider des Pharnaces Bosphorischen Landvogt Asander / ungeachtet er seinem Herrn meineydig worden und auf der[250] Römer Seite getreten war / den Krieg aufgetragen / und sich der Bosphorischen Länder zu bemächtigen freygelassen. Die ser Asander aber habe beym Augustus sich derogestalt eingeliebt / daß er ihm die Dynamis verheyrathet / und in dem Bosphorischen Reiche bestätigt. Welcher denn auch den sieghafften Pharnaces / nach dem er die Phanagoreser überwunden / Sinope eingenommen / den Calvisius geschlagen hatte / mit Hülffe des Danitius aus Asien vertrieben / und / als Pharnaces mit einem neuen von Scythen und Sarmatern zusammen gelesenen Kriegs-Heere wider den Asander den Krieg verneuert / die Stadt Theodosia und Panticapeum erobert / seine an Pferden nothleidende Reuterey geschlagen / und den biß auff den letzten Mann tapffer streitenden Pharnaces getödtet hat. Hier zwischen wäre Scribonius kommen / und sich für des grossen Mithridatens Sohn / des Pharnaces Enckel und rechtmäßigen Stul-Erben ausgegeben / und weil er ihm etwas ähnlich geschienen / und seinen Betrug durch allerhand scheinbaren Fürwand zu bemänteln gewüst / hätte er beym Augustus es durch allerhand Schelmstücke so weit gebracht / daß er vom Käyser das Bosphorsche Reich bekommen / und der derogestalt verdrungene Asander sich darüber zu todte gegrämet oder gehungert. Nach dessen Tode hätte der so glückliche Betrug ihn so verwegen gemacht / daß er die verwittibte Dynamis zu ehlichen verlanget. Diese habe ihre Abscheu für dem Scribonius / welcher mit den Käyserlichen Hülfs-Völckern das Heft in Händen hatte / möglichst verborgen / und ihn zu heyrathen versprochen / da er in der Reichs-Versammlung erhärten könne / daß er Mithridatens warhaffter Enckel /und des Pharnaces Sohn wäre. Dieser brachte alsofort einen prächtigen Brief herfür / an dem der Medusen in Gold geprägter Kopf / den Pharnaces eben wie sein gerühmter Ahnherr Perseus zu seinem Siegel brauchte / hing / und dieses Inhalts war: Nach dem sein Vater Mithridates fast alle seine Kinder ermordet / auch durch seinen fürgenommenen Einfall in Gallien die Römer zu Tod-Feinden seines gantzen Geschlechts gemacht hätte / wäre er genöthigt worden fürzusinnen / wie ihr uhralter Stamm für gäntzlichem Untergange behütet würde; habe daher das Volck dem Vater selbst abtrünnig gemacht / ihm nach dem Leben gestanden / die Römer gewarniget / auch / um ihre Freundschafft so viel leichter zu gewinnen / und / da er ja selbst noch vom Vater hingerichtet würde / doch einigen Erben verliesse / mit einer edlen Römerin Scribonia sich vermählet. Nach dem auch zwar sein erster Anschlag wäre verrathen worden / hätte ihm doch Menophanes vom Vater das Leben erbeten / und er endlich das gantze Heer auf seine Seite gebracht /daß sie ihn im Felde für ihren König erkläret / in Mangel einer bessern eine papierne Krone aufgesetzt /und Mithridaten in solche Verzweiffelung bracht /daß er seine zwey Töchter Mithridatis und Nyssa der Könige in Egypten Bräute mit Giffte hingerichtet /und als das Gifft bey ihm nichts würcken wollen /sich durch die Faust des Gallier Fürstens Bituit /durchstechen habe lassen. Weil ihn aber Pompejus für seine den Römern durch Aufopfferung seines eigenen Vaters erzeigte Wolthat schlechter / als er ihm eingebildet / belohnet / in dem er ihm nicht das Pontische /sondern nur das Bosphorische Reich gelassen / und hiervon noch die Phanagorenser ausgenommen / habe er mit den Römern zu brechen / und sich an die Parthen zu hencken fürgenommen. Weil diese nun dem Römischen Geblüte Spinnen-feind wären / hätte er für rathsam und nöthig befunden / seine Heyrath mit der Scribonia noch geheim zu halten. Inzwischen wäre ihm daß Unglück mit den Römern begegnet / daß er bey dem Berge Scotius aufs Haupt geschlagen / gefährlich verwundet / und nach Sinope zu fliehen genöthigt worden.[251] Als er nun zu den Scythen ferner zu fliehen fürgehabt / wäre ihm Scribonia mit heissen Thränen zu Fusse gefallen / und ihn beweglichst ersuchet / daß er entweder ihre Eh offenbar machen / oder sie und ihr Kind tödten möchte. Alleine er wäre darzu nicht zu bereden gewest / sondern er habe ihr / und ihrem noch an ihren Brüsten hängendem Sohne Scribonius auff den Todesfall gegenwärtiges Zeugnüß /daß Scribonia seine Gemahlin / und diß Kind sein Sohn wäre / ertheilet. Dieser ausführliche Brief hatte einen grossen Schein / und wie Käyser Augustus sich vorher hierdurch bethören lassen / also war keiner unter den Reichs-Räthen / der nicht diesem Scribonius Glauben beymaß. Der Königin Dynamis aber alleine wolte diß nicht in Kopf. Dahero nahm diß schlauhe Weib den Brief selbst in ihre Hände / und nach dem sie alle Buchstaben aufs genaueste betrachtet / fing sie in einem Augenblicke über laut an zu ruffen: Es glaube niemand diesem Verfälscher / dessen Betrug numehr am Tage liegt. Als nun alle Augen und Ohren auf sie richteten / redete sie ferner: Sehet / dieser Brief soll nach der verlohrnen Schlacht bey dem Berge Scotius / und als der Käyser mit dem P. Servilius Isauricus Bürgermeister in Rom gewest / geschrieben seyn; Da doch der Inhalt dieses Brieffes sich grossen Theils etliche Jahr hernach / und wie Qvintus Fufius / und Q. Calenus die Bürgermeister-Würde vertreten hat / zugetragen. Die Anwesenden erinnerten sich dessen alsofort / sahen aber mehrer Gewißheit halber in den Zeit-Registern nach / welche mit der Königin Einwurffe überein traffen. Hingegen verstummete Scribonius bey so unverhoft entdeckter Falschheit / wuste auch / wie sehr er sich bemühete /nichts / welches den Stich halten konte / aufzubringen. Endlich erbot er sich diesen in dem blossen Umstande der Zeit bestehenden Irrthum durch andere Uhrkunden zu verbessern / und erlangte damit Urlaub aus dem Reichs-Rathe zu gehen. Er aber verwandelte seine Beweiß-Führung in eine offenbare Flucht aus der Stadt Panticapeum / zohe sein im Lande verlegtes Kriegs-Volck zusammen / und meinte seine Gewalt und Heyrath mit den Waffen zu rechtfertigen / weil seine Rechts-Gründe nicht den Stich halten konten. Sie Reichs-Stände griffen durch Aufmunterung zur Gegenwehr / machten auch die gantze Begebenheit dem Vipsanius Agrippa / der damals gleich zu Chalcedon sich befand / zu wissen / und baten dieses unwürdigen Königs entübrigt zu seyn. Agrippa trug alsofort dem anwesenden Könige Polemon / der seinem Vater Mithridates inzwischen im Pontischen Reiche gefolget war / auf / wider den Scribonius den Bosphorern Hülffe zu leisten. Wie aber Polemon in solches Land ankam / hatten sie schon selbst den Scribonius an dem Flusse Psychrus zwischen dem Coraxischen Gebürge gefangen bekommen / und von ihm diß Bekäntnüß ausgepresset: Er sey ein Freygelassener des Vedius Pollio gewest / und habe Bekandtschafft gehabt mit demselben / welcher sich zu Rom des Antonius und der Octavia Sohn zu seyn gerühmt /Augustus aber zur Ruderbanck hätte schmieden lassen. Nach der Zeit wäre er in Asien kommen / und hätte gesehen / wie glückselig ein seinem Bedüncken nach wenig verschmitzter Cappadocier die Person des Königs Ariarathes gespielet / und mit seiner blossen Aehnligkeit dessen fast alle Morgenländer überredet hätte / da doch mehr als zu gewiß war / daß Marcus Antonius bey Einsetzung des Königs Archelaus den Ariarathes hingerichtet hatte. Diese zwey Verfälscher hätten ihm die Bahn gebrochen / und das Bildnüß des Mithridates / dem er ähnlich zu seyn vermeinet / zu seiner Erfindung sich für des Pharnaces Sohn auszugeben / Anlaß gegeben. Worauf sie denn diesem Scribonius[252] mit seinem Reiche den Kopf abgeschnitten /und ins Meer geworffen. So bald nun die Bosphorer die Ankunfft des Königs Polemon vernahmen / besorgeten sie sich / er würde als ein Bundsgenosse der Römer ihnen zum Könige aufgedrungen werden / da sie lieber einem einheimischen gehorsamt hätten /also zohen sie auf Anstifften des Meleagenes / der sich auf die Bosphorsche Krone selbst verspitzte /dem Polemon mit Heeres-Krafft entgegen / griffen ihn unverwarnigt an / wurden aber aus dem Felde geschlagen. Es war aber dieser Verlust nur eine Ursache zu grösserer Verbitterung / und eine Fackel hefftiger Kriegs-Flammen. Nach dem aber Polemon den Meleagenes in einem Treffen erlegte / und die Zeitung kam / daß Agrippa selbst mit einem mächtigen Heere schon zu Sinope dem Polemon zu Hülffe ankommen war / legten sie die Waffen nieder / baten selbst / daß der hertzhaffte Polemon ihr König seyn möchte. Also setzte Agrippa ihm mit Genehmhaltung des Käysers nicht alleine die Bosphorsche Krone auf / sondern vermählte ihn auch mit der schönen Königin Dynamis.


Ich danckte für so annehmliche Erzehlung diesem freundlichen Edelmanne / und veranlaste mit möglichster Ehrerbietung ihn mit uns fernere Gemeinschafft zu pflegen. Wie wir nun für dißmahl von ihm Abschied nahmen / und aus dem Schauplatze giengen /ward Erato unter der Menge Volcks unvermuthet meines Artafernes gewar. Alleine / ob wir wohl auff dem Fusse ihm nachfolgeten / verlohr er sich doch unter dem Gedränge aus unserm Gesichte / und wir konten zu meinem grösten Hertzeleide ihn durch keinen Fleiß finden oder ausforschen. Folgenden Morgen kam Meherdates in aller früh mit denen zwey Lycaonischen Fürsten in unser Hauß / und berichteten uns / wie Polemon diesen Tag den Römischen Rathsherren zu Liebe allerhand Rennen von seiner Ritterschafft halten würde / beredeten uns auch / daß Erato / welche zu Sinope den Nahmen Massabazanes annahm / nebst ihnen auf der Rennebahn in gleichförmiger Rüstung zu erscheinen sich entschloß. Als wir in die Schrancken kamen / bezeugten wir für dem Könige / der Königin Dynamis und den Römern / welche auf einer mit Gold durchwürckten Persischen Tapecereyen umhangenen Bühne dem Rennen zuschauen wolten / möglichste Ehrerbietung. Wir wunderten uns über der Abwesenheit der Fürstin Arsinoe / wurden aber bald gewahr / daß selbte unter dem Schalle der Trompeten /als eine Amozonin ausgerüstet / sich gleichergestalt in die Schrancken verfügte. Hierauf machte sie alsbald den Anfang aus dem für der Königlichen Bühne von zweyen Herolden gehaltenem Loß-Topffe einen Zettel zu heben / auff denen die Zahl / wie die Ritter nach der Reye rennen solten / vermerckt war. Ihr folgten die anwesenden Fürsten und Ritter / derer über fünf hundert waren / nach / und traf sich das Loß / daß die Lycaonischen Fürsten die ersten / die Fürstin Arsinoe und Massabazanes aber die allerletzten Zettel bekommen. Weil nun sie von den Herolden in die Reyhe nach denen gehobenen Zetteln gestellt wurden /kamen Arsinoe und Massabazanes harte neben einander. Beyde konten Anfangs einander nicht genungsam anschauen / ja in beyden erregte sich eine geheime Zuneigung / und ein solcher Trieb ihrer Gemüther /worüber sie ihnen selbst keine gewisse Auslegung zu machen wusten. Als nun der jüngste Lycaonische Fürst Masnaemphtes im Rennen den Anfang machte /und dieser / auser dem Pfeil-Schüssen / alle andere Rennen traf / machte ihr Arsinoe Gelegenheit mit dem Massabazanes zu reden / den Masnaemphtes[253] zu loben / und den Massabazanes um seinen Zustand zu fragen. Dieser gab sich / wie ich vorhin gegen dem Meherdates gethan / nachmahls für einen Albanischen Edelmann aus / den an diesen berühmten Hoff mehr der Vorwitz was denckwürdiges zu sehen / als einige Nothwendigkeit gebracht hätte. Arsinoe antwortete ihm: Es wäre solch Vornehmen nicht für einen Fürwitz / sondern eine Regung eines tapffern Gemüthes zu halten / und bedüncke sie / es habe die Tugend die Art etlicher Pflantzen an sich / welche in ihrem eigenen Erdreiche nicht wachsen können / sondern ihre Vollkommenheit nach geschehener Versetzung auff einem frembden Bäte erlangen müsten. Und hätte sie deßhalben ein sonderbares Belieben an denselben Edlen / welche ausser Landes / wo weder die Liebe der ihrigen sie verzärtelte / noch die Heucheley ihre Laster streichelte / ihr Glück suchten / und ihren Ruhm vergrösserten. Weßwegen Massabazanes sich von ihrem Herrn Vater aller Königlichen Gnade versichern solte. Unter derogleichen annehmlichen Gesprächen vollendeten die Ritter ihre Rennen; und es war keiner / dem nicht zum minsten ein Streich gefehlet hatte. Die Fürstin Arsinoe machte sich daher geschickt das ihrige zu thun. Das erste Ziel war ein Scythen-Kopff / nach demselben warf sie den Wurf-Spieß so glücklich / daß selbter recht in das lincke Auge traff; Das andere war ein einäugichter Cyclopen-Kopff / diesen hieb sie mit ihrer Sebel in einem Streich ab / fing selbten auch mit der Spitze ihres Sebels / daß er daran stecken blieb. Das dritte war ein Ring / den sie mit der Lantze / nach dem sie sie vorher durch einen Wurf in der Lufft dreymahl umgedrehet / fast in dem innersten Zirckel abnahm. Das vierdte war ein auf einer 60. Ellenbogen-hoher Säule aufgestellter Drache / denselben traf sie mit dem Bogen so wohl / daß der Pfeil im Rachen stecken blieb. Das fünffte war eine von Thon bereitete / und in unterschiedene Kreisse eingetheilte Scheibe / in diese traf sie aus der Schleuder mit einem Steine in den andern Kreiß / also / daß ihr kein einiges Treffen mißlang /und sie bey dem umstehenden Volck ein grosses Freuden-Geschrey erweckte. Massabazanes war allein noch übrig / der rennen solte / und es ließ ihm niemand träumen / daß dieser unbekandte Frembdling der Fürstin den höchsten Preiß strittig machen solte. Sie vergebe mir aber / großmüthige Thußnelda / daß ich meine Königin Erato ehe ins Antlitz loben / als der Warheit ablegen soll. Massabazanes erschien als ein Blitz-geschwinder Falcke auff der Rennebahn / er warf seinen Wurf-Spieß dem Scythen-Kopffe ins rechte Auge / hieb den Kopf des Polyphemus ab / und stach ihm im fallen seine Sebel in das eintzele Auge /er nahm mit der Lantze den Ring im Mittel weg / er schoß den Drachen ins lincke Auge / und traf das weisse in der Scheibe mit seinem abgeschleuderten Steine. Die Zuschauer wurden gezwungen ihn eben so wohl mit einem Freuden-Geschrey zu beehren / wormit das vorhergehende nicht so wohl den Schein einer Heucheley gegen ihre Fürstin / als einen Zuruff der Tugend überkäme. Die zwey Römischen Rathsherren / denen K \nig Polemon das Urthel des Sieges / und die Austheilung der Preisse anvertraut hatte / konten anders nicht befinden / als: Es hätte Arsinoe und Massabazanes einander die Wage derogestalt gehalten /daß sie durch ein neues Rennen gleichen müsten. Arsinoe gab sich hingegen selbst: daß Massabazanes den Preiß erworben; Sie muste aber gleichwohl sich dem Erkäntnüsse unterwerffen / und ihr wiederholetes Rennen / in dem sie abermahls gar nicht fehlete / gab ihr ein gnungsames Zeugnüß / daß ihr Sieg nicht einem ungefährlichen Zufalle / sondern ihrer Geschickligkeit zuzuschreiben[254] wäre. Aller Zuschauer sorgfältige Augen waren nun auf den Massabazanes gerichtet / welcher den Scythen-den Cyclopen-Kopff /den Ring / den Drachen in noch grösserer Vollkommenheit / als das erste mahl traf / bey dem letzten Ziel aber zu der Schleuder die lincke Hand brauchte / und /wie iederman es unschwer urtheilen konte / mit Fleiß die Scheibe fehlete umb der Fürstin den Preiß zu lassen; Gleichwohl aber den Ständer mit dem geschleuderten Steine traf. Das Volck begleitete beyde abermahls mit Jauchzen / und Statilius Taurus reichte hierauf Arsinoen den höchsten Preiß / welches war ein Lorber-Krantz dichte mit Diamanten besetzt; Junius Silanus aber dem Massabazanes den Zier-Preiß /nehmlich eine mit Rubinen umwundene Myrthen-Krone. Hierdurch gerieth Massabazanes / oder vielmehr Erato bey Hoffe in grosses Ansehen / also / daß daselbst nichts sonderliches vorgehen konte / es muste Massabazanes darbey seyn. Der König und die Königin bezeugten ihm alle ersinnliche Gnade /gleichsam / als wenn der Vorzug eines Fürsten bloß in dem beruhete / daß er den Menschen mehr gutes thun könne / als niedrigere; Arsinoe vermochte auch fast ohne ihn nicht zu leben / alle aber insgemein urtheilten / es wäre Massabazanes von grösserm Geblüte / als er sich ausgebe. Also hat die Tugend die Krafft des Magnets in sich / welche auch die frembdesten Gemüther an sich zeucht / und wie aus dem Klange das Ertzt / aus der Schwerde das Gold / wenn schon sein Glantz euserlich durch ein geringeres Ansehn benommen ist / erkennet wird; also verrathen auch tapffere Thaten eine hohe Ankunfft / und die Würde eines Helden-Geistes. Erato hingegen empfand einen nachdrücklichen Zug gegen Arsinoen / also daß sie nicht weniger eine Freudigkeit bey sich empfand /wenn sie ihr Antlitz zu schauen bekam / als wenn die betrübte Welt nach der düsternen Nacht die annehmliche Sonne aufgehen siehet. Seine Enteuserung aber von Arsinoens Augen / war eine Verdüsterung seiner sonst angebohrnen Freudigkeit / ja die Tage selbst mehr als verdrüßliche Nächte / in welchen ihm gleichwohl die Träume das annehmliche Bild dieser Halb-Göttin mehrmahls fürs Gesichte stelleten. Diese Unruh des Gemüthes ward endlich zu einer völligen Schwachheit / und wie sehr gleich Erato solche Gemüths-Veränderung verblümte / so lieffen sie doch mit der Zeit in die Augen und Auffmerckung. Ja sie konte endlich selbst mir länger nicht verschweigen /daß das Abseyn von Arsinoen ihr eine fast unerträgliche Marter wäre. Dieser Fürtrag / und die zugleich eröffnete Ursache ihrer Beunruhigung kam mir überaus seltzam für. Denn / da mir nicht die Gleichheit des Geschlechtes im Wege gestanden hätte / wäre die Kranckheit leicht zu errathen gewest. Sintemahl die Liebe kein eigenthümlicher Kennzeichen hat / als die Begierde der Vereinbarung. Denn durch sie wird der Geist gleichsam aus ihrer eigenen in eine frembde Seele verzücket / und diese höret auff in dem Cörper /den sie beseelet / zu leben / wormit sie in dem / den sie liebet / einen vergnügtern Auffenthalt finde. Weil auch die Liebe der Uhrsprung der Freude und Ergetzligkeit ist / kan ein Liebhabender nirgend anderswo /als da / wohin er sein Absehen hat / einige Wollust finden. Alle andere Lust-Häuser / ja der Himmel selbst / ist ihnen ein Siech- und Trauer-Hauß; die Anmuth stincket sie an / alle anderswohin zielende Gedancken sind ihnen irrdisch und verwerfflich / ja die Seelen werden ihren eigenen Leibern gram / daß sie an selbten gleichsam angefässelt sind / und sie bedüncken ihnen frembde Wirths-Häuser / ja wohl gar verdrüßliche[255] Gefängnüsse ihrer Freyheit / und bangsame Todten-Grüffte zu seyn / in welchen ihre Vergnügung vergraben liege. Alle diese Würckungen der Liebe sahen der Erato aus den Augen / und schienen aus ihrem Thun; Sie war in den Jahren / da diese Süßigkeit zu käumen / und dieser Zunder zu glimmen anfängt. Aber / daß ihre Neigung auf eine Fürstin abzielete / war meiner Vernufft ein unauflößlicher Knoten; und die der Liebe so ähnliche Bezeugungen konten sie allhier unmöglich Mutter nennen. Höret aber auch die andere Helffte dieses Wunderwercks. Denn ich erfuhr durch vertraute Hand / daß / da Erato diesseits nach Arsinoen seuffzete / jene nach Massabazanen lächsete. Da Erato bey ihr ein nagendes Feuer der Zuneigung in ihrem Hertzen fühlete / Arsinoens Seele loderte / und in lichten Flammen stand. Wiewol auf Arsinoens Seiten / welche die Fürstin Erato für einen der vollkommensten Helden hielt / dieser Traum sich von mir leicht auslegen ließ / in dem die Liebe sich mehr als zu viel selbst verrieth. Diese wunderbare Verwickelung der Gemüther und Begebenheiten machte mich überaus bekümmert. Als ich aber Tag und Nacht einen Fadem suchte beyden Fürstinnen aus diesem Irrgarten zu helffen / führte das Verhängnüß uns aus diesem Irrgange in einen betrübten Kercker /und verwandelte unsere Verwirrung in schmertzhaffte Bekümmernüß. Denn es hatte der Armenische König Tigranes zum Taurus und Silanus nach Sinope einen seiner Edelleute abgefertigt / dieser aber dem Rennen zugesehen / und die Fürstin Erato / oder vielmehr den in Armenien so genennten Artaxias erkennet / und bey seiner Rückkunfft solches dem Könige entdecket. Weil nun die / welche sich unrechtmäßig in ein Reich eingedrungen / ewige Todtfeinde derselben sind / die dazu Recht haben; überdiß die blutdürstige Mallia und Laodice dem Tigranes beweglich fürhielten / was für Gefahr ihm fürstünde von einem so streitbaren Jünglinge / der unter fünf hundert geübten Rittern das beste gethan hätte / und dessen feuriger Geist sich nimmermehr in die Schrancken eines gehorsamden Unterthanes würde einriegeln lassen / schickte Tigranes nicht allein eine ansehnliche Botschafft mit kostbaren Geschencken an den König Polemon / sondern schrieb nichts minder an den Tiberius / als Taurus und Silanus um den Pontischen König zu bewegen /daß er ihm den jungen Artaxias / als seinen und der Römer Feind ausfolgen liesse. Alls diese Gesandtschafft zu Sinope einzog / hielten wir uns möglichst eingezogen um nicht erkennet zu werden / unwissende / daß wir bereits verrathen und im Garne wären. Denn noch selbigen Abend ward unser Hauß rings umher mit einer starcken Wache besetzt. Kurtz darauf brachte ein verkleideter Edelknabe von der Princeßin Arsinoe einen verschlossenen Zettel an die Princeßin Erato mit diesen Zeilen:


Arsinoe an den Fürsten Artaxias.


Der Tag / welcher meinem Irrthume diß erfreuliche Licht giebet / und die Vermuthungen aller derer / die die Tugend zu schätzen wissen / vergewissert / daß der unvergleichliche Massabazanes kein schlechter Albanischer Edelmann / sondern der Enckel des grossen Tigranes sey / setzet mich zwar aus einer nicht geringern Bekümmernüß. Aber ich zittere zu schreiben / daß der Armenische König ihn aus meiner Gemeinschafft / und in seine unbarmhertzige Hände fordert. Mein Vater / der zwar die Versicherung seiner Person nicht abzuschlagen vermocht / ist iedoch allzugroßmüthig den auf die Fleischbanck seinem Feinde zu liefern / der durch seine Tugend eines gerechten Königes Gewogenheit / und die Liebe der gantzen[256] Welt verdienet. Diß Schreiben gab nach einer hefftigen Bestürtzung uns nicht geringen Trost / und ob wir wohl noch tausenderley Gefahr für Augen sahen / verliessen wir uns doch so sehr auff Arsinoen / als ein Schiffer beym Sturm auff seinen Ancker. Folgende Tage ward uns in Vertrauen zuwissen gemacht; wie die Armenische Botschafft beym Könige die rechte Verhör gehabt / und im Nahmen des Tigranes angeführt habe: Es wäre den Rechten der Völcker / und denen zwischen den Armen- und Pontischen Königen auffgerichteten alten Verträgen gemäß / daß keiner des andern Feinde hausen / sondern selbte ausgefolget werden selten. Es wäre Weltkündig / wie übel dem Aristodicus von Cuma seine unzeitige Barmhertzigkeit bekommen / als er den dem Könige Cyrus mit einem grossen Schatze entlauffenen Pactyas seinem Sardischen Land-Vogte Tabalus nicht aushändigen wollen / da doch der Didymeische Apollo und Branchus / als die Cumäer sie hierüber zu Rathe gezogen /diß Ausfolgungs-Recht gebilliget hatte. Dahero versehe sich König Tigranes unfehlbar: daß Polemon ihm den jungen Artaxias als seinen Feind und Unterthan nicht vorenthalten würde. Polemon aber habe fürgeschützt: Es hätte Apollo gleichwohl / als Aristodicus die an dem Tempel nistenden Sperlinge aus dẽ Nestern verjagt / und dem ihm fluchenden Abgotte seinen vorigen Spruch entgegen gesetzt / seinen Befehl nur auf gehausete Ubelthäter / derogleichen Artaxias nicht wäre / gedeutet; ja die Cumäer hätten den Pactyas gleichwohl nicht unmittelbar den Persen eingeantwortet / sondern ihn auff die Insel Chius verwiesen / da ihn den allererst die Einwohner seinen Fein den geliefert. Nach dem der Gesandte darauff bestanden / habe König Polemon zu seiner Entschlüssung Bedenck-Zeit genommen / und den Gesandten versichert / daß inzwischen die begehrte und für einen Feind angegebene Person in sicherer Hafft bestrickt wäre. Nach der Zeit hatte der König alle Kunststücke des Tigranes Anmuthen abzulehnen herfür gesucht /nehmlich die Gesandten mit Jagten / Schauspielen und andern Kurtzweilen auffgehalten / auch dort und darhin zu reisen Gelegenheit gesucht / um nur fernere Verhör abzulehnen; und / nach dem die Botschafft sich darmit nicht länger wollen äffen lassen /fürgeschützt: Er müste es als eine Sache von grosser Nachfolge mit den benachbarten Königen berathen /inzwischen könten die Gesandten zurück kehren /seine ihnen vielleicht auf dem Fuße folgende Botschaft würde seine vernünfftige und vielleicht nicht unangenehme Entschlüssung nachbringen. Hingegen versehe er sich / daß auff solchen Fall Tigranes auch des Meleagenes Anhang / welche in dem Bosphorschen Kriege wider ihn die Waffen geführet / und hernach sich in Armenien geflüchtet hatten / unter denen Lycosthenes ein Schoos-Kind des Tigranes war / ausfolgen lassen würden. Alleine es hätten die Gesandten auff einen endlichen Schluß gedrungen / ihres Königs Befehl / daß sie ohne den nicht zurücke kehren dörfften / fürgeschützt / und die Auswechselung des Lycosthenes und andere gegen dem Artaxius ausdrücklich anerboten. Dessen ungeachtet hätte die Fürstin Arsinoe dem Könige fort für fort in Ohren gelegen: Es wäre wider der Pontischen Könige Hoheit einen Fürsten / der zu Sinope in seiner Verfolgung eine Frey- und Schutz-Stadt zu finden vermeinet / ausser dem verhofften Schirm nicht allein zu lassen / sondern auch einen Unschuldigen in die Klauen eines Wüterichs zu lieffern. Es lieffe wider das Recht und die Gewonheit der Völcker / und diene das Beyspiel des Käysers / welcher dem Phraates den flüchtigen Tiridates keinesweges hätte ausantworten wollẽ / ihm zu einem Wegweiser. Ob nun wohl die zwey Römischen Rathsherren Taurus uñ Silanus auf die Seite des Tigranes hingen / so überwog doch die Großmüthigkeit Polemons / und die Anmassung Arsinoens[257] alle andere Absehen / also: daß die Armenische Botschafft wegen der verlangten Ausliefferung des Artaxias abschlägliche Antwort kriegte. Alleine das Unglück wolte der Redligkeit dieses tapffern Königs nicht aus dem Wege treten. Denn noch selbigen Tag lieffen vom Tiberius Schreiben ein / welche dem Polemon die Ausfolgung des Artaxias beweglich einhielten / und die Römischen Rathsherren befehlichten darzu eusserst beförderlich zu seyn. Polemon erschrack über des Tiberius Brieffe / noch mehr aber über des Taurus und Silanus hefftigem Fürtrage. Gleichwohl aber sätzte er ihnen entgegen: Er versehe sich zu ihnẽ als Römern nicht / daß sie ihn nöthigen würden die Gast-Götter seines Hauses zu beleidigen / und daß er dem Artaxias einmahl gegebene Königliche Wort: Er möchte bey ihm sichern Auffenthalt haben / brechen solte. Treu und Glauben wäre zu Rom ein solches Heiligthum /welches daselbst auch denen gehalten würde / welche gleich solches vorher verletzet / und ob schon dem gemeinen Wesen daraus einiges Unheil zugehangen. Sie hätten den Hanno / der auff der Römer Wort zu ihnen kommen / unverhindert zurück gelassen / ungeachtet die Carthaginenser den Gesandten und Bürgermeister Cornelius Asina in Ketten geschlossen hatten. Wie möchte man denn ihm zumuthen seinen Gast und Freund zu bestricken. Zumahl ihm unbewust wäre: daß dieser Artaxias die Römer iemahls beleidiget / ein Sohn aber nicht Theil an der Schuld seines Vaters hätte. Antiochus hätte eh wider den mit den Römern gemachten Friedens-Schluß handeln / als an seinem Gaste dem Hannibal durch seine Ausfolgung eine Leichtsinnigkeit begehen wollen; indem er ihn gewarnigt sich aus dem Staube zu machen. Alleine die Römer setzten ihm entgegen / Polemon hätte den Massabazanes / für den er sich fälschlich ausgegeben / keinem Artaxias die Gast-Freyheit erlaubet. Man habe nicht nur auff die Versicherung seiner Feinde /sondern auch derer zu dencken / die es allem Ansehen nach werden / und die gemeine Ruh stören könten. Fremde Könige wären einem seine Feinde ausfolgen zu lassen nicht schuldig; und deßhalben wäre der Käyser Phraaten den Tiridates zu lieffern nicht schuldig gewest / aber wohl die Bundgenossen. Daher hätte Antiochus unrecht / Prusias aber löblich gethan: daß er den Hannibal habe greiffen lassen / und den Römischen Gesandten lieffern wollen / wenn er ihnen nicht mit Gifft wäre zuvor kommen. Diesem setzten sie ausdrückliche Bedrohungen bey: daß / nach dem Polemon hierdurch wider seine Bundgenossenschafft handelte / würde er für einen Beschirmer der Römischen Feinde angesehen werden. Polemon fand sich derogestalt zwischen Thür und Angel. Denn auff einer Seite stritte für uns seine Ehre und unsere Schutz-Göttin Arsinoe / auff der andern Seiten wider uns die Furcht für der Römischen Macht / und die Gefahr seines Königreichs. Wie nun diß alles uns zu Ohrẽ kam /entschloß sich Erato lieber freywillig in die Gewalt ihres Feindes / als einen so redlichen König in so grosse Gefahr zu stürtzen; Ließ auch solches dem Könige ausdrücklich beybringen / welcher inzwischen noch diesen Vorschlag ersonnen hatte: daß er auff den eussersten Fall den Artaxias nicht dem Tigranes / sondern denen weniger grimmigen Römern mit Begleitung einer beweglichẽ Vorschrifft an den Käyser und Tiberius ausfolgen lassen wolte. Endlich kam Erato und ich nach langer Uberlegung unsers bevorstehenden Unglücks auff die Entschlüssung / lieber die Heimligkeit ihres zum Erbarmniß mehr dienenden Geschlechts zu offenbaren / als auff die mehrmahls fehlgeschlagene Gnade der Römer zu fussen. Wie es nun an dem war / daß Maßabarzanes dem Taurus und Silanus eingehändiget werden solte / und für dem Könige und ihnen erschien / fing er mit einer freudigen Anmuth an:[258] Es befremdete ihn / daß nicht nur Tigranes / sondern auch die so klugen Römer entweder auff das ungewisse Geschrey / oder auff blosses Angeben eines Kundschaffers so feste gefusset / und daß Maßabarzanes Artaxias wäre / geglaubet hätten. Seine Unschuld habe keine Scheu weder in der Gewalt eines grimmigen Wüterichs / noch der so gütigen Römer zu seyn. Allein er wäre der nicht / für den man ihn ansehe; also besorgte er sich noch weniger / daß man ihn zum Schlachtopffer eines fremden ihm unbekandten Verbrechens hingeben würde / wodurch zwar Tigranes seinen Thron / weil Armenien vielleicht noch ein Auge auf den entronnenen Artaxias haben möchte / befestigen / die Römer aber / die Schutz-Götter der Unschuldigen / beleidigen würde. Der König Polemon und die Römer sahen einander eine gute Weile stillschweigend an; liessen daher des Tigranes Gesandten Sinnates darzu kommen / und befragten ihn: Ob er den gesuchten Artaxias auch eigentlich kennte? Dieser antwortete: nein. Denn er wäre mit dem Tigranes stets zu Rom / und lange Jahre nicht zu Artaxata gewest. Allein es wäre Sinorix bey der Hand / der den König dessen vergewissert hätte. Sinorix war kaum über die Schwelle ins Zimmer getreten; als Maßabarzanes ihn anredete: Bistu der Verläumder / der der Unschuld fremde Laster auffhalset / wo anderst Artaxias nicht redlicher ist als du / der du mir eine falsche Larve einer Person / die ich nicht kenne / fürmachest? Sinorix ward anfänglich etwas bestürtzt über dieser hefftigen Anredung / wolte auch eher nicht antworten / biß er Maßabarzanen wol und eigentlich betrachtet hatte. Denn Maßabarzanes Kühnheit machte ihm gleichwol Nachdencken: Ob ihn nicht sein Auge hätte betrügen mögen. Wie er ihn aber auffs genaueste betrachtet; fing er an: Es möchte ja wohl die Natur zu weilen einen Menschen dem andern ähnlich machen /aber er finde in seinem Antlitze solche unfehlbare Merckmalhe / daß / dafern er dißmal irrete / er seinen Kopf / der ihm lieb wäre / wolte verlohren habẽ. Maßabarzanes lachte / und fing an: Wenn ich so rachgierig wäre / als du verläumderisch bist / hättestu ihn bereit sicher verspielet. Hiemit wendete er sich zum Könige Polemon / und bat ihn um Verlaub / daß er in das unentfernte Zimmer der Königin sich verfügen möchte / daselbst wolte er einen unwiderleglichen Beweiß fürzeigen / und den Sinorix augenscheinlich zu schanden machen. Der gütige König konte diß ihm nicht abschlagen; wiewohl er und die Römer nicht ersinnen konten / was für Beweiß möglich zu finden sey / der des Sinorix Zeugniß / welcher aus Armenien noch tausend ihm beystimmende Zeugen auffzubringen sich vermaß / hintertriebe / und des Maßabarzanes Verneinung erhärtete. Als Maßabarzanes nun in der Königin Zimmer kam / bey der sich die seinetwegen höchstbekümmerte Fürstin Arsinoe auffenthielt /fiel er vor ihnen auf die Knie / und fing an: Gnädigste Königin / die Verläumdung des Sinorix / welche einen Fremdling dem Blutdürstigen Tigranes auffopffern will / zwinget mich für selbter / als einer Schutz-Göttin meiner Unschuld ein Geheimniß zu entdecken / welches ich lieber auch vor den Göttern verhelet hätte. Hiermit riß sie ihr Kleid auf / und wieß der Königin und Arsinoen ein paar so schöne Brüste / als sie iemahls ein Auge gesehen / oder ein vollkommenstes Frauenzimmer haben kan. Die Königin erstaunete über so unvermutheter Begebenheit / noch mehr aber die schöne Arsinoe: also / daß sie eine gute Weile kein Wort auffzubringen wuste. Die nunmehr offenbarte Erato nahm die grosse Veränderung Arsinoens genau wahr / und weil sie von ihrer Liebe gut genug wuste / muthmaßte sie / ihre Bestürtzung rühre daher / daß weil sich nunmehr Maßabarzanes in ein Weib verwandelte / sie hierdurch ihre Liebe zu Wasser wer den sehe. Nachdem aber beyde sich ein wenig erholet / fing Erato an: Gebet nun / ihr meine Schutz-Götter /einer unglückseligen[259] Jungfrauen / die die Begierde der Tugend und ein grosses Absehen ihrer Eltern in ein Mannsbild verstellet hat / wider die Falschheit des Sinorix ein Zeugniß: daß sie nicht Maßabarzanes / weniger der verfolgte Artaxias sey. Der guthertzigen Königin fielen die Thränen aus den Augen / und sie kunte sich nicht enthalten / daß sie nicht die Erato mit hundert Küssen umhalsete; Arsinoe aber blieb hierbey voll Nachdenckens unbewegt gleichsam als eine Marmel-Seule stehen / verlohr sich auch unvermerckt aus dem Zimmer. Die Königin befahl hierauff alsofort ihrem Frauenzimmer: daß sie den eingebildeten Maßabarzanes alsofort ihrer Tugend gemäß auffs prächtigste ankleiden musten. Als dieses in möglichster Eil vollbracht ward / nahm die Königin diese Fürstin bey der Hand / und führte sie in das Königliche Zimmer /darinnen die verlassenen Personen mit Ungedult den verlangten Ausschlag erwarteten. Dieser aber als sie nun den eingebildeten Artaxias in ein Frauenzimmer verwandelt / und die unfehlbare Warheit aus denen mit Fleiß halb entblößten Brüsten sahen / verwirrte nicht nur den König und die Römer / sondern auch den Sinnates / und insonderheit den Sinorix; daß jene kein Wort reden konten / dieser aber für Scham und Schande sich augenblicks aus dem Zimmer entbrach. Der König ward über diesem Ebentheuer hertzlich erfreuet / die Römer aber und gantz Sinope verwundernd über der Schönheit und Tapfferkeit dieser zwar unbekandten Fürstin; welche aber ihren hohen Stand durch ihre Tugend genugsam ausführete. Sinorix ließ sich nicht mehr schauen / und Sinnates muste mit einer Nase abziehen. Erato aber erfreute sich über so glücklichem Ausschlage / dem Siege ihrer Klugheit. Denn diese ist die Hebamme der Glückseligkeit und Vergnügung. Eines allein lag ihr noch auff dem Hertzen / nehmlich die Sorge über der an Arsinoen verspührten hefftigen Veränderung. Zumal da Erato /welche nunmehr in dem Königlichen Frauenzimmer bleiben muste / und von der Königin alle ersinnliche Gnaden / von der Fürstin Arsinoe aber noch hefftigere Liebesbezeugungen genaaß / gleichwol an ihr eine ungewöhnliche Traurigkeit verspürte. Diese verwandelte sich in wenigen Tagen in eine Kranckheit / und machte sie gar bettlägerig. Endlich wuchs die Unpäßligkeit so sehr / daß die Aertzte an ihrer Wiedergenesung zu zweiffeln anfingen; worüber der gantze Hoff in unermäßliches Trauren versetzet ward. Taurus und Silanus hatten selbst mit dieser so anmuthigen Fürstin ein hertzliches Mitleiden; und weil sie den berühmten Artzt Cornelius Celsus / welchen man seiner Fürtreffligkeit wegen den Lateinischen Hippocrates nennte / bey sich hatten / ward er endlich auch zu Rathe gezogen. Dieser aber konte so wenig als die andern sich in die Kranckheit finden / weniger bey solcher Unwissenheit helffen. Nach hunderterley Anmerckungen ihrer Veränderung nahm er wahr / daß wenn einige von dem Frauenzimmer / und darunter Erato ums Bette standen / der Puls schneller zu schlagen anfing /ihre Farbe und gantze Beschaffenheit sich änderte. Gleichwohl aber konte er hieraus ihm wenig nehmen /noch auff den Grund kommen. Nachdem er aber mit Fleiß anmerckte / daß dieser Umstand allezeit einerley Veränderung machte / und die Königin bey sich täglich vermindernden Lebens-Hoffnung sehr erbärmlich thät / ihr die Haare ausrauffte / den Göttern und der Natur fluchte / ihre Kleider zerriß; diese eine Stieff-Mutter schalt / welche dem Menschen bey seiner Geburt nur deshalben den Verstand entziehe / daß er das gute des anfangenden Lebens nicht recht genüße / bey dem Sterben aber gebe / daß er die Bitterkeit des Todes so viel mehr schmecken müste / zohe dieser nachdenckliche Artzt die Königin auff die Seite / entdeckte ihr seine Anmerckung und sagte: Er hielte es[260] mehr für eine Gemüths- als Leibes-Kranckheit / und wenn solche Veränderung in Anwesenheit einiges Mannes geschehe / wolle er keck sagen: Es wäre die Kranckheit / daran Erasistratus den Liebhaber der Stratonice geheilet hätte. Wolte sie nun die Ursache der Kranckheit ergründen / und ihrer Tochter das Leben erhalten / müste sie die Heimligkeit ihres Hertzens erforschen. Der klugen Dynamis war mehr denn zu viel gesagt / und sie konte ihr numehr die Kranckheit an den Fingern ausrechnen. Gleichwohl aber noch gewisser auf den Grund zu kommen / gieng sie mit unterschiedenen ihres Frauenzimmers zu Arsinoen /merckte aber in ihrem Beyseyn an ihr nichts veränderliches. Hierauf trat sie alleine mit der Erato für ihr Bette; alsofort dorfte sie Arsinoen nicht an Puls fühlen; denn ihre Gemüths- und Leibes-Aenderung brach an allen Gliedern aus. Nach so augenscheinlichen Merckmalen führete sie die Fürstin Erato mit sich /verschloß sich mit ihr in ihr geheimstes Zimmer; daselbst redete sie / ihre Augen voll Thränen / und ihre Brust voll Seufzer habende / derogestalt an: Wenn ich / unvergleichliche Erato / nicht ihrer hohen Ankunft halber durch so viel Tugenden / wormit sie der gütige Himmel ausgerüstet hat / vergewissert wäre / würde ich entweder den Vorwitz begehen ihren Ursprung zu erforschen / welchen sie vermuthlich aus wichtigen Ursachen verhelet / oder ihr ein Geheimnüß zu entdecken anstehen / welches meinem eigenen Gemahl verborgen ist. Nachdem man aber für den Göttern und der Tugend sicher sein Hertz ausschüttet / und ihre Gütigkeit mich aus dem Pfule des Verderbens / mein Kind Arsinoen aus dem Rachen des Todes zu retten alleine mächtig ist; wolle die ihren Ohren nicht beschwerlich seyn lassen mich zu hören / welcher mitleidentlich Hertze ich so geneigt weiß mir zu helffen. Als nun Erato mit Zunge und Geberden ihr Mitleiden und Verbündligkeit beweglich bezeuget hatte / fuhr die Königin Dynamis fort: Als ich den König Polemon geheyrathet hatte / liessen die Götter zu / daß des Scribonius Schwester durch Zauberey uns zwey Ehleute eben so / wie es für Zeiten dem Könige Amasis mit der Laodice begegnet / gegen einander verschloß. Polemon / welcher über diesem Zufalle nebst mir höchst bekümmert ward / nahm seine Zuflucht zu der Persischen Diana / welche in der Cilicischen Stadt Castabala verehret wird. Die Wahrsager-Weiber /welche daselbst über den glüenden Rost und Kohlen /darauf die Opfer angezündet werden / baarfüssig ohne Verletzung gehen / trugen der Göttin unser Gelübde für / und kriegten zur Antwort: Ich solte meinen Gürtel der Jungfräulichen Diana wiedmen / so würde ich schwanger werden / es solte ihm aber Polemon den Degen schleiffen. Ob uns nun wol das letztere ziemlich tunckel fürkam; so leisteten wir doch dem Göttlichen Befehl Gehorsam / und ich befand mich in einem Monat schwanger. Wie wir nun auf dem Rückwege bey der Stadt Seleueia unter dem Berge Taurus vorbey zohen / wolten wir bey der berühmten Charoneischen Höle nicht vergebens vorbey ziehen / sondern wir verehrten den Geist denselben / und schlugen des Nachts darinnen unsere Lager-Stadt auf / umb durch einen Traum wegen des Mittels unser Genesung bestärckt zu werden. Es träumte uns aber allen beyden: Ich ginge mit einer Schlange schwanger / die an iedem Orte einen Kopf hätte / derer einer den Polemon stäche / der andere seine Mutter küßte. Eben dieses träumte uns zu unserer höchsten Verwunderung wenige Zeit hernach zum andern mal in dem Pergamenischen Tempel des Esculapius. Wir blieben also mit Furcht und Hoffnung bestricket biß zu meiner Geburts-Zeit ruhig / wurden aber hertzlich erfreuet / als ich eines wolgestalten Sohnes und Tochter genesen war / die wir Zeno und Arsinoe benahmten. Gleichwohl aber konte mein König ihm den Traum nicht aus dem[261] Sinne schlagen / daher reisete er selbst in den Epirischen Eichwald bey der Stadt Dodona / allwo Jupiter in einem alten noch vom Deucalion gebaueten Tempel künftig Ding wahrsagte. Wie er nun nach verrichteter gewöhnlichen Andacht fragte: Was er für Glück oder Unglück von seinen neugebohrnen Zwillingen zu hoffen hätte / antworteten ihm die daselbst singenden Tauben:


Die Tochter wird alsbald die Mutter kůssen /

Der Sohn das Blut des Vaters selbst vergiessen.


Als nun Polemon über dieser Weissagung bestürtzt war / und die Götter umb Erklärung mit vielen Seufzern anflehete / hob sich das güldene Bild des Jupiters / welches oben auf dem Tempel stand / auf / und schlug mit seiner eisernen Ruthe an die rings herumb aufgehenckten ertztene Tiegel / welche eben vorige Reymen von sich lauten liessen. Der König wolte mit dieser betrübten Zeitung nicht nach Hause kehren /sondern schiffte aus Griechenland geraden Weges in Africa / und durch das fast unwegbare Sand-Meer zu dem Ammonischen Jupiter bey den Troglodyten; wohin dem grossen Alexander die Raben / dem Bachus ein Widder den Weg gewiesen hat. Daselbst wusch sich Polemon aus dem Sonnen-Brunnen / welcher des Morgens und Abends laues / des Mittags eißkaltes / umb Mitternacht siedendheisses Wasser hat; opferte hierauf sieben Widder / verrichtete alles / was zu selbigem Gottes-Dienste gehörig ist / und bat ihm seiner Kinder Zufälle zu offenbaren. Die Priester nahmen des Jupiters Bild / welches wie ein Seeweiser aus weissem Marmel / oben mit einem Widder-Kopfe gemacht / auf der Seite mit Smaragden und andern Edelgesteinen gezieret war / setzten solches auf einen güldenen Nachen / an welchem eine grosse Menge silberner Schüsseln hingen / und hinter dem eine grosse Anzahl Frauen und Jungfrauen allerhand Lob-Lieder sangen. Auf des Königs angebrachte Frage verdrehete der Abgott die Augen / schüttelte den Kopf / raschelte mit den umbhangenden Hammel-Fellen / und / welches zu verwundern / brauchte der Priester zu Auslegung dessen / was Jupiter andeutete / eben die von dem Dodonischen Jupiter ausgesprochene Worte. Wiewohl nun die Wahrheit der Hammonischen Wahrsagungen durch die dem Egyptischen Könige Themeuthes / dem Getulischen Jarbas / dem Hannibal und viel andern ertheilte Weissagungen bewährt war; so ließ sich doch Polemon nicht vergnügen / sondern er berieth sich auch mit dem Pythischen Apollo in Beotien / dessen Heiligthum von einer Ziege erfunden worden. Wie nun die Pythia nach zweyen ihm geopferten weissen Pferden aus dem Brunne Cassiotis /welcher die angezündeten Fackeln auslescht / die ausgeleschten anzündet / getruncken / und den Wahrsager-Geist bekommen / auch sich bey einbrechender Demmerung über die heilige Höle auf den güldenen Dreyfuß gesetzt hatte / kriegte sie einen Jäscht für dem Mund / und fing an eben diese Wahrsagung /welche fürzeiten dem Thebanischen Könige Lajus geschehen war / auszuschäumen:


Wenn nicht die G \tter wolln / so zeuge doch kein Kind /

Nachdem dir selbst dein Sohn ein Sterbens-Netze spinnt.


Mit diesen betrübten Offenbarungen kam Polemon wieder zu Sinope an / ich stelle zu ihrem vernünftigẽ Nachdencken / zu was für Hertzeleid für mich / sonderlich / da sich der König entschloß meinen einigen Sohn hinrichten zu lassen. Die ehliche und Mutter-Liebe kämpfte in meinem Hertzen gegen einander /weil jene aus den Göttlichen Wahrsagungen selbst die Gefahr meines Gemahls / diese meines Kindes Untergang für Augen sahe. Ich hielt ihm aber gleichwohl ein; wie die albern Rathschläge der Menschen die unvermeidlichen Schlüsse des Verhängnüsses zu stören sich vergebens anmaßten / als aus dem Beyspiele Astyagens / der seiner Tochter Mandane gantz Asien überschattende Frucht[262] wollen tödten lassen / und des Lajus / der seinen mit der Jocasta erzeugten Sohn dem Tode wiedmete / zu sehen wäre. Uber diß mißbrauchte die menschliche Boßheit nicht selten sich Göttlicher Weissagungen zu ihrem Vortheil. Phalantus wäre seiner Herrschafft vom Apollo so lange versichert worden / biß er weisse Raben sehen / und in seinem Geträncke Fische finden würde. Sein Feind Iphiclus aber / dem diß verkundschafft worden / hätte durch den bestochenen Larca ihm mit dem Wasser kleine Fische in Wein mischen / und Iphiclus zugleich eine Menge übergipste Raben flügen lassen. Hierdurch wäre der abergläubische Phalantus sich dem Iphiclus ohne Noth zu ergeben verleitet worden. Nach dem aber auch diß nicht verfangen wolte / sagte Dynamis /verschrieb ich in möglichster Eil den Egyptischen Sternseher Cherämon an Hof / welcher bey vielen seiner Wissenschafft halber berühmt / bey nicht wenigern aber auch seiner Eitelkeiten halber verachtet war; massen er durch das Gedichte / daß der Vogel Phönix 7000. Jahr lebte / und andere Thorheiten sich in der Welt schon genungsam bekandt gemacht hatte. Nichts desto weniger eröffnete ich dem Cherämon meines Sohns Geburts-Stunde / wormit er aus dem Gestirne alle Zufälle seines Lebens aufs fleissigste ausrechnen solte. Es konte diß aber nicht so verholen geschehen /daß es nicht die Königlichen Räthe erfuhren / und dem Polemon fürtrugen: Wie gefährlich es wäre / über dem Zustande der Fürsten die nichts minder betrüglich- als abergläubische Leute zu Rathe fragen; oder auch gar solche denen Göttlichen Offenbarungen /welche Polemon allenthalben einstimmig befunden hätte / entgegen zu setzen. Die berůhmtesten Chaldeer hätten einmüthig den grossen Pompejus / den Crassus und Cäsar versichert / daß sie mit grossem Glücke und Ruhm in hohem Alter auf dem Bette sterben würden; sie also zu vielen kühnen Entschlüssungen verleitet / ihre Unwahrheit aber wäre mit aller dreyer grausam verspritzten Blute aufgezeichnet. Insonderheit wäre dieser Cherämon auf derogleichen Betrug abgerichtet / und hätte er den grossen Pompejus gewarnet: Er solte sich für dem Cassius hüten. Wie er nun hernach in einem Nachen von gantz andern ermordet worden / hätte Cherämon seinen Fehler damit entschuldiget / er hätte keinen Menschen / sondern den Berg Cassius / unter welchem er gestorben und begraben wäre / verstanden. Ich kam zu meinem Glücke gleich darzu / und hörte diese Beschuldigung des Cherämons / welchen ich eben dadurch für glaubwürdig rühmete. Sintemal nicht seine Wahrsagung /sondern des Pompejus übeler Verstand zu tadeln wäre. Die Götter selbst pflegten in ihren Weissagungen selten noch so verständlich zu reden / und müsten allenthalben solche Offenbarungen nachdencklich überlegt werden. Polemon aber blieb gegen mich gantz unbeweglich / allem Vermuthen nach mehr aus einem Staats-Geheimnüsse / als aus Mißtrauen gegen dem Cherämon. Denn weil an Wahrsagung künftiger Dinge so viel gelegen / und die / welche solche zu wissen gegläubet werden / bey dem Volcke in allzugrossem Ansehen sind / haben iederzeit alle kluge Oberherren diese Wissenschafft an sich gezogen. Also hättẽ Amphilochus und Mopsus ihren Argivern / Helenus und Cassandra des Priamus Kinder ihren Phrygiern / die aus den Weisen erkiesete Persische Fürsten alleine bevorstehende Begebenheiten / wie selbte für ihre Herrschens-Rath gedienet / angekündigt. Numa bediente sich zum Scheine seiner Wahrsagungen einer erdichteten Gemeinschafft mit der Egeria; und vom Tullus Hostilius glaubten die Römer / daß der Donner ihn deshalben erschlagen hätte / weil er die Geheimnüsse / wordurch der Jupiter Elicius zu erscheinen beruffen werden könte / nicht recht beobachtet. Nichts minder ist die Wahrsagerey auch hernach zu Rom /als die höchste Gewalt / für etwas Königliches gehalten / uñ mit selbter vereinbart;[263] hingegen / daß die Stadt nicht durch andere Weissagungen irre gemacht /oder gar ausser den Schrancken des Gehorsams versetzt würde / haben die Obern die Sibyllinischen Bücher verbrennen / und die Wahrsager mehrmals aus der Stadt vertreiben lassen. Mit Noth brachte ich es endlich so weit / daß König Polemon einen seiner Räthe Sophites befehlichte / des Cheremon Wissenschafft zu durchforschen. Dieser rechtfertigte ihn alsofort: Ob er ein Sternseher wäre / und wo er seine Künste gelernet hätte? Cheremon antwortete dem Sophites gleichsam verächtlich: Er wäre zwar nach Sinope nicht kommen seines Thuns halber Rechenschafft zu geben; nachdem er in Egypten für einen halben Gott gehalten würde. Jedoch könte er nicht läugnen / daß er mit dem Verhängnüsse ein verträuliches Verständnüß / und den Sternen tägliche Gemeinschafft hätte /und nichts minder einen Wahrsager unter den Menschen / als einen Gesetzgeber im Himmel abgebe; auch versichert wäre / daß sein Nahme nicht mit tunckelern Sternen / als der Gürtel des Orions daselbst eingeschrieben werden würde. Sophites fragte weiter: Woher er diese Wissenschafft erlernet? Aus dem Buche der Verständigen / antwortete Cheremon /nemlich dem Himmel / dessen Sterne alle Buchstaben wären / woraus die Weisen alle Geheimnüsse der Natur und die Schlüsse des Glückes so unschwer lesen könten / als die ersten Menschen nach dem Stande der Gestirne in denen sändichten Einöden /und noch ietzt die Schiffenden hätten reisen lernen /und die Weisen der ersten Welt auch die Sprache der Thiere verstanden. Worbey er aber mit dem Socrates gestehen müste / daß die Erfahrung hi lischer Dinge ohne Göttliche Hülffe und Erleuchtung sich nicht erlernen liesse. Sophites erkundigte ferner: Mit welchen Volckes Schrifft denn diese hi lische eine Verwandnüß hätte / und wordurch die Anfänger selbte verstehen lernten? Cheremon fing an: Die sieben grosse Irr-Sterne wären die laut-alle andere die stummen Buchstaben. Der kluge Cham hätte das A.B.C. in 7. ertztene und 7. irrdene Säulẽ aufgezeichnet / wormit selbte weder Feuer noch Wasser vertilgen möchte. Der sinnreiche Idris aber hätte ein von dem andern Menschenin einẽ versiegelten Stein verschlossenes Buch gefundẽ / darinnen die allerklärste Auslegung enthalten gewest / und aus welchen die Egyptier so viel tausend Jahr ihre Heimligkeiten geschöpfet hätten. Sophites fuhr fort: Woher sie eines so grossen Alters der Welt versichert wären; ob sie selbte wegen ihres Ursprungs für ewig / und ihrer Tauerhaftigkeit nach für unvergänglich hielten? und ob er auch unter denen Leichtglaubigẽ wäre / daß die Babylonier von 470000. Jahren den Lauff der Sonnen aufgezeichnet hätten? Cheremon versetzte: Alle Dinge / ausser Gott / hätten jhren Anfang; das Alter der Welt wüsten sie aus denen 20000. Büchern des Hermes / in welchen keines Sternes Bewegung von Anfang der Welt aussengelassen wäre. Das Alter der Welt würde sich auf 36525. Jahr erstrecken / weil in so vieler Zeit der völlige Lauff des Gestirnes sich endigte / und umb ein allgemeines Ende zu machen alles in den ersten Stand verfiele. Sophites fragte ferner: Ob denn die Sterne allein in der Welt die natürlichen Regungen des Gewächses / des Gewitters / der Fruchtbarkeit / in dem Menschen nur über den Leib / oder auch über sein Gemüthe / über den Willen und die Regungen der Seele einige Gewalt hätte. Cheremon antwortete: Die Sternen hätten so wohl über ein als das andere eine vollkommene Botmässigkeit. Sophites versetzte: So höre ich wohl / die Sternen haben nicht nur eine blosse Neigung / sondern einen völligen Zwang über uns. Sintemal alle Wissenschafften keinen zufälligen /sondern einen nothwendigen Schluß in sich haben. Hat denn aber der Mensch keinen freyen Willen der Tugend oder dem Laster beyzufallen / auch keinen Verstand Gutes und Böses[264] zu erwehlen in sich? Denn wie unschwer nachzugeben / daß die Sternen über den menschlichen Leib als ein irrdisches Theil der Welt würcken können; also nachdem die Seele ein Funcken des Göttlichen Lichtes / und von einem höhern Ursprunge / als die Sonne selbst ist; wie können die niedrigern Gestirne über das höhere würcken? Wenn die Seele sich nicht selbst der Knechtschafft des Leibes unterwirfft? Cherämon sahe den Sophites ernsthaft an / und sagte: O ihr albern Menschen / die ihr euer Glücke / euer Klugheit / und eure gute Wercke eurem freyen Willen zueignet. Beydes hänget an den Ketten des unveränderlichen Verhängnüsses / welches durch die Sternen die Menschen / wie ein Gauckler die Tocken durch verborgene Dräte beweget. Dieses Verhängnüß haben die Weisen durch das Faß der Pandora / wie die Bewegung der Irr-Sterne durch des Orpheus siebenseitige Leyer abgebildet / indem jene den Seelen bey der Geburt des Menschen nach der Anschaffung des Himmels Böses und Gutes zueignet. Die Hoheit der Seele klimmete zwar höher / als die Gestirne / keines weges aber über dem Verhängnüsse / welches das Gemüthe und der Wille Gottes wäre. Diesemnach auch die Götter an die Nothwendigkeiten des Verhängnüsses / wie Prometheus an den Felsen des Caucasus angebunden wären. Es ist diß / sagte Sophites / eine gefährliche Lehre / welche den vernünftigen Menschen zu einem wilden Thiere / und zu einem Leibeigenen des Himmels machen. Denn ob er zwar selbst sich bescheide / daß die so wunderwürdigen Begebenheiten der Welt nicht ungefähr geschehen / dem menschlichen Willen und Klugheit auch in der Wahl es vielmal fehl schlüge / und daher etwas überirrdisches über uns das Gebiete führen müste; so glaubte er doch nicht / daß dieses von denen Sternen /welchen Gott doch einen gewissen Lauff für geschrieben / und ein solches Ziel gesteckt hätte / wenn man selbten auch schon das Band anderer natürlichen Ursachen beysetzte / herrühren könte oder müste; sondern / daß die Vernunft zwischen bös- und guten eine unverschrenckte Wahl habe / ungeachtet selbte ihrer Blödigkeit halber vielmal den unrechten Dreyfuß anrührete / ein Weiser aber der Neigung des Gestirnes überlegen sey. Weil er aber wohl wüste / daß dieser Stritt unter den Menschen keinen unverwerfflichen Richter hätte / so wolte er inzwischen dem Cherämon seinen eingebildeten Sternen-Zwang enthängen. Nachdem aber Cherämon nicht läugnen könte / daß die Chaldeer und Egyptier so gar in der Zahl und in dem Stande der zwölff hi lischen Zeichen einander zuwider wären / diese derselben zwölff / jene nur eilff machten / ihre Gräntzen auch sonst gar nicht miteinander übereinstimmten; die Serer über diß über 500. Gestirne mehr / als die andern zwey und die Araber zehlen; gleicher Gestalt auch etliche Sternseher den Mercur zu einem weiblichen / andere zu einem männlichen Gestirne / die dritten zu einem Zwyter machten; eben dieser Stern dem einen vor / dem andern hinten nach ginge; ihrer viel denen Mitternächtischen / viel denen gerade über unserm Wirbel stehenden Sternen die nachdrücklichste Wirckung zueigneten; wie wäre möglich / daß aus diesen widrigen Meynungen / welche doch die Sternseher für ihre Grundfeste hielten /einige unfehlbare Gewißheit / ja nur eine glaubhafte Muthmassung gezogen werden könte? sondern ieder Vernünftiger könte leicht urtheilen: daß es mit der Sternseher Wahrsagung eben eine solche Eitelkeit hätte / wie mit den Aufmerckern des Vogel-Geschrey- und Fluges; es ginge auch mit beyden einerley Betrug für. Die Nacht-Eulen wären fast allen Völckern ein Unglücks-Vogel; die Athenienser und Scythen verehrten ihn als einen gewissen Siegs- und Glücks-Boten; und hätte Agathocles / welcher beym Anfange der Schlacht eine vorhin verwahrte[265] Menge Eulen fliegen lassen / seinem Heere damit ein groß Hertze gemacht; die Carthaginenser aber keine geringe Niederlage erlidten. Die unabmäßliche Grösse der Gestirne / der unbegreiffliche Umbkreiß des Himmels hätte sich noch durch kein Ferne-Glaß einem richtigen Meß-Stabe untergeben; weniger die Berge / Thäler / Seen /und der Talg der Sternen / und ob in selbten eben so wohl Menschen oder andere Thiere wohntẽ / ergründet werden köñen / also daß fast keines einigẽ Sternsehers Rechnung mit der andern übereinstimmte; wie solten sie denn die verborgene Eigenschaft / und die Würckung den Sternen so leichte absehen / welche ihnen so wenig in die Stirne / als den Kräutern auf die Blätter geschrieben wäre? Die Araber stellten den Egyptiern / diese denen Chaldeern in ihren Grundfesten unzehlbare Fehler aus. Die Gestirne selbst veränderten nicht allein ihren Stand / massen der äuserste Stern in dem Schwantze des kleinen Bäres numehr kaum 4. Staffeln von der nordlichen Angel-Spitze entfernt wäre / welchen die Alten dreymahl so weit darvon setzten; der gestirnte Stier stünde / wo für Zeiten der Widder gestanden haben solte; die Sonne solte vier und zwantzig mal ihrer Breite weit von der Erde erhöhet gewest seyn / die ietzund nur achtzehn mal von selbter entfernt wäre / wie auch der Bewegungs-Kreiß des Kriegs-Sterns von der alten Anmerckung hauptsächlich verändert seyn. Wie wäre es nun möglich / daß die so veränderten Gestirne ihre alte Würckung behalten solten / da die von dem Gebürge in die nechste Fläche / zu geschweigen die aus Europa in Asien versetzte Kräuter ihre gantze Eigenschaft veränderten? Zumal die Sternseher selbst glaubten / daß die Güte und Boßheit eines Gestirnes mehr aus dem Orte / wo er stünde / als aus seiner Eigenschaft zu urtheilen / insonderheit aber der Mercur bey den glücklichen Sternen glücklich / bey den argen böse; hingegen der Saturn / dessen Grausamkeit die alten so gar mit Menschen-Opfern versöhnet hätten / in dem Hause des Löwen glücklich wäre. Wie viel tausend Sternen stünden nur in der Milch-Strasse / welche unserm Gesichte nur als ein Nebel fürkämen? Welche Vermessenheit aber wolte sich rühmen / daß sie ihnen ihre Würckung absehen könte / welche sie so gewiß /als die sichtbaren Sterne haben müsten / wo es anders wahr wäre / daß Gott und die Natur nichts umbsonst schaffe. Wie offt würden die grossen Hi els-Lichter von finstern Flecken verdüstert / wie viel Sterne hätte man im Hi el sich zeigẽ / und wieder verschwinden sehen / welche höhergestanden und grösser gewest /als der Monde? Solten diese daselbst keine Veränderung machen / welche den Erd-Boden in so grosse Verwunderung setzten? Sintemal ja die kleinsten Kräuter nicht ohne Würckung wären / und offt für die grösten Kranckheiten dieneten. Wie viel unausleschliche Sternen hätte man auf den Schiffarthen in dem Sud-Lande des Himmels kennen gelernet / und durch die Ferne-Gläser umb den Jupiter und Saturn neue Irr-Sternen erkieset / von denen die Alten nichts gewüst; aus derer Büchern ihr doch alle eure Geheimnüsse schöpfet. In wie viel Dingen betreuget uns nicht das Gesichte / die Unvollkommenheit der Ferne-Gläser /die unsichtbaren Dünste in der Luft / welche dem Stande und der Gestalt der Gestirne eine gantz andere Farbe anstreichen / und den Sternsehern zu mehrern Irrthümern Ursach geben / als es Irr-Sterne im Himmel hat. Diesemnach es ihm keine geringere Vermessenheit zu seyn schiene / bey solcher Unwissenheit aus dem Gestirne der Menschen Verhängnüß urtheilen wollen / als der vom Apion angezogene Wahrsager beging / der aus des Apelles Gemählden auch der von ihm sonst nie gesehenen abgemahlten vergangenes und künftiges Urthel andeutete; oder auch die /welche mit gewissen Edelgesteinen[266] die Götter aus dem Himmel / die Geister aus der Hölle beruffen /und wenn einem ein Stein aus dem Ringe springt /daraus ein nicht allein unvermeidliches Unglück erzwingen / sondern auch deßwegen den wichtigsten Anschlag abbrechen. Cherämon antwortete: Er könte nicht läugnen / daß viel unter denen Sternsehern irrige Meynungen von den Sternen hätten / daß die Ferne und die Blödigkeit des menschlichen Verstandes nicht alles im Himmel so genau auszuecken wüste / und derogestalt der Himmel den meisten ein unauflößliches Rätzel wäre. Alleine / es wäre daraus ein mehres nicht zu erzwingen / als daß ihre Wissenschafft nicht vollkommen / sondern auch mit Fehlern vermischt wäre. Massen denn auch keine Sternseher / als die Egyptier / die Geburt der Schwantz-Gestirne vorher sehen /und die Zeit ihrer künftigen Erscheinung anzukündigen wüsten. Diese Unvollkommenheit aber hinge aller Weißheit und Künsten an; die Aertzte zanckten sich ja so sehr über den Ursachen und Kennzeichen der Kranckheiten / als über der Eigenschafft der Kräuter und des Ertztes. Die Staats-Klugen machten über einer Entschlüssung die Rath-Stuben mehrmals zu einem Irrgarten widriger Meynungen. Gleichwohl verwürffe niemand die gantze Artzney-Kunst / und die mehrmals fehltretende Staats-Klugheit. Warumb wäre man denn ihrer Wissenschafft so aufsätzig? Warumb wolte man denen Offenbarungen der Gestirne nichts glauben / da so viel Völcker die Sprache der Esel und Bäume / den Flug der Vögel / und das Geschwärme der Gespenster für unfehlbare Weissagungen annehmen? Keine einige wäre noch so vollkommen durchsucht / daß die besten Meister nicht noch täglich was zu lernen / oder ihre Unwissenheit zu beklagen hätten. Die gründliche Wissenschafft von dem Lauffe und der Würckung der sieben grossen Irr-Sternen / und der zwölf Zeichen des Thier-Kreisses wären schon genung eines Menschen fürnehmste Zufälle vorzusehen; ob wohl freylich die kleineren Sterne in geringern Dingen ihren absonderen Zug hätten. Ihre Würckungen hätte die Welt durch die Erfahrung eben so / wie die Eigenschaften der Kräuter gelernet. Sophites brach hier ein: Wie kan die Erfahrung allhier ein gewisser Lehrmeister seyn / nachdem die Sternseher selbst gestehen / daß der gestirnte Himmel niemals einerley / sondern stets einen gantz andern Stand darstellet? und daß ein ieder Stern / so klein er sey /nichts minder als ein iedes Kraut / seine gantz absondere Eigenschaft habe. Cherämon versetzte: Es ist genung / daß die fürnehmsten Gestirne offtmals sich miteinander vereinbaren / oder nach einerley Art einander entgegen stehen. Stehen doch die Kräuter an einem Orte / und in der Nachbarschafft dieser oder jener Gewächse besser / als am andern; sie haben unterschiedene Witterung / auch nach der Landes-Art von dem Gestirne nicht gleichen Einfluß / gleichwohl müssen die Aertzte die Kräfften der Kräuter / wie die Sternseher das Vermögen der anders gestellten Gestirne zu unterscheiden wissen. Die Unwissenheit etlicher in diesen Ländern unsichtbaren Sterne thäten ihrer Weißheit schlechten Abbruch / weil die über unserm Haupte stehende Gestirne über uns die kräfftigsten /die so weit entfernten aber eben so wol / als die unsichtbaren Finsternüsse schlechte Einflüsse hätten. Sophites warff ein: Wie ko ts denn aber / daß nach der meisten Sternseher Meynung die bey eines Menschen Geburt im Morgen aufgehende / nicht aber die gleich über unserm Wirbel stehende / oder auch nicht vielmehr die bey der Empfängnüß scheinende Gestirne dem Gebohrnen die Beschaffenheit ihres gantzen Lebens anordnen sollen? Zumal die Kinder mehrmals in der[267] Geburt etliche Stunden stehen; Viel so gar lebendig aus den todten Müttern geschnidten würden. Cherämon antwortete: Es wären zwar einige Sternseher dieser Meynung / die Erfahrung aber eine Lehrmeisterin gewest / daß wie die aufgehende Sonne mit ihren Straalen die Welt gleichsam lebendig machte; also wären auch alle andere Gestirne in ihrem Aufgange am kräftigsten. Der Morgen wäre das rechte Theil des Himmels / die Morgenländer wären die tieffsinnigsten Leute / in Morgenland wüchsen die Edelgesteine / und die wolrüchenden Dinge / und die auch im Nord- und West-Striche befindlichen Gewächse wären doch gegen Morgen wolrüchender und kräfftiger. Sophites fiel ein: Es wären aber die bey der Geburt aufgehenden Gestirne den meisten Menschen unbekant / die wenigsten verstünden nicht / wie sie aufzumercken wären; die andern versäumten diese Sorgfalt / und rechneten ihre Geburts-Stunde nach Anzeigung der insgemein unrecht gehenden Uhren; gleichwohl aber hätten die Sternseher kein Bedencken einem ieden Wahrsager abzugeben. Cherämon gab zur Antwort: Auf einen falschen Bericht könte freylich keine Gewißheit gegründet werden. Gleichwohl aber könten sie / wenn schon die Geburts-Stunde so genau nicht beobachtet worden wäre / aus etlichen merckwürdigen Zufällen desselben Menschen genau ausgerechnet werden. Sophites lachte / und fing an: Diß ist in Wahrheit sehr weit gesucht / und aus einer Ungewißheit die andere gezogen; zumal die Sternseher selbst fürgeben / daß zweyerley Stand der Gestirne doch einerley Gutes oder Böses verursachte. Gesetzt aber / daß die Sternseher allezeit der wahren Geburts-Stunde versichert werden; wie ko t es denn /daß aus zweyen auf einmal gebornen Zwillingen der eine ein Schoos-Kind des Glückes / der andere ein Verwirffling der Welt ist? Daß die zu einer Zeit aus Tage-Licht kommende Proclus und Euristhenes in allem so weit als Morgen und Abend von einander entfernet sind? Daß Hector und Polydamas einerley Geburts-Stunde / aber gantz widrige Verhängnüsse haben? Wie gehets zu / daß in einem Augenblicke zwey auf die Welt kommen / derer einer ein König wird / der andere sein Lebtage ein Sclave bleibt? Cherämon stockte hierüber ein wenig / fing aber an: Die Gestirne hätten eine so geschwinde Bewegung / daß fast unmöglich zwey Menschen einen Augenblick der Geburt haben könten / in welchem doch der Stand der Sternen sich veränderte. Uberdiß müsten die Würckungen der Gestirne nicht so jüdisch / sondern mit Vernunft angenommen werden / also / daß nachdem die / welche im Steinbocke gebohren werden / wenn selbtem die Krone gegen Morgen steht / zu der Herrschafft einen kräftigen Zug haben / nicht eben Könige in Persien werden müssen / sondern / wenn sie in ihrer Stadt den höchsten Gipfel erlangen / zu Sparta Fürsten / zu Rom Bürgermeister werden / diß / was der Himmel wahrsaget / allerdings erlangt haben. Wenn ein Fürst im Wassermanne / welcher Fischer macht / oder im Orion / der die Jäger hägt / in der Harffe des Orpheus / als dem Hause der Musen gebohren wird / ist es schon genung / daß er zu selbigen Ubungen eine heftige Zuneigung habe / nicht aber muß er sich seiner Hoheit entäusern / und aus fischen und jagen ein Handwerck machen. Durch diesen Fürwand / fing Sophites an / läst sich aber der Fehler gar nicht verhüllen: daß durch Schiffbruch / durch Eroberung einer Stadt / Gewinnung einer Schlacht viel hundert / in Asien durch Versinckung vieler Städte / in Rhetien durch Einfallung eines Berges / in der Mutinensischen Gegend durch einen[268] Kampff zweyer Berge so viel tausend Menschen umkommen / welche unmöglich einerley / oder dem Sternen-Stande nach gleiche Geburts-Stunden können gehabt haben. Cherämon erblaßte und erstummete über diesem Einwurffe: nach einem langen Nachdencken aber fing er an: Es hätten die Gestirne zweyerley Einflüsse / nehmlich auff gantze Theile des Erdbodems / und denn auch absondere auff gewisse Menschen. Jener Art wäre: daß das gestirnte Drey-Eck denen Nord-Völckern eine verdrüßliche Kälte und Langsamkeit einpflantzte /und daß Saturn ein sorgfältiger Vorsteher der Städte wäre. Daher vom Tarutius Firmanus auch der Stadt Rom ihre Zufälle aus den Sternen wären wahrgesaget worden. Aus welchem Grunde zweiffelsfrey Anaximander und Pherecydes die bevorstehenden Erdbeben vorher angekündiget hätten. Nach dem nun in der gantzen Natur die eintzelen Ursachen denen allgemeinen wichen / und mit dem Umtriebe des Himmels sich auch die ihre absondere Bewegung habende Irrsterne müsten umweltzen lassen; wäre kein Wunder / daß der einzelen Menschen absondere Einflüße dem allgemeinen Einflusse weichen / und also in Pest / Erdbeben und Kriege auch die mit umkommen müsten /welchen das Verhängniß gleich nicht absonderlich derogleichen Unglück bestimmet / und seinen Willen sich in solch Unglück zu stürtzen geneiget hätte. Sind denn die Sterne und die Welt vernünfftige Thiere /wie dem Plato geträumet hat? Ist dieses himmlische Heer / sagte Sophites / mit einem gewissen Geiste beseelet: daß es bey sich einen gewissen Rath halten /einen Schluß machen / und unser Gemüthe derogestalt zwingen oder beherrschen könne? Cherämon fing an: die Sterne haben keinen andern Geist / der sie reget /als das Verhängniß. Sophites setzte ihm ferner entgegen: dieses aber ist ja noch veränderlich / und lässet seinen Schluß durch unsere Demuth erweichen. Denn ausser dem würde zwischen unser Frömmigkeit und Boßheit kein Unterscheid / und unsere den Göttern gewidmete Andacht so wenig / als das Bellen der Hunde gegen den Monden nütze seyn. Nach dem auch die Gestirne täglich so veränderliche Stellungen machen; warum solten die nachfolgenden nachdrücklichen Vereinbarungen der Gestirne nicht auch das Glücke der Menschen ändern / weil selbte ja in der Welt das Gewitter; und die blosse Art der Speisen eines Menschen angebohrne Beschaffenheit gleichsam gantz umzudrehen mächtig sind. Cheremon versetzte: Wir setzen das Verhängniß in alle wege über den Lauf der Gestirne / wie den Fuhrmann über die den Wagen ziehenden Pferde. Wie nun selbtes in alle wege dem Feuer die Gewalt zu brennen / der Schwerde die Eigenschafft unter zu sincken benehmen / den gemeinen Lauf der Gestirne ändern / den Zügel der Sonne he en / und der elben Schatten verrücken kan; also kan es auch aus wichtigẽ Ursachen den ordentlichen Einfluß der Sterne ändern. Worbey denn die Seele des Menschen auch etwas / wiewohl nicht ohne scheinbare Ohnmacht beytragen / und derogestalt Socrates zwar die ihm vom Gestirne zuhengende Unart verbessern / gleichwohl aber nicht den gewaltsamen Gifft-Todt verhüten kan. Sophites fing lächelnde an: Ich sehe wohl / daß deine Meinung die Härte anderer Sternseher / und die unveränderliche Nothwendigkeit der Sternen-Einflüsse / denen sie auch die Götter unterworffen / in etwas miltert. Wormit zugleich alle nicht eintreffenden Weissagungen der Sternseher entschuldiget werden können. Cherämon widersprach alsobalb dieses letztere. Sintemal diese Aenderungen des Verhängnüsses sehr seltzam /und für Wunderwercke zu halten wären / damit die Unwissenden ihre falsche Wahrsagungen nicht zu entschuldigen / und derogestalt aus[269] ihrer Wissenschafft eine Ungewißheit zu machen hätten. Diesemnach denn einem warhafften Weisen unter hunderten nicht leicht ein Beyspiel fehlen könte. Weßwegen die Persen auf eine solche Wahrsagung so feste gebauet hätten / daß sie ihrer Königlichen Wittib schwangern Leib gekrönet / und ihrer noch ungebohrnen Frucht einen Mannes-Nahmen gegeben. Hingegen hätte der grosse Alexander mit seinem Tode den Unglauben gebüsset / daß er wider der Chaldeer Warnigung sich die Griechischen Weisen bereden lassen nach Babylon zu kommen. Ohne die Wissenschafft der Sternen könten auch weder Aertzte / noch Schiff und Ackers-Leute verfahren. Die Indianer nähmen in wichtigen Reichs-Sachen allezeit die Gestirne zu Rathe. Alle Weltweisen hätten diese Wissenschafft / weil sie uns gleichsam über unsere Menschligkeit empor hübe /und uns künftige Fälle / um desto bessere Vorsicht zu haben / vorher zeigte / so hoch gehalten / daß Pythagoras geurtheilet: GOtt hätte den Menschen erschaffen / und die Natur ihn so gerade empor wachsen lassen / daß er den Himmel anschauete. Anaxagoras hätte einen Zweiffelnden: Ob es gut wäre zu leben /oder nicht / zu Betrachtung des so schönen Himmels verwiesen. Epicur / der so wollüstige Weltweise /hätte seine gröste Wollust in diesem wunderschönen Garten gefunden / dessen Blumen niemahls verwelckten / welche nichts von grüner Farbe an sich haben /weil diese eine verderbliche Feuchtigkeit in sich hat /und ein Merckmahl nur der irrdischen Hoffnungen /wie der Himmel ein Behältniß der Glückseligkeit ist. Diese Verantwortung / oder auch meine thränende Augen / sagte Dynamis / bewegte den Sophites / daß er des Cherämons Gutachten zu hören den König beredete. Cherämon aber sagte den dritten Tag dem Polemon: Er sehe aus dem Gestirne / daß man vorher schon die Götter gefraget; Sie aber eben diß / wohin die Sternen zielten / geantwortet hätten. Ihre Antwort aber würde schlimmer ausgelegt / als die Meinung wäre. Sintemal Polemons Sohn durch seine Heldenthaten des Vaters Ruhm / nicht aber sein Lebens-Licht ausleschen würde. Diese dem Polemon zwar verdächtige Weissagung brachte es gleichwohl so weit / daß sich der König erklärete / er wolte seine Faust nicht in seinem eignen Blute waschen / noch den Göttern in ihren Verhängniß-Stab greiffen. Jedoch müste er der Götter Warnung nicht schlechter dings in Wind schlagen / sondern dis Unglücks-Kind ausgesetzt / und dessen Erhalt oder Verderbung dem Himmel heimgestellet werden. Dieser Schluß ward zwar alsofort vollzogen / ich ließ es aber insgeheim eine vertraute Edelfrau an dem ziemlich weit von hier entfernten Flusse Melas nicht ferne von der Stadt Zyristra im kleinern Armenien aufferziehen. Hierauff zohe der König nach Rom / ich aber lernte inzwischen mit meinem höchsten Hertzeleide die Göttliche Weissagung von meiner Tochter verstehen. Denn sie erkranckte / starb / und küßte also frühzeitig ihre Mutter / nehmlich die Erde. Dieser Fall bestürtzte mich derogestalt / daß ich meinem Jammer kein Ende / noch ausser meinem noch übrig gebliebenen / aber vom Vater und Verhängnisse verworffenen Sohne keine Ergetzligkeit zu finden wuste. Daher ließ ich insgeheim selbten zu mir bringen / dessen Anmuth mich derogestalt bezauberte / daß ich mich entschloß ihn nicht wieder von mir zu lassen / solte ich auch selbst ein Opffer seiner Grausamkeit werden. Also ward ich schlüßig der noch nicht jährigen Tochter Tod dem Könige zu verschweigen / und diesen nicht älteren als unkenntlichen Sohn unter dem Scheine eines Mägdleins bey mir zu erziehen. Welches sich so viel leichter thun ließ / weil in Persen / Meden / und Armenien die Väter ihre Kinder ohne diß nicht eher /als biß sie sieben[270] Jahr alt sind / zu beschauen pflegen. Gleichwohl aber behertzigte ich die meinem Ehgemahl angedräuete Gefahr / und nahm mir daher eine Reise mit diesem Kinde für in die Insel Delos / auff welcher niemand sterben noch gebohren werden darff / zu dem berühmten aus lauter Ochsen- und Widder-Hörnern gebauetem Altare des Apollo / trug ihm daselbst meinen Sohn mit bittern Thränen / weil ohne diß allda kein Blut geopffert werden darff / für / und kriegte zur Antwort:


Bewahre / was du trägst / es wird ein Edelstein

Der Welt / des K \nigs Schirm und deine Freude seyn.


Wer war froher als ich / über so erwünschtem Ausschlage / gleichwohl hielt ich mit brünstiger Andacht und Seufftzen eine gantze Nacht an / und fragte; warum denn die Götter vorher so viel Unglück von diesem Kinde wahrgesagt hätten? Hierauff ließ sich Apollo verlauten:


Wo Witz zu alber ist / wo Vorwitz tappt im Blinden /

Schafft das Verhångniß Rath. Gott kan stets Hůlffe finden.


In dieser erfreulichen Warsagung bekräfftigten mich hernach auch die Priester des Branchus / und die Wahrsager-Weiber des Thyrxeischen Apollo / welcher an dem Orte / wo mein Sohn aufferzogen werden solte / einen bewehrten Brunnen hat. Endlich auch der Ismenische Apollo zu Thebe / aus dem berühmten güldenen Dreyfuße / den Helena bey ihrer Rückkehr von Troja ins Meer geworffen / die Coischen Fischer gefangen / und dem Milesischen Tales / dieser aber dem Solon gelieffert / welcher solchen hernach / weil er den Titel des weisesten zu führen sich zu unwürdig schätzte / dem allein weisen Apollo wiedmete. Nach dem es denn im Pontus die Landes-Art mittebringt /daß Leute von hohem Geschlechte auch ihre Töchter in allen Ritterspielen ausüben lassen / konte die Aufferziehung meiner männlichen Tochter so viel besser geschehen / und dorffte er also nicht brache liegen /noch seine Tapfferkeit auff den weichen Pulstern des Frauenzimmers weibisch werden. Wie sie denn /hertzliebste Erato / mit Augen gesehen / daß bey ihm der Zunder der Tugend nicht verglommen / sondern zu solcher Vollkommenheit gediegen sey. Aber ach! ihr unbarmhertzigen Götter! wie mögt ihr uns doch mehrmahls nur darum eine so grosse Hoffnung machen / daß ihr uns hernach in desto grössere Verzweiffelung stürtzen könnt! wie mögt ihr den Anfang des Jahres unter tausend anmuthigen Blumen / den Tag auff dem Purper-Bette der lachenden Morgenröthe / den Menschen in der anmuthigen Kindheit und gesunden Jugend lassen gebohren werden / nur daß man die verwelckenden Blätter mit Schnee / den Tag mit dem Schatten der traurigen Nacht / das Leben mit dem Schauer des grausamen Todes hernach verhüllen sehe! Uber diesen Worten überschwemmte die Wehmuth die Königin Dynamis mit so viel Thränen und Seuffzen / daß sie kein Wort mehr auffbringen konte. Daher fing Erato / welche inzwischen tausend Auffwallungen des Geblüts überstanden hatte / als sie Arsinoen in einen Helden verwandelt zu seyn hörte /mitleidentlich an: Man müste der gewaltigen Hand des unveränderlichen Verhängnisses nur stille halten /und ihre Rätzel nicht für der Zeit verkleinerlich auslegen. Die Sonne sey ein heller Spiegel Gottes / darein sterbliche Augen entweder gar nicht sehen / oder doch zum minsten alles nur düstern oder umgekehrt erkiesen könten. Hingegen müsten wir uns bescheiden: Der Monde sey ein Ebenbild der Menschen / in dem beyde itzt wachsen / itzt abnehmen / bald gebohren werden /bald sterben / gestern in der Völle / heute in nichts bestehen. Beyde kein Licht von sich selbst haben /sondern von ihrer Sonne borgen / und wenn sie am vollkommensten sind / nicht nur ihre Flecken und Mängel am meisten zeigen / sondern auch von dem Schatten der nahen Erde und der anklebenden[271] Eitelkeit verfinstert werden. Die Tugend alleine sey / die uns nicht nur nach dem Tode verewige / sondern auch im Leben aus augenscheinlichem Verderbẽ reisse. Ja sie glaube festiglich / daß die Gefahr für der Tapfferkeit schichtern werde / daß der sonst unverschämte Tod für Helden entweder furchtsam oder ehrerbietig sey / und das Glücke selbst der Tugend den Schirm trage / und einen Schild fürhalte; Sonst wäre Hercules nicht den Schlangen / Käyser Julius dem Ungewitter /Alexander den Spiessen so vielmal entronnen / für dem grossen Mithridates nicht das Gifft unkräfftig worden / und die Pfeile für seine Füsse gefallen. Unter diese Reihe wäre nun auch Fürst Zeno zu rechnen /daher solte sie seinethalben mehr die Götter durch Andacht gewinnen / als durch Ungedult erherben. Ach! fieng die Königin Dynamis an / so muß ich die unvergleichliche Fürstin Erato auch unter die Zahl der Götter setzen / und ihr den Tempel des Esculapius einweihen. Denn an ihrem Finger hänget der Lebens-Faden meines Sohnes / welchen ihre Gewogenheit als eine gütige Klotho länger spinnen / ihre Unhold aber /als eine unerbittliche Atropos im Augenblicke zerreissen kan. Erato wuste nicht alsofort dieses Rätzel auszulegen. Denn ob zwar der Königin Erzehlung ein grosses Licht gab / warum die Natur sie und Arsinoen zu einer verwechselten Gewogenheit gezogen / und Arsinoe bey Entblössung ihrer Brüste so grosse Veränderung gefühlet hatte / so war ihr doch verborgen /dz Dynamis diese Heimligkeit von ihrem fast schon sterbenden Sohne ausgespüret hatte. Dahero konte sie nicht anders / als gegen der Königin sich heraus lassen: die Wohlthaten / die sie genossen / wären von einem so grossen Masse / daß ihre Danckbarkeit sie nimmermehr auschöpffen könte. Ausser dem Verpflichteten die Verdienste ihres Sohnes die gantze Welt für seine Erhaltung zu sorgen; also wünschte sie auch mit ihrem Verlust selbtem zu helffen / erwartete also nur den Befehl von derselben / welche ihrer Schwachheit ein so grosses Ding zutraute. Alleine die Hoffnung wäre meist eine grosse Verfälscherin der Warheit / in dem die Einbildung sich stets mit dem Verlangen vermählte / und geringe Kräfften nach dem Masse des genommenen Absehens urtheilete. Die Königin antwortete ihr: Es ist wahr / daß sich Vollkommenheiten leichter in Gedancken abbilden / als im Werck erreichen lassen; aber ich wil ihr / schönste Erato / nicht allein das Wunderwerck und die Würckung ihrer Vollkommenheit / sondern auch ihr Vermögen einen Sterbenden lebendig zu machen so klar zeigen / daß sie das erste wird mit Augen sehen können / im letzten aber sich überwiesen erkennen müssen. Hiermit nahm Dynamis die Erato mit der Hand und führte sie für des Zeno Bette / welcher denn alsofort seine Farbe und Pulß zu verändern / und weil die Zunge zu schwach oder zu verschämt war / mit den Augen das Leiden seiner Seele auszusprechen anfing. Hiemit hob die Königin wehmüthig an: Siehet sie nun / vollkommenste Erato / daß die Wunden meines nun fast die Seele ausblasenden Sohnes von ihrer Verletzung herrühren? Daß ihre Tugenden anfangs mit einer unzertreñlichen Freundschafft sein Hertz gewonnen /ihre unvergleichliche Schönheit aber selbtes durch die Liebe in ein unauslöschliches Feuer versetzt hat? Wie schwach Fürst Zeno gleich war / so erholte er sich doch gleich als aus einem Traume / also daß seine zitternde Lippen nach einem tieffen Seuffzer diese Worte abliessen: Ihr Götter! hat Dynamis das Geheimniß meines Geschlechts / ihr aber meine allen Menschen verschwiegene Flamme des Hertzens ans Licht gebracht? Wormit durch das erste unser Haus in Schrecken oder Zerrüttung versetzet / durch das letztere aber der Welt wissend werde / daß Zeno von der Hand der unschuldigen Erato getödtet sey. Welches Geheimniß ich / um eine solche Göttin nicht zu beleidigen / so gerne mit in das Grab geno en hätte /[272] so gerne die Sonne / wenn sie zu Golde gehet / ihren Untergang mit Wolcken verhüllet. Erato gerieth über dieser Begebenheit in solche Verwirrung / daß ihre Beredsamkeit nicht ein Wort / weniger so viel / als der Sterbende zu reden wuste. Ihre Verwirrung verwandelte sich in tieffe Seufzer. Denn diese sind alleine der Liebe stumme Sprache / wie die Blässe ihre eigentliche Farbe. Schmertz und Traurigkeit aber wird von ihr nur zu ihren Dollmetschern entlehnet. Massen denn die Unglückseligen niemals seuffzen / als wenn sie an den Verlust dessen dencken / was sie geliebt haben. So bald sich die Lippen / wordurch ihr bedrängtes Hertze die innerliche Hitze ausgelassen und die frische Lufft zu desselben Abkühlung an sich gezogen hatte / schlossen / liessen die mitleidentlichen Augen einen reichen Thau der Thränen von sich fallen / um hierdurch gleichsam das ängstige Hertze zu erleichtern. Denn wie die von der anbrechenden Morgenröthe verursachte Dämmerung sich bey der über unserm Augen-Ziel empor zeigenden Sonnen in hellen Tag verwandelt; also ward der Erato vorige Gewogenheit durch das ihr aufgesteckte Licht von des Fürsten Geschlechte numehr zu einer warhafften Liebe. So sehr nun die Schamhafftigkeit ihres Geschlechtes ihr verbot solche alsofort mercken zu lassen; so sehr lag ihr der erbärmliche Zustand des Fürsten / und die Gefahr seines Lebens an / durch eine unbarmhertzige Vorstellung ihm das Licht nicht vollends auszuleschen. Die bekümmerte Dynamis nahm diese Veränderung für eine Enteuserung ihrer Zuneigung an / deßwegen wolte sie durch eine feurige Zuredung einer kaltsinnigen Entschlüssung zuvor kommen; kehrte sich dahero mit diesen Worten zu ihr: Holdseligste Erato / sie siehet allhier die Gewalt der Liebe / daß ihre Fackel die Ketten eigener Wolfarth / die Garne des Glückes / ja die Leib und Seele zusammen knüpfenden Fädeme verbrennen können. In ihrer Gütigkeit liegt es nun zu zeigen / daß die Liebe zwar so starck als der Tod / aber nicht des Todes Liebhaberin sey; ja daß die ungewaffnete Liebe Gifft / Eisen und allen Werckzeug des Todes zu zermalmen vermöge. Sie er weise / daß ihre Hände gesund machen können / was ihre Augen gekräncket / daß ihre Freundligkeit heile /was ihre Schönheit verwundet / ja daß sie mit einem süssen Blicke zwey Wunderwercke auszuüben vermöge; nehmlich einen todten Verliebten lebendig / und eine verzweiffelnde Mutter glückselig machen. Der Erato brach über diesen Worten und denen darauf sich ergiessenden Mutter-Thränen das Hertze / und bezwang sie / daß sie dem Fürsten auf ihre Gewalt die Hand drückte. Denn nach dem die Vereinbarung der Seelen der einige Zweck der Liebe / wie die Ruhe die Endursache aller Bewegungen ist; so bemühen sich auch die eusersten Glieder solcher Seelen-Vereinbarung behülfflich zu seyn. Weßwegen die Weltweisen die Liebe gar nachdencklich mit einem Bande in der Hand abgebildet haben. Erato deutete durch diese Vermählung der Hände an / daß sie so gar ihren Leib gerne mit des Fürsten zusammen schmeltzen wolte /wormit sie mit ihm den Brand seiner Kranckheit fühlen / oder ihm erleichtern möchte. Sintemahl auch nur aufrichtige Freundschafft eine Gemeinschafft so wohl des Glück- als Unglücks hat. Theseus setzt dem Pirithous alle seine Siegs-Kräntze auf / ja die Hölle weiß sie nicht von einander zu trennen. Bias fühlet so empfindlich die Beraubung seines Vaterlandes / ungeachtet er für sich die Entsetzung irrdischer Güter für keinen Verlust hält; er empfindet seiner Bürger Schiff bruch auf festem Lande; die Ketten / welche seine Freunde in Schenckeln schleppen / fässeln ihn im Gemüthe und in der Seele. Mit dieser umschloß der Fürst hingegen noch enger seine geliebte Erato / weil seine Glieder hierzu zu ohnmächtig waren / machte sich also der[273] Sonnen / als dem verliebtesten Geschöpffe der Welt ähnlich / welche / weil sie in einem Tage alles heimsuchen muß / was sie liebt / und nirgends ihrer Kugel einen Stillstand erlauben darf / ihr lebhafftes Licht mit den Sternen / wie zwey einander anschauende Verliebten durch die Augen / ihre Wärmbde mit dem geliebten Erdbodeme / ihre schöne Farbe mit Golde / Perlen und Edelgesteinen / als denen Gestirnen der Vorwitzigen / und den andern Sonnen der Geitzigen vereinbart. Erato / welche nicht allein wuste / daß so gar der leblosen Dinge Zuneigung die Vereinbarung verlange / als die Flüsse mit dem Meere / das Eisen mit dem Magnet / die Spreue mit dem Agsteine sich zu vermählen verlangte / sondern dessen selbst in ihrer leidenden Seele überwiesen ward / sahe diese Regungen dem Krancken mit hefftigem Mitleiden an / konte sich also mit genauer Noth ermuntern / daß sie den Fürsten derogestalt anredete: Die Hoffnung wäre eine Mutter / oder zum minsten eine stäte Gefärthin vernünfftiger Liebe / die Verzweiffelung aber eine Tochter des Hasses. Diesem nach möchte er doch sein Gemüthe beruhigen / da er sie nicht in Unruh stürtzen wolte / und sich nicht selbst hassen / da sie an seine Liebe anckern solte. Seine Mäßigung würde ihr ein Kennzeichen seiner Gewogenheit / und eine Weissagung beyderseitiger Vergnügung seyn. Hiermit wolte sie ihre Hand zurück ziehen / der Fürst aber drückte sie vorher an seinen Mund / worauff sie sich aus dem Zimmer begab / und den Fürsten Zeno halb genesen / die Königin aber /die der Schmertz vorher gleichsam entzückt hatte / in ungemeiner Vergnügung verließ. Ob nun wol Fürst Zeno eine grosse Erleichterung empfand / so verschwand doch seine Bekümmernüß nicht auf einmahl / sondern es blieb in seinem Gemüthe so wie auf dem Meere nach dem Ungewitter noch einige Unruh übrig. Denn es konte bald sein Hertz die allzu geschwinde Beglückung nicht begreiffen / und kam ihm der Erato holdselige Erklärung mehrmahls nur als ein Traum für / bald nam er ihre Bezeugung nur für ein angenommenes Liebkosen / oder für ein durch die Königin angestelltes Mittel zu seiner Genesung an / bald besorgte er eine Veränderung ihres Gemüthes / oder auch des allzu glitschrichten Glückes. Denn die Liebe hat zur Gefährtin die Einbildung / die erste Bewegung der Seele / und die allerunruhigste Eigenschafft des Menschen. Diese hat zu ihrem Dienste mehr als hundert Mahler / welche nicht nur das Ebenbild dessen /was man liebet / ihr auff vielerley Weise fürstellt /sondern auch den Schatten allerhand gefährlicher Zufälle beysetzet. Ja wenn alle andere Gemüths-Kräfften mit dem Verliebten eingeschlaffen sind / so bilden doch die Träume ihm alles noch viel seltzamer für; welche / ob sie zwar blind gebohren / auch stets im finstern sind / sich doch ohne Licht und Wegweiser nicht verlieren / und mit Hülffe der Liebe zu ihrer Buhlschafft den Weg finden. Gleichwohl erlangte Zeno durch eine mittelmäßige Nacht-Ruh so viel Kräfften / daß er folgenden Tages an die Erato etliche Zeilen schreiben konte. Welche Erato mit einer solchen Anmuth beantwortete / daß ihm dadurch aller Nebel seines noch nicht gar verschwundenen Zweiffels an ihrer Gegen-Liebe vertrieben ward. Die Königin aber kam zu ihr ins Zimmer / verehrte sie als ihre einige Hülffs-Göttin / umbhalsete sie als ihre eigene Tochter. Durchlauchte Fürstin! die Welt / fing sie an /ist erstaunt über der Liebe der Britannischen Fürstin Lelebisa / der Gemahlin des mit dem grossen Mithridates verbundenen Gallischen Fürsten Edwards. Denn als dieser von einem giftigen Pfeile verwundet / und von den Aertzten befunden ward: Er könte nicht als durch den Tod eines andern / welcher das gifftige Eyter[274] aus seiner Wunden saugte / beym Leben erhalten werden; Dieser gewissenhaffte Fürst aber lieber sterben / als durch eines unschuldigen Untergang leben wolte / meinte seine ruhmwürdigste Lelebisa /das Todes-Urthel der Aertzte gienge sie an / und sie könne sich durch nichts mehr / als durch einen so tugendhafften Todt unsterblich machen. Dahero band sie ihrem eingeschläfften Eh-Herrn die Wunde sanffte auf / und sog nichts minder mit einem brünstigen Hertzen / als einer geitzigen Zunge das Gift und den Tod glücklich aus der Wunden. Die Götter aber / oder das Feuer ihrer Liebe zertheilte das Gifft derogestalt /daß Edward geheilet / Lelebisa aber davon nicht verletzt ward. Wie viel mehr aber muß ich nicht erstarren über dem mitleidenden Hertzen der Erato? Welche gegen meinen Sohn einige Verbindligkeit nicht gehabt / und mit ihrer Gefahr / da anders der König unsere Geheimnüsse ergründen solte / ihn vom Tode errettet; welche zu seiner Genesung nicht alleine ihre Zunge /sondern das Feuer ihrer zarten Seele verleihet; welche einen Sterbenden anfängt zu lieben / wormit sie ihn und seine Mutter beym Leben erhalte. Erato begegnete der Königin mit nicht geringern Kennzeichen ihrer Gewogenheit gegen sie / und ihrer ungefärbten Liebe gegen dem Fürsten Zeno / welchen sie hernach mit einander mehrmahls besuchten. Es würde uns / fuhr Salonine fort / der Tag / mir aber Worte gebrechen /alle die zwischen diesen zweyen gewechselte Liebes-Bezeugungen zu erzehlen. Mich dünckt aber / es sey bey dieser Geschichte für itzt genung zu wissen / daß beyde mit einer so reinen und hertzlichen Liebe gegen einander verknüpft wurden / als eine tugendhaffte Seele anzunehmen iemahls fähig werden kan. Thusnelde fiel Saloninen ein: Es ist die Vollkommenheit ihrer Liebe unschwer zu ermessen / nach dem das Verhängnüß selbst mit die Hand im Spiele gehabt /und diese zwey Seelen schon gegen einander der Zunder der Liebe gefangen; als ihnen die Gesetze der Natur im Wege gestanden / und die eingebildete Gleichheit des Geschlechtes ihrer Zuneigung einen Rügel vorgeschoben. Es ist wahr / fuhr Salonine fort /diese zwey Liebhaber übermeisterten derogestalt die Unmögligkeit. Denn es stehet die göttliche Versehung gleichsam der Tugend zu Gebote. Alleine der Himmel hatte nun zwar die Hindernüsse der Natur auff die Seite geräumt; aber diese Andromede lag noch mit schweren Ketten angefässelt; von denen sie zu entbinden auch ein Theseus zu schwach schien. Denn wer solte so viel göttliche Weissagungen unkräfftig machen? Wer solte den König Polemon bereden den in seiner Schoß zu behalten / von welchem ihm sein Untergang bestimmet war? Die Königin Dynamis / und selbst Zeno wurden / wenn sie dieser Schwerigkeit nachdachten / und diesen Stein des Anstossens für Augen sahen / auch wie leicht ihre Liebe sich / und das Geschlechte der vermummeten Arsinoe verrathen liesse / mehrmahls selbst kleinmüthig; also daß Erato ihnen zuweilen ein Hertz zusprechen muste / meldende: Sie solten sich die trübe Lufft nicht erschrecken lassen; nach dem ihnen der Himmel so ein heiter Antlitz gezeigt hätte. Es hätte nichts zu bedeuten / daß das Meer wütete / nach dem sie ja die Sternen anlachten. Man müste dem Glücke der grossen Tochter des ewigen Verhängnüsses etwas heimstellen / und diese Mutter durch Mißtrauen ihm nicht selbst zur Stiefmutter machen. Ja / sagte die sorgfältige Dynamis: Ich halte es freylich für eine so grosse Thorheit / seine Rathschläge auf lauter Unglück gründen / als seine Vergnügung in der Traurigkeit suchen. Aber wir erfahren doch / daß das Glücke meist den unwürdigen buhle / und die Fehler ihres Gemüthes mit gewüntschten Zufällen / wie eine[275] verschmitzte Mutter die Maale ihrer heßlichen Tochter mit Perlen verdecke / mit der Tugend aber eifere / und ihr insgemein ein Bein unterschlage. Mit diesen Gedancken schlug sich die Königin fort für fort / und vermochte ihr solche weder die Zeit / noch die hertzliche Vergnügung / die Polemon aus Arsinoens und der Erato Tugenden und Verträuligkeit schöpffte / aus dem Sinne zu bringen /noch die kluge Erato auszureden. Höret nun / wie es nicht allezeit eine Würckung weibischer Furcht / sondern oft eine Warnigung der Götter sey / wenn einem ein Unglück ahnet / und wie die Unruh in einer Uhr den Verlauff der Zeit / also das schlagende Hertz einem die Näherung seines Untergangs andeutet; ja wie aus einem Regenbogen zuweilen ein schrecklicher Blitz kommen kan / als in der schwärtzesten Wolcke stecken mag. So bald der schöne und tapffere Ariobarzanes die Armenische Krone auf sein Haupt kriegte / und mit der Medischen sie vermählte / war er bedacht auch im Bette nicht einsam zu seyn / und seinen Stul mit erqvickenden Rosen zu bestreuen. Er warf seine Augen in der gantzen Welt herum; allein es konte weder die Liebe ihm ein schöner / noch die Staats-Klugheit ein vortheilhafftiger Bild / als in dem benachbarten Pontus die weltberühmte Fråulein Arsinoe aussehen. Weil er aber weder dem blossen Gerüchte von ihren Tugenden / noch dem entferneten Pinsel wegen ihrer Gestalt / noch der Gewonheit der meisten Fůrsten / die ihre Wahre meist unbeschaut /oder mit zugemachten Augen kauffen / und es aufs Glücke wagen müssen / trauen wolte; kam er mit einem überaus prächtigem Aufzuge nach Sinope /wiewohl unter dem Fürwand / daß er in Griechenland reisen / und daselbst dem Jupiter ein gewisses Gelübde ablegen / in der Durchreise aber mit dem Polemon ihrer Vofahren Bůndnüsse verneuern wolte. Dem gantzen Hoffe aber ward alsbald nachdencklich / daß er dreißig mit den seltzamsten Kostbarkeiten beladene Camele mit sich führte / derer zehn er dem Könige Polemon / zehen der Königin Dynamis / und zehen der Fürstin Arsinoe mit aller ihrer Last verehrete. Unter des Königes Geschencken waren etliche Fässer Chalydonischer Wein / welchen die Pers- und Medischen Könige alleine trincken; vor zwölf Zimmer Babylonische von Seide und Gold nach dem Leben der Geschichte genehete Tapeten / zwantzig helffenbeinerne Bilder der abgelebten Armenischen Könige /und das Gemählde des Protogenes / welchem zu Liebe allein König Demetrius die belägerte Stadt Rhodos nicht angezündet hat. Der Königin Geschencke waren Persische Goldstücke / und Indische Edelgesteine /und darunter des Polycrates unschätzbarer Sardonich-Stein / den ihm des nachstellenden Glückes allzu freygebige Hand aus dem Meere zurücke bracht hatte; Dynamis ihn aber hernach Livien / und diese ins Heiligthum der Eintracht verehrte. Für die vermeinte Arsinoe kam allerhand Arabisches Rauchwerck / aus Gold / Seide und Perlen gestückte Kleider / und insonderheit ein gantzer Perlen-Schmuck / derer keine weniger als hundert und sechzig Gersten-Körner wog. Der König Polemon empfing ihn / wie beyder Königlicher Stand / und ein so freundliches Anmuthen eines so mächtigen Nachbars erforderte. Er ward / weil beyder Könige oberste Staats-Diener die Bedingungen des neuen Bündnüsses mit einander überlegten / mit Jagten / Schauspielen / Rennen / und allen ersinnlichen Kurtzweilen unterhalten / welche ihm nicht alleine überflüßige Gelegenheit eröfneten / alle Beschaffenheit Arsinoens wahrzunehmen / sondern auch einen Zuschauer ihrer wunderwürdigen Tapfferkeit abzugeben. Denn ob sie zwar bey solchen Feyern aus einer nachdencklichen Vorsicht mit Fleiß ihre Tugend verstellen wolte; so ward selbte doch / wie es mit ihrer Belohnung / nehmlich dem Ruhme /[276] und den Sternen bey der Nacht zu geschehen pflegt / nur mehr sichtbar. Jeder Augenblick verursachte in seinem Gemüthe eine Verwunderung / in seinem Hertzen eine Wunde / also daß ihn bedäuchtete / daß der sonst so großsprechende Ruff / welcher kein Mittel weiß / sondern aus allem entweder Wunderwercke oder Mißgeburten macht / nur dißmal durch sein Schau-Glaß rückwärts gesehen / und so wohl die Schönheit als die Verdienste Arsinoens verkleinert hätte. Dahero kam sein Vorsatz numehr leicht zum Schlusse / daß er um Arsinoen werben wolte / als welche über ihre eigene Vollkommenheiten ihm mit der Zeit noch drey Kronen / nemlich die Pontische / die Bosphorsche / und des kleinen Armeniens / als einen Brautschatz zuzubringen hatte. Die grosse Ehrenbezeugung / wormit ihm Polemon und Dynamis entgegen ging / und Arsinoens gegen ihm bezeugte Holdseligkeit / ja seine eigene Grösse und Fürtreffligkeiten überredeten ihn leichtlich / daß er zu Sinope keine Fehlbitte thun könte. Wie nun die Königlichen Räthe das neue Bündnüß miteinander abgeredet / die Könige auch selbst alle Bedingungen genehm gehabt hatten / und sie nun in dem Tempel es beyderseits beschweren solten; zohe Ariobarzanes den König Polemon an ein Fenster /welches ein anmuthiges Aussehen aufs Meer hatte /umarmete ihn hierauf mit grosser Ehrerbietung / und trug ihm für: Er wäre dem Polemon aufs höchste verbunden / daß er die alte Freundschafft zwischen den Pontischen und Armenischen Königen zu beyder Häuser Sicherheit und ihrer Völcker Wolfarth auf festen Fuß gesetzt hätte. Er betheuerte bey den Göttern /welche die Rächer verletzter Bündnüsse wåren / es solte nicht mehr seines / als des Pontischen Reiches Wohlstand seine Sorge und Absehn seyn. Nachdem nun aber solche Verbindungen am kräfftigsten durch das Band des Geblütes besiegelt / und mit dem heiligen Rechte der Heyrathen verknüpft würden; in diesem Absehn auch sein Ahnherr der grosse Mithridates dem Armenischen Könige Tigranes seine Tochter vermählet hätte / bäte und hoffte er / es würde Polemon ihn seiner Tochter Arsinoe fähig machen / und ihn für seinen Sohn anzunehmen würdig schätzen. Der Pontische König nahm diesen Fürtrag mit unveränderter /iedoch freundlicher Gebehrdung an / hätte auch diese allerdings thuliche Heyrath alsofort geschlossen /wenn er nicht hiervon mit der Königin Ehrenthalben zu sprechen / seiner Hoheit / und der Würde seiner Tochter / wormit selbte nicht für allzu feile Wahre geschätzet würde / anständiger zu seyn gemeinet. Deßhalben nahm er über dieser wichtigen Entschlüssung Bedenck-Zeit / gab ihm aber dabey eine Erklärung: Er wüntschte beyde königliche Häuser aufs festeste zu verbinden. Polemon kam vom Ariobarzanes geraden Fusses zu der Königin / und eröffnete ihr sein Anbringen / worüber sie derogestalt erschrack / daß sie selbtes nicht für den Augen des Königs verblümen konte. Dieser fragte alsofort: Warum sie über einer Sache sich entsetzte / darüber sie sich zu erfreuen Ursach hätte? Ariobarzanes hohes Geblüte / sein zweyfaches Reich / seine Leibes- und Gemüths-Gaben wären solche Dinge / darum die vollkommenste Fürstin selbst zu buhlen Ursach hätte / und die Staats-Klugheit könte dem Pontischen Reiche keine vortheilhafftigere Heyrath aussinnen. Dynamis antwortete: Sie müste gestehen / es hätte diese Vermählung einen grossen Schein / iedoch wüste sie die Ursache nicht zu sagen /warumb sie ihr Sinn so wenig zum Ariobarzanes trüge. Ob es vielleicht daher rührte / daß alle Armenische Heyrathen dem Pontischen Stamme unglücklich gewest wären. Dahero bäte sie / der König wolle sich nicht darmit übereilen / sondern ihr wenige Zeit nachzusinnen / und Arsinoen darüber zu vernehmen erlauben; Inzwischen aber auch die Götter darüber / alter[277] Gewohnheit nach / zu Rathe ziehen. Die Königin kam hierauf / als eine todte Leiche in Arsinoens Zimmer /allwo sich Erato gleich aufhielt. Ihr blosser Anblick war schon ein Vorbote ihrer traurigen Zeitung / welche sie zitternde / mit diesen Worten aussprach: Ach /Arsinoe / wir sind verlohren! Beyde erstummeten hierüber / und erwarteten mit bebendem Hertzen das über ihr Haupt aufziehende Ungewitter. Ach / Arsinoe / fing die Königin an / Polemon will dich Ariobarzanen verheyrathen. Kein härter Donnerschlag / als dieser / konte in ihren Ohren erschallen. Denn / was hatten sie für erhebliche Ursache eine so ansehnliche Heyrath auszuschlagen? Wie konten sie aber ohne euserste Gefahr dem Könige Arsinoens Geschlechte offenbahren? Welcher nunmehr der göttlichen Weissagung so viel mehr glauben würde / nach dem Arsinoe solche Streitbarkeit von sich zeigte? Sie sannen hin und her / konten aber keine den Stich haltende Ursache diese Heyrath zu verweigern ersinnen. Hierüber kam der König selbst ins Zimmer / und fragte Arsinoen: Ob sie von ihrer Mutter die auf sie geworffene Liebe Ariobarzanens vernommen hätte? Er zweiffelte nicht / daß sie dieses grosse Glücke / als ein Geschencke der G \tter mit freudigem Geiste annehmen würde. Er hätte inzwischen bey dem Tempel des Pilumnus und Picumnus seine Andacht verrichtet / und es sey ihm zum Zeichen ihrer glücklichen Vermählung ein an dem lincken Fusse lahmer Habicht aufgeflogen. Arsinoe fiel ihm alsofort zu Fusse / umarmte seine Knie / und fing an: Sie wüste / daß es ein halsbrüchiges Laster wäre / sich dem Befehle eines so holden Vaters / der für seines Kindes Wohlstand so eiffrig sorgte / zu widersetzen. Nach dem sie aber (unwissend aus was für einer verborgenen Gramschafft) ihr Hertze nimmermehr überwinden könte / den Ariobarzanes zu lieben; Ihr des grossen Mithridates dem Armenischen Könige Tigranes verheyrathete Tochter Asterie / mit dem ihr vom Stieff-Sohne eingeschenckten Gifft-Glase stets für den Augen schwebte / und ihr ein noch elenderes Ende weissagte; bäte sie / es möchte die väterliche Liebe ihre Vergnügung der Staats-Klugheit dißmahl fürziehen. Heyrathen solten ja eine Vereinbarung der Hertzen seyn; ausser der wären sie für eine Ehscheidung ihrer Ruh und Glückseligkeit zu halten. Die Vermählungen würden erstlich im Himmel / hernach in den menschlichen Hertzen geschlossen. Durch den Einfluß des Gestirnes gäbe das Verhängnüß darbey sein Wohlgefallen oder Unwillen zu verstehen; jenes / wenn es die Gemüther gleichsam zusammen verzauberte / diesen / wenn einem etwas auch sonst annehmliches zu wider wäre. Ariobarzanes gäbe zwar einen grossen Schein der Tugenden von sich; aber wer könte in wenigen Tagen einen recht ausholen? Es gäbe in dem Meere des menschlichen Lebens viel Seichten und Sandbäncke; man müste allezeit mit dem Bley-Masse in der Hand fortsegeln / wo anders die Hertzen der Menschen so /wie die See / ein Bley-Maß annehmen. Die Augen solten Fenster der Seele seyn / sie wären aber ihre Larven / welche unter der Gestalt einer Taube offt einen Basilißken vermummeten; und das schwartze Saltzwasser des Meeres gäbe vielmahl einen hellen Silber-Schein von sich. Daher wäre es numehr nöthiger und schwerer / die Eigenschafften der Gemüther /als der Kräuter zu erkennen. So hätten ja auch die Götter seine Scheutel mit dreyen Kronen bereichert; welches sicher mehr ein Uberfluß des Glückes / als eine zu ergrössern nöthige Macht wäre. Solte sie nun als das einige Kind einen Ausländer heyrathen /würde das Pontische Reich seinen alten Glantz verlieren; und / da es itzt das Haupt zweyer andern Königreiche wäre / müste es künfftig ein schlechter Anhang des Medischen Zepters / eben so / wie Armenien wiederfahren sey / werden. Die[278] Pontischen Völcker würden diese ausländische Heyrath / als ein Seil / wordurch ihnen das Joch der üppigen Meden an die Hörner geschlinget würde / mit Unwillen ansehen / oder auch die Vereinbarung so vieler mächtigen Reiche den Römern und Parthern Nachdencken machen / und solche mit Gewalt zu zertheilen Anlaß geben. Die Römer hätten wider den grossen Mithridates keine andere Ursache zum Kriege / als die Furcht für seinen zwölf Königreichen gehabt / als sie Nicomeden den Bithynischen / und Ariobarzanen den Cappadocischen K \nig wider ihn aufgehetzet; und hernach zwey und vierzig Jahr wider ihn gekrieget. Eben so würde der Uhrsprung des Peloponnesischen Krieges der sich allzu sehr vergrössernden Stadt Athen beygemessen; und derer den Degen zum ersten zückenden Spartaner Furcht für eine rechtmäßige Ursache des Krieges wider Athen / und ihr Angriff für eine Nothwehre gehalten. Die Römer hatten nach dem andern Punischen Kriege den König Philip in Macedonien zu überfallen keine Ursache sonst gehabt / als seine verdächtige Kriegsrüstung. Weil nun ein mittelmäßiges Reich sicherer und leichter zu beherrschen wäre / sonderlich künfftig von ihr einem Frauenzimmer; als ein übermäßig grosses / welches von einem grossen Geiste beseelet / mit vielen Armen beschützt werden müste; weil ein grosses Reich seine Fürsten sicher / seine Feinde verächtlich / die Einwohner wollüstig / die Tapfferkeit stumpf / die Kriegsleute weich / die Unterthanen faul machte / also aus sich selbst sein Verderben / wie aus dem Eisen der Rost / aus dem Holtze seine fressende Würmer / entspringe; in die entfernten Länder die königlichen Schlüsse zur Unzeit kämen; ja wie grosse Riesen schweren Fällen / also weite Reiche geschwindem Untergange unterworffen wären; so schiene es / ihrem schwachen Verstande nach / rathsamer zu seyn / das Pontische Reich numehr in seinen unbeneideten Gräntzen zu erhalten. Der verschmitzte König nam unschwer wahr / daß diese Einwürffe Farben / nicht Ursachen ihrer Verweigerung wären. Dahero begegnete er ihr mit ziemlich ernsthafftem Gesichte: ihre Gramschafft wäre eine unzeitige Einbildung / und ein vergänglicher Eckel. Dahero wäre nach diesem so wenig die Würde eines Liebhabers / als nach einem verdorbenen Magen die Güte einer Speise zu verwerffen. Es hätten zuweilen Gemüther die Art des Magnets an sich / die zu rostigem Eisen einen Zug / und für Diamanten einen Abscheu hätten. Die Zuneigung gelüsterte mehrmahls nach der Häßligkeit / wie manches schwanger Weib nach unartigen Speisen; und der Hartnäckigkeit wäre die Vollkommenheit so wenig gut genung / als einem vergällten Maule die süssesten Granat-Aepffel. Die Regungen der Sinnen müsten dem Urthel der Vernunfft nicht zuvor kommen / und der Geist sich nicht zu fleischlicher Vergnügung erniedrigen. Aller Völcker Einstimmung wäre ein unverwerfflicher Zeuge für Ariobarzanens Tugenden /und die Welt ein Schauplatz seiner Helden-Thaten. Uberdiß mache bey Bürgern die Liebe / bey Königen die Staats-Klugheit die Heyraths-Beredungen. Dieser wäre gemäß ein Reich so hoch empor zu heben / daß dem Neide die Augen vergingen an selbtem hinauf zu sehen / und so groß zu machen / daß es ohne frembde Hülffe der unrechten Gewalt mächtiger Nachbarn die Spitze bieten könte. Seine und Ariobarzanens zusammenstossende Kräfften wären noch kaum genung den Parthern oder Römern zu begegnen; für denen er keine Bürgen hätte / daß sein Bündnüß mit ihnen ewig tauren würde. Das Pontische Reich würde für dem Medischen nichts minder als Armenien seinen Vorzug behalten; und seine Völcker würden nicht einem frembden Lande / sondern ihrer angebohrnen Fürstin zu gehorchen haben. Weßwegen man mit Ariobarzanen gewisse Bedingungen abreden müste. Wäre es denn aber nicht[279] rathsamer / versetzte die Königin Dynamis / Arsinoen einem Pontischen Fürsten zu vermählen / welchem die Liebe zu diesem Reiche von der Geburt / die Wissenschafft seiner Rechte und Sitten mit der ersten Auferziehung eingeflöst worden /welcher der Einwohner Gewogenheit durch treue Dienste erworben / dem Polemon solche Erhöhung zu dancken / und nicht nur Arsinoen / sondern auch das ihm zugleich mit vermählete Pontische Reich zulieben Ursach hätte. König Polemon begegnete ihr: Ungleiche Heyrathen wären auch unter denen Unterthanen ungeschickt. Die Frauen und Jungfrauen zu Heraclea hätten sich lieber selbsthändig getödtet / ehe sie sich auf des Wüterichs Clearchus Befehl seinen unedlen Dienern vermählen wollen. Wie viel welliger wäre seiner hohen Ankunft anständig / noch dem Reiche vorträglich seine eigene Tochter an einen Unterthanen zu verheyrathen. Die aus dem Staube empor steigenden wüsten selten ihr Glücke zu begreiffen / und ihre Begierden zu mäßigen. Die an dem Glantze der Sonnen gewachsenen Früchte wären denen im Schatten stehenden / und die Wercke hocherlauchter Fürsten des Volckes vorzuziehen. Diesemnach würden die Unterthanen ihrer bey zeite überdrüßig. Denn wie schwer es fiele einem Bildhauer seinen von ihm ausgehauenen und vergöldeten Götzen / den er im Walde als ein Klotz gesehen / anzubeten / wenn er schon auf einem Altare stünde; so schwer käme es die Unterthanen an / sich für einem Oberherrn zu bücken / der vorher ihres gleichen / oder wol niedriger gewest wäre. Dynamis wagte es noch einmal / wiewol gleichsam zitternde dem Könige diesen Gegensatz zu thun: Wie die gar zu niedrigen Heyrathen in alle Wege zu verdammen wären; also wären die / da man denn allzu hoch hinaus gewolt / insgemein sehr unglücklich gewest. Der so niedrige Töpffers-Sohn Agathocles hätte Sicilien so klug / als kein einiger König beherrscht; darinnen aber hätte er verstossen / und seine Söhne gleichsam selbst vom Throne gestürtzt / als er seine Tochter Lanassa dem grossen Könige Pyrrhus vermählet / der hernach seinen Sohn Helenus einzuschieben bemüht war. Die hohe Ankunfft wäre wohl ein grosses Kleinod / es hätten aber viel grosse Geschlechter viel Eitelkeit und schlimmen Beysatz an sich. Die Athenienser rühmten sich so alt als die Erde / und aus sich selbst entsprossen zu seyn. Die Arcadier wolten die Erde noch / ehe der Mond geschienen /bewohnt haben. Die Julier zu Rom wolten vom Sohne des Eneas / und die Antonier vom Hercules entsprossen seyn. Aus diesem Aberglauben hielten viel für löblicher eine Lais aus dem Geschlechte der Heracliden / als eine niedrig-entsprossene Penelope zu heyrathen. Ungeachtet die Schönheit die Augen / das Reichthum die Hände vergnügte / der Adel aber in blosser / und offt falscher Einbildung bestünde; Sintemahl kundig wäre / daß Königinnen nicht nur / wie des Königs Agis Gemahlin Timäa von einem edlen Alcibiades / sondern von einem häßlichen Mohr und Fechter wären geschwängert worden. Ajax hätte deßwegen Ulyssen nicht unbillich verlachet / als er sich einen Enckel des Eacus gerühmt. Hingegen hätte der Mängel der Ankunfft dem tapffern Pericles / und dem grossen Pompejus an ihrer Tugend keinen Abbruch gethan. Alleine es dörffte alles diesen Kummers nicht; nach dem noch etliche Enckel des grossen Mithridates des Machares Söhne / und andere Fürsten Königlichen Geschlechtes im Reiche verhanden wären. König Polemon verfiel über diesen Worten in den festen Argwohn / samb Dynamis mit einem dieser Fürsten schon eine geheime Eh-Beredung getroffen hätte; daher er mit feurigem Eyffer ihre Rede unterbrach: Was? soll ich einem Verräther seines Vaters / wie Machares gewest / meine Tochter geben? Will[280] man mir einen Eydam auffdringen / dessen Vater von seinem eigenen zum Tode verdammet worden? Nein sicher / dein Anschlag wird dir sicher in Brunn fallen: ich will meine Tochter mit nichts unedlerm vermischen / als ihr Ursprung ist. Der vollkommenste Leib bildet eine Mißgeburt ab / wenn man ihm einen Cyclopen-Kopff auffsetzt. Bley und Zien / ja auch das Silber selbst / verunehret und vergeringert das Gold /wenn es untereinander geschmeltzet wird. Man setzt Marmel und Jaspis-Bilder nur in der Götter und Könige / nicht in Geringerer Wohnungen. Die Natur ist auffs eusserste bemüht / daß nichts ungleiches zusammen wachse. Eben dieses soll die Klugheit / fürnehmlich aber in der Liebe beobachten / welche von den Alten für blind und ein Kind gehalten worden / weil sie am meisten vorsichtiger Leitung vonnöthen hat. Ich versehe mich also zu Arsinoen / wo ich sie anders für meine Tochter halten soll / sie werde nicht von der Art deß den Pöfel abbildenden Epheus seyn / welcher / so bald eine Hasel-Staude / als einen Dattelbaum umarmet. Edle Pflantzen kehren ihr Haupt gegen den Himmel; Die Rosen schliessen ihr Haupt nur der anwesenden Sonne auff; die Palmen vertragen sich mit keinem geringen Gewächse. Ja der todte Magnet-Stein folget keinem geringern / als dem so hoch geschätzten Angelsterne. Und Polemons Haus solte sich zu den Nachkommen des knechtischen Machares abneigen? Die Niedrigkeit des Gemüthes ist wie alle andere Schwachheiten nichts minder als die Seuchen anfällig. Zwey Tropffen bösen Geblütes stecken den gantzen Leib an / und eines einigen Fisches Farbe schwärtzet ein groß Theil des Meeres. Das menschliche Gemüthe ist geartet wie das Thier / das alle Farben annimmt /am leichtesten aber die Schwärtze der Boßheit. Hat es seine Neigung zu Napel / so vergifftet sichs. Liebet es Unflat / so besudelt es sich. Die besten Schnaten verlieren ihre Güte / wenn man sie auff einen herben Stamm pfropffet. Das Feuer verlieret seinen Glantz /wenn es mit Wasser oder Erde vermischt wird; Aus Vereinbarung eines Menschen und Pferdes wird ein häßlicher Centaur / und die niedrigen Vermählungen sind ein ewiger Schandfleck hoher Geschlechter / welchen König Hiero in Sicilien mit allen seinen tugendhafften Thaten / auch bey der Nachwelt nicht auszuleschen vermocht hat. Diesem nach ist diß mein End- und unveränderlicher Schluß / daß Arsinoe den edelsten Fürsten der Welt / den grossen Ariobarzanes heyrathen soll. Und ich befehle dir / Arsinoe / dich ohne einigen Worts-Einwand darzu fertig zu halten. Des Vaters und der Götter Wille hat keinen Richter über sich. Ihre Vorsorge ist die vernünfftigste und treueste / welche sich weder durch eigenen Dünckel / noch durch anderer Träume verbessern läst.

Hiermit ging Polemon unwillig aus dem Zimmer /ließ sie in vollem Jammer stehen / und versprach noch selbigen Tag dem Ariobarzanes seine Arsinoe. Der Heyrath-Schluß und das neue Bündniß ward von beyden Königen in dem Tempel des Friedens auff dem Altare der Eintracht unterschrieben und besiegelt /auch alle Anstalt zu dem Königlichen Beylager gemacht / als inzwischen Arsinoe / Dynamis und Erato ihrem Kummer kein Ende / ihren Thränen keine Maas / und ihrem Unglücke keinen Rath wusten. Beyde Könige kamen aus dem Tempel in ihr Zi er / und wiewohl Dynamis und Arsinoe ihre Traurigkeit zu verbergen sich eusserst bemüheten / sahe sie ihnen doch beyden mehr als zu viel aus den Augen. Ariobarzanes kriegte hierüber Nachdencken / und vermeinte Arsinoen durch die höfflichsten Liebkosungen zu gewinnen / welche ihm aber mit einer gezwungenen oder vielmehr kaltsinnigen Freundligkeit begegnete. Diese Neuigkeit verstörte ihm die Ruhe der Nacht und des Gemüthes / noch mehr aber ein Schreiben /[281] welches er des Morgens auff seiner Taffel fand / dieses Inhalts:


Arsinoe an den König Ariobarzanes.


Ich gestehe es / daß Ariobarzanes der gantzen Welt Herrschafft / des Zuruffs aller Völcker / und so viel mehr meiner Liebe würdig sey; aber alles diß / ja die Götter selbst / weniger der Zwang meines Vaters sind nicht genug ihn derselben fähig zu machen. Forsche nicht von mir die Ursache meiner Kälte / denn die Liebe entspringet mehr vom Einflusse des Gestirns /als von der Würde eines Dinges. Der beste Ambra reucht einem wohl / dem andern stinckter. Glaube aber / daß selbte alsofort deine Flammen auslöschen /aber in Sinope ein grösseres Feuer anzünden würde. Uberwinde dich also / und presse dir keine unmögliche Liebe aus / die deine Vollkommenheit so hoch in Ehren hält; da du auch diß letztere nicht verlieren /oder gar vergällen wilst. Die süssesten Pomerantzen geben Bitterkeit von sich / wenn man sie allzusehr ausdrückt. Es ist eine grosse Klugheit unterscheiden können / was man für Karte wegwerffen oder behalten soll / eine grössere Kunst / sich einer Sache entschlagen / die mit uns entweder keine Vereinbarung leidet /oder uns selbst den Rücken kehret; die höchste Glückseligkeit aber / nichts verlangen / was man nicht haben kan. Dieser deutliche Brieff legte Ariobarzanen den Traum von Arsinoens Kaltsinnigkeit aus. Liebe und Rache kämpfften in seiner Seele die Wette. Seine Ehre rieth ihm dieser Verächtligkeit mit Beschimpffung zu begegnen / seine Begierde aber Arsinoens Hertze zu gewinnen; Aber iede Zeile benahm mit der fürgeschützten Unmögligkeit ihm alle Hoffnung / und stürtzte ihn in eine halbe Verzweiffelung. Bey dieser Verwirrung ward ihm angesagt: Der König Polemon wäre unterweges ihn zu besuchen / folgte auch fast auff dem Fuße ins Zimmer. Ariobarzanes konte sich kaum erholen ihm vernünfftig zu begegnen / weniger sich berathen / ob er dem Könige hiervon etwas melden solte? Wie nun Polemon alsofort seine Bestürtzung wahrnahm / und dessen Ursache mitleidentlich erkundigte / reichte ihm Ariobarzanes der Arsinoe Brieff. Polemon muthmaßte alsobald bey erkennter Handschrifft was arges / erblaßte bey der ersten Zeile / und nach dem er das Schreiben durchlesen /blieb er gleich als verzückt in vollem Nachdencken stehen; Ob er schon sonst in Glück uñ Unglück einerley Gesichte zu behalten wuste / und ihm nicht leichte durch seine Empfindligkeiten / welches die rechten Fenster des Gemüths sind / ins Hertze sehen ließ. Ariobarzanes sahe ihn starr an / und sagte endlich: Diese wenige Zeilen sind entweder voller Geheimniße / die wir beyde nicht wissen / oder voller Retzel / die ich nicht aufflösen kan. Polemon lächelte / und fing an: Man verkleidet zuweilen ein seichtes Absehen mit dem Ansehen eines heiligen Geheimnisses; Jedoch wird es zuversichtlich keines Wahrsagers dürffen /hinter diß verborgene zu kommen / und keiner Zauberey / die vorgeschützte Unmögligkeit möglich zu machen. Hiermit nahm Polemon Abschied / und Arsinoens Schreiben mit sich / legte auch in seinem Zimmer alle Worte auf die Wage. Je mehr er aber nachdachte / ie tunckeler schien ihm der Brieff und ie weniger konte er ergründen / warum Arsinoe so verzweiffelt Ariobarzanens Heyrath zu hintertreiben suchte. Er argwohnte zwar noch: Es müste Ariobarzanen iemand vorkommen seyn / und sich Arsinoens Gewogenheit bemächtiget haben; aber Arsinoens Schreiben däuchtete ihn auff etwas gantz anders zu zielen. Endlich fiel ihm ein Arsinoens ungemeine Verträuligkeit mit der Erato / hinter welcher ein sonderlich Geheimniß / oder zum minsten die Wissenschafft / warum Arsinoe für Ariobarzanen so grosse Abscheu trüge / stecken müste. Mit dieser Sorgfalt kam er unangesagt in der Erato Zimmer / welche denn noch halb unangekleidet war. Wormit nun[282] Polemon diese ungewöhnliche Uberfallung rechtfertigte / oder auch vielleicht was erfischete / wiese er der Erato Arsinoens Schreiben / von dem sie aber ohne diß schon Wissenschafft hatte / beschwerte sich über seiner Tochter zu seinem Schimpff und ihrem Unheil gereichende Widersetzligkeit / und beschwor sie endlich / daß / da sie so tieff in Arsinoens Hertze gesehen / sie ihm die Ursache nicht verschweigen solte. Erato begegnete dem Könige mit tieffster Demuth / schützte für: Sie hätte sich ohne Vorwitz nicht unterstehen wollen / Arsinoen etwas auszulocken; doch sehe sie /daß / wenn nur Ariobarzanes Nahme genennet würde / sie sich entsetzte / und über der Heyrath auffs eusserste grämte / welches ihren Kräfften in die Länge auszustehen unmöglich fallen dörffte. Der König führte sie hierauf mit sich in Arsinoens Zimmer / welche mit verfallenen Wangen / thränenden Augen / und tieffäugichtem Gesichte betroffen ward. Nichts destoweniger zohe er ihren Brieff herfür / und befahl ihr: Sie solte rund heraus bekennen / was ihr Ariobarzanens Eh unmöglich machte / und das in ihrem Schreiben angedeutete Feuer / welches in Sinope angezündet werden solte / auslegen. Arsinoe fiel ihm abermahls mit erbärmlichen Geberden zu Füssen / sagte /sie wäre zwar Meisterin ihres Willens / aber keine Gebieterin über die Natur und das Verhängniß / welche sie vom Ariobarzanes gleichsam mit den Haaren wegzügen. Mit dem Feuer hätte sie auff ihre Begräbniß-Fackeln gezielet / weil diese Heyrath doch ihr Tod seyn / dieser aber Ariobarzanens Begierden allerdings ausleschen würde. Ihr Wunsch und Verlangen wäre diesem nach zu sterben / sie wolte von Hertzen den Tod als ein Geschencke der Götter / und ein Gifft-Glaß mit Freuden für eine Königliche Mitgifft aus den Väterlichen Händen annehmen. Wolte er sie aber der Göttin Vesta zu ewiger Jungfrauschafft wiedmen /wolte sie mit dem ewigen Feuer auch eine ewige Danckbarkeit in ihre Seele bewahren. Diese Erklärung thät sie so wehmüthig / daß / wie harte gleich Polemon war / ihm die Augen übergingen / und er mit etwas sanfftmüthiger Bezeugung sie fragte: was denn die Ursache ihrer wider einen so vollkommenen König geschöpffter Todtfeindschafft wäre? Arsinoe antwortete: Sie hegte derogleichen in ihrem Hertzen nicht / sondern sie hätte vielmehr ein grosses Vergnügen an seinen Tugenden; aber unmöglich wäre es ihr einmahl ihn zu lieben. Polemon fing an zu ruffen: Ihr Götter! Was ist denn unter einem solchen vergnügenden Wohlgefallen und der Liebe für ein Unterscheid? Arsinoe antwortete: Ich weiß wohl / allerliebster Herr Vater / daß die Liebe allezeit die Gewogenheit zur Mutter / diese aber jene nicht allezeit zur Tochter habe / und mein an dem Ariobarzanes habendes Belieben doch nimmermehr die Liebe in meinem Hertzen gebehren werde. Polemon fragte: Was denn ihrer Liebe im Wege stünde? Worauff Arsinoe anfing: Ihr von dem Verhängniß geleiteter Wille. Denn das Wohlgefallen bemächtigte sich eines Menschen mit Gewalt und wieder seine Zuneigung. Man müsse die Tugend und Schönheit auch in seinem Feinde werth halten / und die Gramschafft müste mehrmals die Gaben der Natur und des Gemüths mit denen schönsten Farben in die Taffel seines Hertzens mahlen / ja die Stiffter des ärgsten Unrechts innerlich der Gerechtigkeit beyfallen. Diese Gewogenheit zündete sich in einem Augenblicke wie ein Blitz an / sonder einige vorhergehende Berathschlagung: insonderheit erstreckte sie sich auff alle Reichthümer der Natur / auff Blumen und leblose Edelgesteine / die gleich keiner Gegen-Liebe fähig sind. Die Liebe aber / wie sie ein sich langsam entzündendes Feuer / und allererst der Schönheit Enckelin wäre; die Berathschlagung zur Amme / und den Willen zum Leiter[283] hätte / also wäre sie mit sich selbst nicht so verschwenderisch / sie vereinbarte sich nicht mit allem / was ihr ins Gesicht fiele / sondern nur mit dem / was sie für ihres gleichen hielte / und was sie wieder lieben könte. Weßwegen auch kein ander Thier als der Mensch wahrhafftig lieben / die Schönheit eines Sternes / einer Perle / eines Pferdes werth geachtet / nichts aber / als das Antlitz und der Geist eines Menschen / eigentlich geliebt werden könte. Wenn nun das Verhängnüß nicht unsern Willen / wie der Magnet das Eisen iemanden zu lieben züge / wäre es uns selbst zu überwinden unmöglich. Polemon ward hierüber verdrüßlich / und befahl ihr / sie solte ihr diese Träume aus dem Sinne schlagen / und von ihrer Eigensinnigkeit / welche ihr eitel Ungeheuer fürbildete / abstehen / auch sich zu dem /was ihr bestes / und nun nicht mehr zu ändern wäre /beqvemen. Der Nahme des Todes wäre zwar süsse /sein Wesen aber die bitterste Aloe. Wer in ewiger Einsamkeit leben könte / müste entweder ein halber Gott / oder ein gantz unvernünfftiges Thier seyn. Mit diesen Worten entbrach sich Polemon ihrer / und versicherte den Ariobarzanes / daß die Vermählung auff die bestimmte Zeit solte bewerckstelliget werden. Es wäre nichts seltzames / daß alberen Mägdgen für dem Ehstande eckelte / dessen Süßigkeit sie hernach nicht genung zu schätzen wüsten. Die langsame Liebe wäre wie das am langsamsten wachsende Metall / nehmlich das Gold / die bewehrteste; hingegen verschwinde die hefftigste am geschwindesten. Denn die Fackel / die allzusehr lodert / könne nicht lange tauren. Arsinoe blieb inzwischen in einer unermeßlichen Betrübniß /und verzweiffelten Ungedult. Ich sehe / fing sie an /daß einem Unglückseligen auff dem Meere das Wasser / auff der Erden ein Grab / in dem Leben der Tod gebricht. Aber wie sehr er vor mir fleucht / wil ich ihn doch finden / und hiermit griff sie nach einem Messer / welches ihr aber Erato ausriß / und ihre Verzweiffelung mit nachdrücklicher Einredung straffte. Ist diß die Tugend / sagte sie / welche der einfallende Himmel auch nicht von ihrem Sitze zu stürtzen mächtig seyn solte? Ist diß die Liebe / welche sich mit der Erato in ein Grab zu legen rühmete? Kan aus Entdeckung ihres Geschlechts ihr was ärgers als der Tod zuhängen / wenn schon Polemon die Vater-Liebe in grausamste Mord-Lust verwandelt? Ist es nicht Thorheit sterben wollen / um nicht zu sterben? Sie sage es dem Könige unter Augen / daß sie nicht Arsinoe /sondern der verworffene Zeno sey / der dem Polemon das Licht ausblasen soll! Sie lasse ihr und mir das Urthel des Todes sprechen! Es ist besser von den Händen eines unbarmhertzigen Vaters sterben / als durch Selbst-Mord dem Verhängniße an seinen Richterstab greiffen. Ach nein! Holdseligste Erato / sagte Arsinoe: Es ist nicht allein um meinen Hals / sondern auch um den guten Nahmen meiner Mutter der Königin Dynamis / und um die unschätzbare Geniessung ihrer Liebe zu thun. Erato versetzte: Es wäre weder nöthig dem Tode ein so unzeitiges Opffer zu lieffern /noch der Königin Ruhm zu versehren. Die hertzliche Liebe einer barmhertzigen Mutter / und die Erhaltung ihres verstossenen Sohnes / könne mit dem Titel eines Lasters nicht verunehret werden. Auch habe die Natur den Auffenthalt der Tugend nicht in Sinope eingeschlossen. Die gantze Wett wäre der Tapfferkeit Vaterland. Die Unschuld müste zuweilen dem Verhängniße / zuweilen einer hitzigen Ubereilung dessen /gegen welchem uns die Natur die Gegenwehr verbeut / ausweichen. Die Götter aber liessen die Tugend nirgends aufftreiben / sie hätten ihr deñ schon vorher einen beqvemen Sitz ausersehen. Sie selbst habe diese himmlische Vorsorge zu preisen. Denn als ihre[284] Unterthanen die Armenier sie verstossen / hätte sie der Pontus willigst aufgenommen / und mit der Liebe des vollko ensten Fürsten beseliget. Wie? fing Arsinoe an / sind die Armenier ihre Unterthanen? In allewege /antwortete Erato. Und es hat Sinorix nicht geschielet. Denn ich bin der junge Artaxias / den die Liebe seiner Mutter für einen Fürsten / wie ihre den Zeno für ein Fräulein auferzogen hat. Arsinoe vergaß über dieser erfreulichen Zeitung alles ihres Leides / und umbarmete die Erato mit einer unermäßlichen Empfindligkeit. Erato aber warnigte sie / ihre Liebes-Bezeugungen anietzo zu verschieben / und für ihre Wolfarth bekümmert zu seyn. Einmal wüste sie kein ander Mittel / als eine heimliche Flucht zu ersinnen; und da die Königin hierzu stimmete / oder sie selbst nichts sicherers wüste / wolte sie darzu in allewege gerathen haben. Das Werck ward hierauf mit der Königin überlegt / welche / in Mangel anderer Hülffe / ihr die Flucht gefallen ließ. Der Anschlag und die Anstalt der Reise ward niemanden / als mir vertraut / weswegen ich mich ungesäumt an das Gestade des Meeres verfügte / uns dreyen ein Schiff zu bestellen. Zu meinem grossen Gelücke lendete gleich ein Schiff am Hafen an / dessen Entladung ich aus blosser Begierde der Neuigkeit sehen wolte. Denn unter so viel hundert daselbst anckernden Schiffen hatte ich nur die Wahl auszulesen. Alleine meine Freude war unermäßlich /als ich den ersten / der aus solchem Schiffe ans Ufer sprang / für meinen Artafernes erkennte. Wormit ich nun seiner mercklichen Freude und Empfangung zuvor käme / nahm ich die Gelegenheit in acht unvermerckt hinter ihn zu treten / und / ehe sich seine Augen vergehen konten / ihm hinterrücks ins Ohr zu sagen: Laß dich nicht mercken / daß du Saloninen kennest / sondern folge mir auf dem Fusse nach. Artafernes verbarg seine Gemüths-Regungen derogestalt /daß er sich nicht einst umbsahe / gleichwohl aber meinen Fußstapfen behutsam nachging. Ich wieß ihm den Weg in den nahe am Hafen liegenden Königlichen Garten / biß wir in einem verdeckten Spatzir-Gange einander mit erfreuter Umbhalsung zu bewillkommen Gelegenheit fanden. Jedoch befand ich es für rathsam / so wohl dieser Ergetzligkeit abzubrechen /als den Vorsatz beyderseitige Zufälle zu erfahren / auf bequemere Zeit zu sparen. Ich meldete ihm dannenher mit wenigen Worten: Daß die unumbgängliche Nothdurft erforderte die nechstfolgende Nacht die Armenische und Pontische Fräulein nebst mir aus Sinope zu führen; also solte er mir ohne Umbschweiff entdecken: Ob er Herr des angeländeten Schiffes wäre / und darmit zu diesem wichtigen Fürnehmen helffen könte. Er erbot sich alsofort meinen Willen zu vollziehen. Wohl dem / sagte ich / so machet alles zur Abreise fertig / ich wil mit der Fürstin Erato in männlicher Tracht mich schon gegen Abend in euer Schiff spielen / umb Mitternacht aber werdet ihr in diesem Gange die Fürstin Arsinoe abzuholen wissen. Mit diesem Verlaß schieden wir von sammen; ich aber brachte alsofort meine glückliche Anstalt beyden Fürstinnen zu / und redete mit ihnen alles ab / was hierbey zu thun nöthig schien. Gegen Abend ging Erato und ich unser Gewohnheit nach in den Garten / in welchen wir oben aus unserm Zimmer 2. Manns-Kleider / und etliche andere Nothdurfft geworffen hatten. Wir kleideten uns in einer nahe dabey gemachten Spring-Höle umb /und versteckten unsere Weibs-Kleider unter die daselbst verdeckten Wasser-Röhre / kamen auch unvermerckt auf das Schiff / allwo uns Artafernes eine bequeme Lagerstatt anwieß / welcher wir uns aber nicht bedienen wolten / biß wir Arsinoens Uberkunfft vergewissert wären / wiewohl etlicher Nächte gestörte Ruh uns sehr schläfrig gemacht hatte. Gegen Mitternacht fügte sich Artafernes an den besti ten Ort / und wenige Zeit hernach kam er zu uns mit der frölichen Zeitung / daß er Arsinoen[285] glücklich überbracht / und in ein absonderlich Zimmer zur Ruh gelegt hätte. Wir entschlugen uns zu Verhütung allen Verdachts bey den Schiffleuten / und alles Aufsehens aus den nah-anliegenden Schiffen / der Bewillkommung / sonderlich weil Arsinoe mehr als wir des Schlaffes benöthigt war. Artafernes ließ die Segel aufziehen / und weil wir ihm freygestellet hatten zu fahren / wohin ihm beliebte / schiffte er mit gutem Winde immer der Thracischen See-Enge zu. Wir schlieffen die übrige Nacht und ein Stücke des Tages durch / biß uns Artafernes aufweckte / und anzeigte: Arsinoe wäre schon etliche Stunden wachend. Erato und ich eilten mit unser Ankleidung / und / wormit uns Arsinoe nicht zuvor käme / eilten wir ihrem Gemache zu. Wir erstarreten aber als steinerne Bilder / als wir statt Arsinoens ihre Kammer-Jungfrau Monime für uns fanden. Erato erholte sich gleichwohl / und meynte / daß sie vielleicht mit Arsinoen kommen wäre; fragte daher: Was sie hier machte? Alleine Monime / welche über unser Erblickung steinerner als wir war / verstummte. Nach etlicher Zeit erholete sie sich gleichwohl / und weil sie die Fürstin Erato erkennte / fiel sie ihr zu Füssen /und bat umb Gnade / sie wolte ihr Verbrechen willigst bekennen. Weder Erato noch ich wusten uns hierein zu schicken. Gleichwohl wuste die Fürstin alsofort aus dem Stegereiffen eine kluge Entschlüssung zu machen / nahm daher eine ernsthaffte Geberdung an sich / und befahl ihr: Sie solte ihre Schuld aufrichtig heraus beichten / so wolte sie bey ihrer Fräulein für sie eine Vorbitte einlegen. Monime bekante hierauf: Es hätte Armidas / ein Edelmann des Ariobarzanes / welchem sie die Ehe versprochen / ihr Vater Maxartes aber nicht hätte zugeben wollen / mit ihr abgeredet / daß er sie in dem Königlichen Garten diese Nacht / da wegen der auf den Morgen bestimmten Königlichen Vermählung alles untereinander ginge /abholen / und auf einem dazu bestellten Schiffe nach Armenien entführen hätte wollen. In dieser Meynung wäre sie auf diß Schiff kommen; sie sehe aber / daß ein glücklicher Irrthum sie von dem fürgehabten Verbrechen / welchem sie ietzt allererst nachdächte / abgezogen habe. Erato verwieß ihr ihr Fürhaben / gab ihr aber noch einen guten Trost zu ihrer Aussöhnung. Wir gediegen hiermit nebst dem Artafernes wieder in unser Gemach / und wegen Arsinoens in unaussprechlichen Kummer; nachdem wir ihm auch kürtzlich unsere Ebentheuer erzehlet / berathschlagten wir: Was bey so verwirreten Dingen zu thun? Artafernes erkundigte beym Schiffer: Ob man nicht irgendswo an einem unentfernten Ufer anländen könte? welcher als er es verjahete / erbot er sich in Sinope / welches wegen des umbschifften Leptischen Vorgebürges kaum zehen Stadien vom Ufer entfernt wäre / zurück zu kehren / und der Sachen Beschaffenheit auszuforschen. Wir kamen ans Ufer / fanden auch daselbst einen bequemen Felsen / hinter dem wir nicht alleine für allem Sturme / sondern auch für allen Augen des Landvolcks sicher liegen bleiben konten. Artafernes ging zu Fusse nebst seinem getreuesten Diener gerade auf Sinope zu / und nahm von der Fürstin Erato an Arsinoen und die Königin Dynamis ein Schreiben mit / worinnen sie dem Artafernes in allem sich zu vertrauen ersucht ward. Nach dem Mittage kam Damon des Artafernes Getreuer zu uns zurücke / mit dem Berichte / daß / als Ariobarzanes und Polemon sich schon in dem Tempel der Derceto befunden / und alles zur Vermählung fertig gewest wäre / hätte man allererst Arsinoen vermisset / welche zwar allenthalben gesucht / aber nirgends gefunden würde. Mit dieser Nachricht kehrte er zurücke nach Sinope / stellte sich aber mit dem anbrechenden Morgen wieder ein /und verständigte uns / es hätte noch vorhergehenden Tag ein Medischer Edelmann Arsinoen auf einẽ Schiffe zurücke und in den Tempel bracht. Wie nun die Priester auf des König Polemons Befehl der Göttin Derceto oder Adargatis die Fische und[286] Tauben zum Opfer abgeschlachtet / und zu der Vermählung schreiten wollen / hätte Arsinoe / an statt / daß sie nach Gewohnheit der Bräute der Göttin lincke Hand fassen und küssen sollen / ihren Fisch-Schwantz mit beyden Händen umbgriffen / und geschworen / daß sie ehe sterben / als Ariobarzanen vermählt seyn wollen. Hierauf wäre sie in das Behältnüß der Priester gegangen / König Polemon ihr dahin nachgefolgt. Wie sie nun eine gute Weile darinnen verschlossen gewesen /und Ariobarzanen in vollem Gri / das Volck aber in heftigem Verlangen des Ausgangs hinterlassen hätten / wäre ein Priester heraus kommen / und Ariobarzanen bescheidentlich fürgetragen: Es hätte sich eine wichtige Hindernüß ereignet / daß die Heyrath ihren Fortgang nicht erreichen könte. Ariobarzanes hätte alsofort gefragt: Ob auch Polemon solche billigte? Als solches der Priester verjahet / wäre er für Zorne schäumende aus dem Tempel gerennet / und / nach dem er sich kaum eine halbe Stunde auf der Königlichen Burg verweilet / wäre er mit allen den Seinigen aus Sinope gezogen. Polemon hätte Abschied von ihm nehmen / ihn auch / als er länger zu bleiben nicht beredet werden können / begleiten wollen: Ariobarzanes aber hätte ihn nicht einst für sich zu lassen gewürdigt / sondern Fluch und Dräuen ausgeschüttet. Diese Zeitungen konten wir nun unschwer auslegen: daß Arsinoe vom Armidas für Monimen angenommen / und in sein Schiff aus Irrthum kommẽ / hernach von ihr ihr Geschlechte eröffnet worden wäre. Den drittẽ Tag kam Artafernes selbst zu rücke / und erzehlte uns ferner: daß nach Ariobarzanes Wegzuge kein Mensch weder in noch aus der Burg gelassen / gleichwohl von einẽ vertrauten Freund / den er vorhin zu Sinope kennen lernẽ / berichtet werdẽ wollen: Es müste ein groß Geheimnüß entdeckt seyn / ja man muthmassete gar /daß Dynamis und Arsinoe schon todt wären. Eine Stunde für seinem Abzug wäre ein Herold von Ariobarzanen in Sinope kommen / und habe auf dem grossen Platze für der Burg mit hellem Halse geruffen: Höre Jupiter / höret ihr Pontischen Völcker / der Meden und Armenier König / der mit eurem ein Bündnüß zu machen hieher kommen / auch seine Tochter zur Gemahlin zu erlangen versichert / hernach geäffet / und nicht einst die Ursache solcher Reue zu erfahren gewürdigt worden / wil die ihm angethane Schmach durch einen gerechten Krieg rächen. Hiermit habe er das mit dem Polemon neu aufgerichtete Bündnüß heraus genommen / zerrissen / und eine Lantze in das Burg-Thor geworffen. Der König habe auch noch selbige Stunde diese Fehde durch schleunige Posten in seine Länder verkündiget / und sich allenthalben zur Gegenwehre zu rüsten anbefohlen. Wir alle waren hierüber aufs äuserste bestürtzt / Erato aber wolte sich über dem verlauteten Tode Arsinoens / oder vielmehr ihres geliebten Zeno gar nicht trösten lassen. Wir redeten ihr aufs beweglichste ein / hielten ihr für: Wie die Götter sie zeither offt aus augenscheinlichem Untergange erlöset / sie auch alle Stürme des Unglücks mit ihrer Großmüthigkeit überwunden hätte. Es wäre nicht genung durch einen unvergleichlichen Anfang sich zum Gotte machen / hernach die Hände sincken / und die menschlichen Schwachheiten blicken lassen. Ein schöner Kopf und ein heßlicher Schwantz machte die Sirenen zum Ungeheuer. Ehre und Ruhm veralterten nicht weniger / als andere irrdische Dinge; denn die Gesetze der Zeit vertrügen keine Ausschlüssung. So wohl der Adler als Phönix müsten sich verjüngen umb ihren Vorzug zu behaupten / ja die Sonne selbst alle Tage eine andere Bahn erkiesen /wormit die stete Neuigkeit sie beym Ansehen erhielte / und gleichwohl hätten so viel Weltweisen ihr eine Vergeringerung beygemessen. Für diesem Abfalle hätte die Tugend keine Befreyung / so bald sie zuzunehmen aufhörete / nehme sie wie der Monde ab. Diese geschärffte Einredungen brachten sie[287] endlich ja so weit / daß sie sich zwar nicht der Traurigkeit / iedoch der Verzweifelung entbrach / und mit uns berathschlagte: Wo wir denn unsere Flucht hinnehmen solten? Artafernes schlug die volckreiche Stadt Phasis für / dahin sie in sechs Tagen zum längsten schiffen /und wegen der daselbst der Kauffmannschafft halben sich aufhaltender unzehlichen Frembdlinge unerkennet bleiben könten. Das umbliegende Land Colchis habe Mithridates Eupator seinen eigenen Königen zum ersten abgezwungen / sey auch hernach mit dem Bosphorischen Reiche auf den König Polemon kommen. Von daraus könten sie in wenig Tagen über das Moschische Gebürge in Armenien gelangen / und wohin sie der Lauff des neuen Krieges beruffen würde. Denn es solte ja die Fürstin Erato nicht die Hoffnung ihr väterlich Reich wieder zu behaupten fahren lassen. Als er mit dem Tiridates aus Parthen in Syrien sicher ankommen / dieser aber in Hispanien zum Käyser / der daselbst wider die Cantabrer und Asturier gekrieget / gezogen wäre / hätte er uns fast in der halben Welt / auch zu Sinope aufgesucht / und als er uns nirgends finden können / sich in Armenien gewaget / auch daselbst eine so tief eingewurtzelte Liebe gegen das Geblüte des Artaxias / hingegen einen so grossen Haß wider den ausländischen Ariobarzanes angetroffen / daß zum Aufruhre der Armeniern nichts als ein Haupt oder Anführer mangelte. Wir schifften also mit gutem Winde nach Phasis / ländeten den siebenden Tag daselbst an / nach dem so wol ich als Erato uns wieder für Männer ausgekleidet hatten. Der Königliche Stadthalter in Colchis war Bardanes /des alten vom Mithridates dahin gesetzten Moaphernes Sohn / ein Mann von grosser Tapfer- und Leutseligkeit. Weil nun ohne diß gantz Colchis von geflüchteten Armeniern / die die Meden / entweder weil sie Ausländer / oder allzu aufgeblasen und wollüstig waren / zu ihren Oberherren nicht vertragen konten /erfüllet war / trugen wir kein Bedencken uns ebenfalls für verjagte Armenier auszugeben / sonderlich / da eben selbigen Tag mit uns die Post vom angekündigten Kriege Ariobarzanens nach Sinope kam. Bardanes machte alle ersinnliche Anstalt aus denen am schwartzen Meere gelegenen Landschafften / die ihm alle biß an den Mund des Flusses Tanais anvertrauet waren /ein mächtiges Kriegsheer aufzubringen / und / weil er wohl verstund / daß Armenien nicht leichter als durch Armenien bezwungen werden konte / zohe er diese durch Freundligkeit und grosse Vertröstungen an sich / wohl wissende / daß ein gutes Wort eines höhern so viel gilt / als eine Wolthat eines Menschen / der unsers gleichen ist / und ein freundlicher Anblick eines Fürsten überwiege ein ansehnliches Geschencke eines Bürgers. Hiemit gediegen auch wir in seine Freundschafft / und genossen von ihm alle Ehre. Wie wir aber nach dem allenthalben so kundbaren Kriege eine so grosse Uberkunft der Armenier wahrnahmen / welche alle lieber Pontisch als Medisch seyn wolten /wurden wir schlüssig uns der Armenischen Gräntze zu nähern; erwehlten also unsere Wohnstadt zu Ideeßa einer Stadt in dem Moschischen Gebürge / wo der vom Phrixus der Morgenröthe zu Ehren gebauete Tempel uns nicht allein zu unser Andacht / und wegen der daselbst berühmten Weissagungen zur Richtschnur unsers Vorhabens / sondern auch auf allem Fall zur Sicherheit dienen konte. Daselbst zohe Erato alsofort die Larve vom Gesichte / und gab sich den Armeniern für den jungen Artaxias zu erkennen. Es ist unglaublich / wie in so weniger Zeit diese aller Mittel / als der Spann-Adern des Krieges entblössete Fürstin ein Heer versa lete / welches sich im Felde zu weisen nicht schämen dorfte. König Polemon hörte diesen Abfall der Armenier / und die Herfürthuung des geflüchteten Artaxias nicht mit geringer Vergnügung / befahl dem Bardanes selbtem nicht allein allen Vorschub zu thun / sondern[288] auch mit den Colchisch- und Meotischen Völckern zu ihm zu stossen / und in Armenien einzubrechen / er stünde mit einem ansehnlichen Heere schon an dem Flusse Melas / und wolte daselbst dem Ariobarzanes die Stirne bieten. Dieser hatte hingegen nicht vergessen bey sich alle Vernunft / aus Meden und Armenien alle Kräfften zusammen zu ziehen / wormit Polemon seine Dräuungen nicht für gläserne Donner-Keile halten möchte. Erato und Bardanes kriegten Nachricht / daß Ariobarzanes mit 200000. Mann in das kleinere Armenien eingebrochen wäre / und an dem Flusse Melas und Phrat die Haupt-Stadt des kleinen Armeniens Melitene belägere; auch eine ansehnliche Parthische Reiterey vom Phraates folgen solte. Dahero / weil sie den König Polemon dieser Macht nicht gewachsen zu seyn meynten / änderten sie ihren nach Artaxata / als dem Hertzen des Königreichs fürgenommenen Zug / umb den Meden in Rücken zu gehen / und den Ariobarzanes zu zwingen / daß er seine Macht zertheilen müste. Wir reiseten gantzer 7. Tage / sonder einigen Feind zu sehen / weniger einige Gegenwehre zu finden / besetzten hinter uns alle Pässe; den achten Tag kamen wir für die Stadt Cergia / und machten Anstalt zu derselben Belägerung. Die Armenier aber kamen des Nachts heimlich aus der Stadt / und brachten auf kleinen Nachen etliche hundert auf dem Flusse Phrat hinein / welche mit Gewalt sich der einen Pforte bemächtigten / daß der neue Artaxias mit der Reiterey hineinbrechen konte. Bey Eroberung dieser grossen Stadt kriegten wir genungsam Schiffe das gantze Heer den Strom hinab gegen Melitene zu führen. Welches sonder alle Hindernüsse auch geschahe / weil die Städte auf der rechten Hand des Stromes sä tlich dem Polemon gehöreten / und von ihm besetzt waren. Zu Analiba aber erfuhren wir / daß Ariobarzanes bey Näherung des Polemon die Melitenische Belägerung aufgehoben / und gegen Mardara wider den Polemon sich gewendet hätte. Diese Nachricht bewegte den Artaxias und Bardanes / daß sie zu Teucila ihre Heere eilends aussetzten / und dem Artobarzanes in Rücken gingen. Den andern Tag kamen wir dem Medischen Kriegsheere auf die Spur / und den drittẽ nach Mittags brachte uns unser Vortrab / und etliche von ihnen gelieferte Gefangene die Zeitung / daß Ariobarzanes und Polemon unserne in einer hitzigen Schlacht miteinander begriffen / die Pontischen Völcker aber schon in Verwirrung bracht / ja der lincke Flügel in die Flucht gediegen wäre. Erato und Bardanes stellten unverzüglich ihr Heer in Schlacht-Ordnung / und Artafernes erlangte die Ehre / daß er mit 6000. leichten Reitern dem Feinde voran einbrechen muste. Wiewohl nun dieser rückliche Einfall den Meden nicht anders /als wenn ihnen neue Feinde vom Himmel fielen / fürkam / so schwenckte sich doch ihr rechter Flügel /welchen ein alter erfahrner Parthischer Kriegsheld Coßrhoes führte / nachdem er vorwerts keinen Feind mehr hatte / alsofort herumb / und begegnete dem Artafernes derogestalt / daß er etwas zurück weichen muste. Hiermit thät sich Erato und Bardanes mit ihrem auserlesenen Heere herfür / welches den Cosrhoes anfänglich stutzig machte. Er sprach aber den Seinen ein Hertze zu / theilte seinen Flügel gegen des neuen Feindes Schlacht-Ordnung aufs beste ein; und hiermit ging die andere blutige Schlacht an. Die Sonne ging zwar unter / aber beyde erhitzte Feinde wolten ihre Sebeln nicht einstecken. Es ist unmöglich die Blutstürtzung / die theils ritterlichen / theils verzweifelten Thaten so wohl auf ein als dem andern Theile zu erzehlen. Denn die Nacht verdeckte viel /und war der aufgehende Monde allzu düster so vielen Tapferkeiten ihr gehöriges Licht zu geben. Daher verlängerte die Hartnäckigkeit der erbitterten Feinde ihr Wüten biß auf den andern Tag. Beyder Könige Vorsatz war zu siegen / oder zu sterben. Insonderheit fochte der[289] beleidigte Ariobarzanes mit dem lincken Flügel gantz verzweifelt gegen den König Polemon /weil er nunmehr bey sich ereignendem neuen Feinde ohne Fällung des Pontischen Hauptes an seinem bereit in Händen gehabten Siege selbst zu zweifeln an fing. Diesemnach setzte er mit dem Kerne seiner aus Medischen und Galatischen Rittern erkieseter Leibwache in den Hauffen / wo die Königliche Pontische Haupt-Fahne wehete. Weil nun Polemon zum weichen viel zu edel war / kamen beyde Könige selbsthändig an einander / und Ariobarzanes traf mit einem Wurff-Spiesse den Pontischen König so sehr / daß er ohnmächtig zu Boden fiel. Sein Volck ward hierüber so bestürtzt / daß es gleicher gestalt die Flucht ergriffen / und seinem Feinde den völligen Sieg eingeräumet hätte / wenn nicht Erato / oder ietzt wieder der junge Artaxias / nach dem Bardanes und Artafernes dem Cosrhoes genungsam schien gewachsen zu seyn /seinen Flügel genommen / und dem Polemon zu Hülffe kommen wäre. Dieser machte den Pontischen Völckern nicht alleine Lufft ihren König aus den feindlichen Händen und unter den Pferden herfür zu ziehen /sondern auch ein Hertze die Wunden ihres Fürsten /und den Schimpf ihres Verlusts zu rächen. Ariobarzanes aber kriegte als ein großmüthiger Löw durch Erblickung seines zweyten Feindes ein zweyfaches Hertze / und bemühte sich nach Fällung des Pontischen Königs auch den neuen Heerführer zu stürtzen. Erato hob bey der ietzt gleich wieder aufgehenden Sonnen mit allem Fleiß den Helm empor / umb sich dem Ariobarzanes zu erkennen zu geben; rief hiermit: Sihe hier deinen Neben-Vuhler / der wie er dir Arsinoen aus den Klauen gerissen hat / also nun auch deinen übermüthigen Geist ihrer betrübten Seele zu gerechter Rache aufopfern wird. Ariobarzanes / der die Fürstin Erato also gleich erkennete / gerieth hierüber in höchste Verwirrung / und die ihn in der Seele beissende Anredung machte ihn fast rasend. Beyde griffen einander wie wütende Panther an / das abflüssende Blut aus ihren Wunden verminderte keinesweges ihre Kräfften / noch die Bemühung ihren Athem / sondern beydes vergrösserte ihre Verbitterung. Endlich gelang der Erato ein Streich ihres Schwerdtes zwischen den Harnisch in Ariobarzanens Arm / und schwächte ihn derogestalt / daß ihm der Degen entsanck. Erato schrie hierauf: Wisse nun / daß die Götter denen so lohnen / die sich in frembde Königreiche dringen /und daß ich in allewege der von dir und dem Tigranes verfolgte Artaxias sey. Ariobarzanes wolte sich nach so hefftiger Verwundung zwar zurücke ziehen; aber /weil die Meden an allen Enden zertrennet waren /ward er von seinem Feinde umringet / und / nachdem Erato ihn zu tödten verbot / ihr Gefangener. Die noch wohlberittenen Meden und auf seiner Seite stehende Armenier räumten das Feld; alle andere aber wurden entweder erlegt oder gefangen. Erato muste selbst der Blutstürtzung steuren / welche allenthalben herumb ritt / mit Stimme und Geberden wehrte / daß die Uberwundenen nicht alle durch die Schärffe der Sebeln aufgerieben wurden. Nach derogestalt erlangtem Siege war der Erato erste Sorge den Zustand des Königs Polemon zu erkundigen. Deßhalben verfügte sie sich unter sein Gezelt / traf ihn daselbst zwar lebend an / die Wund-Aertzte aber gaben ihm gantz verlohren. Erato bezeugte ihr hertzliches Mitleiden über des Königs Verwundung / wüntschte iedoch ihm Glücke zu einem so herrlichen Siege / befahl auch / umb ihm noch für dem Tode eine kurtze Freude zu machen / die Gefangenen ins Zelt zu führen. Ich erfahre nun erst /antwortete ihr Polemon / mit gebrochener Stimme /daß ich an ihr den Schutz-Gott der Pontischen Herrschafft bewirthet habe. Wolte Gott! daß das Verhängnüß nicht allhier mit meinem Leben auch meine danckbare Erkäntniß dieses Beystandes / und die Gewalt ihre Vermählung[290] mit meinem Sohne einzurichten verschnidten. Alleine es werden die unsterblichen Götter auch nach meinem Tode alles diß weißlicher einrichten / als es meine Vernunft auf dem Blate seiner Gedancken entwerffen konte. Ich sterbe gleichwohl vergnügt / nach dem die seltzamẽ Zufälle dieser Schlacht mir augenscheinliche Kennzeichen des unveränderlichen Verhängnisses abgeben / und ich mein Reich aus so grosser Gefahr und Dienstbarkeit errettet sehe. Erato machte nach menschlicher Gewohnheit dem Könige auch bẽy verzweifeltem Zustand noch einige Lebens-Hoffnung / setzte aber bey: Da es ie ja den Göttern gefiele seinẽ Heldengeist der Welt nicht länger zu gönnen / so stürbe er doch Königlich / und auf dem Bette der Helden. Er ginge unter wie die Soñe / welche noch der Erden wolthut / und sie erleuchtet / wenn sie schon selbst verfinstert würde. Er hätte seinen Lebens-Athẽ daran gesetzt / wormit so viel tausend unglückselige wieder Lufft schöpfen könten. Sein Fall erhielte nicht nur gantze Geschlechter /sondern 3. Königreiche auf den Beinẽ / ja seine todte Leiche wäre gleichsam ein Ancker / der Asien für dem äusersten Schiffbruche bewahrete. Unter dieser Rede des Artaxias ward Ariobarzanes und viel andere fürnehme Gefangenen für des Polemons Bette gebracht. Unter diesen war ein ansehnlicher eißgrauer Mann /welcher bald den Polemon / bald den Ariobarzanes höchst-erbärmlich ansahe / und seine Wangen mit häuffigen Thränen überschwemmete. Polemon hatte ein hertzliches Mitleiden mit diesem Greise / und weil seine Geberdung ein grösser Leid / als seine Gefängnüß verursachen konte / anzuzeigen schien / fragte er umb die Ursache; redete ihm auch zugleich ein: Ein Held müste in beydem Glücke einerley Gesichte behalten; in der Gedult bestünde die halbe Weltweißheit / zudem wäre er ein Gefangener der Menschen / keiner Tieger-Thiere. Pharasmanes (also hieß dieser Alte) seufzete / und fing an: Seine Thränen rührten von keiner Kleinmuth / weil sein Hertze das Unglück sein Lebtage wol hätte verdäuen lernen / sondern vom Mitleiden über einen so unglückseligen Vater / und einen Erbarmens-würdigen Sohne her. Polemon fragte: Wen er denn meynte? Pharasmanes antwortete: Den auf dem Todten-Bette vergehenden Polemon /welchem die unbarmhertzigen Götter nur deshalben am Ariobarzanes einen so tapfern Sohn gegeben hätten / wormit er durch seine eigene Faust sterben könne. Der ohnediß von so viel verspritztem Blute entkräfftete Polemon erschrack hierüber so sehr / daß er in Ohnmacht sanck / und man durch langes Kühlen ihn kaum ein wenig wieder zurechte bringen konte. Hierauf redete er den Pharasmanes zitternde an: Er solte einem Sterbenden doch nicht die Warheit verschweigen / sondern aufrichtig melden: Ob Ariobarzanes sein Sohn wäre / und wie er diß seyn könte? Ich rede die unverfälschte Wahrheit / versetzte er; aber ich sehe / daß es ein unveränderlicher Schluß der Götter gewesen / daß Ariobarzanes seinen Vater tödten müste. So bald ich zu Cyropolis / wo ich Königlicher Stadthalter gewest / den zwischen dem Polemon und Ariobarzanes sich anspinnenden Krieg vernommen /ist mir mein Hertze kalt worden / und Ariobarzanes wird zu sagen wissen / was für einen beweglichen Brief ich / weil ich Alters halber so schnelle nicht reisen konte / ihm geschrieben / und ihn umb sein und seines Stammes Wolfahrt willen gebeten: er wolle es zu keiner Thätligkeit zum minsten so lange nicht kommen lassen / biß ich selbst ins Lager käme / weil ich ihm ein keiner Feder vertrauliches Geheimnüß zu entdeckẽ hätte. So viel er ietzt nun ihm erzehlen liesse / wäre das Schreibẽ nicht allein zu rechte ko en; sondern es hätten auch beyde Könige eine gütliche Unterredung miteinander beliebet / er wüste aber nicht /was für ein Zufal diesen heilsamen Fürsatz in so ein jämmerlich Blut-Bad verwandelt. Es ist wahr / hob der bißher gantz verstummete Ariobarzanes an. Dieses friedliebenden[291] Alten Ermahnung / die ich so wenig als Göttliche Weissagungen niemals in Wind geschlagen / bewegte mich dir / Polemon / Friedens-Vorschläge zu thun. Und wisse / liebster Pharasmanes / wir zwey kamen alleine zwischen beyden in voller Schlacht-Ordnung haltenden Heeren zusammen / wir waren auch schon bey nahe eines / als zwischen unsere Füsse eine Schlange gelauffen kam / welche uns nöthigte unsere Sebeln zu blössen / und / umb uns ihrer zu erwehren / auf selbte zu hauen. Unsere zum Streit begierige Heere bildeten ihnen ein / wir tasteten einander an / fielen daher Augenblicks als der Blitz an einander / und / weil der Grimm weder Augen noch Ohren hat / mochten wir weder mit Zureden noch Zeichen sie zurücke halten / sondern / nachdem dieser Sturm schon unmöglich zu hemmen war / muste ieder nur auf seiner Seite das beste thun. Pharasmanes fing überlaut an zu ruffen: Ihr grimmigen Götter! Habt ihr / oder die höllischen Unholden diese Schlange dißmal ausgeschickt? Habt ihr diesem unfüssigtem Thiere dessenthalben solche Geschwindigkeit gegebẽ / mir aber entzogẽ / wormit jenes das Gift der Zwytracht unter euch streuen / ich aber durch meinen Bericht nicht den abscheulichen Vater-Mord verhüten möchte! Wormit mich aber niemand eines Getichtes beschuldige / so verschweige / Polemon / dem hiervon nichts wissenden Ariobarzanes nicht / daß dir die Königin Dynamis auf einmal einen Sohn und Tochter gebohren? Ist es nicht wahr / daß dir die Götter wahrgesagt: Du würdest von deines Sohnes Händen sterben? Sage / hat dich diß nicht bewegt diß Kind von deinem Hofe zu schaffen / nachdem die Mutter ihm kaum das Leben erbitten konte? Hat dir aber Dynamis mitlerzeit nicht offenbaret / so wird sie es noch thun müssen /daß sie diß Söhnlein der Pythodoris einer nicht weit von hier wohnenden Frauen zum erziehẽ anvertrauet? Hat sie dich nicht berichtet / daß / als du zu Rom gewest / dein Töchterlein Arsinoe verstorben / sie aber das verstossene Söhnlein wieder nach Hofe genommen / und unter dem Nahmen Arsinoe auferzogen habe? Polemon verwunderte sich / wie Pharasmanes in allem so genau eintreffe; gestand auch / daß Dynamis ihm letzthin / als Ariobarzanes Heyrath eben deßwegen rückgängig worden / diese Umbwechselung eben so zugestanden hätte. Pharasmanes fuhr hierauf fort: Aber so wol du / als Dynamis / stecken in einem grossen Irrthume / wenn ihr glaubet / daß das von der Dynamis zurück genommene Kind das eurige gewest sey. Höret nun den wahrhafftigen Lauff der Dinge: Als der berühmte König der Meden Artavasdes von dem Armenischen Könige Artaxias und seinen Parthischen Hülffs-Völckern aus Armenien verjagt / und nach Verlust der Städte Arsacia / Cyropolis / Europus / biß an die Stadt Ecbatana ins Gedränge getrieben ward / trug er in Mangel selbeigener Söhne / für seinen kaum jährichtẽ Enckel Ariobarzanes / welchen seine dẽ jungẽ Alexander des Antonius und der Cleopatra verheyrathete Tochter Jotape zu Alexandria geborẽ / der Kaiser ihm aber mit ihr zurück in Meden geschikt hatte / grosse Sorge; befahl daher mir diß Kind auf alle Weise und Wege aus den Händen der Feinde zu retten. Ich nahm meine Zuflucht alsofort in des Königs Polemons Gebiete / und ließ mich in der Haupt-Stadt des kleinern Armeniens Satala nieder. Daselbst ward ich bekant mit oberwehntem Pythodoris / derer Ehherr ein Jahr vorher verstorben war / und / weil gantz Meden frembde Dienstbarkeit trug / verlohr ich alle Begierde in mein Vaterland zu kehren /heyrathete also diese edle Armeniern. Wenige Wochen darnach starb das mir vom Artavasdes anvertraute Kind / worüber ich in Trost-loses Trauren versanck. Dieses ward vergrössert durch einen Befehl von der Königin Jotape / daß ich von Stund- an mit dem jungen Ariobarzanes nach Antiochia kommen solte / weil der Kaiser sie mit ihrem Kinde in Schutz genommen hätte.[292] Ich wuste meinem Leide kein Ende /weil Jotape mir leichte die Verwarlosung ihres Kindes zurechnen konte. Noch mehr aber war es mir um Jotapen zu thun / welche zweiffelsfrey für Leide sterben würde / wenn sie mit diesem Kinde den gantzen Medischen Stamm abgestorben sehen solte. Ein ander gemeines Kind Jotapen für ihren Sohn unterzustecken /und vielleicht mit der Zeit selbtes zu einem Könige der Meden und meinem selbst eigenen Herrn auffzuthürmen / schien mir ein allzu leichtsinniger Betrug /und ein Fallbret der allgemeinen Wohlfarth zu seyn; Weil doch im Geblüte des Pöfels kein Helden-Feuer steckt. Diesem nach setzte ich auffs beweglichste an die Pythodoris / daß sie mir des Polemons ohne diß verworffenes Kind / als von welchem sie mir die Heimligkeit kurtz vorher eröffnet hatte / zustellen /ich aber Jotapen überbringẽ könte. Pythodoris kam schwer daran / gleichwohl aber gewan ich sie durch allerhand dienliche Ursachen; insonderheit / daß dieser Verwürffling seiner Eltern zu seinem Glücke in einen andern ansehnlichen Stammbaum eingepflantzet / Polemon durch diese Entfernung in mehr Sicherheit gesetzet würde. Also zohe ich mit diesem Knaben nach Antiochia / welches Jotape mit tausend Küßen für das ihrige annahm / und dem damahls sich daselbst befindenden Tiberius ihn als den letzten Zweig von des Astyages Geblüte bestens empfahl. Tiberius /ob er zwar sonst dem Geschlechte des Antonius nicht gut war / ließ dennoch überaus grosse Gewogenheit gegen Jotapen und ihren Sohn spüren / brachte ihr auch beym Kayser einen jährlichen ihrem Herkommen anständigen Auffenthalt / eben so / wie ihn der verjagte König der Parthen Tiridates gegeben hatte / zu wege. Dieser Tiridates halff auch selbst nicht wenig zu tugendhaffter Erziehung des vermeinten Ariobarzanes. Wie nun König Artaxias von seinem Bruder Artavasdes meuchelmörderisch hingerichtet / also die Medische Krone erledigt ward / schickte Tiberius etliche Legionen mit Jotapen und ihrem Sohne in Meden / ließ den Reichs-Ständen die Tapfferkeit dieses aus ihrem Königlichen Geblüte entsprossenen Fürsten fürhalten; Tiridates thät auch das seinige darbey / und also kam er anfänglich auff den Medischen / hernach durch Hülffe des in Armenien vom Käyser geschickten Cajus auff den Armenischen Thron. Jedes Wort dieser Erzehlung rieß die Zuhörer / insonderheit den Polemon und Ariobarzanes in tieffe Verwunderung /fuhr Salonine fort; alle sahen einander stillschweigend an / wusten auch fast nicht sich zu besinnen / ob ihnen träumte / oder Pharasmanes Mehre erzehlte. Dieser aber wendete sich zum Polemon mit diesen Worten: Ich weiß nicht / ob ich dieses Stillschweigen für ein Zeichen des Zweiffels oder Beyfalls annehmen soll? Ich will aber meine Erzehlung durch den Augenschein wahr machen. Ist es nicht wahr / Polemon /daß die Nachkommen des grossen Mithridates das Zeichen der Caßiopea mit auf die Welt bringen? Polemon verjahete es nicht allein / sondern wieß solches auch auff seinem lincken Arme. Wohlan denn / es weise Ariobarzanes nur sein linckes Schulterblat / so wird sich eben dieses klar zeigen. Ariobarzanes schüttelte das Haupt / und meinte / daß er von diesem Geheimnisse / welches er doch an seinem eignen Leibe tragen solte / nichts wüste. Pharasmanes blieb darauff feste beruhen / und drang darauff / daß er sich an solchem Orte entblössen solte. Als dieses erfolgte / wieß er zu aller Anwesenden höchster Verwunderung auff Ariobarzanens Schulter eben so rothe und in gleicher Ordnung stehende Stern-Mahle / wie sie die Caßiopea am Himmel / und Polemon auff dem Arme hatte. Dieses unwidersprechliche Kennzeichen erweichte die Hertzen beyder Könige / daß sie mit tausend Thränen einander umhalseten / insonderheit aber Ariobarzanes fußfällig seine Beleidigung dem Vater und den[293] Göttern abbat. Die Fürstin Thußnelda fiel Saloninen in die Rede: diese Geschichte ist gewiß seltzam und denckwürdig / aber noch mehr wunderns-werth düncken mich die erzehlten Stern-Mahle zu seyn. Wiewohl ich weiß / daß Käyser Augustus so / wie etliche seiner Vorfahren / den gestirnten Bär auff der Brust habe / und ich erinnere mich / daß in Sarmatien ein Geschlechte sey / in welchem alle eine Bären-Tatze mit aus Mutterleibe bringen. Salonine begegnete ihr: die beständige Fortpflantzung einerley Zeichens rührte Zweiffelsfrey aus keinem andern Ursprunge / als woher die so gemeine Aehnligkeit der Eltern und Kinder käme. Sie hätte aber einst von einem Chaldeer gehöret: Daß ieder Mensch desselbigen Gestirns Merckmahle an sich trüge / was bey seiner Geburt gleich auffginge; die Unachtsamkeit aber der Leute liesse es aus der acht solche wahrzunehmen. Erato wolte nach so langem Zuhören endlich auch einmahl ihre Zunge lösen / und fing an: Die Natur spielte in Muscheln /welche an Vielheit der Farben und künstlicher Vermischung die Gemählde des Apelles wegstechen; an Steinen / darinnen man nicht nur gantze Landschafften / sondern auch völlige Geschichte sehe; an Pflantzen / welche Schaafe und andere Thiere / ja Menschen männ- und weiblichen Geschlechts abbildeten; im Gesäme / im Gewürme so wunderlich; also wäre sich so sehr nicht zu verwundern / daß in der kleinen Welt-Karte der gantzen Natur dem Menschen man so seltzame Bildungen antreffe. Sie hätte sich iederzeit noch mehr verwundert über etlichen einem und dem andern Geschlechte angestammten Würckungen; als daß die Ophiogenes im Hellespont die Schlangenbisse mit blosser Anrührung der Hand / die Psyllen in Africa mit dem Speichel geheilet / daß die Einwohner der Stadt Tentyra in Egypten eine angebohrne Gewalt die Crocodile zu zähmen haben; daß Exagonus zu Rom /als er in ein gantz Faß voll Schlangen geworffen /ihnen alle Krafft zu schaden geno en; daß der Epirotische König Pyrrhus mit seiner grossen Zähe durch blosses Anrühren alle Schwäre des Mundes / und die Könige in Gallien biß auff des Induciomarus Söhne mit dem Finger alle Kröpffe vertrieben. Salonine lächelte / und sagte: Ich würde durch die Ausführung dieser seltzamen Würckungen / welche fast in allen Welt-Geschöpffen zu finden sind / verhindert werden / den Faden meiner Erzehlung abzuschneiden; also muß ich mit ihrer gnädigen Erlaubniß vollends nicht zurück lassẽ: daß der unglückselige Polemon zwischen den Umarmungen und Küssen seines Sohnes den Geist ausbließ / das Pontische Kriegs-Heer aber Ariobarzanen unter dem Namen des zweyten Polemon für ihr Haupt / und also die Uberwinder ihren Gefangenen für ihren König erklärten. Hingegen trug Artafernes / als er sahe / daß das weibliche Geschlechte der Erato schwerlich länger verschwiegen bleiben konte / den Armeniern für: Sie hätten die Heldenthaten ihres Artaxias numehr gesehen / von welchem er aber nicht verhalten könte / daß nach dem Verlust des warhafften Fürsten Artaxias ihr König seine Tochter Erato für seinen Sohn aufferzogen habe. Alleine die Klugheit und Tapfferkeit / die zwey Grund-Seulen der Königreiche / wären so wohl ein als anderm Geschlechte gemein. Das Frauenzimmer habe das Hertz eben da / wo es die Männer hätten / und dieser ihres wäre von keinem bessern Zeuge als jener. Ihre weichen Hände wären nicht nur für Seide und Wolle gewiedmet / sondern auch zu den Schwerdtern und Lantzen geschickt. Ja man spürte die absondere Schickung des göttlichen Verhängnißes / daß wenn dieses ein zu Grunde sinckendes Reich wieder auffrichten wolle / selbtes weder die Armen der Riesen /noch die Köpffe der Staatsklugen / sondern zu Demüthigung der Sieger / zu Erholung der Uberwundenen / zu Wiederbringung der Freyheit / und[294] Ergäntzung des Schiffbruchs schwache Weiber und zarte Mädgen erkiese. Zwar hätte die Fürstin Erato alle Tugenden der Männer / und keine Schwachheiten des weiblichen Geschlechts an sich / also / daß sie länger als Semiramis ihr Geschlechte würde verborgen halten können; aber ihre Redligkeit vertrüge keine Larve / ihre Vollko enheit dörffte keinen falschen Schein / und sie wüste / daß wie die zum Schein angenommenen Tugenden schädlicher / als die öffentlichen Laster / also auch die Verstellungen seines Geschlechtes Kennzeichen eigenen Mißtrauens und verdächtige Bländungen der Arglist wären. Mit diesem nachdrücklichen Einhalt brachte es Artafernes bey denen ohne dis geneigten Armeniern unschwer dahin /daß sie die unvergleichliche Erato für eine rechtmäßige Stuel-Erbin ihres Vaters Artaxias / und für eine Königin Armeniens erklärten / ihr auch auf der Wahlstatt / als der Schau-Bühne ihrer Wunderwercke die Krone auffsetzten. Massen denn Ariobarzanes / oder nunmehr Polemon solche ihr als ein rechtmäßiges Erbtheil eigenbeweglich abtrat. Nachdem zumahl die Götter ihm so unverhofft die Pontischen Königreiche zugeworffen hatten. Wiewohl kurtz hierauff die Meden / nachdem sie vernahmen / daß Ariobarzanes nicht des Artavasdes Enckel / sondern ein Fremder wäre / und ein Geschrey auskam / daß er auff dem Rückwege nach Sinope bey Durchschwemmung eines Flusses ertruncken wäre / sich seiner Herrschafft entschütteten / und aus blosser Begierde der Neuigkeit sich lieber einem Römischen Landvogte zum Sclaven machen / als eines tugendhafften Königs Unterthanen bleiben wolten. Hingegen ward die Königin Erato zu Artaxata mit unbeschreiblichem Frohlocken des Volckes angenommen. Als Salonine über dieser Erzehlung ein wenig Athem holete / fing die Fürstin Ismene an: Wenn ich am Ariobarzanes die unvermeidliche Entleibung seines Vaters Polemon / am Polemon die vergebliche Vorsorge diß zu vermeiden / was ihm so vielmahl war geweissaget worden; an der Fürstin Erato die ihr fast nie geträumte Erhöhung bey mir erwege / werde ich gleichsam wider Willen zu glauben gezwungen / daß der Mensch nicht seines Glücks Schmied sey / noch daß sein Begiñen und desselbten Ausschläge ihren Hang von seinem freyen Willen /sondern dieser einen unveränderlichen Zwang / und alle Begebenheiten ihre Bewegung und Gewichte von dem Verhängnisse habe. Denn ich glaube nicht / daß iemand unter uns noch so vorsichtig / als Polemon ihm seinen Sohn vom Leibe gehalten; daß iemand unbarmhertziger / als Dynamis gegen ihr Kind gewest; daß einige unter uns die ohne Meldung der Ursache geschehene Verweigerung seiner Braut unempfindlicher / als Ariobarzanes / auffgenommen / oder sich zu einem Vergleiche friedlicher geschickt hätte / als das Verhängniß die Schlange schickte die geschlossene Eintracht zu zerbeissen. Welch Beyspiel aber nicht nur alleine diese Meinung beglaubiget / sondern sie sind unzehlbar; also musten die doch so vorsichtigen Dorienser wider Willen den Codrus umbringen / und der sich doch für diesem ihm wahrgesagten Laster nach Rhodis flüchtende Althaemenes seinen ihm nachkommenden Vater den König in Creta tödten. Salonine antwortete: Manche Zufälle haben freylich wohl den Schein / als wenn sie von einer Nothwendigkeit des Verhängnisses herrührten / in dem die darwider angewehrten klügsten Anstalten nichts fruchten / die allermeisten aber zeigten schier augenscheinlich / daß sie nur ungefehr geschehen / daß Gott / welcher insgemein als die erste Ursache aller andern das Verhängniß selbst wäre / sich um die irrdischen Dinge zu bekümmern ihm allzu verkleinerlich hielte / indem sonst die Boßhafften nicht Schoos-Kinder / die Frommen aber Verwürfflinge des blinden[295] Glücks seyn würden. Ja wenn auch unsere Vernunfft einige Botmäßigkeit über unser Thun hätte / würden die Albern nicht über dem gewünschten Ausschlage ihrer tummen Anschläge frolocken / die Weisen aber die klügsten Entschlüssungen zu Wasser werden sehen. Als ich nach so vielen der Königin Erato und mir begegneten Glücks-Wechseln unvermeidlich mit dem weisen Epicur die Versehung des Verhängnisses für nichts anders / als für Träume der Wachenden / und einen elenden Trost krancker Gemüther / ich mag nicht sagen /für abergläubige Mährlein alter Weiber zu halten gezwungen werde. Die Königin Erato fiel Saloninen selbst in die Rede / sie fragende: Was für ein Unstern ihre hohe Vernunfft in einen so verdammlichen Irrthum verfallen liesse / welchem sie in ihren heilsamen Lehren mehrmahls selbst widersprochen? Ob sie sich nicht auff die nachdencklichen Trost-Reden besinnete / mit welchen sie die Ohnmacht ihres bestürtzten Gemüthes auffgerichtet? Ob sie die Bewegung der Sterne / den Lauff der Sonne / das Wachsthum der Früchte /und die einträchtige Ubereinstimmung der Natur für nur ungefähr nicht aber vielmehr in so richtiger Ordnung geschehende Dinge erkennete? Salonine versetzte: Die Erfahrung machte einen immer klüger / mit den Jahren und dem Himmel änderte man die Gedancken / und die letzten Meinungen wären ins gemein die besten. Auch wäre unverneinlich / daß in dem Lauffe der Natur alles in der Ordnung seinen Fortgang behielte / wie der Schöpffer der Welt solche Anfangs in ihr grosses Uhrwerck eingepflantzt. Es hinge alles wie die Ringe oder die Glieder in einer Kette aneinander / und hätte es dieser allerweisseste Werckmeister derogestalt befestiget / daß kein Drat zerreissen / und kein Glied zerbrechen könte. Viel anders verhielte sichs aber mit des Menschen Gemüthe und Willen / welchem das Verhängniß seine Freyheit gelassen / und die Willkühr zu seinem Führer gemacht hätte / wie der Steuermann in einem Schiffe wäre. Wie nun diese allzu blind wäre allezeit den rechten Weg zu erkiesen / und daher so viel Anstalten in Brunn fielen; also wären sie so wetterwendisch / und deßwegen alle künfftige Dinge so ungewiß / daß Carneades gemeint / Apollo hätte von selbtem / ausser in denen vom Lauffe der Natur eintzig herrührenden Begebenheiten / keine Wissenschafft. Dannenhero Tiresias aus den Eingeweiden denen von der Pest vergehenden Thebanern nicht zu wahrsagen wuste / wer der Todschläger des Lajus wäre; also / daß bey solcher Unwissenheit der Wahrsagergeist / des Lajus Geist durch Zauberey aus der Hölle beruffen werden muste. Aus welchem Grund nicht wenig Weisen so gar dem Jupiter der künfftigen Dinge Wissenschafft abgesprochen hätten; sintemal diese gleichsam des Menschen freyem Willen einen Kapzaum anlegen / oder selbten vielmehr gar auffheben würde. Denn was Gott gewiß vorsehe / müste unveränderlich; also / daß selbte nicht dem veränderlichen Willen des Menschen unterworffen seyn / und könte er nicht / diß nicht thun /was er schon vorher gewiß wüste / daß es geschehen würde. Ismene brach Saloninen hier abermahls ein: Ihre eigene Geschichts-Erzehlung überwiese sie durch die dem Polemon begegnete Wahrsagungen / daß Gott alles künfftige / was gleich nicht von der Ordnung der Natur herkäme / sondern insgemein dem Glücke zugeschrieben würde / eigentlich wüste / und daher würde der Mensch freylich durch solche unveränderliche Vorsehung gezwungen eines oder das ander zu thun / wäre also die Tugend mehr eine Gabe / die Boßheit eine Straffe des Verhängnisses / als ein Werck unsers freyen Willens. Ja das Verhängniß binde so gar die Götter / und hätte Jupiter selbst seinen Sohn Sarpedon aus den Händen des Patroclus /und den Banden des[296] Todes durch viel Bemühung zu erretten nicht vermocht; als welcher selbst an das Spinnwerck der Parcen nichts anders / als ein Sclave an die Fässel angebunden / und dem Verhängnüsse /welches er einmal als ein Gesetze dem Himmel für geschrieben hätte / allezeit zu folgen schuldig / und also einer Nothwendigkeit unterworffen wäre. Zumal Unwissenheit / und Veränderungen des Willens einer Gottheit unanständige Schwachheiten wären. Dieses wäre der älteste Glaube in der Welt; und daher finde man niemals in denen vermerckten Versammlungen der Götter / die blinde und unbeständige Göttin des Glückes / welche mit dem Verhängnüsse nicht bestehen könte / sondern nur ein Gespenste irrdischer Gedancken wäre. Die aber / die sie endlich zu einer Tochter des Jupiters machten / hätten damit nichts anders angedeutet; als daß die vom Verhängnüsse geschlossene Nothwendigkeit in den Augen der unwissenden Menschen ein Zufall des Glückes schiene zu seyn. Dahero der kluge und tapffere Timotheus seine grosse Thaten durchaus nicht für ein Geschencke des Glückes / noch diß für eine Gottheit erkennen wolte; Sondern / als seine Neider ihn als einen Schlaffenden abmahlten / bey welchem das Glücke Wache hielte /in einem Netze allerhand Festungen an sich züge /und ihren Fang in des Timotheus Schoß ausschüttete /begegnete er ihnen mit dieser scharffsinnigen Antwort: Hätte er diß schlaffende ausgerichtet / was würde er allererst ausüben / wenn er wachen würde? Salonine warf ein: Der viel grössere Timoleon / der das sich erschütternde Sicilien auf festen Fuß gesetzt /und das feste Carthago erschüttert / hätte alle seine Siege dem Glücke gedanckt. Die Römer hätten sie für ihre erstgebohrne Gottheit verehret / ihr die meisten Priester und Heiligthümer gewiedmet / ihr grössere Kräffte als der Tugend zugeeignet / und sie für die oberste Uhrheberin des Römischen Reichs erkennet. Zu Smyrna hätte sie ihr eine Himmels-Kugel auf dem Haupte tragendes / und ein Horn des Uberflusses haltendes Bild in einem herrlichen Tempel anbeten sehen; welches die Priester selbst dahin ausgedeutet hätten / daß sie alles beherrschte und fruchtbar machte. Die Königin Erato hielt sich numehr auch genöthigt ihr Wort dazu zu geben / und fing an: Es ist unglaublich / daß Timoleon / die Römer / oder einige Weltweise iemahls unter dem Nahmen des Glückes diß / was der Pösel daraus macht / verstanden habe. Denn dieser nennet alles diß / was ungewiß ist / das Glücke; bildet ihm auch ein / alles diß sey Ungewißheit / was das Verhängnüß entweder für menschlichen Augen verbirgt / oder ihr blödes Gesichte nicht erkiesen kan. Da hingegen alle Klugen / welche iemahls das Glücke als was göttliches angebetete gegläubt haben: daß eben diß / was auf der Erde das Glücke heist / im Himmel das Verhängnüß oder die göttliche Versehung genennt werde. Hätte der angezogene Timoleon alles sein Beginnen blinden Zufällen zugeeignet / würde er schwerlich eines Priesters Traum sich haben bewegen lassen / auf einem absondern Schiffe die Ceres und Proserpina in seinem Kriegs-Zuge nach Sicilien zu führen. Er würde selbst nach Delphis nicht gereiset seyn / und dem Apollo seine Andacht aufgeopffert / weniger würde ihn daselbst im Tempel zu einem Glücks-Zeichen eine Opfer-Binde von den aufgehenckten Geschencken sein Haupt umschlinget /und er gleichsam von der verehrten Gottheit einen Sieges-Krantz zu vorher überkommen haben. Die Römer hätten aus keinem andern Absehen dem Glücke als einer erstgebohrnen / ferner als einer starcken /als einer vielbrüstigen / und als einer himmlischen Göttin so viel Tempel gebaut; als in dem ersten die ewige / in dem andern die allmächtige / in dem dritten die milde Gottheit der Versehung / in dem letzten aber ihren Uhrsprung abzubilden; als welche von den meisten Menschen alleine[297] angeruffen / und über alle andere Götter gesetzt würde / welche in allen Dingen das Kraut alleine machte. Dahingegen alle Kluge das Glücke des Pöfels / welcher selbtes sobald wieder lästert / und ihm seine eigene Fehler aufhalset / als anbetet / für ein blosses Unding verworffen / weniger selbtem geopffert haben. Und erinnere ich mich eines Gemähldes dreyer so genennten Närrinnen / darinnen die Weißheit die erstere / nehmlich die Verläugnerin der Götter ins Tollhauß an eine Kette / die andere /nemlich die weissagende Sternseherin in eine Klause zum Gebrauche der Niesewurtz / die dritte / nehmlich das gantz entblöste Glücke ins Zucht-Hauß zur Ruthe verdammte. Die Fürstin Thusnelde meinte aus Begierde die unterbrochene Geschichts-Erzehlung von der Königin Erato vollends zu vernehmen; dem erwachsenen Stritte einen rechtmäßigen Ausschlag zu geben /sagte also: Siewäre dißfalls der Königin Meinung /daß kein ander Glücke / als die göttliche Versehung den Nahmen einer Gottheit / diese aber keine Lästerung verdiene / sondern in ihren Wercken lauter Gewißheit und Gerechtigkeit stecke; ob sie schon niemand mit feinem Verstande zu erreichen vermöchte. In dem Haupt-Stritte aber däuchtete sie / daß so wol ein als das an der Theil den Bogen seiner Meinung zu hoch spannte. Denn das göttliche Verhängnüß wäre zwar der erste Bewegungs-Grund aller Dinge; Gott sehe all unser Thun unveränderlich vorher / und hätte es gesehen / als die Natur sein Kind / und nichts zu etwas worden wäre. Alleine dieses alles hätte keinen Zwang in sich / und bürdete dem Menschen keine Nothwendigkeit diß gute / oder jenes böse zu thun auf; sondern es behielte unser Wille seine vollkommene Freyheit. Denn Gott hätte nur deßhalben unser Glück und Unglück so gewiß vorher gesehen; weil ihm zugleich oder vorher schon unter seine Augen geleuchtet hat / was wir von der Geburt biß in den Todt böses oder gutes entschlüssen würden. Unsere heutige / oder die von der Nachwelt Gott bestimmte Andacht wäre ihm so wenig neu / als diß / was uns oder den Nachkommen begegnen soll. Jene siehet das Verhängnüß als die Ursache / dieses als die verdiente Würckung vorher. Daher es die gröste Unvernunfft wäre / wenn die ruchlose Verzweiffelung es für einerley halten wolte: ob man boßhafft oder tugendhafft sey? Und wenn sie ihr Thun einem geträumten Nothzwange des Himmels unterwirft. Sehen nicht die Sternseher auf tausend Jahr die Sonnen- und Monden-Finsternüsse / und zwar unveränderlich vorher? Gleichwol aber haben sie nichts weniger / als einen Zwang über die Gestirne. Wir sehen von denen Leuchte-Thürmen den Schiffbruch eines auff Stein-Felsen vom Ungewitter getriebenen Schiffes für Augen. Wer wolte aber diesen insgemein mitleidenden Zuschauern den Zwang solchen Unglücks beymessen? Diesem nach der weise Zeno dem Diebe /welcher mit der Versehung sein Laster zu entschuldigen vermeint / vernünfftig geantwortet: Daß er auch zu der Straffe versehen wäre. Dieses ist meine einfältige Meinung / iedoch eine vielleicht desto unschuldigere. Sintemahl allzu verschmitzte Außlegungen in so tieffsinnigen Dingen selbte mehr verfinstern / als erklären; und wo Fragen von Gott mit einlauffen / eine fromme Einfalt mehr Ruhmes verdienet / als ein scharfsinniger Vorwitz.

Jederman ward hierdurch derogestalt bestillet / daß weder Ismene noch Salonine dieser klugen Fürstin einigen Gegensatz zu thun rathsam hielt; sondern diese kam wieder auf ihre Armenische Königin / und erzehlte / wie sie ihre Herrschafft auff die Pfeiler der Gerechtigkeit und Güte gegründet / hierdurch aber den Ruhm erworben hätte: Das Armenische Reich wäre unter ihr so wohl / als vorher niemahls befestiget werden; ja es hätte nach so langer Unruh allererst[298] Erato das sich stets umbweltzende Rad des Glückes zum Stande gebracht. Aber / rief sie / ach! daß die Tugend und Glückseligkeit nicht einerley Geburts-Stern haben! daß Hoheit und Bestand so gar abgesagte Feinde sind! daß die Kronen auswärts einen so herrlichen Glantz / in sich aber so viel Stacheln einer unerträglichen Schwerde haben! Erato seuffzete hierzu / und fing an: Ja leider / ich habe es in kurtzer Zeit erfahren / daß die Unvernunfft nach Zeptern strebe /die man wegwerffen solte; daß der Pöfel die anbete /welche er zu beweinen hätte; daß die Thorheit nur die Glückseligkeit in Gestalt einer gekrönten Königin abmahle. Der Neid zehlet alle Körner Weyrauch / die die Unterthanen ihrer Herrschafft anzünden / die Mißgunst verwandelt kein Auge von den Opffern / die man den gekrönten Häuptern schlachtet; aber die Räder ihrer Unruh / die Nägel ihrer Sorgen / die Thränen / welche ihre Larve / die Wunden / die ihr Purpur verdeckt / und die Fallbreter ihres Untergangs übersiehet sie. Ich / ich habe leider allererst erfahren / daß Kron und Zepter nichts als ein Werckzeug der Gauckeley / und der Purper nur zum euserlichen Ansehn /und blöde Augen zu betrügen so gläntzicht sey; daß in diesem Schauspiele es / wie in den andern / der Zuschauer besser habe / als der einen Beherrscher der Welt auf der Schaubühne fürstellet. Thusnelde / theils Saloninen wieder zu der Geschichte zubringen / theils die Königin Erato von ihrer Empfindligkeit abzuziehen / zohe die Achseln ein / und sagte: Wir alle / die wir auf die Staffeln der Ehre treten / müssen uns keine Zufälle seltzam fürkommen lassen / sondern aus denselben / wie ein Kriegsmann aus vielen Wunden / und ein Schiffer aus öffteren Stürmen unsern Ruhm ziehen. Der Fürsten-Stand ist so wenig als hohe Gebäue den Ungewittern unterworffen; Der Scharlach der Könige hat so wol als der Purper der Rosen seine Dornen / und hohe Häupter rinnen so wohl von Thränen / als Gebürge von Qvell-Wasser. Es giebt so wohl Krancke in Pallästen / als in Siechhäusern; beyde aber sind in viel besserm Zustande / als die glückseligsten Missethäter. Diesem nach müssen wir mit unser Gedult uns unsere Bitterkeiten versüssen; und durch unsere Hertzhafftigkeit den schwachen ein Licht aufstecken. Denn in Warheit die Tugend hat nichts minder auf dem Throne mehr / denn in einem Fasse des Diogenes Gelegenheit durch ihr Beyspiel andern fürzuleuchten /als ein hoher Pharos irrenden den Weg zu weisen. Ja /fing Erato mit ein weniger Bewegung an: Es lassen sich alle Betrübnüsse vergessen / alle Unglücks-Pillen verschlingen; aber die Verläumdungen / da man uns Laster antichtet / da man uns der Welt als Ungeheuer fürbildet / können auch die großmüthigsten nicht verkäuen. Thusnelde antwortete: Ein gutes Gewissen ist auch diese / so wohl als Strausse das Eisen / zu verdäuen mächtig. Weder Krone noch Tugend hat einen Schirm-Brief wider die Lästerung. Die Hunde bellen den reinen Monden an / und die Grillen schwirren wider den Himmel. Man hat den schönsten Gestirnen Nahmen und Gestalten wilder Thiere zugeeignet; ja es ist fast kein Stern / dem man nicht einen Fehler / oder eine schlimme Würckung beymist. Gleichwol aber üben sie keine Rache; die Sonne scheinet so wohl über die Mohren / die sie verfluchen; als über die Persen / die sie anbeten / und die Gestirne erleuchten die Erde / die sie mit ihren aufsteigenden Dünsten verfinstert. Jedoch will ich ihre Beschwerde keines Unrechts beschuldigen / biß Salonine den Fürhang von dieser Trauer-Bühne werde weggezogen haben. Diese richtete sich wieder in ihre Erzehlung ein / und meldete: Die erste Herrschung der Erato hatte / ausser dem /daß sie des Fürsten Zeno / ja dieser eines Königlichen Vaters und dreyer Kronen durch Erkäntnüß des Ariobarzanes beraubet war / einen heuteren Himmel;[299] ihre erste Zeit war ein rechter Frühling voller Blumen ohne Stacheln und Bitterkeit. Aber es zohen bald trübe Wolcken auf / und die Wärmuth fand sich unter die süssen Gewächse. Höret aber / wie die Spinnen aus dem gesunden Saffte der Rosen so ein schlimmes Gifft saugen können! Der Bruder-Mörder / der wollüstige Artabazes hatte bey seiner Herrschaft den verdammten Gottesdienst der Anaitis / oder vielmehr den schändlichen Greuel wieder eingeführt / welchen der grosse Tigranes in gantz Armenien abgeschafft / da die edelsten Armenier ihre schönsten Töchter in der Anaitis Tempel / und in die dabey zu aller Uppigkeit angerichteten warmen Bäder gestellen musten; welche daselbst Finger-nackt hunderterley geile Stellugen machten / die unzüchtigsten Spiele von der Ehebrecherischen Venus und dem schändlichen Priapus fürstellten / ja ihre Keuschheit und Jungfrauschafften iedem geilen Frembdlinge gleich als ein den Göttern gefälliges und zu ihrer desto bessern Verheyrathung dienendes Opfer zu liefern schuldig waren. Die tugendhaffte Erato konte dieses abscheuliche Beginnen bey ihrer Jungfräulichen Herrschafft weder als eine lasterhaffte Gewonheit / noch weniger aber als einen Gottesdienst verhängen. Dahero schalt sie dieses Beginnen in offentlicher Reichs-Versammlung nicht nur als ein Aergernüß aller wolgesitteten Völcker / sondern auch als eine Abscheu unvernünfftiger Thiere; als welchen die Natur dieses versteckt hätte / was ihre Töchter allen Frembdlingen zu entblössen sich nicht schämeten. Alls Polyxena des Achilles Geiste hätte geopffert werden sollen / wäre sie das minste um ihr Leben / darmit aber am höchsten bekümmert gewest /daß bey ihrem Falle keines ihrer Glieder ärgerlich zu liegen kommen möchte. Käyser Julius hätte bey seiner Ermordung ihm deßhalben mit der lincken Hand seinen Rock unter die Knie gehalten. Denen Milesischen Jungfrauen hätte man ihren angemasten Selbst-Mord durch keine andere Bedräuung / als daß sie finger-nackt zu offentlicher Schaue gelegt werden solten /abgewöhnen können. Denen Armeniern aber solte die Feilbietung ihrer geheimsten Glieder nicht nur anständig / sondern so gar eine Andacht / und ein in die Heiligthümer gehöriges Gewerbe seyn; da doch zu Rom in dem Tempel der Cybele für den Kindern so gar die Gemählde der männlichen Thiere verdeckt würden /und des Lycurgus Gesetze die jungen Leute zu Sparta gezwungen hätte / ihre Hände auf den Strassen unter den Mänteln zu behalten. Auf den Spielen der Flora zu Rom hätten nur die gemeinen Huren sich entblösset; gleichwol hätten sie sich geschämet in Anwesenheit des Cato nackt zu seyn. In Armenien aber wäre diese unverschämte Unvernunfft ein Vorrecht des Adelichen Frauenzimmers / und sie hielten es für einen Ruhm in dem Angesichte ihrer Fürsten desto geiler sich zu gebehrden; Da doch anderer Völcker Pöfel ein unverschämtes Weib für eine ungesaltzene Speise hielte. In Indien wüchse eine so empfindliche Pflantze / daß sie bey Näherung eines Mannes ihre Blätter zuschlüsse / und gleichsam ihre innere Beschaffenheit sehen zu lassen sich schämete. Ihre Jungfrauen aber entblösten auch Knechten ihre Brüste und Geburts-Glieder / welche Xenocrates an sich selbst zu berühren / und andere schamhaffte Leute nur zu sehen Scheue getragen hätten. Wie viel schändlicher aber wäre ihre Jungfrauschafften denen geilesten Hengsten aufopffern; welche zu Thebe eine Jungfrau nicht für die Macedonische Krone dem Nicanor vertauschen /sieben Milesische auch lieber ihr Leben / als diß ihr Kleinod verlieren wollen. Nicht nur die Götter / welche theils ein sonderbares Gefallen an denen ihnen zugewiedmeten Jungfrauschafften trügen / theils auch selbige selbst ewig gelobt hätten; sondern auch die wildesten Thiere entsetzten sich für so unkeuschen Bälgen. Der in Griechenland[300] zahm-umbirrende Bär hätte nie keinen Menschen / als das ihn wollüstig-betastende Mägdlein beleidiget und zerrissen; die Göttin Diana aber deßhalben die Einwohner gezwungen ihr jährlich eine gewisse Anzahl Jungfrauen zu wiedmen. In den Africanischen Jungfrau-Spielen dörfte keine unreine Jungfrau sich einmischen / sondern die Minerva schickte es / daß alle Versehrten durch einen Steinwurff getödtet würden. Alle Völcker-Rechte erklärten die aus Irrthum mit ihnen geschlossenen Ehen für nichtig. Die Armenischen Töchter aber meinten durch ihre Unkeuschheit sich bey der Anaitis einzulieben /und durch ihre Schande so viel bessere Heyrathen zu verdienen. Dieses wäre ein unausleschlicher Schandfleck des gantzen Volckes / eine Aergernüß aller Ausländer / ein ewiger Spott der Herrschafft / und eine Verhöhnung der Götter; also wolte sie entweder nicht Königin / oder dieses abscheuliche Beginnen müste abgestellt seyn. Sie ließ auch noch selbigen Tag die Lust-Bäder an dem Tempel / oder vielmehr die Hurenhäuser biß auf den Grund einreissen / und war diß ihr erstes Gesetze: daß der mit seiner Tochter derogleichen Uppigkeit fürzunehmen sich gelüsten lassen würde / solte seiner Ehre und Würden verlustig / die Töchter aber mit der Straffe der entweiheten Vestalischen Jungfrauen belegt seyn. Alle Tugendhaffte hoben diese heilsame Anstalt biß in Himmel / aber weil die Zahl der Boßhafften jene iederzeit übertrifft /machte sie sich bey den meisten verhast; Wiewohl die Tugend ein solches Ansehen hat / daß sich auch die lasterhafftigsten schämen müssen sie offentlich zu schmähen. Unterdessen wie es Schlangen giebt / die ihr Gifft auff nichts als das schönste Geblüme speyen / und Hunde / die den Monden nur / wenn er voll ist /anbellen / also lästerten ihrer viel heimlich die Königin in ihrem lobwürdigsten Fürnehmen / fürgebende: Fürsten solten ohne wichtige Ursachen / könten auch ohne Vermessenheit in denen zum Gottesdienste gehörigen Dingen nichts ändern. Diese Art wäre von uhralten Zeiten in Armenien eingeführet / von so viel klugen Königen in ihrem Werthe gelassen / von vielen Völckern / nehmlich den Lydiern / Vollsinern /einem grossen Theile Indiens / und in Africa in dem Tempel Siccuth Benoths angenommen und gebilligt worden. Am allerunnützesten aber machten sich die abgeschafften Anaitischen Priester / welche bey ihrem abscheulichen Gottesdienste sich nicht nur am sündlichsten befleckten / sondern noch mit ihrer und anderer Uppigkeit wucherten; in dem nicht nur die weltlichen Männer bey ihrem Eintritte / sondern auch die von ihnen selbst gebrauchten Jungfrauen ein gewisses für die Wollust zinsen musten. Diese liessen wider die so keusche Königin ein so unverschämtes Buch heraus / dessen Inhalt zu melden ich mich schwerlich überwinden könte; wenn diß nicht die wichtigste Ursache der Armenischen Unruh gewest wäre / und ich mich nicht bescheidete / daß keuschen Ohren alles keusch / und die Schamröthe / welche vielleicht so Erlauchter Fürstinnen Wangen färben dörffte / nur bey denen Lasterhafften eine Schande / bey denen Tugendhafften aber eine Zierde sey; Sie auch auß Entwerffung frembder Uppigkeit so wenig etwas böses /als die Bienen aus Napel Gifft saugen können. Wie nun Erato Saloninen einen Winck gab / fuhr sie fort diesen Inhalt der Schrifft kürtzlich zu entwerffen: Der Königin Erato angenommener Eifer wäre eine blosse Scheinheiligkeit. Die euserlichen Dinge des Gottesdienstes müsten nicht nach seinen euserlichen Schalen / sondern nach ihrer heiligen Bedeutung geurtheilt werden / sonst hätten die so klugen Egyptier längst ihre Zwibel und Katzen / die Syrer ihre Fische aus dem Tempel werffen müssen. Ein[301] unerfahrnes Weib könte ihr nicht mehr Klugheit / als so viel Weisen /und nicht mehr Heiligkeit / als gantze Völcker zumessen. Die Entblössung der Geburts-Glieder wäre mehr ungewöhnlich / als unverschämt; am wenigsten aber eine Abscheu der Natur / oder ein Verbrechen. Die ersten Menschen wären insgesamt nackt gewest / und das gröste Theil Indiens / ja fast gantz Africa gienge nicht anders. Die Blösse wäre das angenehmste Kleid der Unschuld / die Kleider aber grossen Theils Hüllen der Hoffarth. Die Geburts-Glieder wären bey nahe die vornehmsten / unter allen die nützlichsten / deßhalben aber nicht die häßlichsten; dahero sie etliche Weltweisen nebst dem Hertzen für nicht schlechte Theile /sondern für absondere Thiere zu halten / oder auch den Sitz der eigentlichen Lebens-Krafft eben so / wie in den Lampreten und Neun-Augen / dahin einzusperren vermeint hätten. Andere hätten ihnen einen sechsten Sinn zugeeignet / dessen kein ander Glied / eben so als wie die Zunge / nur des Geschmacks fähig wäre. Fürnehmlich aber hätte sich keines Volckes Andacht geschämet diese Glieder zu Sinnbildern ihres Gottesdienstes zu gebrauchen. Diese hätte dem männlichen unter dem Nahmen des Priapus eine Gottheit zugeeignet; Bacchus mit zwey solchen Bildern seine Stief-Mutter Juno beschencket. Sintemal hierdurch die würckende Zeugnüß-Krafft der göttlichen Versehung sinnreich angedeutet würde. In diesem Absehen trügen die Egyptischen Frauen auff dem von der Isis angestellten Feyer des Osyris Geburts-Glied offentlich herum / mahlten auch den Priapus so häßlich / als kein Esel von Natur gebildet wäre / um dadurch seine Fruchtbarkeit oder übermäßige Zeuguns-Krafft zu beehren / oder gar zu verewigen. Denen Egyptiern thäten es die Griechen nach / und in Italien würde ein grosses Bild dieses Gliedes dem Wein-Gotte zu Ehren um die Felder und durch die Städte auff einem zierlichen Wagen geführt. Zu Lavinium müste eine der keuschesten Frauen selbtem einen Krantz aufsetzen; welches / auser dieser zum Weinwachse dienenden Andacht / doch keine gemeine Hure / auff den Schauspielen in dem Gesichte des Frauenzimmers sich unterwinden dörfte. Zu Rom würde der Syrer Beel Phegor oder Priapus unter dem Nahmen des Mutinus Tetinus verehret / und ritten die verliebten Frauen und Jungfrauen für ihrer Hochzeit vorher auff seinem Gliede / gleich als wenn sie ihre Keuschheit vorher einem Gotte ablieferten. In andern Orten hingen die Frauen solche Bilder an den Hals / oder an die Lenden. Die Syrischen Weiber spielten mit selbtem / als wie mit denen durch verborgene Dräte tantzenden Tocken. Des Mercurius Bild / das nichts anders als ein Abriß der gantzen Natur wäre / würde allezeit mit stehender Ruthe gemahlet. Das weibliche Geburts-Glied wäre ebenfalls nichts minder der Brunnqvell der Nachkommen / als ein Sinnen-Bild / welches den Uhrsprung der empfangenden Fruchtbarkeit andeutete. Die Frauen der reinlichen Völcker versorgten wegen des erstern es mit den köstlichsten Balsamen. Die in Africa zierten es mit güldenen Ringen / und angehenckten Kleinodten. Wegen der andern Ursache würde es auff dem Thesmophorischen Feyer zu Syracuse verehret / und ein derogestalt gebildeter Kuchen oder Käse in Sicilien herumb getragen / verspeiset /aus einem solchen gläsernen Gliede getruncken; bey andern Völckern es in der Gestalt eines Dreyecks angebetet. Der Egyptische König Sesostris hätte bey denen weibischen von ihm bezwungenen Syriern das Weibliche / bey streitbaren Völckern das Männliche seinen Göttern zu Danckmahlen seiner Siege auff hohen Säulen[302] auffgethürmet. Die Egyptischen Weiber ihre Heimligkeit mit auffgehobenen Röcken dem neuen Apis viertzig Tage nach einander an statt eines Opffers gezeiget. Ja die Wahrsagungs-Krafft wäre durch diesen Eingang vom Apollo denen Sibyllen und andern weissagenden Weibern eingepflantzt worden. Wiewohl auch die Jungfrauen in dem Anaitischen Heiligthume ihre Leiber gemein machten / geschehe es doch nicht so wohl aus Begierde der Wollust / als der Göttin zu Ehren. Aus der End-Ursache aber müste die Güte eines Fürhabens geurtheilt werden. Weil nun derogestalt die Unschamhafftigkeit nichts minder zu einer Tugend / als das Gifft zu einer Artzney werden könte; so wäre Epimenides nicht zu schelten / daß er ihr zu Athen Altare und Opffer verordnet hätte. Aus gleichmäßiger Anleitung wäre sonder Zweiffel der Volsinier Gesetze herausgeflossen: daß Frauen und Wittiben ohne einige Busse beschlaffen werden möchten / kein Edler aber eine Jungfrau heyrathen dörffte / die nicht vorher ein Knecht der Jungfrauschafft beraubt hätte. Diesemnach wären der Armenischen Jungfrauen Sitten für keine unerhörte Neuigkeit zu halten / weniger ihr Gottesdienst als eine Verunehrung der Götter / sondern vielmehr die gleißnerische Königin von der Herrschafft zu verwerffen; als welche durch diesen heuchlerischen Anfang nur Gelegenheit suchte alle Grund-Gesetze der Armenier zu vertilgen.

Die Königin schätzte diese Gotteslästerung keiner Vertheidigung werth / als welche von dem Gesetze der Natur und dem Urthel aller wohlgesitteten Völcker für längst verdammt war; verfuhr aber gegen diese aufrührische Affter-Priester mit Schwerd und Feuer / ungeachtet ihr etliche einhielten: wie gefährlich es bey dem Pöfel wäre / solche der Einbildung nach heilige Leute gar aus der Wiege werffen. Denn sie anckerte ihr Vertrauen auf ihr gutes Gewissen /und die niemanden scheuende Gerechtigkeit. Alle Verläumbdungen verlachte sie; ihr festiglich einbildende: Daß wie das Gold im Wasser schwerer wiege /als sonst; also setzte der Schaum falscher Verläumbdung der Tugend mehr im Gewichte bey / als sie selbten benähme. Weil aber der Verläumbdung Gifft ärger als der Schlangen ist; und in den Augen des Volckes auch der reinsten Unschuld von ihren Kohlen etwas schwartzes anklebt; gab sie der Ruhmswürdigen Königin keinen geringen Stoß. Weil aber dieses einige Laster sie zu stürtzen noch zu ohnmächtig war /muste die Hölle noch ein anders / den Grundstein ihrer Vergnügung und der gemeinen Wohlfarth zu verrücken / dem erstern zu Hülffe ausrüsten.


Es war einer der vornehmsten Fürsten in Armenien Orismanes / ein Mann von treflichem Ansehn und grosser Tapfferkeit. Er hatte nicht allein Leibes-Gaben / mit denen er sich weisen / sondern auch Gemüths-Kräfften / dadurch er dem gemeinen Wesen dienen konte. Massen er denn in dem Aufstande wider den Ariobarzanes das seine rühmlich gethan hatte. Aber unter diesem Pflaster lag ein schädlicher Ehrgeitz / und eine hefftige Einbildung verhüllet. Erato merckte zwar etwas hiervon; denn seine ruhmräthige Zunge vergaß zuweilen / daß die Vollkommenheit in unserm Hertzen / das Lob auff frembden Lippen seine Zelt aufschlagen solte. Aber / weil sie entweder solche für Auffschwellungen seiner noch hitzigen Jugend /oder doch auch die mit Gebrechen vermengte Tugenden aller Ehren werth hielt / stand er bey ihr in grossen Gnaden / und ihre ohne diß angestammte Holdseeligkeit thät nach dem Artafernes[303] ihm mehr / als wohl andern zu Liebe. Diese reine Zuneigung der Königin bildete dem Orismanes seltzame Gesichter in sein Gehirne. Denn weil er sich selbst für längst in sich verliebt hatte / überredeten ihn seine süsse Träume unschwer / es müsten auch alle andere sich in ihn verlieben. Thusnelde brach lächelnde ein: Aller Menschen Selbst-Liebe ist Thorheit / aber der Männer ihre / weil sie sich nicht in euserliche Schönheit / wie die Weiber insgemein / sondern in die Gaben des Gemüthes verlieben / ist schimpflicher und unheilbar. Denn die Schwachheit nimmt den Ort ein / woraus die Artzney kommen solte. Ich habe etliche Narcissen gekennet / welche geglaubt / daß die tugendhaffteste und kaltsinnigste Frau sie das erste mahl nicht ohne Verliehrung ihrer Freyheit / das ander mahl nicht ohne Einbüssung ihrer Vernunft anschauen könne / ja daß das Frauenzimmer leichter den Hunds-Stern und den Sudwind / als ihre Gegenwart ohne Schaden vertragen könne. Salonine versetzte: In Warheit / Orismanes gehöret in dieser ihre Reye. Der Königin Höfligkeit nahm er für Liebreitz / ihre Wolthaten für einen Zinß ihrer überwundenen Keuschheit an. Die Königin hingegen urtheilte von ihm alle Tage weniger; weil die Selbst-Liebe eines Menschen Geringschätzigkeit am meisten verräthet / in dem sie wie der Agstein nichts als leichte Spreu an sich zeucht. Bey solchem Zustande hielten ein und andere Merckmahle / fürnehmlich aber der Königin Tugenden und Hoheit des Orismanes sich selbst übersteigende Gedancken / oder vielmehr derselben Auslassung gute Zeit zurücke. Endlich aber trieb ihn entweder der Vorwitz der Königin Gemüths-Meinung auszuspüren / oder seine übermäßige Begierde so weit: daß / als die Königin in ihrem Lust-Garten in eine Höle sich zu erfrischen abstieg /und sich nach der Landes-Gewohnheit auff die Achsel des Orismanes lehnete / er sich unterstund mit der Hand unter ihren Arm zu greiffen / umb dem Scheine nach ihr Absteigen zu versichern. Weil diß aber in Armenien niemanden als den Fürsten Königlichen Geblütes erlaubet / und der Numidischen Könige Art zu vergleichen ist / die keinen Menschen als ihre Bluts-Freunde einigen Kusses würdigen; machte ihm Erato ein sauer Gesichte / und fing an: Es kan ein Mensch sich mehr nicht verstellen / als wenn er weist / daß er ein Mensch sey. Ein kluger Mann ist für was mehr / einer aber / der seine Schwachheiten zeiget /für was weniger / als einen Menschen / zu halten. Hiermit wieß sie zugleich auff den in dem Eingange gemahlten Fall des Icarus / dem die Flügel zerschmeltzten / als er an die Sonne rühren wolte. Orismanes ward hierüber nicht wenig beschämet / entschuldigte aber seine Vermessenheit: Es wäre ihm vorkommen / als ob der Königin auff den glatten Marmel-Staffeln ein Fuß hätte entgleiten wollen. Erato beruhigte sich darmit / und ließ seine Kühnheit für einen Irrthumb dißmahl hingehen; setzte aber bey: Der ist kein Thore / der Thorheiten begeht / sondern der die begangenen nicht verdecket. Man versiegelt gemeine Brieffe / wie viel mehr soll man es mit den Gebrechen des Gemüths machen. Alle Menschen thun Fehltritte / aber mit dem Unterschiede: Daß die klugen ihre begangenen Irrthümer verblümen / die albern aber auch die Fehler verrathen / die sie thun wollen. Kurtz hernach brauchte sie ihn noch zu einem Gesandten an Antiopen die Königin in Albanien / welche des Orismanes Hochmuth wahrnahm / und daher einst unter andern Gesprächen an einem Fenster ihm den auff einem Thurme aufgesteckten Kopff ihres gewesenen grösten und liebsten Rathes Trebosserex zeigte und beysetzte: Sehet Orismanes /[304] also müssen der Königinnen hochmüthige Schooß-Kinder erhöhet werden. Denn die Köpffe / welche im Leben mit eitel Winde schwanger gegangen / können nirgends als in der Lufft ihr Begräbniß haben. Orismanes antwortete: Es ist besser also sterben / als derogestalt leben / daß man hundert Jahr nach seinem Tode von uns nichts zu sagen wüste.


Wie Orismanes mit guter Verrichtung zurück nach Artaxata kam / kriegte er von der Königin / wie anfangs / ein holdes Auge / welches deñ seine anfängliche Einbildung in ihm wieder verneuerte. Kurtz hierauff kam vom Pontischen Könige / (der nunmehr den irrigen Nahmen Ariobarzanes abgelegt / und den Nahmen Polemon angenommen hatte /) eine prächtige Botschafft an / durch welche er um die Königin Erato warb. Seine Mutter die Königin Dynamis schrieb selbst eigenhändig an sie / und erinnerte sie schertzhafft ihres Versprechens / daß sie ihr ihren Sohn zu lieben versprochen hätte / welches nicht die eingebildete Arsinoe / sondern der damahls genennte Ariobarzanes wäre. Niemand in Armenien war / der nicht festiglich glaubte / daß Erato dieses mächtigen Königs Heyrath mit beyden Händen ergreiffen würde; Orismanen aber bekümmerte es derogestalt / daß er hätte mögen von Sinnen kommen. Aber in der Erato Hertze war das Bild und Gedächtniß deß Fürsten Zeno derogestalt eingepregt / daß es weder seine Abwesenheit /noch sein Fall aus der Kindschafft des grossen Polemon vertilgen / und ein anders anzunehmen fähig war. Also gab sie der Botschafft mit gantz Armeniens Verwunderung abschlägliche Antwort; wiewohl sie ihr Nein mit ungemeinen Lobsprüchen Polemons / mit kostbarer Beschenckung der Gesandten / mit scheinbaren Entschuldigungen so vergüldete / daß die Botschafft gleichwohl vergnügt wegzoh / und Polemon statt der Liebe sich mit der Königin Höffligkeit vergnügen muste. Diese Abfertigung bließ den Orismanes dergestalt auff / daß / nachdem er ihm keine Ursache ausdencken konte / warum Erato den Polemon verschmähet hätte / ihm träumen ließ / der Königin Kaltsinnigkeit gegen den Polemon rühre von den Flammen einer ihr von ihm eingedrückten Liebe. Und ob er sich wohl seines ersten übel angebrachten Vorwitzes erinnerte / ließ er ihm doch träumen / daß Erato so viel veränderliche Gesichter als der Monde hätte / und sie ihn nun mit vollem Lichte anlachete. Diesem nach erkünhte er sich kurtz darauff nach Herausstreichung seiner Ankunfft und seiner Verdienste der Königin von Hefftigkeit seiner Liebe / und wie ihre Heyrath dem Reiche so vorträglich seyn würde /Erwehnung zu thun. Erato erblassete für Zorn über der Vermessenheit dieses hochmüthigen Dieners. Denn / nach dem die Liebe zwischen denen Liebenden eine Gleichheit machet / nahm sie des Orismanes Thun für eine Kühnheit auff / welche den Knecht gegen seine Frau auff die Wagschale legte / oder einen Zwerg gegen einen Riesen mit einerley Meß-Stabe abzumessen gedächte. Weil er nun in ihren Gedancken so weit unter ihr stand / nahm sie sein Beginnen nicht so wohl für einen verwegenen Flug einer Nacht-Eule gegen dem Sonnen-Lichte / als für eine Erniedrigung ihrer selbst auff / und daher würdigte sie sein ander Laster nicht mehr wie das erstemahl mit ihrem Munde zu bestraffen. Ihr blosser Anblick aber war schon ein Donnerschlag in seinem Hertzen. Wie sie ihm aber den Rücken kehrte / fing sie an: Gehe /laß dich meine Augen nicht mehr sehen / wo sie dir nicht sollen tödtlich seyn. Orismanes erkannte allererst nach begangenem Laster seine Grösse / zohe also bestürtzt aus Artaxata auff seine Land-Güter; iedoch entdeckte er keinem Menschen seinen Fall / wohlwissende / daß die Königin schwerlich seine Vermessenheit iemanden[305] vertrauen würde. Denn die Laster /welche zu des Beleidigten Verkleinerung zielen / werden auch von denen gerne verschwiegen / welche gleich Ursache solche zu rächen hätten. Weil nun eine ungewohnte Einsamkeit einen mittelmäßigen Geist einschläffet / einen feurigen aber mehr anzündet /würckte die Entbrechung des Hofes beym Orismanes Ungedult / diese eine gifftige Rachgier. Seine Ehrsucht hielt ihm ein / daß Fürsten angefangene Laster nicht geringer schätzten / als die vollbrachten / und daß diese nur mit Gefahr angesponnen / mit Belohnung aber vollbracht würden. Zugeschweigen / daß er nichts für thulicher hielt / als mit seiner Herrschafft anzubinden; weil auch das Unterliegen denen Besiegten zum minsten einen Nahmen macht / und also vortheilhafftig ist / wenn sie von grossen Helden bezwungen werden. Diesem nach entschloß er sich entweder durch seine List seinen Zweck zu erlangen /oder durch seine Verzweiffelung seiner Abgünstigen Untergang zu verursachen. Wormit er aber solches so viel leichter ins Werck richtete / verbarg er mit seiner Ungnade auffs sorgfältigste seinen Ehrgeitz und Absehen. Denen / welche ihn heimsuchten / und die Ursache seiner Abziehung vom Hoffe erkundigten /machte er tausend Lobsprüche der Einsamkeit. Ach /sagte er / habe mich der Eitelkeit der Welt entschüttet / um der Ruhe meines Gemüthes zu geniessen. Weil ich weiß / daß sich das Glücke zwar auff eine Zeit zu Dienste vermiethe / sich aber niemanden leibeigen gebe; stehet mir nicht an mit ihm ein ewiges Bündniß zu machen. Der Hoff ist ein Himmel / der keine andere als Irr-Sterne hat; daher mag ich die Farth meines gantzen Lebens nicht nach seinem Angelsterne richten. Er ist ein Glückstopff / der unter tausenden kaum einen beschriebenen Zettel hat; daher mag ich so vielmal nicht fehlgreiffen. Ich gehe mit niemenden um als mit den Weisen der Vorwelt / welche weder meinen Schwachheiten heucheln / noch in ihr Rathgeben einigen Eigennutz einmischen. Wenn der wollüstige Hoff mit seinen Sorgen in steter Wache ist / geniesse ich der süssesten Ruh / weil ich wohl weiß / daß Gott und die Sternen für mich auff der Hutte stehen. Ich weiß /die Enge meines Land-Gutes ist ein Schrancken nicht nur über die Ferne Armeniens / sondern so weit meine Augen tragen. Ich eigne mir mit reiner Unschuld den Genüß fremder Güter zu / sonder meinen Nachbarn davon das wenigste zu versehren. Sintemal ich derselben mich ohne Geitz und Verschwendung nach den Gesetzen der Natur / und auff eine solche Art gebrauche / welche ehe / als Kunst und Mißbrauch selbte verfälscht / und aus dem gemeinen Eigenthume alles fremde gemacht hat / im Schwange ging. In meinem Armuth bin ich reicher als der König der Parthen /und / wenn ich eine Früh-Rose / oder einen reiffen Apfel einem von meiner Hand gepflantzten Baume abbreche / bin ich vergnügter als der Käyser / wenn er in einem Siegs-Gepränge ihm Lorber-Zweige um die Schläffe windet / oder von hundert Völckern ihre Reichthümer zum Zinse einzeucht. Ich verlache in mir das Ungemach des gefährlichen Hoffes / den Staub und Pöfel der Städte / die Angst der Ehrsüchtigen /und die Thorheit der Höfflinge / welche den Kern ihres Lebens einem Fürsten / oder wohl offt ihren unwürdigen Schooß-Kindern / die Hefen des Alters aber / wo es ihnen auch noch so gut wird / den Göttern wiedmen. Die Federn / wormit die Höfflinge vielleicht so gemein ihre Häupter bedecken / weil es bey Hofe fast immer windicht ist / brauche ich viel nützlicher zum Entwurff meiner der Weißheit nachhängenden Gedancken. Ich lebe mit mir selbst vergnügt / und ich habe allzu spät gelernet / daß ein Weiser keines andern bedürffe / und daß alles / was ausser ihm ist /Uberfluß sey. Die Grossen des Reichs / die ihn häuffig[306] besuchten / und sich von ihm so selten / als der Mercur-Stern vor der Sonne entfernten / hielten dem Orismanes ein: Niemand als GOtt / der sein Reichthum in seinem eigenen Wesen besässe / könte in sich selbst / und in seiner eigenen Einsamkeit seine Vergnügung finden. Denn GOtt alleine gingen seine Wercke ohne Werckzeug und Bemühung von Händen /und alles diß / was gleich von ihm herflüsse / bleibe doch in ihm / als in einem unerschöpfflichen Brunnen unvermindert. Ein Mensch aber sey durch eine gemeine Dürfftigkeit an den andern gebunden / ja ieder sey nicht so wohl ein abgesonderter Leib / als ein Gliedmaß der allgemeinen Gesellschafft / und deßwegen darvon unzertrennlich. Ein Mensch könne ihm so wenig selbst helffen / als ein Auge sich selbst sehen. Die Einsamkeit wäre der Beleidigung und dem Mangel mehr als die Gemeinschafft unterworffen / jene aber wäre der Gerechtigkeit / diese der Handreichung / und ein Mensch der Gesellschafft nichts minder als Feuer und Wassers benöthiget. Uber diß sey die Einsamkeit der ärgste Rathgeber / und man könne bey niemanden gefährlicher / als alleine bey sich selbst seyn. Wenn aber auch schon ein Weiser so weit kommen wäre; daß er für sich selbst zu sündigen sich schämete / oder auch keinen äusserlichen Beystand dürffte / so solten wir doch uns selbst nicht dem Vaterlande stehlen / dem wir gebohren wären / noch für den Menschen das Licht verstecken / das die milde Natur in uns angesteckt hätte. Die grösten Köstligkeiten hätten ohne ihre Anwehrung / das Marck der Erden in seinen Adern keinen Fürzug für Schaum und Asche / und die Tugend machte sich durch ihre Vertuschung zu nichts / oder zum Laster. Alle Sachen würden geschätzt nicht nach ihrem Wesen / sondern nach ihrem Aussehen. Was man nicht sehe / sey so viel /als wenn es nicht wäre. Etwas aber seyn / und selbtes auch im Wercke zeigen / wäre ein zweyfaches Wesen. Nach dieser Einrede gab Orismanes allererst Gifft und Galle von sich / und wendete für: Er könte es länger auff seinem Hertzen nicht behalten / daß seine eigene Mißhandlung / und die daraus erwachsende Bestürtzung ihn in solche Einsamkeit eingesperret hätte. Denn er habe durch Beliebung der weiblichen Herrschafft Armenien mehr Schaden gethan / als alle seine Ahnen nichts gutes gestifftet / und es würden alle seine Geschlechts-Nachkommen diese Scharte nicht auswetzen. Ein Weib wäre das erste Ungeheuer der Natur / welche stets das Männliche Geschlechte zu zeugen gemeint wäre; also daß das weibliche nur durch Mißrathung gebohren würde. Wenn nun an einem Weibe was gutes wäre / könte man es für ein Wunderwerck halten. Daher die Scythen auch den blossen Nahmen Weib für so unflätig hielten / daß sie sich selbten zu nennen schämten. Die weiblichen Gottheiten wären so gar in dem Kreisse der Vollkommenheiten / nehmlich im Himmel voller Gebrechen /und Jupiter wäre von seiner Juno so geqvälet worden /daß er sie einmahl aus dem Reiche stossen / und sie schwebend in die Lufft hencken müssen. Das erste Weibsbild auff Erden hätte Jupiter zur Straffe des menschlichen Geschlechtes zubereiten lassen / als er über den Diebstal des Prometheus so ergrimmt gewest wäre. Die Schönen hegten in ihren Antlitzen zwar eine Sonne / alle aber in ihrem Leibe die Befleckung /und in ihren Hertzen den Unbestand des Monden. Ihr Kopff ginge allezeit mit Eitelkeit / wie ihr Gemüthe mit Geilheit schwanger. Und weil die Alten geglaubt /daß diß sonst so fruchtbare Geschlechte in nichts mehr als in Gebährung der Weißheit unfruchtbar wäre / hätten sie der klugen Pallas kein Weibsbild zur Mutter zugeeignet. Zu Athen hätte man wegen ihrer Unvernunfft keinen wichtigern Handel als einen Scheffel Gerste zu kauffen verstattet. Wegen[307] ihrer Leichtsinnigkeit wären ihre Zeugnisse bey vielen Völckern /und fürnehmlich in wichtigen Sachen verwerfflich. Der berühmte / aber allzu weibische Weltweise / der sich nicht enthalten konte dem Kebsweibe des Hermias zu opffern / hätte gezwungen gestehen müssen /daß sie zu männlichen Aemtern unfähig / und ihnen oder den wilden Thieren nachzuarten einerley wäre. Die alten Römer hätten deßwegen sie nicht bürgerliche Güter miterben lassen / und Voconius habe verbothen / daß man ihnen etwas über das vierdte Theil seines Vermögens vermachen dörffe; also wüste er nicht / wie ihm gewesen wäre / daß er die Erato auff den Armenischen Thron hätte befördern helffen? Aller Weiber Herrschafft wäre der Freyheit Ende / und der Reiche Untergang gewest. Olympias hätte nicht wie eine Königin / sondern henckermäßig über das Blut der Edlen gewüttet. Der kluge Antipater aber auff dem Todt-Bette seinen Macedoniern / als eine göttliche Wahrsagung vorgetragen / daß sie in eusserstes Unglück verfallen würden / da iemahls ein Weib über sie zu herrschen käme. Ja auch dieselben Völcker /welche der Dienstbarkeit gewohnt wären / hätten den den Weibern geleisteten Gehorsam nicht nur für eine der Freyheit widrige Unart / sondern auch für was ärgers / als eine Knechtschafft gehalten. Mit diesem hätte den Ländern das Unglück geblühet. Hecube hätte den Priamus überredet / oder vielmehr bezaubert / daß er den Griechen die geraubte Helena nicht wiedergegeben / und hiermit hätte sie Troja eingeäschert. Arsinoe hätte mit ihrer Geilheit das Cyrenische Reich zerrüttet / Parysatis das Persische mit Kinder- und Brüder-Blute überschwemmet. Semiramis würde zwar von der Vor-Welt für einen Ausbund der Königinnen / und eine behertzte Taube ausgestrichen / aber sie hätte durch Königs-Mord den ihr auff fünff Tage vergünstigten Assyrischen Stuel an sich gebracht / sie wäre ein schädlicher Raubvogel der Welt / und ein Pful grausamster Laster gewest / welchen anders nicht / als durch das Mord-Eisen ihres eigenen Sohnes hätte abgeholffen werden können. Zwar müste er bekennen: Erato hätte unvergleichliche Leibes- und Gemüts-Gaben; aber es wären die Weiber den Serischen Rosen gleich / welche alle Tage ihre weisse Farbe in Purper verwandelten / und bey ihrem Glantze einen stinckenden Geruch hätten. Ja wenn Weiber am vollkommensten wären / hätten sie doch / wie der Voll-Monde / die grössesten Flecken. Livia hätte anfangs den Ruhm gehabt / daß dieses verschmitzte Weib dem Käyser August die heilsamsten Rathschläge an die Hand gebe; numehr aber beschuldigte man sie / daß sie ihrer Ehrsucht und Grausamkeit nicht mehr mächtig / und ein Brunn alles Unheils wäre. Erato hätte alle Tugenden einer Königin / aber auch alle Laster eines Weibes. Jene wärẽ bekant / weil sie mehr als diese in die Augen lieffen / diese verborgen / weil sie sie so meisterlich zu verstecken wüste. Zu dem könte er nicht läugnen / daß weil die Schwachheiten der Fürsten so wie die Verfinsterungen der grossen Gestirne allezeit den Völckern Schrecken einjagten / er der Königin Fehler selbst hätte verdrücken helffen. Nach dem er aber ihre Rachgier gegen die Vorsteher des Reichs / welche die Freyheit nicht wolten zu Boden treten lassen / ihre Uppigkeit / welche deßhalben zeither alle Heyrathen ausgeschlagen / und also die Wollust der Befestigung des Thrones fürgezogen /länger nicht zu verdecken gewüst / ja er wegen seiner aufrichtigen Einrathungen offtmals scheel angesehen /wegen seiner ihm von Gott verliehenen Gaben beneidet worden wäre; hätte er es für ehrlicher gehalten /sich des Hofes zu entbrechen / ehe ihn selbter als einen Verhaßten / wie das Meer einen todten Leich nam auswürffe / oder ihn der Grider Königin gar einäscherte. Denn der Fürsten Zorn wäre wie der Blitz / den man eher empfinde / als hörte / von ihren Schlägen sehe man eher das Blut / als[308] die Wunde. Ja ein einiges Wort eines Königs wäre mehrmals wider seinen eigenen Willen tödtlich; und hätte wohl ehe ein die Streu-Büchse vergreiffender Diener seines doch unentrüsteten Fürsten Erinnerung ihm so sehr zu Hertzen gezogen / daß man ihn frühe todt im Bette gefundẽ. Ihre nichts minder gefährliche Liebe wendete sie durch blossen Zufall einẽ zu / und zögẽ sie mit Verdruß wieder ab. Deñ wenn sie iemanden aufs neue hold würden / eckelte ihnen für dem ersten Schoß-Kinde. Ja sie fielen wie die Fieber von äuserster Hitze in äusersten Frost / und ihrer Gnade wandelte sich wie in etlichen zum liegen nicht taugenden Weinen die gröste Süssigkeit in den schärffsten Essig. Hingegen sey nichts sicherers einem Diener als die Schlaf-Sucht / und einem Unterthanen die Ablegung der Vernunfft. Brutus sey unter diesem Scheine aus der grausamsten Blutstürtzung des Tarquin und der Tullia ausgeschwommen. Die Tugend aber ziehe nach sich den gewissesten Untergang. Des Gobrias Sohn wäre vom König Baldasar durchstochen worden / weil jener auf der Jagt einen Löwen getroffen / dieser gefehlt hätte. Einen andern hätte man verschnidten / weil seine Schönheit von einer Königlichen Dirne gelobet wor den. So künstlich machte Orismanes aus seinem eigenen Laster ein frembdes / und die Straffe seines Verbrechens zu einer Entäuserung eines unempfindlichen Weltweisen. Thissaphernes und etliche andere Fürsten des Reichs bezeugten über dieser so scheinbaren Beschuldigung ein grosses Leid über Armenien / und ein Mitleidẽ gegen dem Orismanes; gleichwohl aber hielten sie ihm ein: Es wäre unverantwortlich beym Sturme die Hand vom Steuer-Ruder sincken lassen. Die Liebe des Vaterlandes erforderte seine Wunden zu heilen / nicht eigene Gemächligkeit zu suchen. Brutus hätte für des Vaterlãdes Freyheit sich der Vernunft beraubt / Genucius das Elend gebauet / Codrus für sein Heil sich zum Sclaven gemacht / Curtius für seine Erhaltung sich in den Feuer-Pful / Decius in das feindliche Heer gestürtzt / die Philenischen Brüder für seine Erweiterung sich in Sand begraben / Themistocles / ehe er seinen Degen wider seine Landsleute zücken wollen / sich selbst durch Einschluckung giftigen Ochsen-Blutes aufgeopfert. Des Brasidas Mutter hätte die Wolfarth der Stadt Sparta der Ehre ihres Sohnes vorgezogen; des Pausanias Mutter den ersten Stein zu Vermauerung der Freyheit zugetragen / dahin sich ihr verrätherischer Sohn geflüchtet hatte. Timoleon hätte umb sein Corinth in Freyheit zu erhalten seinen eigenen Bruder durchstochen; und Orismanes wolte seiner Zärtligkeit nicht ein wenig weh thun / wormit Armenien wohl sey? Orismanes erkiesete lieber den Schatten einer traurigen Ruh / als er das gemeine Heil so vieler Völcker umbarmete? Der schlaue Orismanes stellte sich / als wenn diese Einredung ihm tieff zu Hertzẽ ginge / und nachdẽ er eine gute Weile gleichsam nachdenckende stille geschwiegen / fing er an: Ich weiß zwar wohl / daß nicht wenig Weisen die Staats-Klugheit / nicht die Natur zu einer Mutter der Vaterlands-Liebe machen; und daß diese mehr von den Eltern uns eingebildet / als mit der Geburt eingepflantzt wäre. Denn ein Kluger wäre ein Bürger und Einheimischer in der gantzen Welt / und könte seine Freyheit nicht wie leibeigene Ackers-Leute an gewisse Klösser Erde ankleiben lassen. Wie viel weniger wäre der verbunden / der entweder in Ruhe sicher seyn /oder sein Glücke anderwerts in Grund legen könte /durch Unterstützung des baufälligen Vaterlandes sich mit ihm zu zerdrümmern. Die Natur selbst hätte in Africa einen Baum wachsen lassen / dessen genossene Frucht einem die Vergessenheit seines Vaterlandes beybrächte; Zweifels-frey uns zu lehren / daß es zuweilen nicht nur rathsam und zuläßlich / sondern eine hertzhafte Klugheit sey seiner Heimeth den Rücken kehren. Gewisse Pflantzen hätten in frembdem Erdreich bessern[309] Gedieg / und bey Ausländern wären die schätzbarsten Sachen gantz unschätzbar. Allein wenn er gleich für sich gerne nachgeben wolle / daß weder Furcht noch Unlust uns von der Sorge für das gemeine Heil zurück halten solte / daß kein schönerer Tod sey als fürs Vaterland sterben; daß Orismanes ihm nichts mehr wüntschen könte / als den Ruhm sein Leben zu Beschirm-seinen Tod zu Behaltung Armeniens anzugewehren; wer würde ihm Bürge seyn / welche Unschuld könte ihn vertheidigen / daß Orismanes nicht entweder als ein Heuchler die Laster des Hofes verhangen / oder als ein Uhrheber selbte gestiftet hätte? Sintemal der Pöfel die schlimme Herrschafft nicht dem Fürsten / sondern den Staats-Dienern zumißt; die Fürsten aber ihre eigene Verbrechen ihren Räthen aufhalseten / und umb sich zu erhalten / selbte dem Volcke zu einem Schlacht-Opfer auslieferten; wie der in Hibernien enthauptete Forstard / und der in Iberien zerfleischte Condelar ihm ein trauriges Vorbild abgäben. Tissafernes begegnete ihm: Ein Reichs-Rath solte sich seiner selbst gantz entäusern / und ohne Auszug sein gantzes Wesen dem Reiche wiedmen. Dahero müste er nicht allein seinen Eigen-Nutz /und sein Leben / sondern auch den Schatz seiner eigenen Ehre ausser Augen setzen. Die Tugend wäre ihr selbsteigener Lohn / und ihrer Gute würde weder durch Verläumbdung noch durch Beschimpfung was entzogen. Die Unschuld würde im Ochsen des Phalaris nicht schwartz. Socraten hinge weder sein Gifft-Glas / noch die ihm zugemässene Abgötterey einigen Fleck an. Und die Tugend / wenn sie schon ans Creutz geschlagen würde / findete noch eine Olympia / welche sie wie den Pausanias mit einer güldenen Krone verehrete. Es wäre nichts ungemeines in der Welt / daß der / welcher hier als ein Verräther an Galgen gehenckt / anderwerts für einen Vater des Vaterlandes und für einen Märtyrer des Staats gepriesen würde. Des Brutus und Cassius Käyser-Mord hiesse einem ein Schelm-Stück / andern das heilsamste Beginnen. Denn weil in der Welt so viel Bösen als Guten / so wohl der Unvernunft als der Klugheit die Richter-Stüle eröfnet wären; könte unmöglich ein gleichstimmiges Urtheil erfolgen. Sie hätten gesehen Köpfe in güldene Todten-Töpfe vergraben / und mit marmelnen Leich-Steinen bedecken / diegestern zum Scheusale auf einẽ Thurme aufgesteckt gewest / von der Sonne ausgedörrt / von den Wolcken befeuchtet worden. Andere die gestern in Alabaster gelegen /würdẽ heute auf den Scheiter-Hauffen geworffen. Also gebe oder nehme frembdes Urthel weder den Lastern noch den Tugenden einige Schätzbarkeit. Insonderheit aber wäre Armenien ja nicht in so verzweifeltem Zustande / daß die Tugend wider die Gewalt der Herrschafft sich keines Beystandes zu getrösten hätte. Orismanes hätte auf seiner Seite die Reichs-Stände /diese aber die alten Gesetze des Vaterlandes / welche mächtiger wären / als die Herrschafft der Menschen und sterblicher Könige. Es ist wahr / sagte Orismanes / daß / so lange die Gesetze feste stehen / kein Reich wancken / die Freyheit nicht zu Grunde gehen können. Denn die Seele und Krafft eines Reiches stecket in den Gesetzen; sie sind ein Schild wider äuserliche Feinde / und ein Schirm wider die aus unserer eigenen Gemeinschaft uns zu Kopfe wachsende Wüteriche. Aber Erato hat die Taffeln unserer Gesetze / und zwar die unversehrlichsten / welche nemlich den Gottes-Dienst angehen / schon zu Bodem geworffen / und mit Füssen getreten; wir aber hierzu unter dem Scheine einer andächtigen Keuschheit ein Auge zugedrückt. Weñ aber die Gesetze schon einmahl entkräfftet / oder verwirret / ja nur ein wenig gebeugt werden / ist ihre gäntzliche Zernichtung für der Thüre / und die Herrschsucht hebet sie unschwer mit einem einigen Ansatze vollends gantz aus den Angeln. Ein Kluger darff nicht[310] so dann allererst die Ohren spitzen: ob sich von ferne ein Kriegs-Geschrey hören / oder trübe Wolcken aus der Nachbarschafft blicken lassen. Denn weil so denn der Gesetze Schutz geschwächt ist / sind Heucheley / Kühnheit und Geld schon starck und verwegen genung der Freyheit auf den Fuß / und die alte Herrschens-Art in Grund zu treten. Denn die / welche dem Vaterlande für den Riß stehen sollen / lassen sich bestechen / oder durch hohe Aempter verblenden. Durch diese machen sich auch die grösten Gemüther einem Fürsten zu Knechten / in Hoffnung / daß sie über viel andere ihres gleichen zu herrschen haben werden. Durch das schädliche Gift des Geitzes / welcher auf Zusammenscharrung des Geldes alleine bedacht ist / und alles andern vergißt / wird nichts minder der Leib als das Gemüthe der tapfersten Leute weibisch gemacht. Am allermeisten aber werden die Grossen eines Reichs bezaubert / wenn man sie selbst des Gesetz-Zwanges erledigt. Denn hierdurch kriegen die Herrscher freye Hand nicht nur für sich / sondern Weibern / Kindern und Freunden das Garn dieses so nöthigen Bandes abzustreiffen. Die Grossen im Rathe / welche doch Vormünden der Gesetze seyn solten /müssen so denn selbst bey sich ereignender Spaltung zwischen dem Fürsten und den Gesetzen jenen Pflaumen streichen / diese beugen / und also die heilsamsten Stiftungen sonder grosses Bedencken im Urthel überwunden werden. Wir haben kein neuer und merckwürdiger Beyspiel für uns / als des Kaisers August / welcher bey seiner falsch-angestellten Abdanckung dem Rathe zu Rom / als ein einiges Erhaltungs-Mittel / nachdrücklich einrieth: Sie solten ja an ihren alten Gesetzen das minste nicht ändern lassen; gleichwohl aber der erste und ärgste Zerstörer derselben war / indem er des Agrippa Söhne / als sie noch nicht den Kinder-Rock abgelegt hatten / zu Bürgermeistern / den Jüngling Marcell seiner Schwester Sohn zum obersten Priester / seine Stief-Söhne zu Feld-Herren machte. Alles diß hätte Erato für längst ins Werck gerichtet / wenn ihr nicht der Werckzeug gefehlet hätte. Unterdessen wäre es genung / daß sie Meisterin der Armenischen Grund-Gesetze / und also ihrer aller Halsfrau worden wäre. Denn die Freyheit eines Volckes / welche die Armenier fast alleine unter allen Morgenländern erhalten; wäre noch sorgfältiger / als ein junges Palm- oder Dattel-Bäumlein / auf die Beine zu bringen. Sie müste stets mit neuen Gesetzen befeuchtet / und mit der Axt der Rechts-Schärffe alle Räuber / wie schön sie auch zu wachsen schienen /abgehauen werden. Tissafernes versetzte: Ihm wäre zwar ausser des Anaitischen Gottesdiensts Abschaffung keine andere Durchlöcherung einigen Gesetzes bekandt; wenn aber auch gleich in einig anderes von der Königin ein Eingriff geschehẽ wäre / müste man doch hieraus nicht alsofort eine gäntzliche Veränderung der Herschens-Art besorgen. Diese wäre ein so schwerer Stein / welchen kein Weib umzuweltzen vermöchte / zumahl er von so viel hundert Jahren her so feste beraset wäre. Ihre Herrschafft wäre zu solchem Absehen viel zu neu. Denn / wenn man ein Reich umgiessen wolte / müste es nach und nach / und so unvermerckt geschehen / als der Zeiger an den Uhren /oder die Erdkugel sich umwendet. Es müsse niemand mehr leben / der sich des alten Zustandes erinnerte /und desselbten Süssigkeit geschmeckt hätte. Den ob zwar der Eigennutz über die Menschen eine fast unablehnliche Gewalt hätte / so gebe es gleichwohl noch ehrliche Leute / welche die Freyheit für unschätzbar halten / und das ihnen dafür angebotene Kauff-Geld wie die Macedonier die vom grossen Alexander zu Abbissung der abgenommenen Uppigkeiten angezielte Geschencke verschmähen. Derogleichen lebten nun auch sicherlich unter denen Armeniern / welche voriger gütiger Könige Herrschafft nicht nur gedächten /sondern auch genossen hätten; und[311] auff derer Beystand er sich auff den Nothfall zu verlassen hätte. Orismanes brach hierauff aus: Wenn ich mich auff so kluge und tapffere Leute zu verlassen habe / bin ich entschlossen alles zu thun / was das Vaterland von mir heischet / und so viel Freunde rathen / da ich mich anders ihres Beystandes zu versichern habe / nach dem meine einigen Hände hierzu viel zu ohnmächtig sind. Oxathres einer der Reichs-Räthe hob an: Es wäre die ärgste Leichtsinnigkeit von uns / wenn wir in Ausübung dessen / was wir selbst einrathen / die Hand abzügen. Entdecke uns daher deine Meynung /durch was für ein Mittel dem Reiche und uns zu helffen / und denen Gefährligkeiten zu begegnen sey. Orismanes antwortete: Er wüste mehr nicht als zwey Wege / derer einer aber verwerfflich / der andere von ihm so lange zu verschweigen wäre / biß ihm Oxathres oder ein ander Fürst eine seiner Tochter vermälet hätte. Oxathres versetzte: Wer wird dem Orismanes sein Kind versagen? Also habe kein Bedencken uns beyden etwas zu verschweigen. Hierauf fing Orismanes an: Das verwerffliche Mittel ist die Königin Erato aus dem Wege zu räumen. Denn man hat fro e Fürsten wohl zu wüntschen / böse aber wie Hagel / Mißwachs und andere von Göttern herrührende Zufälle zu vertragen. So viel ihrer an den Julius Hand gelegt /sind erbärmlich umbko en / ja etliche haben mit eben dem Dolche / den sie dem Julius in die Brust gestossen / ihrem verzweifelnden Leben abgeholffen. Asteloth / der dem Caledonischen Könige mit seinem Leben auch die Krone zu rauben vermeynte / ward /der erhaltenen Warsagung nach / mit einer glüenden Krone gekrönet. Denn es sind doch Könige Statthalter der Götter auf Erden / die in der Welt keinen Richterstuhl haben / weniger iemand ihre heilige Glieder zu verletzen befugt ist. Uber diß ist unlaugbar: daß Erato bey ihren Fehlern so viel unvergleichliche Tugendẽ habe / welche so wenig als ein fruchtbarer Baum wegen eines dürren Zweiges auszurottẽ sind. Zu geschweigen / daß mehrmals böse Menschen gute Herrscher abgeben / und ihre Laster zum Nutze des Reiches anwenden / und ihre Unterthanen mehrmals zu ihrem Besten durch Betrug hinters Licht führen. Dahero einige der Meynung sind / daß nur gemeine Leute / nicht Könige / des Bösen sich zu entäusern hätten / woraus man Gutes hoffete; andere an einem Fürstẽ Ehrgeitz und Ungerechtigkeit so wenig für scheltbar hielten / als man einem Adler den Raub /einem Löwen den Gri zum Fehler aussetzte; ja ihrer viel für eine herrschaftliche Tugend hielten / wenn Fürsten auch in Lastern denen Niedrigern nichts nachgäben. Sintemal Anaxarchus den grossen Alexander schon beredet hätte / daß ein Fürst nichts Böses zu thun vermöchte / sondern so gar die Laster unter seinen Händen ihre böse Eigenschaften einbüßten / und weil er thun möchte / was ihm beliebte / sich in was gutes verwandelten. Wiewohl ich diese Abwege von der Tugend den Fürsten nur wie den Aertzten das Gift zur Artzney in äuserster Noth und in verzweifelten Kranckheiten erlaubt zu seyn glaube. Uberdiß würde schwerlich Erato so leicht und ohne Aufruhr des gantzen Reiches / ihrer Würde entsetzt werden können /als der Rath zu Sparta ihrẽ Könige Agesilaus eine Geld-Busse auflegten / weil er aller Bürger Hertzen gestohlẽ / und die Liebe der gantzen Stadt ihm zugeeignet hatte. Sintemal Erato dem Agesilaus hieriñen schon zuvor kommen wäre. Das andere Mittel fürzuschlagen solte ich wol billich anstehen / damit es nicht schiene / als wenn mein für des Reiches Heil abgegebener Rathschlag ein Auge auf meine selbsteigene Vergrösserung hätte. Aber weil ich mich so einer hohen Staffel unfähig erkenne / und keiner unter euch ist / dem ich nicht den Vorzug einräume / wil ich lieber auch mit Verdacht das Gute entdecken / als mit Ruhm dem Vaterlande zum Schaden das minste verschweigen.[312] Der Königin Fehlern ist anders nicht / als durch eine kluge Heyrath abzuhelffen / und Armenien anders nicht / als durch einen einheimischen Bräutigam zu helffen. Weiber und Reben dürffen wegen ihrer angebohrnen Schwachheit zu ihrem Wohlstande einen Ulmen-Baum oder Stütze / daran sie sich lehnen / oder darumb winden können. Und wir / da wir nicht entweder einem geringern gehorsamen / oder / wie unter dem Ariobarzanes eines frembden Volckes Sclaven werden wollen / können keinen Ausländer unsere Königin ehlichen lassen. Der Pontische König hat schon sein Heil versuchet / und es haben sicherlich alle Nachbarn auf die Krone Armeniens ihr Absehen. Die Königin aber gar unverheyrathet lassen / würde zwar dem Reichs-Rathe zu Vergrösserung seiner Gewalt und Ansehens / aber hierdurch zu innerlicher Unruh dienen / ja man würde ihren Fehlern Luft machen sich zu vermehren; und weil mit ihr endlich der alte Königliche Sta gar verfiele / möchte ihr Tod dem Reiche schädlicher / als ihr Leben seyn / nachdem entweder die Zwytracht unter denen Grössen den Reichs-Apfel zum Zanck-Apfel machen / und bürgerliche Kriege erregen / oder den Römern Gelegenheit geben würde denen Armeniern wie Syrien einen aufgeblasenen Land-Vogt aufzudringen. Daher hielte er für heilsam und nöthig darzu zu thun / womit Erato fördersamst an einẽ Fürsten des Reichs / darinnen man ihr die Wahl lassen könte / sich vermählen müste. Des Orismanes Ansehen / Rede und Geberden waren so durchdringend / daß ihm alle Beyfall gaben /und sie in der ersten Zusammenkunft einen Reichs-Schluß machten / auch selbten der Königin inversa letem Rathe fürtrugen: Sie solte / und zwar bey noch währender Reichs-Versa lung / einen Fürsten des Reiches zu ihrem Gemahl erwehlen / nachdem die gemeine Wolfarth ihren freyen Wohlstand nicht länger vertrüge / und die Unterthanen nach einẽ Reichs-Erben seufzeten / dessen Wohlstand nicht vertrüge /daß der Nachfolger ungewiß wäre / indem sonst ihr Reich stets frembdem Ehrgeitze ein Ziel abgebe / und Erato selbst nicht sicher den Reichs-Stul besässe. Sintemal der grosse Alexander sich selbst hätte beklagen müssen / daß der Mangel der Kinder ihn bey Frembden verächtlich gemacht / ja unter seinen eigenen Macedoniern Uneinigkeit und Verrätherey verursacht hätte. Der Königin kam diese vermessene Gewalts-Anmassung ihrer Unterthanen überaus unvermuthet für; gleichwohl verdrückte sie ihre heftige Gemüths-Bewegung / wohl wissende / daß wenn Unterthanen sich schon unterwinden ihren Häuptern an das Heft zu greiffen; ihre Kühnheit sich ins gemein in Raserey verwandelt / und sie gar gegen ihnen die Degen zücken. Diesemnach antwortete sie ihnen: Sie nähme ihren Schluß mehr für eine Liebe gegen sie und ihr Geschlechte an / als sie muthmassen wolte / daß sie ihrer Königlichen kein Gesetze vertragenden Hoheit etwas zu entziehen anzielten. Sintemal die Götter dem Volcke weder Gewalt noch Verstand über Fürsten zu urtheilen verliehen hätten. Gleichwohl wäre es in alle Wege gut so wohl einen Gehülffen in der Herrschafft /als gewisse Nachfolger im Reiche haben. Aber die Freyheit der Heyrathen vertrügen weder solche Maaßgebung / noch ihre Wichtigkeit so gefährliche Ubereilung. Sie wolte dem Wercke nachsinnen / und sich dessen entschlüssen / was Armenien nützlich und ihr anständig seyn würde. Nachdem auch für dißmal alle nöthige Reichs-Sachen erledigt wären / solten die Stände biß zu ihrer Wieder-Beruffung sich von sammen / und ieder nach Hause ziehen. Hiermit ging die Königin aus dem Saale / und ließ die Stände theils in Bestürtz-theils in Verbitterung; gleichwohl hatten sie Bedenken dißmal wider der Königin[313] Verbot länger vereinbart zu bleiben. Wie sie nun schon aufgestanden waren / bekam Oxarthes vom Orismanes ein Schreiben / darinnen er berichtete: Er habe numehr aus dem Königlichen Pontischen Hofe / und zwar aus der Königin Dynamis Frauenzimmer das Geheimnüß erfahren: Warumb Erato dem Ariobarzanes einen Korb gegeben / welches ihn muthmassen ließ / daß sie sich schwerlich einen inländischen Fürsten zu heyrathen würde bereden lassen. Denn sie wäre durch Liebe an den vermeynten Fürsten Zeno / welchen Polemon so lange Zeit für seine Tochter / Dynamis für ihren Sohn gehalten / verknüpfet / daß sie diesem eingeschobenen und Zweifels-frey von niedriger Ankunft entsprossenẽ Menschẽ schwerlich einen würdigern fürziehen würde. Oxarthes laß diß Schreiben / wiewohl mit Verschweigung des Orismanes / alsofort der gantzen Versammlung für / brachte es auch so weit /daß sie der Königin als einen neuen Reichs-Schluß fürtragen liessen: Weil sie keines geringen Ausländers Knechte seyn / noch unter der weiblichen Herrschafft länger schmachten könten; solte sie sich entweder vorigem Schlusse unterwerffen / oder Kron und Zepter niederlegen. Die Königin ward durch diese verzweifelte Verwegenheit hochbestürtzt / iedoch fragte sie den Oxarthes / welcher das Wort führete: Was für einen geringen Ausländer meynst du wohl / wird Erato sich vermählen / welche den mächtigen Ariobarzanes verschmähet? Dieser unverschämte Rädelsführer begegnete ihr alsofort: Wir fürchten den so genennten Fürsten Zeno zu Sinope. Erato erblaßte über dieser Antwort / und konte nicht ersinnen / wie sie diß Geheimnüß ihrer Liebe ausgespürt hätten; versetzte aber gleichwohl: Es ist wahr / daß ich diesen unvergleichlichen Fürsten so wohl meines Bettes / als aller Welt-Kronen würdig schätze. Sage du aber / daß ich keinen meiner Vermählung würdig schätze / den nicht die Sonne / wie mich / nicht später als einen Fürsten /denn einen Menschen / beschienen hat. Den Ständen melde auch / daß ich morgen auf dem grossen Reichs-Saale sie selbst beantworten wolle.

Folgenden Tages kam Erato in prächtigster Kleidung / über und über mit den köstlichsten Edelgesteinen bedecket / die Krone auf dem Haupte / den Zepter in der Hand tragende / in den besti ten Ort. Sie lehnete sich auf den Artafernes / zwey andere ihr getreue Fürsten trugen das Schwerdt und den Reichs-Apfel vorher / und sie setzte sich auf den aufs herrlichste erhobenen Thron. Der Saal war mit viel tausend Menschen also angefüllet / daß kein Apfel zur Erden konte / welchen allen die Begierde zu vernehmen / was die Königin für einen Gemahl erkiesen würde / ein unbewegliches Stillschweigen auflegte. Hierauf fing sie mit einer freudigen Geberdung und holdseligen Stimme an:

Wenn die freywillige Wahl der Armenier mir nicht meiner Voreltern Krone aufgesetzt hätte / würde ich noch zu zweifeln haben: Ob das Erb-Recht und der letzte Wille meines Vatern Artaxias genung gewest wäre mir diesen Thron zuzueignen / welchen für mir noch kein Weib besessen hat. So aber wissen die Götter / und eure Gewissen überzeugẽ euch / daß sich Erato nicht zur Krone gedrungen / nach welcher die meisten Sterblichen so begierig seufzen / weil sie nicht wissen / daß sie so schwer / und nichts als ein Zirckel sey / der keinen Mittel-Punct der Ruh in sich habe. Unsere Vorfahren haben bey Krönung ihrer Fürsten nachdencklich eingeführt / daß der neue König anfangs Feigen / hernach Terebinthen-Beeren essen / endlich einen Becher sauere Milch austrincken müsse. Denn der Anfang des Herrschens ist anfangs süsse / das Mittel herbe / das Ende aber versauert gar. Ich selbst habe in weniger Zeit erfahren /[314] die Herrschafft über andere sey eine edle Dienstbarkeit; auch mich beflissen zu erweisen / daß ich den Zepter zu Beschirmung des Volckes führte / meiner Würde aber nicht zu meiner Uppigkeit mißbrauchte; daß meine Sorgfalt ersetzte / was meinem Geschlechte abgehet /und daß euch eurer Wahl / mich aber meiner Wachsamkeit für eure Wolfarth nicht gereuen möchte. Denn nachdem in Armenien eine Neuigkeit ist / einer Königin gehorsamen / habe ich mich mehr umb eure Liebe / als umb eure Dienstbarkeit beworben. Ich habe nach euren Gesetzen gelebt / die ich keinen unterworffen bin; denn die Willkühr der Könige ist selbst Gesetzes genung / die Göttin der Gerechtigkeit lehnet sich stets an den Richter-Stuhl des Jupiters; In sonderheit wenn sie der Natur gemäß sind / welche ich allemal für meine Richtschnur / und für das auch über Fürsten herrschende Recht gehalten / und so wohl des Seleucus / als der Parthischen Weisen Meynung verdammet: Unter denen jener alles Recht sprach / was ein König seinen Unterthanen fürschriebe; wenn es schon wie seines Sohnes mit der Stiefmutter vollzogene Eh wider Zucht und Erbarkeit lieffe. Diese aber bey gebilligter Heyrath des Cambyses mit seiner Schwester fürs höchste Gesetze rühmte: Ein Persischer König hätte alles zu thun Macht / was ihm beliebte. Aber ich sehe wohl / daß ihr / die ihr an die Gesetze gebunden / nicht nur ohne sie seyn / sondern der Gesetzgeberin selbst fürschreiben wollet. Ihr wollt mich an eine Heyrath binden / die in der Willkühr ieglichen Bürgers steht. Gläubt aber / daß wie Unterthanen nichts grössers als ihren Gehorsam verlieren / also unmöglich / ein König seyn und gehorchen beysammen stehen könne. So wenig die Menschen dem Gestirne Gesetze geben / und den Lauff der Sonnen einrichten mögen; so wenig stehet Unterthanen zu / das Fürnehmen ihrer Obrigkeit zu meistern. Ihr meynet: Der König sey über das Volck /aber das Heil des Reichs über den König. Untersucht ihr aber auch / daß weniger Köpfe Ehrgeitz der Uhrheber dieses Fürwands / der Ungehorsam der Reiche Untergang sey? Jedoch / ich wil mein Urthel nicht so vieler Meynungen fürziehen / und euch ein Beyspiel zeigen / daß dieser der mächtigste König sey / der über seine Begierden vollmächtig zu gebieten hat. Daß derselbe die meisten Unterthanen habe / der sich der Vernunft unterwirfft / welche über alles eine allgemeine Herrschafft hat / und daß Erato ein großmüthiger Hertze habe / als jener Hetrurische Landmann /der sich gegen dem Käyser August für ein empfangenes Unrecht bedanckte / weil er es nur aus Irrthum /ich aber gegen euch wohl bedacht thue. Sehet! hiermit lege ich Kron und Zepter nieder; nehmet sie hin / und gebet sie einem würdigern. Des Gehorsams darff ich euch nicht entlassen / ihr habt selbten mir selbst schon entzogen. Wormit ihr aber von mir noch einer Zugabe geniesset / erkläre ich mich / daß ich numehr als eine Bürgerin verantworten wil / was ich als eine Königin gesündigt zu haben von iemanden beschuldigt werden möchte. Bin ich schon die letzte meines Geschlechtes / die Armenien beherrschet hat / hoffe ich doch die erste in der Welt zu seyn / die ihr Königreich ohne wenigere Empfindligkeit von sich stöst. Alle Zuschauer waren anders nicht / als wenn sie der Blitz gerühret hätte. Alle verstummeten / sahen einander an / Oxarthes und etliche andere Aufrührer aber wurden mit Scham-Röthe übergossen. Denn die Boßheit wird mehrmals so wohl durch unverhoffte Erreichung ihres bösen Zwecks / als durch Fehlschlagung ihrer arglistigen Anschläge beschämet. Der einige Artafernes erholete sich / und fiel der von dem Stuhle niedersteigenden[315] Königin mit vielen Thränen zun Füssen / sie beweglichst ersuchende: Sie möchte von ihrem Vorsatz abstehen / und Armenien ihr liebes Vaterland nicht verwäyset lassen; sie möchte aus ihrer Erleichterung Armenien nicht so grosse Verwirrung zuziehen / noch aus dem ihr Ruhm erwerben / woraus dem gantzen Reiche eine unausleschliche Schande erwüchse. Unterschiedene andere thäten es Artafernen nach / und meynten sie durch Herausstreichung der Königlichen Herrschafft / und ihrer von so vielen verlangten Süssigkeit von ihrem Vorsatze abwendig zu machen. Erato aber begegnete ihnen: Die / welche die Königliche Würde nicht kennten / und für eine halbe Vergötterung hielten / möchten sich umb sie drängen. Sie aber hätte die Armenische Krone mit einer solchen Gemüths-Mässigung bekommen / als wenn ihr iemand einen Feilgen- oder Rosen-Krantz geschenckt hätte; also stiege derselben Verlust ihr auch wenig zu Hertzen. Sie erinnerte sich wohl / daß zweyen Häuptern der Stoischen Weltweisen / welche doch die Unempfindligkeit für ihren Abgott hielten / dem Pythagoras nemlich und Zeno die Herrschafft so sehr unter die Augen geleuchtet hätte / daß sie so gar mit Gewalt derselben sich zu bemächtigen bemüht gewest wären; Plato hätte sie für eine Göttligkeit / ein ander für eine güldene Erndte gehalten; sie aber pflichtete einer gantz andern Weltweißheit bey / welche derselben Wahnwitz verwürffe / die lieber auf Goldenstück krancken / als auf Stroh gesund seyn; die mit süssem Gifte sich lieber tödten / als durch bittere Rhabarber genesen wolten. Ja wenn auch die Herrschafft an ihr selbst noch so anmuthig wäre / würde doch numehr /da man sie ihr aufzudringen gedächte / nichts minder /als die Leyer des Arion und Orpheus / weil sie beyde aus Noth und Zwang anstimmen müste / alle Liebligkeit verlieren / ungeachtet jener die Ehre hatte von denen ihm aufhalsenden Delfinen aus dem Schiffbruche errettet / dieser von denen zusammen gelockten Thieren verehret zu werden. Denn aller Zwang vergällete iedwede Süssigkeit. Hiemit drang die unerbittliche Erato auf das Thor zu / umb sich aus dem Saale zu begeben. Osthanes ein junger Armenischer Fürst hingegen vertrat ihr mit entblößtem Degen den Weg /und redete sie an: Das Verbündnüß zwischen einem Fürsten und seinem Volcke wäre so feste / daß so wenig die Unterthanen ihren König des Reichs entsetzen / so wenig dieser ohne jener Willen sich des Herrschens entäusern könne. Also solte die Königin Fuß halten / und ihrer Ruh das gemeine Heil fürziehen. Erato lächelte / und fing an: Mein Freund / dringe mir diß nicht auf / was ich alleine wegwerffe / die meisten in diesem Gemache aber äuserst verlangen; was mir so vieler Nächte Schlaf verstöret / und worumb ich morgen wieder in Sorgen stehen müste / daß man es mir wieder aufs neue aus den Händen winde. Das Volck hat durch seine Vorsteher mich meiner Pflicht erlassen / da sie die ihre versehret. Meynst du aber /daß die / welche zwey Reiche ohne Seufzen verlässet /für einem rühmlichen Verluste ihres Lebens erzittern kan? Uber dieser Wort-Wechselung entstand eine heftige Zwytracht / indem der Adel den für einen Reichs-Verräther ausruffte / der die Königin zu solcher Entschlüssung verursacht hätte. Die Reichs-Räthe trennten sich auch selbst / und nachdem etliche den Oxarthes für den Uhrheber angaben / wendete Osthanes seine Sebel von der Erato ab / und versetzte dem Oxarthes einen selchen Streich / daß ihn Erato noch seine Seele ausblasen sahe. Hierüber entstand ein allgemeines Blut-Bad / der Reichs-Saal ward in eine traurige Schlacht-Banck verwandelt / und die Armenier[316] wurden den ersten Augenblick inne / daß ein Reich ohne Oberhaupt / eine Weltohne Sonne / ja eine lebendige Hölle sey. Bey dieser Uneinigkeitgewann Erato Zeit sich so wohl aus dem Saale / als auff denen bereit bestellten Pferden aus Artaxata zu retten. Weil ich und Artafernes Sie nun von ihrem Fürsatze zu bringen nicht vermochten / ungeachtet wir ihr den bereit erfolgten Tod des Rädelsführers und anderer Auffwiegler fürstellten / und daß Armenien sie in wenig Stunden mit grösserm Frolocken / als das erste mahl auff den Stuel heben würde / vertrösteten / und sie über Hals und Kopf aus Artaxata eilte / wolten wir sie nicht verlassen / noch den ungewissen Ausschlag der innerlichen Unruh erwarten; sondern gaben uns mit der Erato auff den Weg / wiewohl nicht sonder Hoffnung / es würden nach gestürtzten Aufrührern die Stände sie wieder einrufen / und wir so vielmehr sie auff einen andern Sinn zu bringen Gelegenheit finden. Wir reiseten alle in Manns-Kleidern / und daher unkenntlich / dem Gordieischen Gebürgte zu; woraus der Phrat und Tiger entspringt / als wir auch in die Stadt Artemita kamen / ward durch einen Herold ausgeruffen: Der Urheber der Verrätherey wider die Königin wäre erforschet / nehmlich Orismanes / welcher sie und das Reich dadurch zu erlangen getrachtet /aber auch durch verzweiffelten Eigen-Mord nichts minder seine eigene Straffe / als die Unschuld der Königin ausgeführt hätte. Dahero würde die flüchtige Erato von ihren getreuen Unterthanen ersuchet: Sie möchte zurück kehrenden väterlichen Thron besitzen /und ihren Zwistigkeiten vollends abhelffen. Wir lagen ihr auffs neue an / aber umsonst; denn ob wir wohl daselbst einen Tag auszuruhen fürgehabt / setzte sie doch selbige Stunde noch ihre Reise ferner und schleuniger als vorhin fort. Folgenden Tag kamen wir gegen den Mittag an eine angenehme Bach / welche ein mit tausenderley Blumen und Kräutern ausgeputztes und von vielen daselbst wachsenden Amomum eingebiesamtes Thal zertheilet / die Hügel waren mit eiteln Myrthen-Oel- und Lorber-Bäumen beschattet /also daß dieses Paradieß die Königin anreitzte daselbst die Mittags-Hitze vorbey gehen zu lassen. Erato fing bey solcher Ruh an / ihre nunmehr erlangte Glückseligkeit zu preisen / um dardurch uns beyden /derer Augen stets voller Wasser standen / die so tieff eingewurtzelte Traurigkeit ein wenig auszureden / ja sie betheuerte / daß die gantze Zeit ihrer Herrschafft sie keine so fröliche Stunde gehabt / als sie an dieser anmuthigen Bach geniesse. Sie prieß ihre neuerlangte Befreyung von den güldenen Fässeln ihrer allgemeinen Dienstbarkeit / in welcher das unschuldige Leben unauffhörlicher Arbeit / das lasterhafte ewiger Schmach / beydes grossen Gefährligkeiten unterworffen / ja noch ungemeine Glückseligkeit wäre /sich dieser Last ohne einen blutigen Untergang entbürden können / und wenn man von dieser abschüßigen Höhe nicht gestürtzt würde / sondern gemach absteigen möchte. Bey dieser Gelegenheit redete ich die Königin an: Es wäre nur unbegreifflich / daß der blosse Auffstand der unbedachtsamen / aber schon zur Reue gebrachten Stände / noch auch die der Herrschafft anklebende Beschwerligkeit ihr die väterliche Krone so vergället haben solte; es müste eine grössere Ursache in ihrem Hertzen verborgen liegen / welche sie wider ihre angebohrne Gütigkeit so sehr verhärtete. Erato begegnete mir: Liebste Salonine / kenntest du. Königliche Kronen so wohl inn- als auswendig /du würdest keine auffheben / wenn du schon mit dem Fuße dran stiessest. Der grosse Käyser August hat sich nicht ohne Ursach derselben entschütten wollen; und ich halte die Ursachen des Agrippa / der ihm solches gerathen / wichtiger[317] und löblicher / als des Mecenas / der ihm diesen löblichen Vorsatz wieder ausgeredet. Antiochus hat auch so thöricht nicht gethan /als er sich gegen die Römer / nach dem sie ihn seines gantzen Gebietes disseit des Taurischen Gebürges entsetzten / bedanckte / daß sie ihm einer so grossen Uberlast und vieler Sorgen entbürdet hätten. Gleichwohl aber gestehe ich / daß die Liebe des gemeinen Heils mir diese Last erleichtert / ich auch wegen meiner Gemächligkeit dieses Geschencke der Götter nicht weggeworffen hätte. Solte dir aber / vertrauteste Salonine / wohl schwer fallen die Haupt-Ursache dieser meiner Entschlüssung durch ein weniges Nachdencken zu errathen. Hastu den unvergleichlichen Fürsten Zeno so geschwind aus dem Gedächtnisse bracht /dem ich zu Sinope meine gantze Seele gewiedmet /und dessen Abwesenheit mich seit der Zeit keine Nacht ruhen / noch auch aus der grösten Ergetzligkeit die geringste Vergnügung hat schöpffen lassen? Oder trauestu meinem Gemüthe zu / daß ich nicht ihn / sondern sein Glücke geliebt? daß / nach dem er auffgehört des Polemon Sohn / und ein Erbe der Pontischen Königreiche zu seyn / bey mir auch sein Gedächtniß verschwunden sey? Nein sicher! Ich werde seinethalben noch zehen Ariobarzanes und alle Armenische /ja aller Welt Fürsten verschmehen; Wenn schon seine Tugenden mein Gemüthe und deinen Zweiffel nicht überredeten / daß / ob er schon kein Kind der Dynamis / doch aus Fürstlichem Stamme entsprossen sey. Ist dir seine eigene Fürtreffligkeit nicht Beweises genug / so will ich dir ein unverwerfliches Zeugniß der Götter fürlegen. Denn wisse / daß ich nach meiner Ankunfft in die Stadt Idersa in dem Phrixischen Tempel der Morgenröthe / woraus Jason den güldenen Widder geholet / diese Antwort bekommen habe:


Wenn Zeno nicht mehr wird seyn Polemons sein Sohn /

Wirstu Armeniens gekrönte Fürstin werden.

Wenn du verlassen wirst den väterlichen Thron /

Wird Zeno dich befreyn / viel ängstiger Beschwerden.

Wenn man dich wieder wird zur Königin einweih'n /

Wird er ein Königs Sohn und selbst auch König seyn.


Was meinest du nun wol Salonine / ob ich nicht Ursach habe / mich so wol dem Verhängnisse gutwillig zu unterwerffen / als auf die fernere Hülffe der Götter zu verlassen / welche bereit die Helfte dieser so deutlichen Weissagung wahr gemacht haben. Nicht nur ich / fuhr Salonine fort / sondern auch Artafernes verwundern sich über diesen göttlichen Offenbarungen überaus / schöpften auch von demselben Augenblicke an kräfftigen Trost. Ja ich konte mich nicht enthalten überlaut zu ruffen: Ihr gütigen Götter! Ach lasset doch unverlängt geschehen / daß Fürst Zeno dieser beständigen Königin / bey der die Liebe die Ehrsucht / den grössesten Abgott der Welt überwindet / von ihren ängstigen Beschwerden befreye! Wir zogen hierauff fort / kamen sonder einige denckwürdige Begebenheiten über das Taurische Gebürge nach Edessa / von dar durch die Cyrrestische Landschafft noch Antiochia an dem Flusse Orontes in Syrien / und endlich von dar über Meer nach Paphos in Cypern / wo der berühmte Tempel der Venus zu sehen ist. Selbigen soll Cyniras an den Ort gebauet haben / wo diese aus dem Meere nach der Geburt steigende Göttin ihren Fuß zum ersten mahl hingesetzt. Thamyras aus Cilicien hat darinnen zum ersten / und seine Nachkommen hernach lange Zeit geweissaget. Die itzigen Priester rechnen ihren Ursprung von Cynira her. Erato wolte die Gelegenheit nicht versäumen hier ihre Andacht zu verrichten. Wir begleiteten sie in den herrlichen Tempel / welcher dreyfach mit Myrtenbäumen umgeben /aus eitel weissen Marmel recht in die Rundte / und eben so wie der Dianen Tempel zu Ephesus vierhundert[318] fünff und zwantzig Schuch lang gebaut / inwendig mit dichtem Golde überzogen / aber mit keinem Dache belegt war. Denn es hat dieses Heiligthum diß besondere Wunderwerck / daß weder Regen noch Thau selbtes befeuchtet. Das Thor hat Phidias aus Ertz gegossen / und darinnen wie die gebohrne Venus auff einer Purpur-Muschel von vier Meer-Schweinen ans Ufer abgeladen wird / auffs künstlichste gebildet. Uber dem Thore stehet auff einem viereckichten Agathsteine folgende Uberschrifft:


Die Liebe wird verehrt in diesem Heiligthume /

Die Mutter der Natur und Schöpfferin der Welt /

Die Irrthum für ein Kind des kalten Meer-Schaums hält.

Weil eh / als Ertzt / Crystall / Kraut / Schwesel / Baumwerck / Blume

Corall / Stein / Thier gewest / ihr Wesen schon bestand.

Ja dieses All von ihr den ersten Trieb empfand.


Die flößt den kräfft'gen Thau der Fruchtbarkeit in alles /

Was Regung / Seele / Trieb und Wachsthum in sich fühlt.

Die schafft: daß / was nur lebt / auff seines gleichen zielt.

Die schwängert Wasser / Lufft / den Bauch des Erden- Balles /

Ja Sternen geußt sie Oel / den Reben süssen Wein /

Den Wurtzeln Farb' und Safft / den Hertzen Anmuth ein.


Schämt aber euch / die ihr Vernunfft und Urthel habet /

Daß / da nicht wildes Vieh aus dem Geschirre schlägt /

Da Panther / Löw und Pferd kein falsches Feuer hegt /

Nur ihr verfälscht / wormit euch die Natur begabet.

Wenn Mißbrauch ihre Milch in Gifft und Geilheit kehrt

Und / was euch nähren soll / wie Mad' und Krebs verzehrt.


Flieht / Irrdische / von hier / die ihr unreine Lüste

Für Töchter und Gespiel'n der Göttin bettet an!

So wenig als Napel aus Rosen wachsen kan /

Jaßmin aus Schwämmen blühn / und Balsam qvelln aus Miste;

So wenig kan die Pest / für der man muß vergehn /

Der Geilheit Mißgeburt in heil'gen Tempeln stehn.


Was ihr für Liebe rühmt / ist Eyter von den Drachen

Was ihr zur Göttin macht / ist ein Gifft-athmend Weib.

Sie frißt's Gewissen aus / sie tödtet Seel und Leib.

Ja wer die Wollust wil zu einem Gotte machen /

Ist wie / der Knobloch / Aff / Hund / Katzen / Crocodil'

In Götter; Ochs' und Bär in Sterne wandeln will.


Ihr Seelen aber kommt / ihr unbefleckten Hertzen /

Die ihr den keuschen Geist nur einer Seel' ansteckt!

Denn wie mein Opffer-Tisch wird durch kein Blut besteckt /

Wie man mich nur bestrahlt mit Schwanen-weissen Kertzen:

So muß bey dem / der liebt / auch Leib und Seele rein /

Ein Hertze das Altar / die Tugend's Opffer seyn.


Dem Eingange gegenüber stehet die Helffenbeinerne Venus des Praxiteles / welche mit der zu Gnidus um den Vorzug streitet / und darein sich Macareus so unsinnig verliebet. Unten an dem Fuße dieses Wunderbildes waren diese Reime zu lesen:


Soll Paris und Adon / weil diese nur allein

Die Venus nackt gesehn / diß Bild gefertigt haben?

Nach dem die Aehnligkeit so eigentlich trifft ein.

Weil aber so belebt sich zeigt diß todte Bein;

So fragt sichs: ob ein Gott diß Wunder ausgegraben?

Denn es kan ja kein Mensch beseelen Horn und Stein.

Sagt: was Praxiteles sein Meister nun muß seyn?


Auff der rechten Hand stehet eben dieser Göttin Bild /wie sie die Himmels-Kugel auff den Achseln trägt /aus Alabaster vom Phidias gemacht / auff der lincken des Alcamenes aus Marmel / einen güldenen Apffel in der Hand haltend / damit er den Agoracritus überwunden. Der oberste Priester Sostratus begegnete uns auf der Schwelle mit etlichen andern / und ließ die zum Opffer von uns bestimmten drey Böcke / als das hier angenehmste Opffer / nachdem er sie eusserlich wohl betrachtet / und tauglich befunden / von uns abnehmen. Er selbst führte uns für das in der Mitte unter freyem Himmel stehende Altar / für welchem wir nieder knieten / nachdem wir vorher einen güldenen Groschen darauff gelegt / und eine Hand voll Saltz in das daselbst brennende Feuer gesprenget. Das darüber erhöhete Bild der Göttin war nicht in Menschen-Gestalt / sondern ein aus Gold gegossener Circkel / der vorwerts am weitesten war / einwerts aber immer enger in einen gar kleinen Umkreiß zulieff. Des Priesters Auslegung nach / ist die Venus also gebildet / entweder weil so wohl die grösten als kleinsten Geschöpffe der Natur durch ihren Einfluß erhalten würden / oder ihr Gestirne eben so wie der Monde ab und zunehme /wenn es der Erden am weitesten[319] entfernet / voll und am grösten / bey Näherung der Erden aber hörnricht und am kleinsten wäre. Der Priester ließ von denen geschlachteten Böcken nur die im Weine rein abgewaschene eussersten Theile der Glieder und Eingeweide auff das Altar bringen / denn es mit keinem Blute bespritzt werden darff. Zweyfelsfrey / weil die Liebe selbst der Ursprung alles Blutes / oder auch gar nicht blutbegierig ist. Nach dem der Priester alle Fäserlein / und insonderheit die Stücke von den Lebern genau beschauet / streute er eine Schüssel voll Weyrauch in die Fla e / kehrte sich hierauff um und fing zur Erato an: Die Göttin hätte ihr Gebet erhöret; Sie würde zwar noch allerhand Zufälle überwinden müssen / aber das Verhängniß dächte ihr mehr zu / als ihre Gedancken itzt begreiffen / oder ihre Hoffnung fassen könte. Nach dieser erfreulichen Ankündigung führte uns Sostratus in eine Halle / und zeigte uns alle dieselben unvergleichlichen Schätze / welche die Vorwelt / und in selbter auch ihre Vor-Eltern der Göttin verehret. Unter denen aber allen den Vorzug verdienet das aus dichtem Golde gegossene Bild der reutenden Hipsicratea / welches zu ewigem Gedächtnisse ihrer unzertrennlichen Begleitung ihr Gemahl der grosse Mithridates diesem Heiligthume gewiedmet. Erato nahm nebst uns Abschied / und wir segelten mit gutem Winde nach Rom. Sintemahl sie in diesem allgemeinen Vaterlande der Völcker vom Fürsten Zeno einige Nachricht zu erhalten hoffte. Wie wir nun zu Rom zwar vom Zeno das wenigste vernahmen / Erato aber mit des Tiberius Sohne dem jungen Drusus verträuliche Freundschafft machte / und dieser seinem Vater und dem Germanicus in den Dalmatischen Krieg folgen wolte / entschloß sich Erato in seiner Gesellschafft zu reisen / und mit ihm daselbst ihr Glück zu versuchen. Wie wir aber in Rhetien kamen /kriegte Drusus vom Tiberius Zeitung / daß der Dalmatische Hertzog Bato und sein Sohn Sceva sich den Römern ergeben / und also dieser Krieg ein Ende bekommen hätte. Hierbey war ein Befehl an Drusus /daß weil krafft einer vom Könige Marbod ertheilten verträulichen Warnigung die Deutschen wider die Römer einen Auffstand fürhätten / solte er sich in das Läger des Qvintilius Varus nach Deutschland verfügen / und daselbst in die Fußstapffen seines Vettern des sieghafften Drusus treten / welcher die auffrührischen Gallier im Zaume gehalten / die sie verleitenden Sicambrer über den Rhein getrieben / die Bataver und Usipeter gedemüthiget / die Friesen / Chauzen und Cherusker zum Gehorsam bracht / bey der in die Lippe fliessenden Alme die Festung Elsens / als einen Kapzaum selbigen rauhen Völckern angelegt / die Bructerer auff der Emse geschlagen / funffzig Schantzen an Rhein gelegt / diesem Flusse den dritten Ausgang ins Meer eröffnet / und mit den Römischen Adlern biß an die Elbe gedrungen wäre. Erato wolte diese Gelegenheit das so berühmte Deutschland zu beschauen nicht aus Händen lassen / und also reiseten wir mit dem Drusus nach Meintz / allwo er seines in Deutschland von einem Bein-Bruche verstorbenen Vettern prächtiges Begräbnüß-Mahl betrachtete / und auff seinem Altare opfferte. Von Meintz reisete Drusus und wir mit ihm auff das Gebürge Taunus / und besahen gleicher gestalt die daselbst vom ersten Drusus auffgebaute Festung. Wie wir aber von dar / in willens zu dem andern Altare des Drusus an der Lippe und Alme zu gelangen / bey die StadtMattium kamen / wurden wir / die wir von keinem Kriege nicht wusten / gantz unvermuthet von den Catten überfallen / ja der junge Drusus im ersten Anfalle mit seinem Pferde über einen Hauffen gerennet. Wenn auch Erato und Artafernes nicht so tapffer den Catten begegnet hätten / wäre[320] Drusus unzweiffelbar ertreten / oder gefangen worden. Aber in dem Erato sich so sehr bemühete den Drusus aus dem Gedränge zu bringen / fiel sie mit ihrem Pferde in einen Sumpf / ward also von den Catten nebst mir / die ich meine Königin nicht in dem Stiche lassen wolte / gefangen. Drusus entkam auf das Gebürge; ob Artafernes sich mit ihm geflüchtet / oder todt blieben / stehe ich noch zwischen Furcht und Hoffnung. Wir aber sind von dem Hertzoge der Catten als Gefangene in das deutsche Läger /und endlich hieher unter die Schutz-Flügel so einer tugendhafften Fürstin gebracht worden.

Hiemit beschloß Salonine ihre Erzehlung / die holdselige Thusnelde aber umarmte sie mit beweglicher Versicherung / sie hätte mit nichts so sehr / als durch den Fürtrag so wunderwürdigen Begebenheiten verbunden werden können. Gegen der Erato aber betheuerte sie: Es wäre ihr hertzlicher Wuntsch / daß sie in Deutschland der Angelstern ihrer Vergnügung wieder erblicken möchte / der ihr auf dem schwartzen Meere aus dem Gesichte kommen wäre. Sie müste aus denen von ihr erzehlten Tugenden mehrentheils Wunderwercke machen; aber dieser finde sie keinen genungsam würdigen Nahmen / daß sie Kron und Zepter verschmehet um ihrer Treue keinen Abbruch zu thun; daß sie den so beständig geliebet / von dem sie zweiffeln könte: Ob sein Stand ihres Geschlechtes fähig wäre. Denn die Warheit zu sagen / wie hoch ich die Tugend schätze / wiewol ich weiß / daß ihre Vollkommenheit in ihrem eigenen Wesen bestehe / und sie so wenig einen Beysatz / als ein vollkommener Edelstein eine Folge dürffe; so traute ich mir doch nicht zu mein Gemüthe zu überwinden / daß selbtes sich einem gantz und gar eignen solte / der nicht Edelgebohren wäre; wenn auch schon der Neid selbst an ihm keinen Tadel zu finden wüste. Ja wenn ich auch schon aus Irrthum mich so ferne übereilet hätte / würde ich trachten meinen Fuß aus diesem Garne unvermerckt zurücke zu ziehen. Denn meinem Bedüncken nach erfordert so wol Liebe als Freundschafft eine Gleichheit; und wie hohe Ankunfft den Niedrigen einen Zunder der Liebe abgiebt; also hindert ein niedriger Uhrsprung bey den Edlen / daß eine entglimmende Gewogenheit zu keiner Liebe werde. Zwar ist mir nicht unbekandt / daß auch bey uns deutschen Königinnen ihre Liebhaber von der Pflugschaar genommen; daß die Scythischen und Serischen Könige ihre Gemahlinnen insgemein auch aus dem niedrigsten Pöfel erkiesen; aber ich weiß nicht / ob ihre Wahl mehr für tugendhafft zu achten / als des Paris Beginnen für leichtsinnig zu schelten sey; da er nach erfahrnem Fürsten-Stande seine Hirten-Buhlschafft Oenone verschmähete. Denn wie die Rosen niemahls ohne Purper blühen / die Granat-Aepfel nie ohne Kronen wachsen; also soll eine Fürstin auch nie nichts anders lieben /als was Purper und Kronen in sich hat. Die Königin Erato begegnete ihr: Ich habe mich der Rechtfertigung einer so niedrigen Liebe nicht anzumassen / weil ich an nichts weniger / als an des Fürsten Zeno hoher Ankunfft zweifele. Aber mich dünckt / daß die so holdselige Thusnelde ein allzu strenger Richter über die Liebe sey; wenn sie die Tugend eines niedrigern nicht für Liebens-würdig / oder / wahrhaffter zu sagen /nicht für edel hält; Da doch diese der Brunn alles Adels ist. Ich lobe den Wahnwitz nicht / daß eine Käyserin sich in einen Fechter / eine Königin in einen Mohren / eine Fürstin sich in einen Zwerg verliebt. Ich widerspreche nicht / daß wie auff den höchsten Gebürgen die reineste Lufft / also in hohen Stämmen insgemein fürtreflichere Gemüths-Gaben anzutreffen /und daß die mit Fürstlichem Geblüte vermählte Tugend einen zweyfachen Glantz habe / und also der niedrigern fürzuziehen sey; Aber ich kan auch nicht enthengen / daß eine Fürstin einen zu lieben Abscheu tragen solle / der durch seine Tugend sein Geschlechte[321] adelt / und den ersten Stein zu seinem Glücke leget. Sonst hätte Astyagens Tochter Mandane nicht dem Cambyses / die Edle Hersilia nicht den Tullus Hostilius / des Damascon Wittib nicht Agathoclen / und des itzigen Käysers Tochter nicht den Agrippa lieben können. Sicher / die Liebe hat allzu viel Zärtligkeit an sich / als daß sie diesem scharffen Gesetze sich unterwerffen solte. Die hohen Cedern sind der Ehrsucht /die niedrigen Myrten- und Rosensträuche der Liebe gewiedmet; Diese aber hat mit jener keine verträgliche Gemeinschafft. Die der Liebe ein Sinnbild zueignen / bilden sie wie keinen Adler ab / die nur in der Schooß des Jupiters / oder auf dem Taurischen Gebürge nisten / sondern wie Bienen / die an dem Saffte und der Seele der niedrigen Blumen sich vergnügen; die den Thau des Himmels nicht verschmähen / wenn er schon in die tiefsten Thäler auf sich bückende Kräuter gefallen ist. Ja auch die Liebe / die zwischen hohen Häuptern sich entspinnet / enteusert sich bey ihrer süssen Genüssung aller euserlichen Herrligkeit; Sie suchet ihre Ergötzligkeit nicht in den Zinnen der Palläste / sondern in den Wohnstädten der Hirten; nicht in dem Gepränge des Hoffes / sondern in einfältiger Verträuligkeit. Uber diß schiene der Fürstin Thusnelde Meinung auch der Würde des weiblichen Geschlechtes einen Abbruch zu thun. Denn da ein Edler durch seine Heyrath eine Unedle adelte; warum solte diese Krafft dem Frauenzimmer verschränckt seyn? Warum solten sie nicht ihren Adel auf die Geschlechts-Nachkommen fortpflantzen / die zu der Fortzeugung mehr Geblüte und Sorge / denn die Männer / beytrügen? Diesemnach die Epizephyrier den Adel gar vernünfftig von den Müttern herrechneten; die Lycier ihre Kinder nach den mütterlichen Ahnen /als denen edelsten Vor-Eltern nenneten; und die Egyptier ihren Königinnen mehr Ehre / als den Königen erwiesen; in Indien die Schwester-Kinder so gar die Söhne von der Reichs-Folge ausschlüssen. Die Fürstin Thusnelde antwortete hierauf: Ich will nicht in Abrede seyn / daß auch tapffere Leute von gemeinen gezeuget werden. Dieses aber geschiehet vielleicht so selten / als denen Reigern auf ihren Köpfen die so kostbaren Königs-Federn / und denen Schlangen Kronen wachsen. Dahingegen die alten Geschlechter nichts minder von tapfferen Söhnen; als in Indien die alten Steinklippen von Schmaragden und Türckißen reich sind. Die an der Sonne gewachsenen Früchte sind schmackhaffter / als welche an dem Schatten reif worden. Und wenn man auf den Adel tapfferer Helden nicht ein besonderes Absehn nehmen wolte; was würde endlich zwischen Kindern der Menschen und unvernünfftiger Thiere für ein Unterschied bleiben? Man verehrt ja das Alterthum in den todten Ehren-Säulen wohlverdienter Leute / warum nicht auch in ihren lebenden Ehrenbildern / nehmlich den Nachkommen? Diese schuldige Ehrerbietung macht / daß diß / was ein Edler gethan / stets ansehnlicher sey /als was ein neuer Mensch ausgerichtet. Denn wo die Tugend in einem Geschlechte einmahl recht einge wurtzelt ist / können desselbten Nachkommen so schwer in eine böse Unart verfallen; als die Mohren-Mütter weisse Kinder gebähren; ungeachtet ihre Schwärtze keine unabsonderliche Eigenschafft selbiger Menschen ist. Diesemnach denn der Adel gar billich für einen Lorber-Krantz zu halten / welchen nicht alsbald die ersten Verdienste zu wege bringen / sondern die verjährende Zeit denen Geschlechtern nach und nach aussetzt / wenn die rühmlichen Thaten gleichsam schon zum Theil vergessen sind. Dannenhero muß ich unvermeidlich unserm Geschlechte ablegen / und für das männliche nachgeben: daß / nach dem die Früchte nicht so sehr nach den Stamme eines Baumes / als nach dem Propfreisern fallen / ungeachtet jener allen Safft zum Wachsthume[322] thume hergeben muß; die Art der Kinder / und also die Fortpflantzung des Adels mehr denen Vätern / als Müttern zuzueignen sey. Jene sind doch nach aller Völcker Rechte die Uhrheber / diese aber der Beschluß der Geschlechter. Alldieweil aber kein Zweiffel ist / daß ein auf einen edlen Stamm gepfropffter köstlicher Zweig die allervollkommensten Früchte trägt / muß ich die Gewohnheit der Deutschen nothwendig vertheydigen / welche keinen für vollkommen edel hielten / noch zu hohen Aemptern befördern / der nicht von Vater und Mutter Edel gebohren ist. Wiewohl sie in dem Kriege / als aus welchem der Adel seinen Uhrsprung nimmt / solches nicht so genau beobachten / sondern man in Erwehlung der Heerführer bloß auf ihre Tugend und Thaten das Absehn hat. Die Fürstin Ismene ward von einem geheimen Triebe gleichsam gezwungen Thusuelden einzubrechen: Sie meinte zwar von beyden Seiten gut von Adel zu seyn; nichts desto weniger unterstünde sie sich nicht ihr selbst diesen Ehrgeitz beyzumessen / daß es keine Unedle ihr nicht in vielem zuvor thun solte. Dahero däuchtete sie ihres Vaterlandes Gewohnheit selbst allzu strenge / ja hochschädlich zu seyn / weil sie durch Ausschlüssung der Unedlen von den höchsten Ehrenstellen vielen Tugendhafften Leuten den Weg verschränckte / dem gemeinen Wesen viel guts zu thun. Zeugeten Leute von niedriger Ankunft nicht allezeit grosse Helden; so wären die Kinder der Edlen auch oft von aller Tugend leer / welche doch alleine der Adel / wie die Speise das Leben /erhielte. Vieler Fürsten Söhne wären ihren Vätern so unähnlich / daß dieser Verdienste jenen nur ihre Fehler fürrückte / und ihrer tapffern Ahnen verrauchte Bilder / ja gleichsam lebhaffte Steine ihnen Krieg ansagten / und als Unwürdigen den keinem Erb-Rechte unterworffenen Adel abstreiten wolten. Da nun dieser ohne Verdienste als dem Uhrsprunge solcher Würde ein eiteler Schatten / ein Verfolg tapfferer Thaten herrlicher / als eine lange Reye berühmter Ahnen wäre; da alle Menschen von einem entsprossen seyn sollen / und also den Fürsten der gantzen Welt zum Ahnherrn haben; da kein königliches Geschlechte so alt und ansehnlich wäre / welches nicht niedrige Leute / die man nicht einst vom Nahmen kennet / unter seinen Vor-Eltern hätte; ja der grösten Helden Nachkommen insgemein gleichsam in ihr erstes Nichts verfielen / und daher die von den Edlen Römern auf den Schuhen getragene Monden gar nachdenklich das Wachsthum und das Abnehmen des Adels abbildeten; da unsere Geschlechts-Register so leicht dem Irrthume und unterschlieffe unterwunden wären / gestünde sie frey heraus: daß sie bey habender Wahl zwar einen tugendhafften Fürsten allen andern fürziehen / einen lasterhafften aber / ja auch so gar einen mittelmäßigen einem tapfferen Unedlen im heyrathen unfehlbar nachsetzen würde. Sintemahl dieser / ungeachtet seiner niedrigen Anherokunfft / ihren Ahnen viel näher kommen würde / als die / welche nur vom Geblüte Edel sind / und in sich einen Geist des Pöfels haben.

Die Hertzogin Thusnelde war schon zu einem neuen Gegensatze geschickt; als die Gräffin von Horn eine Jungfrau aus ihrem Frauenzimmer ihr andeutete: daß der Feldherr mit unterschiedenen Fürsten schon im Vorgemache wären / sie heimzusuchen. Also ward ihr Gespräche unterbrochen um selbte zu empfangen /welche auch gleich in ihr Zimmer eintraten. Mit dem Feldherrn kamen Hertzog Arpus / Segestes / Jubill /Rhemetalces / Malovend / und endlich auch Zeno; dessen aber Erato nicht ehe innen ward / biß sie sich mit den andern bewillkommet hatte. Wie diese zwey aber einander erblickten / verlohren sie beyderseits Farbe / Sprache und Bewegung. Alle Anwesenden /denen die Nahmen und die Geschichte so wohl des Zeno / als der Erato / also auch die Ursache[323] dieser augenblicklichen Veränderung unbekandt war; sahen einander an / nicht wissende: Ob sie beyder Schrecknüß für eine Würckung der Feindschafft / oder Gewogenheit auslegen solten / biß der gleichsam aus einer Ohnmacht sich erholende Zeno für der Erato auf die Knie sinckende / zu ruffen anfing: Ihr Götter! würdigt ihr den unglückseligsten Zeno / daß er noch einmahl den Schatten seiner Seelen-Beherrscherin erblicke? Oder ist Deutschland so glückselig ein so wol getroffenes Fürbild der Armenischen Königin zu besitzen? Die Königin Erato erholete sich nun gleichergestalt / iedoch konte sie sich nicht mäßigen ihn zu umarmen / von der Erden aufzuheben / und zu beantworten: Nein / nein / mein liebster Zeno; du stehest weder die Armenische Königin / noch ihren Schatten; aber wol deine getreueste Erato. Zeno fing alsofort nach solcher Ausdrückung voller Bestürtzung an: O seltzame Bländung irrdischer Zufälle! darf wol ein Verwürfling der Welt / den das Glücke nicht nur dreyer Kronen / sondern durch die in der Welt erschollene Erkäntnüß Ariobarzanens für den Sohn des Polemon / seines Standes / seines eingebildeten Uhrsprungs beraubet / dem das Verhängnüs nichts als das Leben zu einer Straffe übrig gelassen / seine Augen gegen einer so erlauchteten Sonne aufzuheben sich erkühnen? oder darf der / dem die Götter selbst den Rücken gekehrt / der sich weniger als ein an die Ruderbanck geschmiedeter Sclave auszuführen weiß /ihm etwas von Treue oder Liebe einer gekrönten Königin träumen lassen? Erato ließ hierüber entweder für Freuden / oder für Mitleiden einen reichen Strom von Thränen über die Wangen rinnen; und antwortete ihm: Solte die / welche vom Fürsten Zeno in ihrer Erniedrigung / ja ehe er sie gekennet / so hertzinniglich geliebt worden / von ihm itzo so leichtsinnig absetzen; nach dem sein Uhrsprung von unserer Unwissenheit alleine verdecket wird? Ventidius / der die Ehre gehabt zum ersten mahl in Rom über die Parther ein Siegs-Gepränge zu halten / der in eben dem Tage des Königs Sohn erlegt / als der edle Crassus so viel tausend edle Römer eingebüsset / hat seinen Vater niemahls erfahren. Soll man der Sonnen ihre Ehre entziehen / wenn sie Wolcken umbhüllen? Oder soll unsere reineste Liebe sich in eine Ehrsucht verwandeln / und nicht auf die Tugend ihr Absehen haben / sondern mit dem veränderlichen Glücke bald diese / bald jene Larve fürnehmen? Ich weiß ja wohl / daß irrdische Abzielungen einen Menschen ihm selbst so unähnlich machen können / als er keinem frembden ist; daß die Ehrsucht heute mit der Fersen stöst / die die Schein-Liebe gestern geküsset; daß die itzt wohlrüchenden Rosen uns morgen anstincken. Aber die Götter werden meine Seele für dieser Schwachheit / oder vielmehr für diesem Schandflecke behüten; daß mein itziger Unbestand den Anfang meiner reinen Liebe zur Heucheley machen; mich aber der Welt als ein Muster der Leichtsinnigkeit fürstellen solte. Tugend und Liebe sind beyde von so hoher Ankunfft / daß ihr alle Würden weichen / alle Vortheil aus dem Wege treten müssen. Zeno ward über so holdseliger Erklärung gantz auffs neue begeistert / und nach dem er keine seine Regung genungsamausdrückenden Worte fand /seufzete er und küste die Schnee-weissen Hände der itzt zweyfach belebten Erato. Alle anwesenden Fürsten sahen diesen und mehrern Liebes-Bezeugungen erfreuet zu / und ihre Zuneigung zu beyden Verliebten machte sie ihrer Vergnügungen nicht wenig theilhafftig. Denn die sonst so eiversüchtige Liebe erlaubet gleichwol der Freundschafft / daß diese sich über ihren Ergetzligkeiten belustigen möge. Und es ist ein Beysatz der Glückseligkeit / wenn wir uns nicht allein selbst / sondern auch andere glückselig schätzen. Wie nun die Fürstin Thußnelde noch immer der Königin Erato die Thränen über die Wangen schüssen[324] sah /fing sie gegen ihr an: Ich weiß wol / daß die Thränen insgemein nach den Seuffzern / wie ein sanffter Regen nach einem warmen Thau-Winde zu folgen / und die Liebe sich so wohl als ihre Rosen mit derselben Thaue zu erfrischen / oder auch durch so eine geleuterte Fluth die Entzückung der Seele auszulassen pflege. Ich bin aber der Gedancken gewest / daß die Thränen alleine der Betrübten Liebes-Kinder / und die Traurigkeit ihre Weh-Mutter wäre. Nach dem ich nun mir unschwer einbilden kan / mit was für einer Vergnügung die Königin Erato den Fürsten Zeno bewillkommt haben müste; so lerne ich numehr / daß die Thränen eben so wohl ein reines Blut freudiger Seelen seyn / die ein verliebtes Hertze / welches seine Freude nicht in sich beschlüssen kan / über die Ufer der Augen auszugiessen gezwungen wird. Salonine / welche ihrer Königin Gedancken mercklich zerstreuet zu seyn wahrnahm / vertrat sie durch folgende Antwort: Es wäre nicht ohne / daß das Lachen insgemein eine Gefärthin der freudigen / das Weinen aber der bekümmerten Liebe wäre; welches so denn sonderlich bey der Verliebten Zertrennung herfür zu qvellen pflegte. Denn weil die Vorliebten sich so ungerne von einander entferneten / stiegen ihre Seelen so gar biß zu den Augenliedern empor / um ihre Buhlschafft zum minsten so weit / als das Gesichte trüge / zu begleiten. Weil nun diese Trennung der vereinbarten Seelen ihre wahrhaffte Verwundung wäre; so güssen sich die Thränen aus selbten eben so häuffig aus; als wie das Geblüte aus einem zergliederten Leibe herfür sprützete. Alleine bey einer unversehenen Wiederersehung der Verliebten entzündete und öfnete sich ihr Hertze /die Seele vereinbarte sich abermahls mit ihren Aug-Aepffeln; und wäre begierig sich durch ihre annehmliche Stralen mit dem / was sie liebet / zu vereinbarn. Weil nun die Augen allzu unvermögend wären / das gantze Wesen der Seele in einen andern Leib überzugiessen; züge sich so wohl von Liebe als Zorn in diesen irrdischen Sternen eine Menge feuriger und nasser Geister zusammen / welche die von kalter Traurigkeit verstopfften oder verfrornen Röhre des Hertzens öffneten / und die herfür kugelnden Wasser-Perlen über die Wangen / wie die im Frühlinge von den lauen Sonnen-Strahlen eröffneten Wolcken die sanfften Regen abtröpffelten. Daher auch die von der Freude mit Gewalt ausstürtzenden Thränen kalt / die langsam herfür qvellenden Trauer-Zähren aber heiß wären; bey obiger Bewandnüß aber es keines Verwunderns dörfte / daß die Einwohner des Hesperischen Eylandes das Weinen für ein Merckmahl ihrer grösten Freuden angewehren solten. Ismene fing an: Salonine weiß von der Verliebten Thränen so tiefsinnig zu urtheilen / daß es scheinet / sie müsse hierinnen schon das Meister-Stücke gemacht haben. Ich hätte meiner Einfalt nach solche Thränen für nichts anders / als einen Schweiß der Seele zu halten wissen; welche von dem Feuer der Liebe und Freude / als denen zwey hitzigsten Gemüths-Regungen ausgeprest würden. Dahingegen die kalte Furcht das Hertze einzwänge / und darmit auch allen Thränen ihren Lauff verstopffte. Rhemetalces nahm das Wort von ihr und sagte: Ich höre wohl / diese schöne Fürstin sey eine Beypflichterin des Plato / welcher der Seele nicht nur Flügel / sondern auch den Geistern leibliche Empfindungen zugeeignet hat. Ismene versetzte: Ich bin zwar das ungelehrteste Kind in der Liebe / und traue daher meine darinnen vorfallende Irrthümer nicht zu verfechten. Nichts desto weniger glaube ich / daß die Seelen empfindlicher / als die Leiber sind; ja weil nichts unbeseeltes etwas fühlet / die Glieder[325] aber nur vermittelst der Seelen Empfindligkeit haben / solte man fast die Leiber für unempfindlich halten / die Empfindligkeit aber alleine der Seele zueignen. Und ob wohl das Thränen-Wasser kein selbst-ständiges Wesen der Seele ist / so scheint es doch so wenig ungereimt zu seyn / daß man es für einen Brutt der Seele / als den Regen für ein Gemächte der die Dünste an sich ziehenden Gestirne hält. Die Fürstin Thusnelde pflichtete Ismenen bey / daß die Thränen-Vergiessung nicht aus einem Gebrechen des Leibes / noch von einer übelen Beschaffenheit der Feuchtigkeiten / sondern von der Bewegung der vernünfftigen Seele gezeuget würden / daher auch kein ander Thier / als der Mensch alleine eigentlich weinen könte. Dieses aber wäre ihr mehr nachdencklich: warum die so weise Natur die Thränen so wohl zu Freuden- als Trauer-Zeichen erkieset habe? Jubil antwortete: Vielleicht zu einer Unterrichtung / daß das menschliche Leben mit Freuden und Traurigkeit stets abwechsele / und unser Hertze in beyderley Begebenheit einerley Gebehrdung und Empfindligkeit haben solte. Aber / wie kommt es / daß das Frauenzimmer zum weinen viel geneigter /als die Männer sind? Thusnelde versetzte: Vielleicht meinen einige / daß die Weiber eine Verwandschafft mit dem feuchten Monden / die Männer mit der trockenen Sonne haben; und jene daher auch kleiner und kälter sind / und also sie mehr Zeug zu Gebährung der Thränen in sich haben. Rhemetalces fiel ihr ein: Wo ihre Geburt der Seele zuzueignen ist / kan der Thränen Uberfluß aus nichts anderm herrühren / als daß das Frauenzimmer eine zärtere und empfindlichere Seele / also auch hefftigere Gemüths-Regungen habe; und also auch die Königin Erato dem Fürsten Zeno in der Liebe und Freude überlegen sey. Salonine hielt es ihrer Schuldigkeit zu seyn sie zu verreden / und begegnete ihm: Ich glaube zwar / die Liebe sey eine ruhmswürdige Tugend / denn sonst würden die Griechischen Welt-Weisen ihr schwerlich zu Athen im Eingange ihrer hohen Schule ein Altar aufgerichtet haben. Diesemnach ihre Stärcke so sehr / als die Grösse in Perlen gerühmt zu werden verdienet. Warum will man aber hierinnen dem Fürsten Zeno seinen Preiß zweiffelhafft machen. Sintemal ja die sich an ihm gezeigete Ohnmacht eine kräfftigere Entzückung der Liebe ist / als die Thränen. Denn die Lebens-Geister / die gleichsam die Seele der Sinnen / und der zweyte Anfang des Lebens sind / zerstreuen sich daselbst so sehr / daß selbtes kein ander Merckmahl /als ein schwaches Hertz-Klopffen behält; welches nichts anders / als ein ängstiges Schlagen und Hülffe-Ruffung der vergehenden Seele ist. Diese Ohnmacht der Verliebten ereignet sich nur bey der übermäßigen Begierde oder Freude; wenn das Hertze auff einmahl alle seine Pforten angelweit aufsperrt / daß die Geister / die so flüchtigen Werckleute der Bewegung / die Federn in dem Uhrwercke der Sinnen / mit einem Hauffen heraus brechen um mit dem Geliebten sich zu vereinbarn / und hiermit dem Hertzen alle Krafft / und dem Liebenden schier gar die Seele entziehn.

Unter diesem Gespräche verwandte Hertzog Jubill bey nahe kein Auge von der mit dem Fürsten Zeno sich unterhaltenden Erato. Denn er empfand eine ihm unbekandte Regung über der Schönheit und Großmüthigkeit dieser unvergleichlichen Königin. Der Feldherr aber nahm für eine absondere Beglückseligung des Himmels auf / daß er nicht allein so eine grosse Königin / und einen so tapffern Fürsten in seine Bekandtschafft kommen lassen; sondern daß sie auch in seiner Burg / die sie vielleicht für einen traurigen Kercker angeblickt hätten / durch ein sonderbar Verhängnüß und ihre Vereinbarung alle Gemüths-Beschwerden ablegen könten / die sich in ihrem beliebten Vaterlande angesponnen hätten. Nach seinen und der andern[326] Fürsten gegen sie verwechselten Höfligkeiten ersuchte er sie allerseits diesen Abend mit ihm Taffel zu halten; worzu er selbst die Fürstin Thusnelden / Zeno seine so lange Zeit mit tausenderley Hertzeleid vermiste Erato / Hertzog Jubil Ismenen / und Malovend Saloninen auf den grossen Saal führeten /und nahe biß an Mitternacht die Zeit mit anmuthigen Gesprächen und Schertz-Reden verkürtzten; welche aber allein der Erato und dem Zeno durch die Begierde einander ihre inzwischen ausgestandene Ebentheuer zu erzehlen zu lang werden wolte; biß endlich nach sämtlicher Abscheidung der angenehme Schlaff sie ihrer Sorgen und vielfältigen Gemüths-Regungen auff einerley Arterledigte; dem Hertzoge Jubil hingegen durch allerhand Träume das Bildnüß der wunderschönen Erato noch tieffer / als vorher seine Augen /in denen die Liebe insgemein zum ersten jung wird /ins Gedächtnüß und Gemüthe prägete.

Quelle:
Daniel Caspar von Lohenstein: Großmütiger Feldherr Arminius, Erster Theil, Leipzig 1689, S. 193-327.
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