Inhalt

Des Vierdten Buches.

[327] Thußnelde / Ißmene / die Cattische Hertzogin und Fräulein nebst Saloninen werden in begieriger Erwartung der zwischen der Königin Erato und Fürsten Zeno vorgegangenen Ebentheuer von Adgandestern des Feldherrn obristem Staats-Rath zu dem Taufanischen Tempel / allwohin des Drusus zu Alison von den Deutschen noch übrig gelassene Heiligthümer gebracht werden sollen / verleitet / vom obristen Priester Libys mit gewöhnlicher Ehrerbietigkeit in solchen geführet / und aldar die vier Haupt-Ströme Deutschlandes / die Donau / der Rhein / die Elbe und die Weeser nebst des Drusus in Lebensgrösse aus Marmer gehauenem Bildnüsse mit allerhand schönen seine herrliche Siege und Thaten in sich haltenden Dencksprüchen gezeiget / über welcher sonderbaren Kunst und Erfindung sich die gantze Versammlung zwar ergötzet / sich aber zugleich befrembdet / wie diese ruhmräthigen Bilder zu Verkleinerung ihres Vaterlandes Schutz-Götter in ihr Heiligthum gesetzet werden könten / welchen Hertzog Herrmann versetzet: daß die Tugend auch bey Feinden zu loben / und zu guter Nachfolge dienen müsse / welchen alles widrige Urtheil überwiegenden Gründen des Feldherrn der Priester Lybis beypflichtet / und die Tugend nicht anders als die Sonne überall einerley und zu verehren würdig schätzet; und kommt hierauf unter so vielen eratichteten Göttern auf ein eintziges göttliches Wesen / welches alles einstimmig ordne / schaffe und erhalte. Ob nun wohl der Priester Libys den sterblichen Menschen keine Vergötterung zugestanden /sondern ihr ruhmbares Andencken in die Hertzen der Lebenden / als die besten Tempel und schönste Ehren-Säulen gesetzet wissen will; So kan er doch nicht alle euserliche Gedächtnüß-Mahle / als dem rechten Sporn lauer Gemüther /[327] und also auch des Drusus Bild nicht so / wie die ihren reinen Gottesdienst benachtheiligende Altar-Täffel aufzurichten widersprechen / welche letztere der Feldherr hierauf zerbrechen / den Hertzog Jubil / Arxus / Siegismund und Melo aber zur Berathschlagung wichtig eingelauffener Schreiben in Tempel beruffen läst. Fürst Adgandester Rhemetalces und Malovend besprachen sich indessen bey Zermalmung dieser herrlichen Taffel von des Drusus Ruhme / der Bunds-Genossenschafft und denn auch von den Gründen der Vernunfft und Gesetzen der Natur. Drusus wird wider die den Römern verhaste Feinde die Rhetier geschicket. Käyser August zu Lugdun auf dem Wagen der Sonnen in Gestalt des Apollo durch die ihm aufgerichtete mit eitel von der Sonnen und den Haupt-Strömen Galliens hergenommenen auf ihn und den Julius zielenden Sinnbildern ausgezierte Ehrenpforte in den vom Adginnius am Rhodan aufgebaueten Tempel aufs prächtigste eingeholet. Die Gallier werden wider die Römer schwürig /durch des Drusus Vorsichtigkeit aber bald wiederum zum Gehorsam gebracht; Ingleichen die Moriner nebst den Batavern von diesem vergeblich bekriegt: welche letztern von den streitbaren Catten entsprossen / ihren Sitz zwischen dem Rheine und Nord-Meer erkieset / dem Schutz der Britannier sich anfänglich unterworffen / nachgehends aber dieses harte Joch vermittels ihres tapffern Hertzogs Eganors und seines Sohnes Eisenhertz sich wiederum zum freyen Volcke gemachet. Dieser ihre grosse Handlung und Schiffarth hat sie in der gantzen Welt bekandt / ihre Hertzhafftigkeit sie fast zwischen allen Völckern zu Schieds-Richtern und Bundsgenossen der mächtigen Römer gemacht / biß sie endlich von den klugen Britanniern /ja selbst dem Hertzoge Wodan durch die Süßigkeit der Ruhe und des Gewinns eingeschläfft / der Waffen vergessen / vom Drusus plötzlich überfallen / und in kurtzer Zeit fast des halben Theils ihrer Herrschafft entsetzet worden. Enno ein alter Staats-Mann bringet die Fürstliche Herrschafft als die älteste und heilsamste Herrschens-Art wider das neue Staats-Gesetze zum Vortheil des Cariovalda und Frohlocken des Pöfels wieder auf den Teppich / worauf dieser einen der vornehmsten Räthe und den gemeinen Redner wider Urthel und Recht aus einem blossen Verdacht erbärmlich abschlachtet. Inzwischen nehmen die Sicambrer /Usipeter und Catten aus einer sonderbaren Staats-Klugheit gleichwol wahr: daß sie sich von den herrschenssüchtigen Römern nicht einzuschläffen / sondern des Drusus sieghafften Waffen zu widersetzen Ursach hätten / wordurch des Drusus Heer denn von den Batavern abgezogen / von jeden aber wegen des Ober-Gebiets und Mißträuligkeit weiter nichts fruchtbares ausgerichtet wird / als / daß ein Stillstand der Waffen zu ein und anderm höchsten Nachtheil erfolget. Drusus unterfänget sich gegen die Friesen und Catten eines nicht minder glücklich als verzweiffelten Werckes durch Vereinbarung eines Rhein-Arms mit der Nabal und Aufbauung der Festung Drususburg /überwinder die bey einem sonderbaren Feyer versammleten Friesen nach hartem Gefechte seiner eigenen Verwundung / und des gefangenen Fürsten Cheudo großmüthigen Antwort. Er Drusus ergötzet sich an der ins Nord-Meer sich ausgiessendem Emße / wie nicht weniger an denen vom Hertzoge Wodan dabey aufgerichteten und auf sich selbst deutenden Säulen. Die hier aus geschöpffte Selbst-Liebe und Heucheley veranlasset ihn auch die Chäutzen überfallen / die ihn aber mit höchstem Verlust und gäntzlicher Niederlage[328] der Friesen gantz krafftloß wieder nach Rom schicken / von dar ihn Eifer und Rache bald wieder zurücke diesen und den Usipetern auff den Hals ziehen / welche erstern sich auch nach hertzhaffter Gegenwehr dennoch dem Römischen Joche unterwerffen / und durch plötzlichen Uberfall des Cheruskischen Gebiets zu Deutschburg des Feldherrn Segimers zwey Söhne mit ihrer Mutter Asblaste dem Drusus zur Beute werden müssen. Der Feldherr Segimer der Sicambrische Hertzog Melo ziehen die Catten in ihr in einem heiligen Häyne mit der Römer Blute gleichsam bezeichnetes Bündniß / schneiden dem an die Weser gerückten Drusus / welcher Fluß / seiner eigenen in Stein gegrabenen Worte nach der Zweck seiner Siege war / die Rückkehr ab / in welchem blutigen Fechten die Römer 12. Fahnen der Nervier / 8. der Friesen / 20. der Gallier nebst einem Römischen Adler einbüßen /Anectius vom Arxus / Senectius vom Melo erlegt und Drusus vom Segimer verwundet wird / so / daß er sich nach Alison flüchten muste / von dar er nach Rom zum Siegs-Gepränge beruffen / und vor ihm her des Feldherrn Gemahlin Asblaste mit ihren zwey Kindern auff einem goldnen Wagen mit 4. weissen Pferden geführet wird. Von dieses des Drusus mehr den Deutschen zum Schimpff als ihm zu Ehren gereichenden Siegs-Gepränge kommt Adgandester auff Rhemetalces und anderer Fürsten inständiges Anhalten auff der Octavie des Käysers Schwester Tochter die schöne in einen Edelmann Nahmens Murena verliebte dem Drusus aber von der Livia und Augustus zugedachte Antonia / wie diese ihre Liebe unter einer in dem ihr verehrten Vorwerg bey Baje zahm gemachten Fisch Murene so klüglich verstecket. Wie sehr sich beyde gleich vor der auffsichtigen Octavie und schlauen Livie in acht nehmen / so muß doch eine im Saal des Weihers gefundene stumme Taffel / und bald darauff die durch widrigen Zufall erfolgte Verwechselung der Brieffe ihrer Liebe Verräther seyn. Octavia und Antonia gerathen durch Umstürtzung des Schiffes in Lebens-Gefahr / werden aber vom Murena wunderbar errettet; Die verwechselten Brieffe zwischen Julien und Antonien gegen einander ausgewechselt / diese auch von jener bey bevorstehenden zu Puteoli angestellten Schau-Spielen / wobey Hertzogs Segimers Gesandter der Ritter von der Lippe das beste gethan /alles Vorschubs in ihrer geheimen Liebe zwar versichert / unter dem vermeinten Murena aber dem Drusus fälschlich in die Hände gespielet / worüber sie in halbe Verzweiffelung gesetzet wird. Inzwischen wird Drusus in der am so genannten Spiegel-See der Göttin Diane gelegenen Höhle Egenia von seiner Mutter wegen eines an die Julia gefertigten Brieffs gerechtfertiget / diese Stadtkündige Laster nebst andern ihrer Ehe verhinderlichen Geheimnissen / dagegen die wunderwürdige und mit allen Tugenden vergesellschafftete Schönheit der Antonie / die ihm mit der Zeit den Käyserlichen Thron zum Braut-Schatze zu bringen würde / ihm vor Augen gestellet / endlich auff des Käysers vorgezeigten Befehl zu der letztern Entschlüssung auch bewogen / und diese wenige Tage darauff nach denen der Diane geschlachteten Opffern zu Rom durch ordentliches Beylager mehr mit Liviens und Juliens / als der Vermählten Freude prächtig vollzogen wird. Dem Drusus steckt Juliens Liebe noch immer im Kopffe; Julia dagegen der Zeither in Kummer und Einsamkeit vergrabenen Murena zu geniessen dencket auff alle ersinnliche Mittel / wird aber von der begleichleidigten[329] Antonia mit gleicher Müntze bezahlet und der Liebe des Murena entzogen /gleichwohl aber durch die Staassüchtige Livia mit tausenderley Erfindungen an ihren andern Sohn den Tiberius mit Verstossung der frommen und schwangern Vipsania vermählet; diese mit unabläßlichen Geilheiten schwanger gehende Julia zündete nicht weniger Eifersucht bey ihrem Gemahl / als neue Liebes-Flammen in dem Gemüthe des Drusus an; bauet am Rheine die nach ihrem Gemahl benahmte Stadt Tiberich / ihr selbst zu Ehren und des am Rhein stehenden Drusus mit besserm Fug zu geniessen / an der Ruhr die Stadt Jülich. Dieser fällt auffs neue die Catten wieder an / wird auch von ihrem am Ufer hertzhafft fechtenden Hertzoge Arpus selbst verwundet; Den noch aber von diesem wegen der den Römern zu Hülffe kommenden Ubiern sich in die Wälder zwischen die Fulde und Weser zu setzen vor rathsam gehalten / allwo ihn Drusus ungeirret lassen / sich gegen dem Mäyn wider die Hermundurer zurücke ziehen /vor der grossen Macht des Marobods seine kriegerische Waffen in Friedens-Zeichen verwandeln / ja dieses und des Schwäbischen Königs Vannius erlangte Feindschafft mit allerhand kostbaren Geschencken verehren muß. Nach diesem Erfolg sucht er seine Rache an denen von fremder Hülffe entblößten Cheruskern auszuüben / setzet über die Weser biß an Hartz-Wald / nach gefundenem Widerstande wendet er sich gegen die Elbe / diesen noch von keinem Römer iemahls betretenen Fluß zu übersetzen; Allein die Gespenster müßen sich seinem Ehrgeitze in Weg legen / und die durch Opffer vergeblich versöhnten Schutz-Götter des Flusses ihm seinen Brückenbau hindern. Die dißfalls sorgfältigen Rhemetalces und Adgandester sich unter einander besprechende Fürsten: Ob diese vom Drusus und vielen andern erzehlte gleichstimmige Begebniß wahrhafftig geschehen und was davon zu glauben sey? vergesellschafftet der ihnen zuhörende Priester Libys / ertheilet ihnen seine Gedancken über die denen Menschen / Landschafften / Bergen / Städten / Tempeln und Flüssen zugeeignete Schutz-Götter / wie von diesen in Nothfällen augenscheinliche Hülffe erfolget / also um so viel weniger zu beleidigen / noch durch was widriges zu verjagen wären / ja es zeigte der schlechte Ausgang des Drusus: daß diese durch keine vermeinte Künste / wohl aber durch unsere eigene Laster entrissen werden könten / dafür wohl gar einige Menschen in ihren Geburtstägen von ihrem sichtbaren Schutz-Geiste oder durch Träume gewarnet worden. Der hierauff unverrichteter Sache sich wieder zurück ziehende Drusus findet seine über die Weser geschlagene Brücke nicht allein zernichtet / sondern auch von seiner dabey gelassenen Besatzung nichts mehr als ihre Todten-Knochen. Die wieder ergäntzte Brücke steckt der im Hartz-Walde stehende Segimer durch sonderbare List wieder in Brand / erleget das hierdurch getheilte feindliche Heer biß auffs Haupt / den Drusus bey nahe selbst durch Stürtzung seines verwundeten Pferdes. Dessen gefährlicher Beinbruch wird durch den zuschlagenden Brand unheilbar / die Gefahr dem Tiberius durch schnelle Botschafft beybracht / welcher ihn kümmerlich zu Mäyntz noch lebend antreffen und ihm den letzten Abschieds-Kuß geben kan. Die anwesende Julia drückt ihm die Augen zu / mit ihren Thränen wäscht und salbt sie zugleich seinen Leib ein /biß er vollends nach Rom gebracht / alldar öffentlich gewiesen / vom Käyser selbst seiner Thaten halber gerühmet /[330] durch die vornehmsten der Römischen Ritterschafft auff das Feld Mars getragen / allda verbrennet / die Asche ins Käyserliche Begräbniß gesetzet /ja ihme und allen seinen Söhnen nicht allein der Nahme des Deutschen gegeben / sondern auch statt des ihm bestimmten Siegs-Geprängs andere Feyer und Gastmahle angestellet / zu Rom und am Rheine Ehrenbogen auffgerichtet / die Mutter Livia aber in die Zahl derselbigen Mütter / die drey Kinder gebohren /gezehlet worden. Unterdessen ni t Segimer die vor unüberwindlich geschätzte Festung Altheim am Rheine ein / dräuet auch einen Einfall den Galliern / also: daß Käyser August den Batavern ihre Länder und Städte an der Maaß wieder abtreten / Segimern durch annehmliche Friedens-Vorschläge besänfftigen und die übrigen Bundes-Genossen befriedigen muß. Uber dieser des Adgandesters Erzehlung läufft die unvermuthete Nachricht ein: daß die Fürstin Thußnelde nebst ihren Gefährtinnen aus dem Lust-Garten mit Gewalt geraubet worden / worauff der nebst dem Fürsten Jubil im Tempel sich befindende und darüber höchst bestürtzte Hertzog Hermann augenblicks seine Leib-Wache auffbeut und samt den übrigen Fürsten den Räubern nacheilet / von welchen / und daß Fürst Zeno tödlich verwundet / die an einen Baum gebundene Solonine / ingleichen einige übereilete Lombardische Soldaten Bericht ertheilen / auch: daß Segesthes und Marobod diesen verzweilfelten Anschlag ausgeführet / und an dem Furthe der Weser mit 6000. Pferden der Räuber erwartete; Worauff Hertzog Herrman sich gleichfals verstärcket / und / ehe er es vermeinet / mit des Feindes Hinterhalt ein Treffen halten muß / biß er endlich gar auff sie stöst / viel zur Beute machet / und nach Erblickung seines Leit-Sterns der Thußnelde selbst den Marobod als ein wütender Löwe anfällt; von der Menge aber endlich übermannet / gefangen und von dem undanckbaren Segesthes mit einer schimpfflichen Ketten als ein Knecht geschlossen wird / auff welche erblickte Schmach Thußnelde als eine ihrer Jungen beraubte Bärin dem nächsten Lombarder den Degen ausreisset und durch dessen tapffern Gebrauch den Feld-Herrn aus den Ketten /ein unter dem Rhemetalces darzu kommender Ritter Horn aber ihn auff sein Pferd bringet / daß er den Marobod / jener aber den Segesthes hurtig anfallen kan; Worauff dieser ihm übel bewuste und hefftig verwundete Flüchtling eines schimpfflichen Todes halber; Marobod aber gleichfals verwundet mit Hinterlassung seiner herrlichen Beute / die er letzt noch durch einen verzweiffelten Bogen-Schutz zu verderben suchet /sich aus dem Staube machen und mit den seinigen den Platz räumen muß. Indessen halten Hertzog Melo und Jubil mit dem Marsingischen Hertzoge Taxis und des Sarmatischen Königs Jagello Sohn Boris einem halben Riesen ein hartes Gefechte / darinnen Melo zwey mahl verwundet sich zurück ziehen / und Jubil die Hitze vollends allein aushalten muß / biß er endlich des Boris Pferd verwundet und zugleich den Reuter mit seiner schweren Rüstung über und über stürtzet /wie er ihm aber vollends das Lebens-Licht auszulöschen im Wercke ist / wird er durch ein unvermuthetes auch bald hierauff erkanntes Geschrey der sich gegen einige blancke Sebel der Sarmater beschirmenden Königin Erato hiervon ab / und ihr zu Hülffe gezogen / daran er aber von zweyen zu des Boris Leib-Wache[331] abgerichteten und von dessen Waffenträger wider ihn loßgelassenen weissen Bären mercklich gehindert / wegen der Königin selbst in grösten Kummer gesetzt / ja letzt von dem noch übrig lebenden Bären bey seinem grösten Unglück auff gantz wunderbare Weise in den Ort gebracht wird / allwo sich die kaum noch athmende Königin mit den geilen Sarmatern ärgert / sie aber hiervon alsbald mit der Feinde eigenen Waffen erlöset / und auff zweyen in Wald verlauffenen gesattelten Pferden wieder zu seinen durch den Fürsten der Hermundurer entsetzten Cheruskern bringet. Thußnelde dancket ihrem vom Blut bespritzten Hertzog Herrmann mit tausend Thränen vor die Erlösung / verflucht die Untreu ihres Vaters; der Feld-Herr aber leget auff der Wage seiner Vernunfft dem vergessenen Unrecht vor der Rache das Gewichte zu. Nicht weniger fällt die Königin Erato dem Hertzog Jubil in die Armen / und erhebt ihn unter vielen Lobsprüchen vor ihren Schutz-Gott / wird aber von ihm wie vorhin mit rühmlicher Tapfferkeit / also auch nunmehr mit aller gegen gesetzten Höffligkeit verfochten. Diese Begebnüß giebet zugleich Anlaß zu einem unwidersprechlichen Urtheil: daß Tugend und Laster nicht dem Einfluß der Sternen / am wenigsten aber gewissen Ländern zuzuschreiben / sondern ieder Ort seine Wunderwercke und Mißgeburten nicht weniger als seine Tage und Nächte habe: Ja wo Sonnen /es nicht an Finsternißen; Wo Menschen / es nicht an Ungeheuern fehle / deren Grausamkeit alle vernunfftslose Thiere zu entwaffnen / und gegen die Königin Erato die sonst raasenden Bären mehr Barmhertzigkeit als die Sarmatischen Unmenschen vorzukehren gewohnet. Uber diesem Gespräche kommen unvermuths einige vom Adgandester und Malovend geschlagene Marckmänner dem Feld-Herrn in die Hände / welcher / an statt: daß er dem flüchtigen König Marobod vollends vertilgen können / ihm durch einen Brieff ersprießliche Friedens-Mittel anzutragen / und seine über ihres Vaters des Segesthes Untreu höchst bekümmerte Thußnelde dadurch möglichst zu trösten bemühet ist. Thußnelde erzehlet ihren und der Königin Erato vorgegangenen Raub / des Fürsten Zeno dabey erwiesene Tapfferkeit / Saloninens Ungemach / Segesthes und Marobods über sie ergangene Entschlüssungen mit höchster Gemüths-Beschwer / und wie sie endlich zu Deutschburg anlangen; kommt Hertzog Hermanns Bruder Flavius mit höchster Freude des gantzen Hofes auff etlichen Post-Pferden alldar an / und überbringet von Rom die grosse Bestürtzung über des Varus erlittenen Niederlage / so den fünfften Tag / weil insgemein dem Ruff Flügel angehefftet werden / schon alldort kundig worden; Augustus verlieret durch sein hierbey bezeigtes Ungeberden das Ansehen bey den deutschen Fürsten / die ihn des Tages zuvor aller widrigen Zufälle Meister /ja der gantzen Welt Beherrschung würdig geschätzet; Jedoch redet diesem der Feld-Herr alleine noch das Wort / und zwar: daß zuweilen auch der Hertzhafftigste dem Glücke und der Natur ausweichen / bey Helden die Furcht und Tapfferkeit eben so wohl als in Wolcken Feuer und Kälte sich vereinbaren müste. Flavius erzehlet seine Begebniß und Aufferziehung zu Rom / der Römer insonderheit des jungen Lucius lasterhafftes Leben und Geilheit. In dieses jungen Fürsten Hertze hält die Lehre des weltweisen[332] Athenodors und der heuchlerische Hoff einen rechten Kampff-Platz. Jener bemühet sich ihm auff tausenderley Art die Wollust zu vergällen; Ein ander von der Staats-süchtigen Livia erwehlter Welt-Weiser Aristippus aber flöste ihm dagegen solche ins geheim durch seine verzuckerte Worte und verteuffelte Hand-Griffe ie mehr und mehr ein / biß solche endlich vom Sotion einem frommen Druyden verrathen / Flavius nebst dem Cajus und Lucius / welcher an den hitzigen Morinnen sein eintziges Vergnügen / an allem weißen Frauenzimmer als todten Bildern einen Eckel gehabt /von diesem Laster-Balge entrissen / dieser aber nebst seiner ergriffenen unzüchtigen Gesellschaft auffs Käysers Befehl erwürget / in die Tiber geworffen / und alle Epicurische Weltweisen aus Rom und Welschland verbannet werden. Der Käyserin Livia Geburts-Tag wird zu Rom mit allerhand Auffzügen auffs prächtigste begangen / Lucius dabey in die Dido des Juba und jungen Cleopatre Tochter / weil er ohne dem einen sonderbaren Zug zu den schwartzen Morgenländern gehabt / hefftig verliebet; Flavius aber / welcher sich ihn von seinen schwartzen Gottheiten abzuhalten / und die Weißen vor jenen mit allerhand Gründen zu erheben bemühet / auch das Urthel durch die Schieds-Richter nebst dem Nahmen Flavius erhellet / von ihr mit mehr Stralen der Bewogenheit beglücket / dagegen von seinem eiffersüchtigen Neben-Buhler; dieser von der darzu kommenden Dido / Dido vom jungen Agrippa durch einen Dolch; Agrippa vom Micipsa der Dido Edelknaben durch einen Pfeil tödlich verwundet wird; die Verwundeten werden alle von einem Britannischen Artzt nicht so wohl durch Verbindung der Wunden / als des mit einem gewissen Staube bestreuten Dolches wiederum geheilet / der Artzt aber /um / daß dieser den Flavius sein Hülffs-Mittel zugleich mit geniessen lassen / mit eben diesem Mörder- und schädlichen Werckzeuge vom Lucius in Leib gestochen / welche That dem Käyser zu höchster Empfindligkeit / und den Flavius ausser Rom in Sicherheit zu wissen veranlasset / so nach schmertzlichem Urlaub bey der Dido unter dem König Juba und Cornelius Cassus wider der Getulier Hiempsal zu dienen bald begierig / und die Dido in Numidien wieder zu sehen gewärtig ist. Juba läst dem Gefangenen Himilco den Kopff abschlagen und solchen dem die Stadt Azama beschützenden Hiarba mit gleichmäßiger Bedräuung überbringen / welcher ihm hundert Köpffe gefangener Numidier unter dem Vorwand sonderbarer Freygebigkeit und eines schuldigen Danck-Opffers zur Gegen-Gabe lieffert. Wodurch die Numidier noch mehr erhitzet und die Getulier durch einen vom Flavius ersonnenen listigen Streich vermittels der Alraun-Wurtzel in seinem verlassenen Läger eingeschläffet / hierauff überfallen / gefangen und der ertödteten Köpffe dem Juba zur Beute überbracht werden / von welchen dieser König einen grossen Berg schütten / mit den Gefangenen die Stadt Antotala bestürmen / alles darinnen niederhauen und den Deutschen zu Ehren die Stadt Tumarra / allwo Flavius diesen Sieg erhalten /Germana heissen läst. Nach gäntzlich erlegter Feinde und des Hiempsals eigener Person setzet zu Cirtha des vergötterten Juba durch künstliches Zugwerck von der Cleopatra zubereitetes Bild seine Krone dem in Tempel siegreich zurück kommenden Könige Juba;[333] Zwey andere aber dem Cornelius Cassus und Flavius zwey mit Diamanten und Rubinen durchflochtene Lorber-Kräntze auf; dieser letzte findet in dem seinen einen verwirreten Zettel / nachgehends aber in dem Tempel der Getulischen Diana unter diesem Bilde seine unter andern zum Schlacht-Opfer schon fertig stehende geliebte Dido / welche über des Flavius Anblick in Ohnmacht weggetragen / eine andere in ihre Stelle verordnet / auch vom Juba folgenden Tag im Tempel in Beyseyn des Priesters über den zu Rom ihr begegnenden Verlauff befraget wird. Da sie denn mit aller Bestürtzung des Lucius zu Massilien an sie versuchte Thätligkeiten / davon sie sich nicht anders / als durch das Gelübde ewiger Jungfrauschafft loß reissen können / nebst Verachtung ihrer Götter und Stürmung des Tempels / worüber ihm Dianens gerechte Rache das Lebens-Licht ausgeblasen / erzehlet: Welch gezwungenes Gelübde Flavius als ungültig verwirfft /der oberste Priester dagegen widerspricht / und die Dido dabey zu sterben verurtheilet / worüber der König und Flavius betrübt aus dem Tempel gehen /Cornelius Cassus aber nach Rom wegen der gezwungenen Getulier zum Siegs-Gepränge kommen muß. Flavius erzehlet: Daß er unter Furcht und Hoffnung noch ein gantzes Jahr bey dem Könige Juba zu Hofe geblieben / die Getulier auf Anstifften der Garamanten aber bald hierauf wiederumb wegen des in Lybien geänderten Acumonischen Gottes-Dienstes wider die Römer die Waffen ergriffen / so König Juba unter seines des Flavius tapfern Anführung mit Eroberung vieler Städte / des Micipsa eigenhändiger Erlegung / und des Amilcars am so genanten Sonnen-Brunnen erfolgten Gefangenschafft bald wiederumb dämpfet / worauf Ovirinius zu Rom / Juba und Flavius zu Cirtha /dieser letztere mehr über die Feinde als seine Seelen-Beherrscherin sieghaft einziehet: Denn an statt / daß ihre annehmliche Bewillkommung seine Freude vermehren soll / eröffnet sie ihm durch ein Schreiben /daß sie ihre Jungfrauschafft einem geilen Priester opfern müssen / welche Greuel-That Flavius an dem obersten und übrigen ihm vergesellschaftenden Priestern mit eigenhändiger Ausschneidung ihrer Mannheit / zum Zeugnüß ihrer künftigen Keuschheit zu rächen / und dem Juba in einem Abschieds-Briefe solches zu seiner Nachricht zu eröffnen nicht umbgehen kan / darauf er wieder nach Rom kehret / vom Käyser und Tiberius wegen seiner vor die Römer in Africa geleisteten guten Dienste wohl empfangen / des Käysers Leibwache zum Haupte vorgestellet / bald aber wiederumb mit dem Tiberius und Rhemetalces entge gen dem Bato / Dysidiat / und die die Römer glücklich bekriegende Dalmatier gesendet wird. Der widrige Lauff dieses Krieges bringet den Tiberius in einigen Verdacht / den jungen Agrippa hingegen aus Bret / welch ihrem Sohne höchst-schädliche Neben-Sonne die argdenckliche Livia bald wieder verfinstert. Inzwischen wendet der in Pannonien geschickte Germanicus allen möglichen Fleiß an / dem Bato einen glücklichen Streich zu versetzen / welcher auch vermittels des Flavius und Deutschen Tapferkeit / ingleichen durch des Feindes Zwytracht dergestalt erfolget /daß Dysidiat den Tiberius umb Frieden anflehen muß / nach welch glücklichen Erfolg Tiberius / Germanicus und Flavius mit Freuden und erlangten Sieges-Kräntzen wieder nach Rom kehren / Bato aber vom Dysidiat wegen seiner Verrätherey[334] gespisset wird /welche der Käyser vor einen neuen Friedens-Bruch anni t / den Dysidiat aufs neue überziehet / Tiberius die Festung Anderium / Germanicus durch des Flavius Hülffe die von den inwohnenden Weibern aufs äuserste beschützte Stadt Arduba erobert / und endlich die Dalmatier / Pannonier / Dacier und Sarmater nach vielen harten Treffen / worüber der tapfere Silan sein Leben einbüsset / am Ister und Drave-Strom gäntzlich erleget / Dysidiat aber dergestalt ins Enge gebracht wird / daß er zu den Füssen des Tiberius mit Darreichung seines Kopfes umb Gnade bitten / und sein gantzer Anhang sich unter des Kaisers Gehorsam beugen muß / welcher Ursachen halber denn vor den Tiberius und Germanicus zu Rom neue Siegs-Gepränge / vor den Flavius und den auf dem Bette der Ehren gestorbenen Silan zwey Sieges-Bogen in Pannonien aufgerichtet / und auf der Wallstadt den sich dabey sonderlich wol gehaltenen Deutschen zu Ehren die Stadt Deutschburg aufgerichtet worden. Die inzwischen zu Rom erschollene grosse Niederlage des Varus / dessen Ursache Hertzog Herrmann sein des Flavius Bruder gewesen / habe alle seine Dienste vertilget / die deutsche Leibwacht abzuschaffen / und aus Furcht mit andern Deutschen erschlagen zu werden / dem Käyser Ursach zu geben / ihn nach dem Eylande Dianium zu senden / an dessen Ufer er unversehens mit der Dido angelendet / ihr mit tieffster Ehrerbietigkeit begegnet /beyder Unfall nochmals beklaget / und dabey berichtet habe / daß Juba den obersten Priester mit Löwen zerreissen / die andern aber alle entmannen lassen: Sie wäre erheblicher Ursachen halber nach Rom gereiset /ihm aber zu seiner Flucht das eine Schiff abgetreten /dessen er sich mit Vergiessung vieler Thränen bedienet / und also mit seinen zwey Deutschen Edelleuten zu Massilien angelanget. Nach dieser Erzehlung und des Flavius von der Fürstin Thußnelde / Ißmene / und übrigem Cattischen Frauenzimmer erlangtem Handkuß / scheidet diese vornehme Gesellschafft von ein ander.

Quelle:
Daniel Caspar von Lohenstein: Großmütiger Feldherr Arminius, Erster Theil, Leipzig 1689, S. 327-335.
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