122. Der verjüngende Brunnen.

[77] Vor etwa vierzig Jahren entsprang ein Born in der Treiser Gemarkung, rechts am Wege nach Gießen. Es entstand vieles Geschrei seinethalben. Der Born versiegte aber. Nun ist er wieder entsprungen. Doch das Vorgeben von seiner Kraft war nichts; auf angestellte Prüfung fand sich nichts Mineralisches darin.

Vor fünfundvierzig Jahren ist er von der medicinischen Facultät untersucht worden, wie jetzt. Aber es fand sich niemals ein mineralischer Gehalt. Er ist nicht recht hell und schmeckt gleich wie vor fünfundvierzig Jahren etwas sumpfig oder nach einem eichenen Brette oder Baume. Der Pöbel läßt sich aber nicht ausreden, daß der Born Zeichen und Wunder thue. Er sollte wieder jung machen, jedoch die Gestalt nicht verändern.

Marburger Anzeigen v. 1764 S. 147 u. 157.

Quelle:
Karl Lyncker: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. Kassel 1854, S. LXXVII77.
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