153. Schätze im Kesselsboden.

[96] An vielen Orten glaubte und glaubt noch immer der Volkswahn Schätze verborgen. Wo ein Schatz liegt, da wird bei dunkler Nacht ein stilles Feuer gesehen; wer sich dem geräuschlos nähert und ohne ein Wort zu reden ein Tuch darüber hinwirft, kann den Schatz heben. Stillschweigen ist Bedingung, beim ersten Laut ist Alles spurlos verschwunden und jede Nachgrabung vergebliche Mühe.

Hinter Homberg liegt seitwärts von Holzhausen ein Wald und davor ein großes Triesch mit einer kesselförmigen Vertiefung, der Kesselsboden genannt, worin große Schätze verborgen liegen sollen. Einigemal sind Leute von Homberg hingewesen und haben nachgegraben und den Schatz glücklich gehoben; immer aber, wenn sie bis vor's Stadtthor gekommen waren, rief es hinter ihnen: »Hast du'n? hast du'n?« Und der Erste, der schon durchs Thor war, antwortete: »Ja!« in der Meinung, sein Kamerad frage ihn, und da war der Schatz wieder verschwunden. Hätte aber der Erste nicht eher geantwortet, bis der Zweite auch zum Thore herein gewesen wäre, dann konnte ihnen der Schatz nicht mehr entgehen.

Mündlich.

Quelle:
Karl Lyncker: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. Kassel 1854, S. XCVI96-XCVII97.
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