193. Die Pest in Kirchhain.

[124] Zu einer Zeit war einmal die Pest in Kirchhain ausgebrochen und raffte viele Menschen hinweg. In ihrer Noth riefen die Kirchhainer einen Zauberer herbei, welcher die Seuche beschwor und in einen Balken bannte; vor das Loch, in welches sie hineingefahren, schlug er einen Pflock. Von dem Tage an kamen keine Pestfälle mehr vor und die Bürger waren froh, daß der ungebetene Gast sich zurückgezogen hatte.

Zwei Jahre später kam ein Mann in das Haus, sah den[124] Pflock in dem Balken stecken und zog ihn heraus; denn er wußte nicht, welche Bewandniß es damit hatte. Zur selben Stunde brach die Pest von Neuem in Kirchhain aus und wüthete so arg, daß fast die ganze Stadt ausstarb.

Mündlich.

Quelle:
Karl Lyncker: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. Kassel 1854, S. CXXIV124-CXXV125.
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