201. Der Brunnen zu Spangenberg.

[130] Merkwürdig ist der tiefe in den Berg gehauene Brunnen auf dem Schlosse Spangenberg, aus welchem das Wasser mittelst eines großen Rades, das zwei Esel1 in Bewegung setzen, heraufgewunden wird. Gießt man Wasser in den Brunnen zurück, so dauert es eine geraume Zeit, ehe ein lautes dumpfes Brausen von unten herauf anzeigt, daß es auf dem Wasserspiegel angekommen ist. – Vor langer, langer Zeit wohnte ein Ritter hier auf dem Schlosse, der einmal zwei Männer gefangen hielt; diese wußten, daß oft Wassermangel auf der Burg war und erboten sich einen Brunnen zu graben, wenn der Burgherr ihnen alsdann die Freiheit schenken wollte. Der nahm sie beim Wort und sie gruben darauf den noch vorhandenen Brunnen und erlangten dadurch ihre Freiheit wieder.

Mündlich.

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Wenn der geneigte Leser einmal nach Spangenberg kommt und sich den Brunnen zeigen läßt, so lasse er sich für diesen Fall den freundschaftlichen Rath gegeben sein, daß er nicht Esel sagt, denn der Brunnenwärter hat seinen Kopf darauf gesetzt, daß es nicht Esel, sondern Brunnenthiere seien und nimmt es für eine Beleidigung, wenn Jemand seine Thiere Esel nennt.

Quelle:
Karl Lyncker: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. Kassel 1854, S. CXXX130.
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