230. Belagerung der Burg Hauneck.

[160] Die Haunecker trieben ihre Räubereien endlich so arg, daß die ganze Umgegend gegen sie aufstand und der Landgraf von Hessen ein Heer ausrüstete, um die Burg ihnen zu entreißen. Der »wilde Haune« baute trotzig auf die Festigkeit und Unzugänglichkeit seines Felsenschlosses und auf die Treue seiner Bundesgenossen, auch, für den schlimmsten Fall, auf die unterirdischen Gänge, durch die er seinen Rückzug zu nehmen gedachte, wenn die Burg in die Gewalt des Feindes fallen sollte. Der Landgraf schloß Hauneck ganz ein, beschädigte die Mauer vielfach und tödtete dem Ritter viele seiner Knechte; auch machte er ihm seine Bundesgenossen abwendig und ward durch sie zu den unterirdischen Gängen geführt, die er mit seinen Leuten besetzte. Als das der Ritter von Haune erfuhr, verlor er all seinen Muth und ließ den Landgrafen um Gnade bitten. Anfangs wollte der Fürst davon nichts wissen, als aber die kränkliche, schwache Hausfrau des wilden Stegreifritters, die von diesem oft mißhandelt worden war, in des Landgrafen Zelt erschien und um freien Abzug für sich und für Alles, was sie in einer Bütte mitnehmen könne, bat, gewährte er ihr[160] Gesuch. Doch soll eine Andere die Bütte tragen, setzte der Fürst hinzu, der den listigen Sinn des Gesuchs errathen hatte. Im Lager befand sich ein schlechtes Weibsbild, das schickte er mit auf das Schloß. Der Ritter mußte sich in die Bütte setzen und das Weib trug ihn unter dem schallenden Hohngelächter seiner Feinde durch das ganze Lager. Diese Beschimpfung und der Verlust der Burg besserten aber den Bösewicht nicht; er setzte auch später sein Raubritterleben fort, ward gefänglich eingezogen und starb endlich in einem feuchten, dunklen Kerker eines schmählichen Todes.

Mündlich.

Quelle:
Karl Lyncker: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. Kassel 1854, S. CLX160-CLXI161.
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