237. Zerstörung der Gudenburgen.

[165] Ueber dem Warmethal im Amte Zierenberg liegen die Gudenberge, auf welchen vor langer Zeit zwei feste Burgen standen, von denen von Gudenberg und den Gropen und Wolfen von Gudenberg bewohnt. Zu Landgraf Heinrichs I. Zeiten lebte ein Grope von Gudenberg, der auf der obern Burg wohnte und mit einer Edlen von Schonenberg vermählt war. Aber Eckhard von Gudenberg, welcher seinen Sitz auf der kleinen oder untern Burg hatte, lebte in sträflichem Umgange mit dem schönen Weibe des Gropen, und ungehört blieben die gütlichen Ermahnungen des beleidigten Gatten. Da trieb diesen der Durst nach Rache zu dem verzweifelten Entschlusse, sein und der Gudenberge Geschlecht zu verderben.

Lange schon mochte Landgraf Heinrich – vielleicht durch Räubereien oder Verweigerung der Lehenspflicht der Burgbewohner veranlaßt – auf die Zerstörung ihrer Burgen bedacht gewesen sein, doch hatte ihre, von der Natur noch erhöhte, Festigkeit seinem Vorhaben bisher getrotzt. Jetzt ließ der tiefgekränkte Grope in der[165] Johannisnacht den Landgrafen und seine Söldner durch ein Loch, welches er selbst in die Mauer gebrochen hatte, in die obere Burg, von wo aus die Eroberung der untern Burg nur noch ein Leichtes war. – Bald darauf bezeichneten zwei Trümmerhaufen die Stellen, wo die Gudenburgen gestanden hatten.

Anonymus ap. Senkenb. 338. – Winkelmann, VI, 296.

Quelle:
Karl Lyncker: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. Kassel 1854, S. CLXV165-CLXVI166.
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