280. Frau Sophie von Brabant fordert ihrem Sohne die Lande ein.

[200] Im Jahre 1253 kam Frau Sophie von Brabant auf einem bestimmten Tag mit ihrem Sohn gen Eisenach in das Prediger-Kloster; dahin kam auch ihr Ohm, Markgraf Heinrich von Meissen, dem sie das Thüringerland zu getreuen Handen übergeben hatte. Zu dem sprach Sophie: »Lieber Ohm, ich habe nun bracht Heinrichen, meinen Sohn, und bitte mir und ihm die Lande wieder zu überantworten, welche ich Dir zu getreuer Hand befohlen habe.« Da antwortete der Markgraf: »Gerne, meine allerliebste Base! Meine getreue Hand soll Dir unverschlossen sein und Deinem jungen Sohn, meinem Ohmen.« – Und da er so sprach, kamen sein Marschall, Helwig von Schlotheim und sein Bruder Hermann, zogen den guten Fürsten bei Seite und sprachen: »O Herr! was wollt Ihr thun, ein solch fruchtbar Land und die unüberwindliche Feste Wartburg zu übergeben, da Ihr doch auch mit Glimpf, Eurer Mutter halben, Euch für einen Erben mögt eindringen. Und wär' es möglich, daß Ihr einen Fuß im Himmel hättet und den andern auf der Wartburg, viel eher solltet Ihr den aus dem Himmel zurückziehen, denn den von der Wartburg.« – Also kehrte sich der Markgraf wieder zu seiner Base und sprach: »Liebe Base, ich muß mich zu diesen Dingen bedenken und den Rath meiner Getreuen darüber hören.« Da merkte Frau Sophie, daß ihr Ohm durch falschen Rath sein Gemüth verkehrt hatte und ihr das Land vorenthalten wollte, das sie ihm in gutem Glauben übergeben hatte; darum ward sie sehr betrübt, weinte bitterlich, zog ihre Handschuh von den Händen und sprach: »O du Feind aller Gerechtigkeit, ich meine Dich, Teufel, nimm hin diese Handschuh mit den falschen Rathgebern!« und warf sie in die Luft. Also wurden die Handschuh hinweggeführt und nimmermehr gesehen. Die Räthe aber sammt ihren Knechten sollen keines rechten Todes gestorben sein.

Anonymus. ap. Senkenb. 325. – Winkelmann, VI, 285 etc.

Quelle:
Karl Lyncker: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. Kassel 1854, S. CC200-CCI201.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen
Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen