290. Otto der Quade vor Eschwege.

[209] Als Herzog Otto von Braunschweig, durch die Zurückberufung des Landgrafen Hermann – welcher auf der Universität zu Prag die Magisterwürde erhalten hatte – plötzlich alle Hoffnung auf das hessische Erbe verschwinden sah, ward er der Landgrafen Feind, sammelte in und um Hessen viele unzufriedene Ritter, Freiherrn und Grafen zu einem Bunde, an dessen Spitze sich Graf Gottfried von Ziegenhain stellte; dessen Wappen, ein Stern, war ihr Bundeszeichen, sie heißen davon die »Sterner«. Mehrere Jahre lang befehdeten die Sterner die beiden Landgrafen und richteten in Hessen große Verheerungen an, ohne daß der Anstifter von Allem, Otto der Quade, seinen Vortheil dabei fand. Dieser fiel einst, im Frühjahr 1375, am Sonnabend vor Judica, mit den Sternern in das Werrathal und ließ die Mauern von Eschwege mit Sturm anlaufen. Die Bürger aber hielten's treu mit ihren Landesherren, den Landgrafen von Hessen, und waren dem Herzog feind. Wie sie nun so bedrängt wurden von diesem, zeigten sich auf einmal glühende Schwerter auf der Mauer, zwischen dem Dünzebacher Thore und der Mühlenpforte, und hellleuchtende Gesichte feuerten die Bürger zur muthigen Gegenwehr an, so daß sie die Feinde männlich abtrieben.

Zur Erinnerung an diese wunderbare Rettung ließen die Bürger fünf steinerne Köpfe auf die Mauer stellen, feierten jährlich am Sonntag Judica ein öffentliches Dankfest und gaben allemal auf grünen Donnerstag den Armen eine Spende.

Hess. Zeitrechn. z.J. 1695. – Bange, 145.

Quelle:
Karl Lyncker: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. Kassel 1854, S. CCIX209.
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