291. Der Ludwigstein.

[209] Zu einer Zeit, da Landgraf Ludwig mit denen von Hanstein und andern Raubrittern der Umgegend in Fehde lag, erstand plötzlich über Nacht eine Burg auf einem Berge an der Werra, dem Hanstein gerade gegenüber. Die Hansteiner waren nicht wenig erstaunt, am Morgen sich in so gefährlicher Nachbarschaft zu sehen, denn der Landgraf ließ das Schloß von seinen Leuten besetzen und die Schnapphähne scharf beobachten. Niemand aber wußte sich zu erklären, wie die Burg, die sie den Ludwigstein nannten, so geschwind hatte aufgebaut werden können. Da verbreitete sich das Gerücht, der Landgraf hätte einen Pakt mit dem Teufel gemacht und dieser die Burg in einer Nacht gebaut; und zum Wahrzeichen wies man ein seltsames scheußliches Fratzenbild, das an der Mauer des Ludwigsteins, in Stein gehauen, zu sehen war und für des geschwinden Baumeisters Ebenbild galt.

Andere meinten dagegen, der Landgraf hätte den Räubereien der Hansteiner ein Ziel setzen wollen und deshalb den Ludwigstein erbauen lassen. Um die Ritter nun nicht aufmerksam zu machen, hätte er das Schloß im Walde zimmern und in einer Nacht eilig aufschlagen lassen.

Hess. Zeitr., 34. Forts.

Quelle:
Karl Lyncker: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. Kassel 1854, S. CCIX209-CCX210.
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