296. Falsches Zeugniß.

[213] Da Landgraf Heinrich III. Friedewald gebaut hatte, zog er einmal dahin mit wenigen seiner Diener, und saß in der Küche und redete mit einem seiner Landsknechte, Hermann Löffeler, von der Zubehör des Schlosses Friedewald, und derselbige sagte dem Fürsten mehr, dann ihm zu sagen gebührte. Indem kam ein alter Bauer aus dem Dorfe Usbach, der hieß Hermann Weiße, zu dem sprach Löffeler: »Du kommst mir eben recht, Hermann, Du weißt wohl, daß es am Getzmanns und Starkhülfs meines Herrn, des Landgrafen ist, und zu Friedewald gehört;« und nannte ihm sonsten Berge und Gründe, welche des Stifts zu Hersfeld waren und sagte sie gehörten seinem Herrn zu. Weiße aber wollte die augendienerische Rede des Andern nicht unterstützen, sondern sagte: »Ich weiß, daß Alles, was Du da genannt hast, St. Wigberts und des Stifts zu Hersfeld ist, und mein Herr, der Landgraf, hat nicht[213] mehr daran, als was die drei Geschlechter gehabt haben: Milnrodt, Reckenrodt und Altenburg, und das ist so wenig, daß sich Einer kaum davon ernähren möchte und gehet dazu vom Stift Hersfeld zu Lehen; auch weißt Du wohl, wo es wendet, wenn Du es sagen wolltest.« – Da stand Landgraf Heinrich auf und ging aus der Küche und sprach: »Koch, mache dem Menschen eine Suppe.« – Da sagte Löffeler: »Das war mein Herr, der Landgraf.« Und Weiße antwortete: »Warum fragtest Du dann mich? Hätte er mich um die Wahrheit befragt, ich hätte sie ihm auch nicht verschwiegen.« –

Bald darauf gab der Landgraf dem Landsknecht Urlaub und belohnte ihn, wie man solche Augenschalke zu belohnen pflegt. Da er aber reisete, reuete ihn seine Untugend, daß er dem Stifte das Seine abgesagt hatte, und er kehrte um und bekannte, daß er, um dem Landgrafen zu dienen, die Unwahrheit gesagt hätte. Da ward ihm sein Herr ungnädig und entsetzte ihn seines Amtes, daß er mußte wie ein Bauer den Acker bauen. Und da er einmal mit seinem Sohne über Land fuhr, kamen drei Unbekannte und führten ihn hinweg und ließen seinen Sohn sammt den Pferden unbeschädigt allda, und Niemand konnte erfahren, wo er hingekommen; man sagte, der Teufel hätte ihn weggeführt.

Anonymus ap. Senkenb. 506.

Quelle:
Karl Lyncker: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. Kassel 1854, S. CCXIII213-CCXIV214.
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