4. Wuodensberg und Odenberg.

[3] In der Gegend, wo Mattium, die uralte, von Germanicus zerstörte Hauptstadt der Chatten und wo die Malstätte des fränkischen Hessengaues lag, kaum eine Meile von dem Orte, wo Bonifacius vor den Augen der erstaunten Heiden ihre heilige Donnereiche niederhieb, liegt das Städtchen Gudensberg um einen Hügel herum, der auf seinen beiden Spitzen einst zwei Schlösser trug. Ehemals soll die Stadt viel größer gewesen sein und bis zum Odenberge sich ausgedehnt haben; auch schrieb man im Mittelalter Wodensberg1 (Wotensberg 1209, Wuodensberg 1226), nachher Vdenesberg und zuletzt Gudensberg.

Dunkle Sagen erzählen von einer großen Kirche, die einst auf dem Gipfel, und von einer Kapelle, die am Abhange des Odenberges gestanden. Die Kapelle hieß die Karlskirche und soll von Karl dem Großen zur Erinnerung an einen hier erfochtenen Sieg gebaut worden sein. Landgraf Heinrich I. schlug 1270 die[3] in Hessen eingefallenen Westphalen bei dieser Karlskirche, wobei 400 Feinde todt blieben. Im 16. Jahrhundert zerfiel die Kapelle, deren Schlüssel in neuerer Zeit der Pflug wieder zu Tage gefördert haben soll, und die Stätte diente nachher zum Hochgericht, wo noch 1662 viele Opfer der unseligen Hexenprocesse auf dem Scheiterhaufen starben.

Uralte Schanzgräben laufen rings um den hohen Rücken des Odenbergs; die Sage schreibt auch diese Karl dem Großen zu. Der Berg selbst, von dessen Gipfel man eine außerordentlich weite und schöne Aussicht genießt, ist der Mittelpunkt vieler Sagen von Karl dem Großen, denn wenn auch lange schon das Volk den alten Heldenkönig in Karlquintes umgetauft hat, so ist doch sicher jener, und nicht Karl V. darunter zu verstehen.

Mündlich.

1

Neben Wodensberg möchte ich zwei Flurnamen aus der Feldmark der Stadt Frankenau in Oberhessen, »Wodenberg« und »Wodehain« stellen.

Quelle:
Karl Lyncker: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. Kassel 1854, S. III3-IV4.
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