499. Die Wolterkens.

[336] Samuel Meigerius, weiland Pastor zu Nortorf, schreibt in dem zweiten Kapitel des dritten Buches seiner Schrift de Panurgia lamiarum also:

De Wolterkens vinden sik gemeinlik in den Hüseren, dar ein gut Vörrat van allen Dingen is. Dar schölen se sik bedeensthaftigen anstellen, waschen in der Köken up, böten Vür, schüren de Vate, schrapen de Perde im Stalle, voderen dat Quick, dat it vet und glat herin geit, teen Water und dragent dem Vehe vör. Men kan se des Nachtes hören de Ledderen edder Treppen up und dal stigen, lachen wenn se den Megeden efte Knechten de Deken afteen. Se richten to, houwen in jegen dat Geste kamen schölen, smyten de Ware in dem Huse umme, de den Morgen gemeinliken darna vorkoft wert. – De Husniskens edder Husknechtkens dragen dem Naber dat Voder af und slepen it eres Heren Köien edder Perden vör, dat det Nabers Quick verhungere und eres Werdes gedie und vet werde. Se schölen so lange bliven, bet dat de Neringe begünnet to krimpende unde dat Gelücke sik wendet edder so men erer spottet, de wile de hoverdige Geist neinen Spott liden kan; alsedenn schölen se sik ut den Hüseren vorleren, dat se nicht mer vornamen werden.

Wenn den Hausnischen, die man auch Hauspuken nennt, etwas zu nahe geschieht, machen sie Nachts einen greulichen Lärm, daß niemand[336] schlafen kann, sie zerbrechen den Hausrat und werfen mit Steinen. – Wenn einer in einem Hause zu wohnen begehrt, trägt er einen Haufen Späne zusammen, füllt die Milchfässer mit Milch an, aber beschmutzt sie mit allerhand Viehdreck. Wenn nun der Hausvater das vermerkt, so esse und trinke er nur getrost mit seinem Hausgesinde die Milch und tue er den Spanhaufen nicht weg noch voneinander; so ist das ein Zeichen für ihn und er bleibt im Hause. Dann wird alles im Hause wohl bestellt, das Vieh ist des Morgens gefüttert, die Tennen sind gefegt, und das Korn, das am Tage gedroschen werden soll, wird des Nachts heruntergeworfen und zurechtgelegt. Ist das Vieh krank, so kennt und holt er für sie die heilsamsten Kräuter. – Dann sagt man: Niß Puk muß gearbeitet, gesorgt, gefüttert und gefegt haben, und wo Segen und Wohlstand ist, heißt es, da wohnt oder regiert Niß Puk.

Gemeiniglich pflegt nämlich zurzeit nur einer in einem Hause zu wohnen und einen solchen nennt man Niß Puk, oder auch Nißkuk oder Neßkuk. Darnach heißt auch wohl das Schulkinderfest in Meldorf, dann zieren die Mädchen die Schulstube mit Blumen und nachmittags und abends wird getanzt; und dann sagen sie: Wir haben Neßkuk, wir feiern Neßkuk.

Die Nisken halten sich stets in finstern verborgenen Winkeln des Hauses und der Ställe auf, oft auch in den Holzhaufen. Sie verschwinden vor jedem, der sich ihnen nähert. Abends aber müssen die Leute im Hause den Feuerherd sauber aufräumen und zum Dienst der dienstfertigen kleinen Leute einen Kessel mit reinem Wasser hinsetzen. Auch begehrt der Niß Puk allezeit, daß eine Schüssel mit süßer Grütze, Butter oder Milch ihm an einen Ort gestellt wird. Daher pflegt die Hausfrau, wenn sie irgendwo eine Schüssel mit Essen herumstehen findet, die Mägde zu fragen, ob das für Niß Puk hingesetzt sei.

Dem Nisebok, so hörte ich einmal aus Schleswig, stellt die Frau Abends Milch und Brot in den Schrank, wenn sie sich von den Mägden unbemerkt glaubt, und wenn sie zur Stadt fährt, bringt sie ihm immer einen Stuten mit. Er aber bringt Korn, und wenn man dreschen will, so findet man zwischen jeder Lage Roggenstroh eine Lage schieres Korn.

Leute aus der Landschaft Stapelholm, die den Niß Puk gesehen haben, beschreiben ihn also, daß er nicht größer als ein ein- oder anderthalbjähriges Kind sei. Andre sagen, er sei so groß wie ein dreijähriges. Er hat einen großen Kopf und lange Arme, aber kleine, helle, kluge Augen1. An den Füßen trägt er ein Paar rote Strümpfe, um den Leib eine lange graue oder grüne Zwillichjacke und auf dem Kopfe eine rote spitze Mütze. Gar gern hat er auch ein Paar weiche Pantoffeln, und wenn er's recht gut hat, so kann man ihn Nachts darin auf dem Boden flink herumschlurren hören.[337]

Diese Wesen offenbaren sich aber auch oft in scheußlicher Gestalt und jagen dem Hausgesinde einen Schrecken dadurch ein, worüber sie dann immer mit einem Gelächter ihre Freude bezeugen.

Mit dem Büsemann, der im Stalle wohnt, macht man unartige Kinder bange. Auf Föhr hält man sie mit dem blinden Jug in Furcht, in Dithmarschen mit dem Pulterklaas. Wer aber kennt nicht den fürchterlichen Roppert!


Samuel Meigerius a.a.O. Hamborg 1587. 4. – Arnkiel I, 49. 50. – Abhandlungen aus den Schl.-Holst. Anzeigen, herausgegeben von Falck, I, 137. 175 ff. 209. Vgl. Wolf, Niederl. Sagen Nr. 228. 480. Kuhn, Märk. Sagen Nr. 180. – Laß, Husumsche Nachrichten, Flensb. 1750, 4. Sammlung I, 150. – Mündlich und durch Storm. – Bei Grauer Erklärung des güldenen Horns 1737. S. 75 wird neben Niskepuk ein Geist Koome genannt, von dem Heimreich ed. Falk I, 120 meldet, daß man ihn auf Föhr mit Tänzen und Sprüngen geehrt habe. – Nach Samuel Meigerius und Arnkiel scheint auch der Name Chimken für die Hauskobolde bei uns gebräuchlich gewesen zu sein. – Über den Büsemann, dessen Namen man wohl nicht richtig aus fries. Büisem, niederl. Boos, hochd. Banse (Scheune, Stall) erklärt, vgl. Outzen Glossar u.d.W. Bussemann; mit ihm schreckt man die Kinder vor dem Wasser, worin er sein Wesen hat. Sie sollen nicht zu nahe kommen, denn sonst kommt der Bussemann und holt sie. – In Holstein hat man den Reim:

Hamer (d.i. Donar), sla bamer,

Sla Bussemann dood.

Vgl. Mythol. 474 f. Man sagt dafür auch: »Sla Bumann ni dood.« Mit dem Bumann, »dem bösen Bumann«, schreckt man auch die Kinder. In einer alten handschriftl. Predigt, gehalten 1628 zu Nordhackstedt im Amte Flensburg durch Herrn Pastor Jürgen, heißt es von einem Geizhals: »Du deist doch in der Welt neen gut, als dat du Geld tohopen hungerst und datsülve to din egen Nutze bringest, schultu ock darum to Meister Hummelmann (andre Abschr. hat Meister Hemerlings, der Teufel Donar Mythol. S. 166), ja hen to de böse Buchmann faren; ja far fort, du must doch hen, du magst töven so lange as du wult.« – Den freundlichen, gabespendenden Hausgeist (der nach andern Sagen oft mit den Kindern spielt) meinen ohne Zweifel die Kinderreime vom Bükoken vun Halberstadt, vun Bremen, (vun Buten), vun Halle, Schütze Idiotik. I, 177, nicht aber den Bischof Bucco von Halberstadt, was mir albern scheint. So heißt auch in Schottland und auf den shetländischen Inseln das Hausknechtchen, der Hausgeist, bumann, bukow, boodie. Jamieson Dictionary. Er trägt gerne Schellen am Kleide. – Über den Namen Wolterkens, d.i. Walterchen, Mythol. S. 471 f. – Niss oder Neß wäre, wie süß aus sechs, wohl als Nichs zu erklären, wenn Niß nicht gleich Nicolaus S. Mythol. a.a. O. Puk bedeutet klein, unerwachsen. Mythol. 468. In Dithmarschen gebraucht man ein Verbum puken von kleinen Diebereien, besonders der Kinder untereinander.

Fußnoten

1 Die Sylter versichern, daß er sehr große Augen habe; daher sagt man von einem neugierigen Menschen: »Hi glüüret üs en Puk.«


Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 336-338.
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Plattdeutsche Legenden und Märchen: aus: Karl Müllenhoffs Sammlung (1845): Sagen, Märchen und Lieder der Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg
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