Der Teufelsbanner

[100] Lustig leben, selig sterben,

Heißt des Teufels Spiel verderben.

Der Teufel dacht' in seinem Sinn,

Ich sollt' ein Frömmler werden,

Und weil ich's nicht geworden bin,

So zieht er mir Geberden,

Zeigt Rosenkränz' und Geißeln mir

Und thut sich drehn und bücken;

Ich sitze bei dem Glase hier

Und spotte seiner Tücken.

Lustig leben, selig sterben,

Heißt des Teufels Spiel verderben.


Lustig leben, selig sterben,

Heißt des Teufels Spiel verderben.

Dem Teufel fiel es wieder ein,

Das Kriechen mir zu lehren;

Er pfiff und lockte grob und fein,

Und sprach von hohen Ehren.[100]

Flugs warf ich in die Brust mich recht

Und reckt' empor den Nacken,

Trank Pereat dem Wurmgeschlecht:

Da wies er mir die Hacken.

Lustig leben, selig sterben,

Heißt des Teufels Spiel verderben.


Lustig leben, selig sterben,

Heißt des Teufels Spiel verderben.

Da endlich, Brüder, wollt' er mich

Zum Diplomaten machen,

Und wähnte schon: Jetzt hab' ich dich!

Ich lacht' und ließ ihn lachen.

Er führte mich zu einem Schmaus

Mit großen Diplomaten:

Ich trank die besten Flaschen aus,

Und aß den feinsten Braten.

Lustig leben, selig sterben,

Heißt des Teufels Spiel verderben.


Lustig leben, selig sterben,

Heißt des Teufels Spiel verderben.

Nun will er in Verzweiflung heut'

Zum Dichter mich kreiren,

Und meint, ich soll aus Dankbarkeit

Ihn weidlich honoriren.

Ich aber lass' in hellem Ton

Mein frohes Lied erklingen:

Herr Satanas, ich singe schon!

Jetzt rühre deine Schwingen!

Lustig leben, selig sterben,

Heißt des Teufels Spiel verderben.

Quelle:
Wilhelm Müller: Gedichte. Berlin 1906, S. 100-101.
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