Herbstgesang

[18] 1777.


Ueber Rebenhügel,

Wo sich Trauben färben,

Ueber Obstgeländer,[18]

Wo sich Aepfel röthen,

Leert der milde Fruchtmond

Lächelnd das geudende Segensfüllhorn!


Aus den Haingesträuchen,

Aus den Hekengängen,

Aus den Gartenbeeten,

Zirpen tausend Grillen,

Um die Abenddämrung,

Feiergesänge dem Traubenschöpfer!


Wo sein Auge lächelt,

Reifen Honigfrüchte!

An den vollen Zweigen,

Giebt er jeder Pflaume

Ihre Himmelbläue,

Malt er dem Apfel die Purpurwange!


Auf den Rebenbergen,

Wo die Winzermädchen

Hochgesänge tönen,

Knarren alle Keltern,

Und aus ihrem Schoosse

Träuft der begeisternde Trank der Freude.


Daß das liebe Kelchglas,

Oft, im Freundeskreise,

Unser Herz erfreuet,

Unsren Geist beflügelt:

Danken alle Zungen

Dir, o! allsegnender Rebengeber!


Schön bist du, o Erde!

Kleidet deine Hügel,

Deine Saatgefilde,[19]

Deine Gartenfluren,

Der allmilde Herbstmond

Lieblich mit farbigem Fruchtgewande.


Schöner nur, o Mutter!

Lächelst du im Lenze,

Wenn dir um die Loken

Weisse Blüten säuseln,

Und dein Götterantliz

Wölken die athmenden Mainachtdüfte!


Hier am Quellenrande,

Wo mich Schilf umflüstert,

Wo, von Laubgewölben,

Dürre Pappelblätter

Auf mich niederrieseln,

Soll mich der Abend mit Maja finden!


Fleuch, o süsses Mädchen!

Fleuch dein Teppichzimmer,

Deiner Stadt Gepränge!

Hier, im Abendschatten,

An der Silberquelle,

Harret voll Sehnsucht dein Vielgetreuer!

Quelle:
Friedrich Matthisson: Gedichte, Band 1, Tübingen 1912, S. 18-20.
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