Die Helden des Dampfes

James Watt

Dem ehrbaren und biederen Blockmaker und Shipchandler (Blockdreher und Schiffslieferant) Watt zu Greenock in Schottland wurde am 19. Januar 1736 ein Söhnlein geboren, welches bestimmt war, auf dem Felde der Industrie sich den Namen eines Helden und einen Kranz reicher Lorbeeren zu erringen.

Der kleine James, zu deutsch Johann, gehörte keineswegs zu den Wunderkindern, welche schon in den ersten Tagen ihres Daseins mit brillirenden Gaben glänzen und dann in Folge geistiger und der davon in gewisser Beziehung abhängigen körperlichen Frühreife das Leben rasch durcheilen und meist in ein frühzeitiges Grab sinken, vielmehr zog er sich durch sein stilles, nachdenkliches Wesen und unablässiges Sinnen den Verdacht zu, ein träger und beschränkter Kopf zu sein. Aber bereits in seinem sechsten Jahre beschäftigte er sich mit den Aufgaben des Euklid, und die ungewöhnlichen Ideen, welche er schon in diesem Alter blicken ließ, zeichneten sich durch scharfe Ein- und klare Uebersicht vortheilhaft aus. Sogar eine kleine Elektrisirmaschine soll er sich in dieser Zeit construirt haben, mit welcher er den Seinen manche Ueberraschung bereitete. Was eben ein Häckchen werden will, das krümmt sich bei Zeiten.

Er war anfangs für eine wissenschaftliche Laufbahn bestimmt; da aber seine Eltern die dazu nöthigen Kosten nicht aufzubringen vermochten, so trat er in eine mechanische Werkstätte ein, welche er im achtzehnten Lebensjahre mir einer Stelle bei dem berühmten Mechaniker Morgan in London vertauschte.

Damals brauchte er zur Reise nach London volle zwölf Tage und ahnte wohl schwerlich, daß man sie später mittelst seiner Erfindung in noch nicht zwölf Stunden zurücklegen werde. –

Nur kurze Zeit später, im Jahre 1758, erhielt er an der Universität Glasgow die Stelle eines Inspektors der Modellsammlung und errichtete, was ihm der damalige Zunftzwang außerhalb des Universitätsgebäudes verwehrte, nun in demselben ein Geschäft als Mechaniker für Maschinenmodelle, Uhren etc.

Durch das Genie, welches er in seinen Arbeiten zeigte, wurde er mit den hervorragendsten Gelehrten bekannt, unter welchen sich auch der später so bekannt gewordene Dr. Robison befand, dessen Einfluß sehr anregend und wohlthätig für Watt wirkte und der ihm auch das Projekt einer Dampfmaschine zum Treiben von Wagen anvertraute. Aus[22] jener Zeit stammt auch das Urtheil eines seiner intimsten Bekannten, welches uns einen Blick auf seinen Charakter und in sein Wesen gestattet.

»Ich wurde,« erzählte er, »durch einige Freunde bei ihm eingeführt und erwartete, einen einfachen Arbeiter in ihm zu sehen. Ich fand auch einen solchen; aber wie sehr fühlte ich mich überrascht, als ich bei näherer Prüfung einen Gelehrten in ihm entdeckte, der, nicht älter als ich, die Fähigkeit besaß, mich über alle Gegenstände der Mechanik und Naturkunde, wonach ich fragte, aufzuklären! Von da an trugen wir jede Schwierigkeit, welche mir oder meinen Gefährten aufstieß, ihm vor, und er war auch stets der Mann, uns aufzuklären; aber für ihn wurde jede solche Frage Veranlassung zu neuem und ernstem Studium, und er ruhte nicht eher, als bis er sich entweder von der Unhaltbarkeit des Gegenstandes überzeugt, oder daraus gemacht hatte, was sich möglicherweise machen ließ. Diese Eigenschaften, verbunden mit der größten Bescheidenheit und Herzensgüte, bewirkten, daß alle seine Bekannten ihm mit eben so großer Liebe und Anhänglichkeit zugethan waren.«

Schon in den Jahren 1762 und 1763 beschäftigte sich Watt anhaltender mit dem Wesen und der Anwendbarkeit des Dampfes; aber erst das darauf folgende Jahr öffnete ihm die Pforte zu der Laufbahn, auf welcher er seinen rund um die Erde schallenden Ruhm erntete.

Es wurde ihm nämlich von dem Professor Andersen das Modell einer Newcome'schen Dampfmaschine für Wasserhebung zur Reparatur anvertraut und er entdeckte daran Fehler, mit deren Abstellung er sich sofort und eingehend beschäftigte. Hierbei kam er auf die hervorragendste seiner Entdeckungen, nämlich die Verdichtung des Dampfes in einem besonderen Gefäße (dem Condensator) zu bewirken, welches vom Dampfcylinder gänzlich geschieden war und mit ihm nur durch eine enge Röhre in Verbindung stand. Hieran reihte sich die anderweite Verbesserung, daß er den Kolben des Dampfcylinders nicht mehr durch die atmosphärische Luft, sondern ebenfalls durch den Druck des Dampfes niedertreiben ließ. Zu diesem Zwecke ließ er den Dampf abwechselnd unter und über dem Kolben eintreten und erzeugte den luftleeren Raum, der hierzu nöthig war, durch seine neue Condensations- (Verdichtungs-) Methode.

Im Jahre 1768 unterstützte ihn ein gewisser Dr. Roebuk, welcher die ausgedehnten Kennealkohlenwerke des Herzogs von Hamilton in Betrieb hatte, mit Geld, so daß es ihm möglich wurde, sein Geschäft aufzugeben und sich als Civilingenieur zu etabliren. Nun, dort in Kennealhouse, brachte er noch in demselben Jahre seine erste Maschine mit einem 18zölligen Dampfcylinder in Gang und wurde 1769 hierfür patentirt.

Roebuk war förmlich mit ihm associrt und sollte zwei Drittel des Reingewinns erhalten. Bald aber trat er in Folge zerrütteter Vermögensverhältnisse freiwillig zurück, und es glückte Watt, in der Person des ehrenwerthen und reichen Matthias Boulton aus Soho bei Birmingham einen Theilnehmer zu finden, welcher, wie man sagt, volle 50,000 Pfund Sterling für das Unternehmen auslegte.

Diesem speculativen Manne gelang es im Jahre 1775, Watts Patent bis auf das Jahr 1800 zu verlängern, und nun begannen die großen Erfolge des Letzteren in Ausführung der zahlreichen Dampfmaschinen, welche aus der Fabrik von Soho hervorgingen.[23]

Die erste größere Dampfmaschine von 50 Zoll Kolbendurchmesser wurde schon 1776 von der neuen Firma Watt und Boulton für ein großes Wasserpumpwerk in Staffordshire geliefert, 1778 eine ähnliche von 58 Zoll Durchmesser nach Ketley in Shropshire. 1782 folgte die erste Dampfmaschine für die Manchester Baumwollenspinnerei und nach nur wenigen Jahren waren alle Londoner Bierbrauereien mit Watt'schen Dampfmaschinen versehen.

Watt's erste Maschinen waren hauptsächlich zum Heben des Wassers in den Bergwerken bestimmt, weßhalb der Pumpenkolben unmittelbar an der Balanciere gehängt wurde. Die sich hierbei ergebenden Unregelmäßigkeiten wurden dadurch gehoben, daß er die gradlinige Bewegung des Kolbens in eine kreisförmige verwandelte und durch Anwendung der Drosselklappe die Dampfmenge regulirte. Ebenso erfand er die doppelt wirkende Dampfmaschine, bei welcher der Kolben nicht nur nieder-, sondern auch in die Höhe getrieben wird, und bekannt ist ja das Watt'sche Parallelogramm, jene sinnreiche Construktion, welche dazu dient, die gradlinige Bewegung des Kolbens zu bewerkstelligen.

Obgleich er in späteren Jahren das von ihm gegründete Geschäft seinem Sohne überließ, gab er doch seine Studien nicht auf, und seine Zeitgenossen verdanken ihm noch vielfache wissenschaftliche Arbeiten, Entdeckungen (Briefcopierpresse)[30] und physikalische Versuche, z.B. über die Dichte, Spannkraft und latente Wärme des Dampfes, über Dampfheizung, chemische Zusammensetzung des Wassers, Bleichen mit Chlor etc., so daß ihn viele gelehrte Gesellschaften zum Mitgliede wählten.

Noch in seinen letzten Lebensjahren hatte er die Freude, große Dampfschiffe, mit seinen Maschinen ausgerüstet, nach allen Weltheilen fahren zu sehen und schloß auf seinem reizenden Landsitze Heathfield bei Birmingham am 25. August 1819 in einem Alter von 84 Jahren seine für die Mit- und Nachwelt unberechenbar wohlthätige Wirksamkeit.

Voll dankbarer Anerkennung errichtete man ihm in der »Ruhmeshalle Englands,« der Westmünsterabtei, eine von Chantrey gearbeitete Bildsäule, deren von Lord Brougham verfaßte Inschrift also lautet:


»Nicht um einen Namen zu verewigen, welcher fortdauern muß, so lange die friedlichen Künste blühen, sondern um zu zeigen, daß die Menschenkinder gelernt haben, Diejenigen zu ehren, welche deren Dankbarkeit im höchsten Grade verdienen. Der König, seine Minister und viele der Edlen und vom Hause der Gemeinen des Reiches errichteten dieses Denkmal


James Watt,


welcher die Kraft eines schöpferischen, in wissenschaftlicher Forschung früh geübten Geistes wandte auf die Verbesserung der Dampfmaschine, dadurch die Hilfsquellen seines Landes erweiterte, die Kraft des Menschen vermehrte und sich zu einem hervorragenden Platz erhob unter den berühmtesten Männern der Wissenschaft und der wahren Wohlthäter der Welt.«[31]

Quelle:
Die Helden des Dampfes. James Watt. (Mit hoher Wahrscheinlichkeit von Karl May verfaßt). In: Schacht und Hütte. 1. Jg. Dresden (1875). Nr. 4, S. 30-32.
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