Capitel 18.
Vom ersten Verhör und was daraus erfolget.

[119] Am andern Morgen, als ich auf dem Vorhof auf- und niederginge, dieweil ich den Büttel vielmahls umbsonst gebeten mich zu meinem Töchterlein zu geleiten (er wollte mir aber nit einmal sagen, wo sie säß) und letzlich für Unruhe dorten umbher lief, kam gegen sechs Uhren auch schon ein Wagen von Uzdom1 auf welchem Se. Edlen, Herr Samuel Pieper Consul dirigens2 item der Camerarius Gebhard Wenzel und ein Scriba3 saßen, so ich zwar erfahren wie er geheißen es aber wieder vergessen hab. Auch mein Töchterlein hat es wieder vergessen, angesehen sie sonst ein fast trefflich Gedächtnüß hat, mir auch das Meiste von dem, was nunmehro folget, vorgesagt, alldieweil mein alter Kopf fast bersten wollte, so daß ich selbsten wenig mehr davon behalten. Trat also gleich an den Wagen und bate, daß Ein ehrsam Gericht mir erlauben wölle, bei dem Verhör zugegen zu sein, inmassen mein Töchterlein noch unmündig wär, welches mir aber der Amtshaubtmann nicht zugestehen wollte, so inzwüschen auch an den Wagen getreten war von dem Aerker, wo er übergeschauet. Doch Seine Edlen, Herr Samuel Pieper, so ein klein, kurz Männeken war mit einem feisten Bäuchlein und eim Bart, grau mengeliret und ihme bis auf den Gürtel herabhängende, reichte mir gleich die Hand und condolirete mich als ein Christ, in meiner Trübsale: sölle nur in Gottes Namen in das Gerichtszimmer kommen und wünschte er von Herzen, das Allens erstunken und erlogen wär, so man gegen mein Töchterlein fürgebracht. Aber ich mußte noch wohl bei zween Glockenstunden ausharren, ehe[120] denn die Herren wieder den Windelstein herabkamen. Endlich gegen neun Uhren hörete ich, daß der Büttel die Stühl und Bänken im Gerichtszimmer rückete, und da ich vermeinete, daß nunmehro die Zeit gekommen, trat ich hinein und setzte mich auf eine Bank. Es war aber noch Niemand nicht da, außer dem Büttel und sein Töchterken, so den Tisch abwischte und ein Röslein zwischen den Lippen hielt. Selbige ließ ich mir verehren, umb daran zu riechen, und meine ich auch, daß man mich heute todt aus der Stuben getragen, wenn ich sie nicht gehabt. So weiß der Herr uns selbst durch ein schlecht Blümlein das Leben aufzuhalten, wenn es ihm geliebt! –

Endlich kamen die Herren und satzten sich umb den Tisch, worauf Dn. Consul4 auch allererst dem Büttel winkete, mein Töchterlein zu hohlen. Hierzwischen aber fragete er den Amtshaubtmann, ob er Ream5 habe schließen lassen, und als er nein! sagete, gab er ihm einen Verweis, so daß es mir durch das Mark zog. Aber der Amtshaubtmann entschuldigte sich, daß er, angesehen ihres Standes solches nit gethan, sie aber in ein fest Gewahrsam habe bringen lassen, aus dem es unmüglich sei zu entkommen, worauf Dn. Consul zur Antwort gab, daß dem Teufel viels möglich sei, und sie nachhero würden die Verantwortung haben, wenn Rea fortkäme. Das verdroß den Amtshaubtmann und er vermeinete, wenn der Teufel sie könne durch das Gemäure führen, so bei sieben Fuß Dicke, und drei Thüren vor hätte, könne er ihr auch gar leichte die Ketten abreißen, worauf Dn. Consul antwortete: daß er sich nachhero selbsten die Gefängnüß besehen wölle. – Und meine ich, daß der Amtshaubtmann blos darum so gütig gewest, weil er noch immer in Hoffnung[121] gestanden (wie man solches auch nachmals erfahren wird) mein Töchterlein zu seinem Willen zu beschwatzen.

Nunmehro aber ging die Thüre auf, und mein arm Kind trat herein mit dem Büttel aber rücklings6 und ohne Schuhe so sie draußen mußte stehen lassen. Es hatte sie der Kerl bei ihren langen Haaren gegriffen, und leitete sie also vor den Tisch, worauf sie sich erst umbkehren und die Richter ansehen mußte. Dabei hatte er ein groß Wort und war in alle Wege ein dreuster und muthwilliger Schalk, wie man bald weiters hören wird. Nachdeme nun Dn. Consul einen großen Seufzer gelassen und sie von Kopf bis zu den Füßen sich angesehen, fragete er erstlich, wie sie heiße, und wie alt sie wär, item ob sie wüßte, warumb sie hieher gefordert? Auf letzten Punkt gab sie zur Antwort: daß der Amtshaubtmann solches ja bereits ihrem Vater vermeldet, und wölle sie Niemand Unrecht thun, gläube aber, daß der Amtshaubtmann selbsten ihr zu dem Geschrei einer Hexen verholfen umb sie zu seinem unkeuschen Willen zu bringen. Hierauf verzählete sie, wie er es vom Anfang an mit ihr getrieben, und sie durchaus zu einer Ausgeberschen verlanget. Da sie aber solches nicht hätte thun wöllen, obgleich er selbsten unterschiedliche Malen zu ihrem Vater ins Haus gekommen, hätte er einsmals als er aus der Thüren gegangenfür sich in den Bart gemummelt: »ich will sie doch wohl kriegen!« wie solches ihr Ackersknecht Claus Nels im Pferdestall, wo er gestanden, mit angehöret. Und solches habe er alsobald zu vollenführen gesucht indeme er viel mit einem gottlosen Weibe, so Lise Kolken hieße, und früher bei ihme im Dienst gestanden, conversiret. Selbige möchte wohl die Zauberstückchen gespielet haben, so man ihr andichte, sie wisse von keinem Zauber. Item verzählete sie: wie der[122] Amtshaubtmann es gestern Abend mit ihr gemacht, als sie kaum angekommen, und wäre er nunmehro auch zum erstenmale frisch mit der Sprache herfurgerückt, weil er gläube, sie in seiner Gewalt zu haben. Ja er wäre selbsten dieser Nacht wieder ins Gfängnüß zu ihr kommen und hätte ihr abermals die Unzucht angetragen, und wölle er sie schon frei machen, wenn sie seinen Willen thäte. Da sie ihn aber abgestoßen, habe er mit ihr gerungen, wobei sie ein laut Geschrei erhoben, und ihne an der Nasen gekratzet, wie annoch zu sehen wäre, worauf er sie verlassen. Darumb könne sie den Amtshaubtmann nicht vor ihren Richter anerkennen, und hoffe zu Gott, daß er sie retten würd aus der Hand ihrer Feinde wie weiland er die keusche Susanna gerettet. –

Als sie hierauf mit lautem Schluchzen schwiege, sprang Dn. Consul auf nachdem er den Amtshaubtmann, wie wir alle, nach der Nasen gesehen, und alldorten auch die Schramme befunden und rief wie verstürzet: Sprech Er, umb Gotteswillen, sprech Er, was muß ich von Sr. Gestrengen hören? worauf der Amtshaubtmann, ohne sich zu verfärben, also zur Antwort gab: daß er zwar nicht nöthig habe vor Sr. Edlen zu sprechen, angesehen er das Oberhaupt vom Gericht wäre, und aus zahllosen indiciis herfürgehe, daß Rea eine boshafte Hexe sei, und darumb kein Zeugnüß gegen ihn oder männiglich ablegen könne, daß er aber dennoch sprechen wölle umb dem Gericht keine Aergernüß zu geben. Alle Anschuldigungen so diese Person gegen ihn herfürgebracht wären erstunken und erlogen. Doch hätte er sie in alleweg vor eine Ausgebersche miethen wöllen, in massen er umb eine solche sehr benöthigt gewest, da seine alte Dorte schon schwach würde. Auch hätte er sie zwar gestern gleich insgeheimb fürgenommen, umb sie im Guten zum Geständnüß, und dadurch zur Milderung ihrer Strafe zu persuadiren, angesehen ihn ihre große Jugend gejammert, hätte aber kein[123] unartiges Wort zu ihr gesaget, noch wäre er in der Nacht zu ihr kommen, besondern die Schramme hätte ihm sein klein Schooßhündlein, Below geheißen, gekratzet, mit dem er heute Morgen gespielet. Solliches könne seine Dorte bezeugen, und hätte die schlaue Hexe dieses gleich benutzet, umb das Gericht uneinig zu machen und dadurch mit des Teufels Hülfe ihren Vortheil zu gebrauchen, alldieweil sie fast eine verschmitzte Creatur wäre, wie das Gericht auch bald weiters ersehen würde.

Nunmehro aber faßete ich mir auch ein Herze und stellte für, daß Alles so wahr sei, wie es mein Töchterlein ausgesaget, und ich gestern Abend selbsten vor der Thüren mitangehöret, daß Se. Gestrengen ihr einen Antrag gethan und Narrentheidinge mit ihr zu treiben versucht, item daß er sie schon in Coserow einmal hätte küssen wöllen, item, was Se. Gestrengen mir sonsten für Herzeleid von wegen dem Mistkorn zugefüget.

Aber der Amthaubtmann überschriee mich alsobald und sprach: wenn ich ihne, als einen unschuldigen Mann in der Kirchen von der Kanzel verläumbdet, wie die ganze Gemeinde sein Zeuge wär, würd es mir ein Leichtes sein, solches auch hier für Gericht zu thun, unangesehen ferner, daß kein Vater für sein Kind ein Zeugnüß ablegen könne.

Aber Dn. Consul wurde ganz wie verstöret und schwiege und stützete daraufsein Haupt in tiefen Gedanken auf den Tisch. Hiezwischen fing aber der dreuste Büttel an ihm zwischen den einen Arm durch an seinen Bart zu fingeriren und gläubete Dn. Consul wohl, es wäre eine Fliege, und schlug ohne empor zu schauen, mit der Hand darnach. Als er aber auf den Büttel seine Hand traf, fuhr er in die Höhe und fragete ihn was er wölle? worauf der Kerl zur Antwort gab: O Em kröp da man ehne Luus de ick griepen wollde7.[124]

Solche Dreustigkeit verdroß Se. Edlen also heftig, daß er dem Büttel eine Maultasche stach und ihm bei harter Strafe befohl aus der Thüren zu reisen.

Hierauf wendete er sich an den Amtshaubtmann und schriee für Zorn: was, alle zehn Teufel, wie hält Se. Gestrengen den Büttel in Respeckt? Und überhaupt ist das Allens ein seltsam Ding, woraus ich nicht klug werden kann. – Aber es antwortete der Amtshaubtmann: »nicht also? sollte Er nit klug daraus werden, wenn er an die Aale gedenkt? –

Hierauf wurde Dn. Consul mit eim Mal ganz blaß, also daß er zu zittern begunnte, wie es mir fürkam, und er den Amtshaubtmann abseiten in ein ander Zimmer rief. Habe niemals erfahren können, was solches zu bedeuten gehabt, so er von den Aalen sagte. – –

Hierzwischen saß aber Dominus Camerarius Gebhard Wenzel und käuete eine Feder, und schauete dabei mit viel Grimm bald auf mich, bald auf mein Töchterlein doch ohne ein Wörtlein zu sagen, auch antwortete er dem Scriba nicht, der ihm oft etwas ins Ohr bliese, denn daß er brummete. Endlich kamen die zwo Herren wieder zur Thüren herein, und begunnte Dn. Consul, nachdem er sich mit dem Amtshaubtmann wieder gesetzet, mein arm Kind fast heftig anzufahren, daß sie Ein löblich Gericht zu turbiren versuchet, inmaßen Se. Gestrengen ihme das Hündlein selbsten gezeiget so ihm die Schramme gekratzet, und dieses auch von seiner alten Ausgeberschen bezeuget wurde. (Ja, die wollte ihn auch wohl nicht verrathen, denn die alte Vettel hat es Jahre lang mit ihm gehalten, und auch einen gadlichen8 Jungen von ihm, wie man noch weiters erfahren wird!)

Item sagete er, daß so viel indicia ihrer Uebelthat fürhanden, daß es, unmöglich sei ihr Glauben zu stellen, sie sölle[125] dannenhero Gott die Ehre geben und in allen Stücken aufrichtig bekennen, umb ihre Strafe zu mildern. Möchte alsdann noch, ihrer Jugend halben, mit dem Leben davon kommen etc.

Hierauf setzte er sich die Brille auf die Nase und hube an sie bei vier Stunden zu verhören aus eim Papier, so er in Händen hielte. Und waren solches etwan die Haubtstücke, so wir Bede davon behalten haben

Quaestio9. Ob sie zaubern könne?

Responsio10. Nein, sie wisse von keinem Zauber nicht.

Q. Ob sie denn böten11 könne?

R. Wär ihr ingleichen unbekannt.

Q. Ob sie wohl mal auf den Blocksberg gewest?

R. Der wäre vor sie zu weit, und kenne sie wenig Berge mehr, denn den Streckelberg, wo sie öftermalen gewest.

Q. Was sie denn dorten fürgenommen?

R. Sie hätte zur Sehe überschauet oder sich Blümleins gepflücket, item sich auch wohl eine Schürze dürres Reiswerk gehohlet.

Q. Ob sie dorten wohl den Teufel angerufen?

R. Wäre ihr niemalen in den Sinn gekommen.

Q. Ob der Teufel ihr denn ohne Anrufen dorten erschienen?

R. Davor solle sie Gott bewahren.

Q. Also sie könne nit zaubern?

R. Nein!

Q. Was denn Stoffer Zuter seiner bunten Kuh angekommen, so plötzlich in ihrem Beisein verrecket?

R. Das wisse sie nicht, und wäre das eine seltsame Frag.

Q. Dann wäre es auch wohl eine seltsame Frag, warumb Käthe Berowschen ihr klein Ferkelken verrecket?[126]

R. Allerdings, sie verwundre sich, was man ihr zur Last lege.

Q. Also hätte sie dieses auch nit behexet?

R. Nein, da sei Gott vor.

Q. Warumb sie denn aber der alten Käthen wenn sie unschuldig wär, ein Ferkelken wieder versprochen, wenn ihre Sau werfen würd?

R. Das hätte sie aus gutem Herzen gethan. Hiebei aber hube sie an, fast heftig zu weinen und sagte: sie sehe wohl, daß sie dieses Alles der alten Lise Kolken verdanke, welche ihr oftmalen gedrohet, wenn sie ihr Unbegehren nicht hätte erfüllen wöllen, denn sie verlange Allens, was ihren Augen fürkäme zu eim Geschenk. Selbige wär auch zu den Leuten gangen, als das Vieh im Dorf bezaubert gewest, und hätte ihnen zugeredet, daß, wenn nur eine reine Jungfer dem Vieh ein Paar Haare aus dem Schwanz griffe, es mit selbigem besser werden würde. So habe sie sich denn erbarmet und wäre hingangen, weilen sie sich eine reine Jungfer gefühlet, und hätt es auch etzliche Male geholfen, letzlich aber nicht mehr.

Q. Weme es denn geholfen?

R. Zabels rother Kuh, item Witthanschen ihrem Schwein, auch der alten Lisen ihrer eignen Kuh.

Q. Warumb es denn nachmalen nit mehr geholfen?

R. Das wisse sie nit, vermeine aber, wiewohl sie Niemand nit beschweren wölle, daß die alte Lise Kolkenso lange Jahre im gemeinen Geschrei als Hexe gewest, dieses alles angerichtet und unter ihrem Namen das Vieh bezaubert und auch wieder ungebötet, wie ihr geliebet, blos umb sie in das Elend zu stürzen.

Q. Warumb die alte Lise denn auch ihre eigene Kuh bezaubert, item ihr eigen Ferkelken verrecken lassen, wenn sie den Rumor im Dorf gemacht und wirklich böten könne

R. Das wisse sie nicht; es möchte wohl einer sein, (wobei[127] sie den Amtshaubtmann ansahe) der ihr allens doppelt erstatte.

Q. Sie suche vergebens die Schuld von sich zu wenden, denn ob sie auch nicht dem alten Paasschen, ja ihrem eignen Vater die Saat bezaubert, und durch den Teufel umbstürzen lassen, item die Raupen in ihres Vaters Baumgarten gemacht?

R. Die Frage wäre bald so ungeheuer, denn die That. Da säße ihr Vater, Se. Edlen müge ihne selbsten fragen, ob sie sich jemals als ein ruchlos Kind gegen ihn gezeiget. Hier wollte ich aufstehen und das Wort nehmen, aber Dn. Consul ließ mich nit zu Worte kommen, sondern fuhr fort zu examiniren, weshalben ich verstürzet stille schwieg.

Q. Ob sie denn auch leugne, daß sie daran Schuld gewest, daß die Witthahnsche einen Teufelsspök zur Welt gebracht, so gleich sich aufgenommen und durchs Fenster gefahren, auch nachhero als die Wehemutter nachgesehen, verschwunden gewesen.

R. Jawohl, sie hätte eher denen Leuten Gutes gethan ihr Lebelang, denn ihnen geschadet, und sich oft selbsten in der grausamen Hungersnoth den Bissen vom Munde wegkgezogen, und ihn Andern, insonderheit den kleinen Kindleins abgetheilet. Solches müge ihr auf Befragen die ganze Gemeind bezeugen. Da nun aber die Zauberer und Hexen den Menschen Böses und nicht Gutes thäten, wie unser Herr Jesus Matth. am 12ten lehre, allwo die Pharisäer ihn auch gelästert, daß er durch Beelzebub die Teufel austriebe; so möge Se. Edlen sich abnehmen, ob sie in Wahrheit eine Hexe sein könne.

Q. Er werde ihr die Gotteslästerungen alsbald zeigen; er sähe schondaß sie ein groß Maul hätte, und sölle sie nur antworten, auf was sie gefraget würd. Denn es käme nit darauf an, was sie denen Armen für Gutes gethan, sondern womit solches beschehen. Möchte dahero anzeigen, wie sie benebst ihrem Vater plötzlich zu solchem Reichthumb gelanget,[128] daß sie in seidinen Kleidern einherstolzire, da sie vorhero doch ganz arm gewest?

Hiebei schauete sie auf mich und sprach: Vater soll ichs sagen? worauf ich antwortete: ja mein Töchterlein, jetzunder mußt du alles fein aufrichtig sagen, wenn wir dadurch auch wieder blutarme Leut würden. Sie bezeugete also wie sie zuerst in unserer großen Noth den Birnstein gefunden, und was für ein Gewinn uns daraus herfürgegangen durch die beiden holländischen Kaufleut.

Q. Wie diese Kaufleut geheißen?

R. Dieterich von Pehnen und Jakob Kiekebusch, wären aber, wie wir durch einen Schiffer in Erfahrung gezogen in Stettin an der Pest verstorben.

Q. Warumb wir solchen Fund verschwiegen?

R. Aus Furcht für unserm Feind, dem Amtshaubtmann, so dem Anschein nach uns zum Hungerstode verdammet, indeme er der Gemeind verboten, uns nichts mehr bei harter Pön zu verabreichen, und wölle er ihr schon einen bessern Priester zuweisen.

Hierauf sahe Dn. Consul wieder den Amtshaubtmann scharf ins Angesicht, welcher zur Antwort gab: daß er solches in alleweg gesaget, angesehen der Priester ihn fast abscheulich abgekanzelt, daß er aber auch gar wohl gewußt, es sei noch weit mit ihm vom Hungerstod.

Q. Woher so viel Birnstein in den Streckelberg käm? Sie sölle nur gestehn, daß ihr der Teufel solchen zugetragen.

R. Davon wisse sie nichts. Doch hätte es alldorten eine große Ader von Birnstein, wie sie männiglich noch heute zeigen könnte, und hätte sie ihn daraus gebrochen, das Loch aber wieder mit tännin Zweigen wohl verwahret, daß man es nit finden müge.

Q. Wann sie in den Berg gangen wäre, des Tags oder des Nachts?

Hierauf verfärbete sie sich und hielt einen Augenblick[129] inne, gab aber alsobald zur Antwort: daß solches bald des Tages bald in der Nacht beschehen sei.

Q. Warumb sie stöttere, sie sölle nur frei bekennen, daß ihre Straf geringer würd. Ob sie nit den alten Seden dorten dem Satan übergeben, daß er ihn durch die Luft geführet, und nur sein Hirn und Haare noch zum Theil oben in der Eichen geklebet?

R. Sie wisse nit, ob es sein Haar und Hirn gewest, auch nit, wie es dorten hinkommen. Weilen ein Grünspecht eines Morgens so jämmerlich geschrieen, wäre sie an den Baum getreten; item, der alte Paasch, so das Geschrei auch gehöret, wäre ihr alsobald gefolget mit seiner Holzaxt.

Q. Ob der Grünspecht nicht der Teufel gewesen, so den alten Seden selber gehohlet?

R. Das wisse sie nicht. Er müsse aber schon lange todt gewest sein, dieweil das Hirn und Blut so der Junge vom Baum gehohlet, schon betrucknet gewesen.

Q. Wie und wann er denn zu Tode kommen?

R. Das wisse der allmächtige Gott. Es hätte wohl Zutern sein klein Mädchen ausgesaget, daß sie eins Tages als sie Nessel vor das Vieh an Seden seinem Zaun gepflücket, vernommen, daß der Kerl sein gluderäugigt Weib bedräuet: er wölle es dem Priester sagen, daß sie, wie er nunmehro gewißlich in Erfahrung gezogen, einen Geist habe, worauf der Kerl auch alsbald verschwunden sei. Doch wären solches Kinderreden, und wölle sie Niemand nit damit beschweren.

Hierauf sahe abermalen Dn. Consul dem Haubtmann steif ins Angesicht, und sagte: die alte Lise Kolken müsse noch heute eingehohlet werden, worauf aber der Haubtmann keine Antwort gab, und er fortfuhre:

Q. Sie verbleibe also dabei, daß sie Nichtes vom Teufel wisse?

R. Dabei verbliebe sie und werde sie verbleiben bis an ihr selig Ende.[130]

Q. Und doch hätte sie sich, wie Zeugen gesehen, von ihm an hellem Tage in der Sehe umbtaufen lassen. Hier verfärbete sie sich aber eins und hielt ein wenig inne.

Q. Warumb sie sich wiederumb verfärbe? sie sölle doch umb Gottes willen an ihre Seligkeit gedenken und die Wahrheit bekennen.

R. Sie hätte sich in der Sehe gebadet, angesehen der Tag sehr heiß gewesen, das sei die reine Wahrheit.

Q. Welche keusche Jungfer sich wohl in der Sehe bade? du leugst oder wiltu etwan auch leugnen, daß du den alten Paassch sein klein Mägdlein durch einen Stuten behext?

R. Ach wohl, ach wohl! Sie liebte das Kindlein wie ihr eigen Schwesterken, hätte sie nit blos mit allen andern umbsonst informiret, besondern auch in der großen Hungersnoth sich den Bissen oftmalen aus dem Munde gezogen und ihr denselben eingestecket. Wie sie darumb ihr solch Leid hätte zufügen mügen?

Q. Wiltu noch immer leugnen? Ehre Abraham wie verstockt ist sein Kind! – Schaue denn her, ist das keine Hexensalbe12 so der Büttel diese Nacht aus deinem Koffer gehohlet? Ist das keine Hexensalbe, he?

R. Wäre nur eine Salbe vor die Haut, so darnach fein weiß und weich werden sölle, wie der Apotheker in Wolgast ihr gesaget, bei dem sie solche gekaufet.

Q. Hierauf fuhr er kopfschüttelnd fort: Was? Wiltu denn auch endlich noch leugnen, daß du diesen verschienen Sonnabend den 10ten July, Nachts umb 12 Uhrenden Teufel deinen Buhlen auf dem Streckelberg mit gräulichen Worten angerufen, er dir darauf als ein großer und haarigter Riese erschienen und dich umbhalset hab, und geherzet?

Bei diesen Worten wurd sie blasser denn ein Leich, und[131] fing an also heftig zu wanken, daß sie sich an einen Stuhl halten mußte. Als ich elender Mensch, der ich wohl vor sie mich in den Tod geschworen, solches sah und hörete, vergingen mir die Sinnen, also daß ich von der Bank stürzete und Dn. Consul den Büttel wieder hereinrufen mußte, umb mir aufzuhelfen.

Als ich mich in etwas wieder vermündert13 und der dreuste Kerl unsere gemeine Verstürzung sahe, schrie er greinende das Gericht an: Ist't rut, ist't rut, hett se gebichtet14? worauf Dn. Consul ihme abermals die Thüre wies mit vielen Scheltworten, wie man sich selbsten abnehmen kann, und will dieser Bub genug dem Amtshaubtmann immer die Vetteln zugeführet haben, wie es heißt, denn sonsten achte ich, wär er nicht so dreust gewesen.

Summa: ich wäre fast umbkommen in meim Elend, wenn ich nicht das Röslein gehabt, so mit des barmherzigen Gotts Hülf mich wacker hielt, als nunmehro das ganze Gericht aufsprange, und mein hinfällig Kind bei dem lebendigen Gott und ihrer Seelen Seligkeit beschwore, nit ferner zu leugnen, sondern sich über sich selbsten, wie über ihren Vater zu erbarmen, und die Wahrheit zu bekennen.

Hierauf thät sie einen großen Seufzer, und so blaß sie gewesen, so roth wurde sie, inmaßen selbsten ihre Hand auf dem Stuhl wie ein Scharlaken anzusehen war, und sie die Augen nit von dem Boden hube.

R. Sie wölle auch jetzunder die reine Wahrheit bekennen, da sie wohl sähe, daß böse Leute sie des Nachts beschlichen. Sie hätte Birnstein vom Berge gehohlt, und bei der Arbeit nach ihrer Weiß, und umb sich das Grauen zu vertreiben, das lateinische Carmen gerecitiret, so ihr Vater auf den durchlauchtigsten König Gustavum Adolphum gesetzet, als der junge Rüdiger von Nienkerken der oftermalen[132] in ihres Vaters Haus gekommen und ihr von Liebe vorgesaget, aus dem Busch getreten wäre, und da sie für Furcht aufgeschrieen, sie auf lateinisch angeredet und in seinen Arm genommen. Selbiger hätte einen großen Wulfspelz angehabt, damit die Leute ihn nit erkennen möchten, so sie ihme etwan begegneten und es seinem Herrn Vater wieder verzählen, daß er des Nachts auf dem Berg gewest.

Auf solch ihr Bekenntnüß wollte ich schier verzweiflen und schriee für Zorn: o du gottlos ungehorsamb Kind, also hastu doch einen Buhlen? Habe ich dir nicht verbotten des Nachts auf den Berg zu steigen? was hastu des Nachts auf den Berg zu thun? und hub an also zu klagen und zu winseln und meine Hände zu ringen, daß es Dn. Consulem selbsten erbarmete, und er näher trat, umb mir Trost einzusprechen. Hierzwischen aber trat sie auch selbsten heran und hub an mit vielen Thränen sich zu vertheidigen: daß sie wider mein Verbot des Nachts auf den Berg gestiegen, umb so viel Birnstein zu gewinnen, daß sie mir heimblich zu meinem Geburtstag die Opera Sancti Augustini so der Cantor in Wolgast verkaufen wölle anschaffen müge. Und könne sie nicht davor, daß der Junker ihr eines Nachts aufgelauert, doch schwöre sie mir bei dem lebendigen Gott, daß dorten nichts Ungebührliches fürgefallen, und sie annoch eine reine Jungfer sei.

Und hiemit wurde nunmehro das erste Verhör beschlossen denn nachdem Dn. Consul denen Schöppen etwas ins Ohr gemürmelt, rief er den Büttel wieder herein, und befahle ihm: auf Ream ein gut Augenmerk zu haben, item sie nunmehro nit mehr los im Gefängnüß zu belassen sondern anzuschließen. Solches Wort stach mir abermals durch mein Herze, und beschwur ich Se. Edlen angesehen meines Standes und meiner altadlichen Abkunft, mir nicht solchen Schimpf anzuthun und mein Töchterlein schließen zu lassen. Ich wölle mich vor Eim achtbaren Gericht[133] mit meinem Kopf verbürgen daß sie nit entrinnen würde worauf Dn. Consul, nachdem er hinausgangen und sich die Gefängnüß angesehen, mir auch willfährig war, und dem Büttel befahl es mit ihr zu lassen, wie zeithero.

1

oder Usedom, ein Städtchen, von dem die ganze Insel den Namen führt.

2

d.i. erster Bürgermeister.

3

Protokollführer.

4

d.i. dominus Consul oder der Herr Bürgermeister.

5

Die Verklagte.

6

Dies lächerliche Verfahren schlug man in der Regel bei dem ersten Verhör einer Hexe ein, weil man in dem Wahne stand, sie bezaubere sonst von vorne herein die Richter mit ihren Blicken. Hier wäre der Fall nun allerdings gedenkbar gewesen.

7

O ihm kroch da nur eine Laus, die ich greifen wollte.

8

Plattdeutsch für: halberwachsen.

9

Frage

10

Antwort

11

entzaubern.

12

Man glaubte, der Teufel gäbe den Hexen eine Salbe, um sich durch deren Gebrauch unsichtbar zu machen, in Thiere zu verwandeln, durch die Luft zu fahren u.s.w.

13

plattdeutsch: d.i. ermuntert.

14

Ists heraus, ists heraus, hat sie gebeichtet?

Quelle:
Wilhelm Meinhold: Maria Schweidler. Die Bernsteinhexe. Frankfurt am Main 11978, S. 119-135.
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