Einleitung.

Die Abkunft unsers Biographen kann bei dem verloren gegangenen Anfange seiner Schrift nicht mehr mit Genauigkeit bestimmt werden. Er scheint jedoch jedenfalls kein Pommeraner gewesen zu sein, denn einmal spricht er von Schlesien, wo er in seiner Jugend sich befunden; nennt sodann weit zerstreute Verwandte, nicht blos in Hamburg und Cöln sondern sogar in Antwerpen und verräth vor allen Dingen durch seine süddeutsche Sprache seine auswärtige Abkunft. Hieher rechne ich besonders Ausdrücke als: eim für einem, und die eigne Derivation mancher Adjective z.B. tänein von Tanne, seidin von Seide, eine Sprechweise, die, so viel ich weiß, niemals in Pommern, wohl aber in Schwaben vorgekommen ist. Doch mußte er bei Abfassung seiner Schrift schon lange Zeit in Pommern gelebt haben, weil er fast noch häufiger plattdeutsche Ausdrücke einmischt, ganz wie dies eingeborne Pommersche Schriftsteller der damaligen Zeit auch wohl zu thun pflegen.

Da er von altadlicher Herkunft ist, wie er bei verschiedenen Gelegenheiten sagt; so möchte man vielleicht in den Adelsregistern des siebzehnten Jahrhunderts etwas Näheres über das Geschlecht der Schweidler finden, und mithin auch über sein wahrscheinliches Vaterland; allein ich habe mich vergebens in den mir zugänglichen Quellen nach jenem Namen umgesehen, und möchte daher vermuthen, daß unser Autor, wie dies so häufig geschah, bei seinem Uebergange zur Theologie, seinen Adel mit Abänderung seines Namens ablegte.

Genug ich will hier nicht weitere Hypothesen wagen. Unser Manuscript, in welchem die ansehnliche Zahl von sechs Kapiteln fehlt, und welches auf den nächst vorhergegangenen Blättern unstreitig sich über den Ausbruch[15] des dreißigjährigen Krieges auf der Insel Usedom verbreitet hat, beginnt mit den Worten: »Kaiserliche gehauset« und fährt dann fort wie folgt:

– – Koffer, Truhen, Schränke waren allesammt erbrochen und zuschlagen, auch mein Priesterhemd zurissen, so daß in großen Aengsten und Nöthen stände. Doch hatten sie mein armes Töchterlein nit gefunden, maßen ich sie in einem Stall, wo es dunkel war, verborgen, denn sonst sorge ich, hätten sie mir noch mehr Herzeleid bereitet. Wollten die räudigen Hunde doch schon meine alte Ilse ein Mensch bei schier 50 Jahren angehen, hätte es ihnen ein alter Kornett nicht gewegert. Dankete dahero meinem Schöpfer, als die wilden Gäste wegkwaren, daß ich allermeist mein armes Kind vor ihren Klauen geborgen, wiewohl kein Stäublein Mehl, kein Körnlein Getreide noch ein Stücklein Fleisch bei eines Fingers Länge mehr fürhanden, und ich nit wußte wie ich mein und meines armen Kindes Leben weiter fristen söllte. Item dankete Gott, daß ich noch die vasa sacra geborgen, welche ich gleich mit den beiden Türstehern als, Hinrich Seden und Claus Bulken von Uekeritze in der Kirchen vor dem Altar vergrübe, Gott die Obhut empfehlend. Weil nun aber, wie bemeldet, ich bittern Hunger litte, so schrieb an Se. Gestrengen den Herrn Amtshauptmann Wittich von Appelmann auf Pudgla1 daß er umb Gotts und seines heiligen Evangeliums willen in sollich schwerer Noth und Trübsal mir zukommen ließe, was Se. Fürstliche Gnaden, Philippus Julius mir an Praestandis vom Kloster zu Pudgla beigeleget, als nämlich 30 Schffl. Gerste und 25 Mark Silbers, welche Sr. Gestrengen mir aber bis nunmehro gewegert. (Denn er war ein fast hart und unmenschlicher Mann sintemalen er das heilige Evangelium und die Predigt verachtete, auch öffentlich und sonder Scheue seinen Spott über die Diener Gottes[16] hatte, nämblich, daß sie unnütze Brodtfresser wären, und Lutherus den Schweinestall der Kirchen nur halb gesäubert. Gott bessers! –) Aber er antwortete mir nit, und ich wäre schier verschmachtet, wenn Hinrich Seden nicht für mich im Kapsel2 gebetet. Gott lohn's dem ehrlichen Kerl in der Ewigkeit! Er wurde dazumalen auch schon alt und hatte viel Plage von seinem bösen Weibe, Lise Kollken. Dachte gleich, daß es nit sonderlich gehen würd, als ich sie traute; angesehen sie im gemeinen Geschrei war, daß sie lange mit Wittich Appelmann in Unzucht gelebet, welcher von jeher ein rechter Erzschalk und auch absonderlich ein hitziger – – – Jäger gewest, denn so etwas gesegnet der Herre nicht. Selbiger Seden nun brachte mir 5 Brodte, 2 Würste und eine Gans, so die alte Paalsche in Loddin ihm verehret, item eine Seite Speck von Hans Tewert dem Bauern. Müchte ihn aber vor seiner Frauen schützen, welche die Hälfte hätte vor ihr behalten wollen, und da er sich gewegert, hätte sie ihn vermaledeiet und die Kopfgicht angewünscht, so daß er gleich ein Ziehen in der rechten Wangen verspüret, welches jetzunder fast hart und schwer geworden. Für solcher erschröcklichen Nachricht entsetzte ich mich, wie einem guten Seelenhirten geziemet, fragende: ob er vielleicht gläubete, daß sie in bösem Verkehr mit dem leidigen Satan stünde, und hexen könnte? Aber er schwiege und zuckete mit den Achseln. Ließ mir also die alte Lise rufen welche ein lang, dürr Mensch, bei 60 Jahren war, mit Gluderaugen, so daß sie Niemand nit gerade ins Antlitz schauete, item mit eitel rothen Haaren wie sie ihr Kerl auch hatte. Aber obwol ich sie fleißig auf Gotts Wort vermahnete gab sie doch keine Stimme, und als ich endlich sagete: Willtu deinen Kerl wieder umböten3 (denn ich sahe ihn auf der Straßen vor das Fenster, allbereits als einen Unsinnigen rasen) oder[17] willtu, daß ich's der Obrigkeit anzeige, gab sie endlich nach und verspräche, daß es bald sölle besser mit ihm werden; (was auch geschach) item bat sie, daß ich ihr wölle etwas Speck und Brod verehren, dieweil sie auch seit dreien Tagen kein ander Fleisch und Nahrung mehr zwischen den Zähnen gehabt, denn ihre Zunge. Gab ihr mein Töchterlein also ein halb Brod, und ein Stück Speck bei zweer Händen Länge, was ihr aber nicht genugsam bedünkete, sondern mummelte zwischen den Zähnen, worauf mein Töchterlein sagte: bistu nicht zufrieden, alter Hexensack, so packe dich und hilf erst deinem Kerl, schaue wie er das Haubt auf Zabels Zaun geleget und mit den Füßen vor Wehetage trampelt, worauf sie ginge, doch abermals zwischen den Zähnen mummelnde: »Ja, ich will ihm helfen und dir auch!«

1

Schloß auf Usedom, früher ein berühmtes Kloster

2

Allmosen in der Gemeinde eingesammelt.

3

umzaubern.

Quelle:
Wilhelm Meinhold: Maria Schweidler. Die Bernsteinhexe. Frankfurt am Main 11978, S. 13,19.
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