31. Am Sontage Jubilate

[224] 1. Petr. 2.


Auff den 45. Psalm

Mein Hertz will ein schön Gedichte.


Wir sind allhier nur Bilger auff der Erden,

Drumb solln wir auch also erfunden werden,

Wie Frembde thun, die sich der Ehrbarkeit

Für aller Welt befleissen jederzeit.[224]

Deß Fleisches Lust, die unsrer Seelen Gaben,

Das werthe Pfand, das wir empfangen haben

Von oben her, durch ihren bösen Schein

In Irrthumb bringt, soll ferren von uns seyn.


Führt ehrbars Thun und Wandel für den Heyden,

Das keiner nicht die Augen könne weiden

An eurer That, bringt Gutes an den Tag,

Daß jederman Gott in euch sehen mag.

Ihr sollt und must umb eures Hertzen willen,

Was Obrigkeit verordnet, recht erfüllen,

Sie sey auch hoch und nidrig, wie sie will;

Hierauß ersiht man eures Lebens Ziel.


Gott will und heist, ihr solt mit guten Sachen,

Der Narren Maul zu Spott und Schanden machen,

Als Gottes Volck. Ihr seyd ja freylich frey,

Doch daß die Macht kein Schandendeckel sey.

Die Brüder liebt, die Menschen sämptlich ehret

Und förchtet Gott, deß Königs Willen höret.

Seyd diesem auch, der bös' ist, unterthan

Und nicht nur dem, der nichts als gut sein kan.


Dann diß liebt Gott, wann einer übel träget,

Das irrgend wird zu Unrecht auffgeleget.

Es ist kein Lob, wer Streich erlitten hat,

Die er verdient durch seine Missethat.

Im Fall ihr wolt was Löblichs von euch sagen,

So rühmet euch ihr könnet Böses tragen

Für Gutesthun; diß Werck ist auff der Welt,

Das Gott erheischt und das ihm wolgefällt.

Quelle:
Martin Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, Berlin und Stuttgart [1889], S. 224-225.
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