52. Am 15. Sontag nach Trinitatis

[236] Galat. 6.


Auff den 23. Psalm

Mein Hüter und mein Hirt ist Gott der Herre.


Weil unser Gott den Geist uns hat gegeben,

So soll er auch erscheinen auß dem Leben;

Ihr müsset fliehn den Geitz der schnöden Ehren,

Mit Zorn und Haß einander nicht versehren.
[236]

Wann jemand irrt und gar schnurrecht nicht handelt,

So lehret ihn, ihr, die ihr geistlich wandelt.

Seht auff euch selbst, helfft frembde Last ertragen,

Und seyt nicht stoltz, wann ihr wolt Gott behagen.


Wann jemand sich für andern auff der Erden

Was düncken läßt, der wird betrogen werden;

Er prüffe sich, was an ihm sey zu finden,

Ein jeder hat genug an seinen Sünden.


Schaut, daß ihr dem, der Gottes Wort euch lehret,

Viel Gutes thut, ihn fördert, liebt und ehret.

Gott schertzet nicht; ein jeglicher empfähet

Zur Erndtezeit das, was er außgesäet.


Wer säet auffs Fleisch, der erndtet das Verderben,

Wer auff den Geist, der wird das Leben erben.

Dieweil uns dann gar reichlich ein wird kommen,

Wie sämptlich wir es haben fürgenommen,


So seyt an jetzt zu helffen unverdrossen,

Zwar jederman, doch mehr den Mitgenossen,

Und säet so deß Geistes edle Gaben,

Daß ihr hernach mögt ewig Erndte haben.

Quelle:
Martin Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, Berlin und Stuttgart [1889], S. 236-237.
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