Schäfferey von der Nimfen Hercinie

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Es lieget disseits dem Sudetischen Gefilde, welches Böhaimb von Schlesien trennet, unter dem anmuthigen Riesenberge ein Thal, dessen weitschweiffiger Umbkreiß einem halben Circkel gleichet und mit vielen hohen Warten, schönen Bächen, Dörffern, Maierhöfen und Schäffereyen erfüllet ist. Du köndtest es einen Wohnplatz aller Freuden, eine fröliche Einsamkeit, ein Lusthauß der Nimfen unnd Feldtgötter, ein Meisterstücke der Natur nennen. Daselbst befandt ich mich, nach dem ich die Zeit zu vertreiben und meinen Gedancken desto freyer nach zu hengen, vor zweyen Tagen von einem andern Orte, welcher eben mit diesem Gebirge gräntzet unnd deß außgestandenen Uebels wegen bey itzo schwebenden jämmerlichen Kriegen nicht unbekandt ist, entwiechen war.
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Der Monde machte gleich mehr Stunden zu den Träumen,

Der Stock stundt ohne Wein, das Obst war von den Bäumen,

Der strenge Nortwindt nam den Püschen ihre Zier

Und auff die Wage tratt der Scorpion herfür.


Mit einem Worte: Es war zu Ende deß Weinmonats, als die Hirten im Felde ein Feuer zu machen, und der Ackersmann, welcher nun über Winter außgeseet, seinen Rock herfür zu suchen begundte. Ich war vorige Nacht auß Müdigkeit beydes von Sorgen und dem Wege so hart entschlaffen, daß ich nicht erwachte, biß die Mutter der Gestirn, die Nacht verruckt war und die schöne Morgenröthe anfieng sich und zugleich alles mit ihr zu zeigen.

Und kanstu dennoch, fieng ich wieder mich selbst an, der massen auff gutes Vertrauen ruhen, nach dem du zu gehorsamben dem jenigen, dem du nicht ein geringes Theil deiner Wolfahrt zu dancken hast, der dich singen lest, was du wilt, von derselben gewiechen bist, ohn welche dich keine Fröligkeit ergetzte und mit welcher dich kein Unfall betrübete? Oder schläffest du darumb, damit sie dir, weil du ihrer Gegenwart nicht geniesen kanst, zum minsten durch die Wolthaten eines Traumes könne gezeiget werden? Unter dieser Rede sprang ich auff unnd grüssete die lieblichen Stralen der Sonnen, welche von den Spitzen der Berge herab blincketen und mich gleichsamb zu trösten schienen, worüber ich dann in Meynung, mir selber ein Hertze zu machen, auff diese Worte geriethe:


Weil mein Verhengniß wil unnd lest mir nicht das Glücke

Bey dir, mein Augen-Trost, zu leben nur allein,

So giebet zwar mein Sinn sich mit Gedult darein,

Doch sehnt und wündtschet er auch stündlich sich zurücke.


Es ist ja lauter nichts, wo diese schöne Blicke,

Diß Liecht, das mich verblend, deß güldenen Haares Schein,

Das mein Gemüthe bindt, diß Lachen nicht kan seyn,

Der Mund und alles das, wormit ich mich erquicke.


Die Sonne macht mir kalt, der Tag verfinstert mich,

Ich geh' und weiß nicht wie, ich geh' und suche dich,

Wohin du nie gedenckest. Was macht mein treues Lieben?


Ich seh' und finde nichts; der Mangel deiner Zier

Hat alles weggeraubt; zwey Dinge sind noch hier:

Das Elend nur und ich, der ich darein vertrieben.


Aber, sagte ich weiter, was beschuldige ich mein Verhengniß? Fliehe ich nicht auß eigener Mahl für ihr und für mir selbst? Woferrn du mir meine Augen, so durch die deinigen geraubet sind, wiedergiebest, verhoffe[108] ich, mein Liecht, dich zu sehen, ehe noch das Auge der Welt, die Sonne, in das herzurückende Jahr sehen wird. Was für ein Verhengniß aber wil ich kurtz hernach anklagen? Was für eine Hülle werde ich finden zu Bedeckung dessen Verbrechens, daß ich mein Vatterland mit so weit entlegenen Provintzen vertauschen, die Meinigen sampt dem grösseren Theile meines Hertzens hinter lassen und mich in ein freywilliges Elendt verjagen wil? Es ist eine böse Gewohnheit, daß wir Menschen gemeiniglich auff das Glück schelten, welches wir uns doch auff dem eigenen Amboß unserer Boßheit geschmiedet haben, oder wollen die Zeit für Gerichte laden, die, wann sie je etwas Böses begehen kan, nichts Aergers thut, als daß sie sich uns so reichlich unnd milte verleihet. Armer Schäffer! Wiltu lieben, warumb bleibst du nicht, wo du wirst geliebet? Oder gedenckest du der Liebe zu entfliehen, so entfleug erstlich deiner eigenen Person und laß das Gemüthe zu lieben daheime, wo du anders nicht einen Krancken mit dir führen und seine Siechheit durch die Bewegung mehr erwecken wilt. Soll dir je die Freyheit, welche dir von Kindtheit an gefallen, zu theile werden, so sey nicht allein anderswo, sondern auch anders, und segele mit gebundenen Augen und verstopfften Ohren zu der Gedult, dem Hafen deß Kummers, welche dich sampt ihrer Mutter, der Zeit, in gewünschte Sicherheit setzen kan.

Mit solchen und dergleichen Gedancken schlug ich mich eine lange Weile, biß ich in dem hin unnd wie der Gehen nahe bey einem klaren Quelle, das mit anmuthigem Rauschen und Murmeln von einer Klippen herab fiel, zu einer glatten unnd hohen Tannen kam, die mir dann bequem zu seyn schiene, ein Gedächtnuß meiner Sorgen zu verwahren. Schnitte ich also auff ihre Rinde nachfolgendes:


Sonnet

Es ist gewagt; ich bin doch gantz entschlossen,

Jetzt noch ein mal zu lassen unser Landt

Und hin zu ziehn, wo auch ist Mordt und Brandt,

Wo auch das Feldt mit Blute wird begossen.


Es ist gewagt; heist aber diß genossen

Der Liebe Frucht? Ist das das feste Bandt

Der waren Gunst? Schläfft deine treue Handt?

Ist deiner Lust Gedächtniß gantz verflossen?


Wo bleibt der Mund, die Augen, dieses Haar

Und was sonst mehr dein Trost und Kummer war?

Was thu ich dann? Ich bin selbselbst verlohren,


Verlier ich sie; verbleib' ich dann allhier,

So ist doch nichts als Wanckelmuth an mir:

Ich habe recht den Wolff jetzt bey den Ohren.
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Ich schnitzte noch über dem letzten Worte, als mir ein liebliches Gethöne unterschiedener Querpfeiffen und wolklingender Music zu Ohren kam. Wiewohl ich mich nun besorgete, daß durch solche Ankunfft anderer mir eine Einsambkeit, bey der ich mir jetziger Beschaffenheit nach ließ übel seyn, möchte abgestrickt werden; so zwang mich doch die Begier, die jenigen zu erkennen, welche der Einstimmung wegen entweder der Musen Söhne, oder auch die Musen selbst zu sein schienen, daß ich ihrer, weil sie sonderlich auff mich zu giengen, erwartete. Wie ein plötzliches und grosses Liecht die Augen für seinem Schimmern nicht sehen lest, also blendete und verwirrete mir die unverhoffte doch gewündschte Gegenwart der berhümbten Hirten und meiner vor diesem liebsten Mitgesellen, Nüßlers, Buchners und Venators, Hertz und Sinnen. Seyd ihr es, sagte ich, oder muß auch euer Schatten mein fast erliegendes Gemüthe auff zu richten an diesen Orth kommen, dahin ich nicht allein von allen Menschen, sondern auch von allen Geschäfften entwiechen bin? Ja, wir sind es, hub Venator an, und ich für meine Person, habe endlich zu Wercke gerichtet, was ich dir lengst gedreuet; auch unserem Buchner, wiewol er kümmerlich einen gefunden, dem er seine Herde indessen vertrauen können, dennoch Anlaß gegeben, dich und deiner Nüßler, der sich dir zu Gefallen auch mit uns hieherwerts erhaben hat, heim zu suchen.

Hierüber empfingen wir einander sämptlich. Und du Bruder, fieng ich wieder Buchnern an, bist mir ein angenehmer Gast in diesen Orten. Ich zweiffle nicht, sagte er; aber du mir ein flüchtiger Wirth. Jetzt habe ich erfahren, daß derjenige niergendt sey, der allenthalben ist. Es hat seinen Ort, sagte Nüßler, daß du dem, der es so wol mit dir meinet, Folge zu leisten, von den grünen Wiesen und fruchtbaren Feldern unserer Hauptstadt dahin gewiechen bist, wo wir dich ehegestern gesucht und von dannen wir dich außzuforschen hieherwerts gegangen sind. Welche Nothwendigkeit aber leget dir auff, die Zeit dermassen absonderlich zu verschleissen unnd in solcher Einsambkeit herumb zu wandern? Du weisest wohl, gab ich zur Antwort, daß ein Mensch, der Gedancken hat, niemals weniger allein ist, als wann er allein ist. Unnd was sindt es für Gedancken? sprach Venator; solten sie wohl an jener Tannen stehen? (dann sie hatten mir von ferren zugesehen.) Wie gern ich sie auff was anders leiten wollen, traten sie dennoch hinan und lasen. Zwey wiederwertige Dinge, sagte eben er, Venator, Lieben unnd Reisen. Ich habe freylich gehöret, daß du deinem Vatterlandt auff etliche Monat gute Nacht geben unnd im Königreiche, darauß ich neulich abgereiset bin, die Zier der Städte, die Schule der Leutseligkeit, die Mutter der guten Sitten bey der Insul der Seyne begrüßen wilt. Es wird dich aber der strenge Dienst, in dem du dich befindest, nicht weit kommen lassen. Der jenige, gab ich zur Antwort, dem ich getreulich auff zu warten verbunden bin, ist so gar mit[110] mir zufrieden, daß er mir nicht allein diesen Spatzierweg zu erlauben, sondern auch allen Vorschub zu thun auß gewöhnlicher Leutseligkeit unnd Liebe gegen mir verheissen hat. Hieran ist kein Zweiffel, sagte er; wann ich aber dem Baum gegenüber glauben soll, so steckest du in einer solchen Dienstbarkeit, welche dir dem Bedüncken nach so angenehm ist, daß du ihr deine Freyheit, wie hoch du sie, und billich, von Jugend an gehalten hast, willich auffopfferst. Ich lachte, und, die Warheit zu bekennen, gab ich zur Antwort, du kömpst fast auff die Meynung meines nechsten Liedes. Ey, laß es uns doch auch hören, sprach er; gesellt uns der Innhalt nicht, so ergetzen uns doch die Worte. Vieleicht auch diese schwerlich, sagte ich, dann sie nicht wenig von der Einfalt an sich haben, welche sie loben. So ist es jetzund nicht Zeit zu singen, weil uns Gott und das geneigte Glück erst zusammen fügen. Doch dein weiteres Gutachten herauß zu locken, soll mich die Mühe nicht reuen. Sang ich derowegen, so gut ich es gelernet, folgender massen.


Ist mein Hertze gleich verliebet

In ein schlechtes Mägdelein,

Die mich tröstet und betrübet,

Soll ich darumb unrecht seyn?

Liebste, deiner Schönheit Liecht

Mindert sich durch Einfalt nicht.


Was das Glücke dir nicht schencket,

Das verdient doch deine Zier,

Und worauff mein Hertze dencket,

Solches hast du gantz bey dir;

Was mein Hertze denckt, hast du

Und das Hertze selbst dazu.


Ein bestendiges Gemüte,

Das auß keiner Furchte weicht,

Sucht ihm gleichfals ein Geblüte,

Eine Seele, die ihm gleicht,

Sieht für allen Dingen an

Treu, auff die es bauen kan.


Niemand wird mir Unrecht geben;

Hohe Brunst bringt Furcht und Neidt;

Deiner Liebe Frucht, mein Leben,

Ist begabt mit Sicherheit,

Die ich einig mir erkiest

Und mein reiches Armut ist,
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Dich mit Ruh besitzen können,

Ist mein Trost und gantze Lust;

Bleib auff deinen treuen Sinnen,

Liebste, wie du jetzund thust;

Meine Freyheit soll allein

Deiner Liebe dienstbar seyn.


Der Liebe dienstbar sein, hub Venator an, heisset die Liebe zum Herren haben; dann welcher dienet, muß einen Herren haben, dem er dienet. Ist ihm nicht also? Ja, sagte ich. Ein Herr, redte er weiter, ist der jenige, der daß, was er wil, oder nicht wil, zu thun oder zu lassen Macht hat. Wirdt dich nun die Liebe zu halten begehren, die mehr einem Tyrannen als einem Herren ähnlich siehet, weil sie nicht allein den Leib, sondern auch das freye Theil deß Menschen, daß Gemüte, zum Sclaven macht, so schaue du, wie es umb deinen Vorsatz stehen wird. Gehe aber in dich unnd bedencke, ob du mehr Ursache hast, diesem unbarmhertzigen Herren zu dienen, oder mehr Vermögen, ihn selbst dienstbar zu machen. Wann die Liebe dergleichen Beschaffenheit an sich hette, wie wir uns einbilden, und nicht unter ihrem scheinbaren Glantze ein greifflicher Betrug steckte, so köndten wir sie für einen Regenten passiren lassen; angesehen, daß sie über alle Furcht und Nothwendigkeit sitzen und ihre Freyheit unbeleidigt wissen wil. Sie verwundert sich über kein Reichthumb, sie förchtet keinen König, scheuet kein Gerichte und pfleget keinen Todt zu fliehen. Sie lest sich durch kein Feuer, kein Wasser, keinen Degen, kein Thier noch Menschen, keine Hoffnung deß Glückes noch Verlust der Wohlfahrt von ihrem Vorsatze bringen. Was andere meyden, das verachtet sie, und was anderen schwer fürkompt, das macht sie ihr leichte. Sie schwimmet durch die Tieffe der Flüße, segelt im Ungewitter unnd klettert über alle Berge. Sie hat alles in ihrer Gewalt und macht ihr alle Gewalt unterwürffig. Ein herrliches Wesen, wann diß alles auß einem Muthe der Tugend, unnd nicht auß Verwegenheit, offtmals auch auß Verzweiffelung, herrührete; wann ihre Endtursache mit den Umbständen überein stimmete, ja wann sie nicht eben die jenige were, darüber so viel Hirtengedichte schreyen, welche auff allen Schauplätzen gezeiget unnd in allen Fabeln verklaget wird, voll Wütens, voll Ungedult, voll Weinens und Jammers ist. Wordurch wird sie dann darzu verursacht? Durch die Schönheit, wirst du sagen. Wol, es ist natürlich, daß ein Mensch sich an natürlichen Sachen erlustige. Ich zweiffele aber sehr, ob es mit einer solchen Schönheit, die von denen, welche mit der rechten Schönheit unbekandt sind, dermassen gepriesen wirdt, nicht eben bewant sey wie mit den egyptischen Tempeln vorzeiten, die zwar an sich selber kostbar unnd prächtig erbaut gewesen; hettest du aber einen Gott darinnen gesucht, so würdest du an statt seiner etwann einen Bock, einen Affen oder eine Katze gefunden haben. Wilt du sehen, was Schönheit ist, so must du[112] die Augen der Vernunfft zu Rathe nehmen und ihr die unbändige Begier der Liebe, wie das Pferdt dem Zaume, den Bogen dem Schützen, das Schiff dem Steuerruder, das Werckzeug endlich dem Meister unterwürffig machen. Dann wie die Vernunfft ohne Liebe unvollkommen ist, also ist die Liebe fast unbesonnen, wann sie der Vernunfft nicht gehorchet. Dieser Gehorsamb nun ist nichts anders als der Vernunfft unnd Liebe Vermählung, die zugleich und mit einander hitzig und in einem Rennen auff die Schönheit zu eilen. Welcher nun dieselbe in dem Leibe, in den umbschweiffenden Augen, gebleichten Haaren, gemahlten Wangen und was dem anhengig ist, suchen wil, der findet eusserlich eine schnöde Vergenglichkeit, ein zerbrechliches Gut, einen stündlichen Raub, einen Plitz, der zugleich leuchtet unnd vergehet, inwendig aber offtmals Wanckelmuth, Betrug, und wie etwan unsere Poeten am besten hiervon zu reden wissen. Von denen ich gleichwol einen, dessen Name aber nicht verhanden ist, kaum loben kan, der ein wenig zu sehr über die Schnur hauet und gar sagen darff;


Vertraue dich der See, dem Frauenzimmer nicht,

Dieweil kein Glaß so bald als ihre Gunst zerbricht.

Kein Weib ist gut, und ist ja eines oder zwey,

So weiß ich nicht, wie Gut auß Bösem worden sey.


Andere sprechen:


Wer ihnen glaubt, fengt Wind auff mit der Hand,

Pflügt in das Meer und seet in den Sandt,


welche Worte ich sie dann verfechten lasse. Wiewohl auch eine stoltze abgeführte Dame (dann also nennen sie unsere Auffwarter) die nirgendt schöner ist als in ihrem eigenen Spiegel, offtmals mit gleicher Müntze bezahlt wirdt, als in welcher Kundschafft sich Einheimische und Frembde zu spielen pflegen, nicht Liebe zu suchen, welche bey einem unbestendigen Weibe nur übel angelegt ist, sondern sich mit ihrem anmuthigen Gespreche unnd buhlerischen Sitten zu erlustigen. Diese aber, wie klug sie auch ist, mercket doch nicht, daß ihr solche Höfflichkeit mehr der Ergetzung als Liebe wegen erzeiget werde. Darumb, wie sie durch ihr tägliches Auffnehmen unnd tägliches Verstossen andere schertzet, also wird sie von andern wieder geschertzt. Ein mal ist es gewiß, daß eine solche Liebe gemeiniglich eine Arbeit deß Müssigganges, eine Hofnung der Unbedachtsambkeit und darumb eine Beherrscherinn eines knechtischen Hertzens ist, weil diese flüchtige Schönheit mehrmals mit so vielem Auffwarten, Flehen, Weinen und Fußfallen, dergleichen zu thun ein edeles Gemüthe in reiffes Bedencken nimpt, wil bedienet werden. Soll aber je die Liebe recht antreffen, so muß sie die Vernunfft zum Gefehrten haben, muß den eusserlichen Sinnen, sonderlich aber den Augen, welche als zwey unachtsame Thürhüter zum[113] offtern allerhand falsche Meinungen zu dem Gemüthe einlassen, den Muth brechen und durch Urtheil und Verstand von der außwendigen Schönheit zu der inwendigen, welche durch diese angenehmer gemacht wird, dringen können. Wie die Blumen, so an sich selber schöne sind, dennoch anmuthiger zu seyn scheinen, wann sie unter einem klaren Wasser herfür leuchten, also ist die Blüte deß Gemüthes, wann sie mit einem schönen Leibe umbhüllet ist. So soll nun die Schönheit deß Leibes nichts anders seyn als ein Fürfechter der Blüte der Tugendt unnd als ein Heroldt einer grösseren Schönheit weder sie nicht ist; als wie der Glantz, welcher sich diesen Morgen von hiesigem Gefilde blicken ließ, eine Vorbote der güldenen Sonnen war. Wie ferner Pythagoras die Sonne für einen Gott, Anaxagoras für einen Stein ansahe, also wird die Schönheit anders von den Begierden, anders von der Vernunfft angeschauet, welche auch von dieser innerlichen Schönheit allgemach zu der jenigen steigen lernet, die dem, was allenthalben ist, seine Schönheit verliehen hat. Als dann wiederfehret uns wie etwan Menschen, welche ihre gantze Lebenszeit in einer finsteren Hölen zugebracht und an statt deß Liechtes nur einen Schatten der Cörper und Dinge, die bey uns auff Erden sind, erkieset, dieselben auch für die rechten unnd warhafftigen gehalten haben. Dann wie es vermuthlich ist, wann sie auß dem Tunckeln an das klare Liecht kommen solten, daß sie nicht allein alles, was sie zuvor gesehen, sondern auch sich selbst als betrogene Leute verachten würden, also auch unsere Gemüter, wann sie der vergenglichen Schönheit entronnen und durch die Schönheit der Tugend einen Weg zu der göttlichen gefunden haben, so fangen sie ihren eitelen Wahn und vorige Thorheit von Hertzen an zu verdammen. Wie nun ein Mensch in einem Bilde die Kunst und nicht das Bild, in einer Pflantze die Frucht und nicht die Pflantze, liebet, also müssen wir in einem schönen Frauenzimmer nicht die Gestalt, sondern, wo sie vorhanden ist, die Schönheit deß Gemütes, und in dem Gemüthe die Schönheit dessen, von dem sie hergerühret, erheben und hochhalten. Und hergegen, wie wir den Ursprung aller Schönheit über alles zu ehren schuldig sind, also sollen wir seinenthalben auch die Schönheit deß Gemüthes und dieser wegen die Schönheit deß Leibes lieben; weil sie sich nicht weniger zuweilen darinnen blicken lest, als die edelsten Flüsse, die wann sie sich in das Meer außgiessen, den vorigen süssen Geschmack und lautere Farbe in dem gesaltzenen Wasser dennoch nicht bald verlieren. Das übrige, was von eitelen Gedancken gesucht wird, ist nicht eine Liebe, sondern eine Begier; dann die Liebe siehet auff die Schönheit, die Begier auff die Wollust, welche wann sie Herr, und die Vernunfft Knecht ist, so must du ihr folgen, sie befehle, was sie wolle. Kanst du aber der Wollust je nicht entbehren, so wisse, daß keine grössere als ein bestendiges Gemüthe ist, das mit einem guten Gewissen begleitet wird. Dasselbige lest sich keine Liebe, keine falsche Lust, keine betrübende Fröligkeit,[114] keine Furchte noch Hoffnung von seinem ehrlichen Vorsatze dringen. Was wilt du doch der jenigen dienen, welcher du zu gebieten hast, welche du mit dem Zaume der Vernunfft anhalten, mit der Schärffe einer freyen Entschliessung als eine leibeygene Magd von dir verstossen kanst? Die Frucht der Schönheit, die im Gemüte bestehet, die nicht zugleich mit den Zähnen wurmstichig, mit den Haaren greiß, mit der Stirnen geruntzelt, mit den Wangen bleich, mit den Augen trieffend und dunckel wird, die mit der Zeit Gewalt nichts zu thun hat, dieselbe wird dich über Landt und See, durch Wasser und Waffen, in Glück und Wiederwerdigkeit begleiten. Ist dir aber unmöglich, der jenigen Liebe zu hinterlassen, die vieleicht in deinen Augen schöner ist, als in anderer Leute, und die wir drey auch nur nicht zu kennen begehren; so kanst du bey Glauben sicherer hier bleiben; dann eine solche Lust wird nur übel seyn fort zu bringen.

Eine stattliche Rede, mein Bruder, sagte ich, und die leichtlich zu erkennen gibt, in was für einer Schulen, bey was du für einem Manne (der allein Exempels genung ist, daß ein weisser Mann dem Glücke die Wage halten und dem Ungestirne der Zeiten gebieten kan) an den trechtigen Feldern deß Rheines, wo die Ille unnd Breusche von ihm verschluckt werden, vorwiechener Zeit gelebest hast, deiner eygenen Geschickligkeit, welcher Apollo unnd der Himmel nichts versagt, zu geschweigen. Es lest sich aber dergleichen viel behertzter reden, als in das Werck richten. Doch verhoffe ich, eine solche Mässigkeit in der Liebe zu treffen, daß sie mich an meinem Fürhaben dennoch nicht verhindern soll. Wer seinem Laster, gab Venator zur Antwort, eine Masse sucht, ist eben als wolle er glauben, einer der sich von jenem gähen Felsen stürtzete, könne sich, wann es ihm beliebte, im Herabfallen besinnen und wieder halten. Dann wie diß zu thun unmöglich, also kan ein verwirtes unnd erhitztes Gemüthe sich weder hinter ziehen, noch an dem Ort, wo es wil, verbleiben. Es weiß auch der jenige, welcher allbereit liebet, so wenig, mit was Masse er lieben soll, als wenig einer, dem man die Augen außgestochen hat, weiß, wo hin er gehen soll.

Ich muß ihn gleichwohl nicht gar hülffloß lassen, fing Nüßler an, unnd bilde mir gäntzlich ein, daß er ihm auff der Poeten Art, welche, der Natur nichts nach zu geben, offtmals Sachen erdencken, die nie gewesen sind, noch seyn werden, eine Liebe mache, die er nie in den Sinn gebracht und zum Theil anderer Leute Buhlschafften, Eitelkeiten unnd müssige Unruhe durch seine ertichtete Fürbilden, zum Theil die Einsamkeit, darinnen er sich dieser Zeit befindet, lieber mit diesem, als mit nichts thun erleichtern wolle. Steckt aber auch etwas von dem anmuthigen Uebel bey ihm, das unseren Standes Leuten nicht ungemein ist, so schätze ich ihn freylich weniger glückselig als die jenige, welcher er mit seiner Poeterey ein unsterbliches Lob unnd Gerüchte verursachen wirdt; wiewohl das[115] Frauenzimmer dergleichen offtmals entweder nicht verstehet, oder unsere Gedichte lieber als uns hat. Ich hoffe aber gäntzlich, das Reisen, darzu mir bißher niemals der Wille, sondern das Glück und die Umbstände meiner gantzen Wohlfahrt gemangelt haben, werde ihm in Kürtzen was anders an die Handt geben.

Und ob ich wol, liebster Mitgeselle, sagte er zu mir, deine Abwesenheit kaum mit gedultigem Hertzen werde ertragen können, so finde ich doch nicht, wann ich meine Ergetzligkeit deinem Frommen nachsetzen wil, was ich dir aller Beschaffenheit nach bessers rathen oder auch wüntschen solle. Wie ein Wasser, das niemals gereget wird, endlich anfengt zu faulen unnd stincken, also werden auch unsere Gemüther durch übermässige Ruhe träge unnd verdrossen gemacht, welche, weil sie etwas himmlisches sindt, so sollen sie auch billich in dem Himmel, der ohn Unterlaß in Bewegung ist, nachfolgen. Und wann du diesen grossen Menschen, die Welt, ansiehest, was lest darinnen ungereiset? Die Sonne umbgehet den Erdenkreiß alle Tage, der Monde unnd der gantze Pöfel deß Gestirnes haben ihre Wanderschafft, trösten durch ihr liebliches Anblicken die Schweiffenden und zeigen den irrenden Häusern, den Schiffen, wo sie hin sollen. Hast du nie gesehen, wie die See von ihrem Ufer zu rechter Zeit hinweg geflohen unnd auff gewisse Stunde allzeit zurück gekehret? Die vierfüssigen Thiere lauffen von einer Wildnuß in die andere; die Fische steigen auß der See in die Flüsse, die Vögel, welche jetzundt hauffenweiß in ihr Winterquartier geflogen sind, werden mit dem anbrechenden Frülinge wieder hieher unnd zu Felde kommen. Ja die gantze Natur giebt uns Anlaß zum Reisen und will uns gleichsam zeigen, daß wir auff ein Vatterland gedencken sollen, welches nicht krieget noch bekrieget wird und die stete Herbrige aller frommen Wandersleute ist. Zwar wir pflegen von Natur das jenige Landt zu lieben, dessen Athem wir erstlich geschöpffet, daß wir zum ersten getretten, dem wir unsere Kindtheit und Aufferziehung zu dancken haben, und darinnen uns Lufft, Wasser, Flüsse, Aecker und alle Gelegenheit am besten bekant sind; wir reisen aber darumb, daß wir ihm nach unserer Zurückkunfft und Erlernung frembder Völcker Sprachen und Sitten desto rühmlicher sein mögen unnd mit dem, was mir auffgemerckt, zu statten kommen. Dann mit diesem Bedinge, mein Bruder, wirstu hinweg gelassen, daß du, wann der Außgang dem Vorsatze einstimmet, uns deiner über die Zeit nit entberen lassest. Anderwerts den Fuß einzusetzen, verursacht ein stets Verlangen nach den Seinigen, und gemeiniglich einen Neid bey denen, wohin wir unsern Zustand gepflantzt haben. Wiewol auch nicht ohn Ursach; dann durch Beförderung Frembder bleiben die Einheimischen darhinden stehen, und wann solches nicht mässig geschieht, muß endlich Mißvertrauen, Unruhe, auch wol gar Verenderung deß allgemeinen Wesens darauß erwachsen, welches die alten Römer wol wusten unnd heutiges[116] Tages die klugen Fischer in der Adriatischen See ziemlich in Acht nemen. Zur Pestzeit, wann die Todtengräber in ein Hauß gehen, so kan man leicht gedencken, daß jemand darinnen gestorben sey; also zeiget die Einnehmung der Außländer (welches aber allein von der überhäufften Menge zu verstehen ist) daß nur der gemeine Nutz in letzten Zügen liegt.

Von dir will ich mir nicht einbilden, daß du dich eines und anderes trübes Wölcklein unsers Vatterlandes vertreiben lassest, dann du ja auß der Aschen in das Feuer und an die jenigen Orte gedenckest, wohin das fressende Wüten der Waffen und die Rache der gesuchten Beleidigung sich auß hiesigen Winckeln erst recht zu wenden und alles auff eine merckliche Veränderung angesehen zu seyn scheinet. Ich mache mir viel mehr Rechnung, daß die Liebe der Deinigen unnd die Ruhe, welche dir bißher so leutselig ist verliehen worden, deinen Fuß offtermals zurück ziehen und deiner Entschliessung dieses und jenes in den Weg werffen wollen. Wie nun freylich ein Freund ein lebendiger Schatz ist, der lange gesucht, kaum gefunden und schwerlich verwahret wird, so ist doch die ungefärbte Liebe an keinen Ort gebunden unnd ihre Abwesenheit wird zum Theil durch das Gedächtnuß voriger Gesellschafft, zum Theil durch Schreiben, welches die rechten Fußstapffen und Kennzeichen treuer Gemüter sind, nicht wenig erträglicher gemacht. So weiß ich auch nicht, wie gar zu stete Gemeinschafft uns gemeiniglich zart und auch dessen überdrüssig macht, was im Leben das Beste ist. Zu geschweigen, was du auch an jenem Orth entweder allbereit für grosse berümbte Leute zu Freunden hast, oder doch bekommen wirst, welche nur zu sehen ich für ein Theil meiner Glückseligkeit schätzen wolte. Ist ferrner etwas dergleichen, wessen dich Venator beschuldigt, und liebest der Schönheit wegen, so wird auch solches Verlangen eher verschwinden als du jetzt vermeinen magst. Eines Fuchsschwäntzers Freundschafft besteht nicht lange, weil die Heucheley und Anmassung der falschen Warheit durch die Zeit verzehret wird; wer nun der Schönheit oder Zier wegen liebet, der giebet nur einen Schmarotzer bey dem, welchen er liebet, und sind also seine gute Wort auff kein Ewiges angesehen. So must du auch wissen, ob du auch wider geliebet wirst, oder nicht; dann ich will nicht hoffen, daß du auß der jenigen Zahl seyest, welche sich selbst einer Gegenliebe bereden, wo sie niergend ist, unnd wie jener sind, der ihm in seiner frölichen Blödigkeit einbildete, alle Schiffe, die auß Indien segelten, weren seyn, gieng an den Port, freuete sich ihrer guten Ankunfft, hieß außladen und was der Narrheit mehr war, auch über diß mit seinem Bruder zürnte, daß er ihm durch die Aertzte von solcher reichen Thorheit abhelffen lassen unnd ihn seiner besten Lust beraubet hette.

So bist du in aller Zeiten Historien und Exempeln dermassen durchtrieben, daß du wol weissest, wie das Frauenzimmer nicht allein offtmals die Wangen, sondern auch die Wort zu färben pfleget, und daß kein Wasser geschwinder eintrucknet, als Weiberthränen. Wie ich dir ferner mit traurigen Augen nachschaue, so lebe ich der Hoffnung, derer Wahren, welche du zu[117] holen außzeuchst, die kein Zöllner anhalten, kein Seerauber versencken, kein Feuer verzehren kan, ehist durch dich zu geniessen. Du bist in dem Alter, da die besten Reißgesellen, Wahl unnd Urtheil, mit dir ziehen, und wirst nicht nach Art etlicher jungen Leute an statt der Tugend eine nichtige Wissenschafft, einen leichten Schatten der Höfflichkeit und guter Uebungen ertappen, wessen die Außländer, welchen man ihre Leichtfertigkeit, Laster und Gauckeley theuer genung bezahlen muß, in die Faust hinein lachen. Von welcher jungen Purß neulich einer sagte, sie kämen ihm für, wie man etwan eine Wand ansiehet unnd auß tunckelen Strichen und Zügen vermeinet, als ob Köpffe von Thieren, Wasser und Wälder daran stünden, da doch nichts dergleichen vorhanden were; dann alle Gebrechen musten in ihren Augen eine Tugend seyn, also daß sie ein hoffertiger Spanier anders nicht als ehrbar, einen unverschämbten Welschen freundlich, einen leichtsinnigen Frantzosen behertzt, einen springerischen Engelländer hurtig und einen versoffenen Deutschen lustig und verträulich zu nennen pflegten. Du hast die Sitten der Höffe, da so viel Rauch unnd Schmincke verkaufft wird, ziemlich erfahren und wirst wissen, daß wie daselbst, also auch auff Reisen eine sparsame Zunge unnd ein verschlossenes Hertz hoch von Nöthen sind. Letzlich wann dich der Fuhrmann deß Leibes, das Gemüte, durch so viel Festungen, Städte und Länder führen wird, wann du Augen und Sinnen zum Genügen füllen und die Müdigzeit deß Weges mit Ergetzung, diese mit jener vermengen wirst, so schaue zu, daß du die Segel deines Lebens nach dem Leitsterne der Unvergänglichkeit allzeit wendest unnd die weltlichen Dinge also ansehest, daß du betrachtest, es beherrsche sie keiner nicht besser, als der jenige, welcher sie verachten kan.

Aber, sagte er Nüßler, was halten wir unsere Gäste mit andern Reden auff, weil ihnen vielleicht lieber were, in diesen Plätzen und Gefilden sich umbzuschauen? Sie liessen es ihnen belieben, satzten sich zuvor unter den Schatten der hohen Bäume unnd erzehlen von diesem und jenem, was es theils in eines jeglichen seinem Vatterlandt, theils mit ihrem eygenen Zustand für Beschaffenheit hette. Als sie nachmals vermeinten, weiter zu gehen und die Gelegenheit selbiger Orte zu besichtigen, kamen sie ohngefehr an eine schöne Bach, die mit ihrem silbergläntzenden Wasser die Augen und mit dem lieblichen Geräusche Ohren und Sinnen ergetzete. Ein edeles Flüßlein, fieng Venator an, unnd weil die Berge dermassen nahe sind, so muß es nicht weit hiervon entspringen. Last uns, sagte Buchner, ein wenig daran hinauff spatziren. Wir waren fast an den Wurtzeln deß Schneegebirges, als wir einer Nimfe, die an einer frischen Grotte oder Höle auff den lincken Arm gelehnet lag, gewahr worden, welche mit einem subtilen durchscheinenden Schleyer bekleydet war, die Haare, so mit einem grünen Krantze gezieret, auff eine frembde Art auffgebunden hatte, unnd unter der rechten Hand ein Geschirr von dem[118] weissesten Marmor hielte, darauß das Quell deß Bächleins geronnen kam. Wiewol wir nun über dem plötzlichen Anschauen nicht allein erschrocken, sondern auch im Zweiffel stunden, ob wir stehen solten oder lauffen, fieng doch die schönste Creatur, oder viel mehr Göttinn, mit anmuthiger Stimme also an zu singen:


Ihr Hirten, die ihr kompt zu schauen

Die Quelle, diese Berg' und Auen,

Ihr Hirten, lauffet nicht vor mir,

Ich bin des Ortes Nimfe hier.


Der Zacken, den ihr mich seht giessen,

Der minste von den kleinen Flüssen,

Führt oben silberklare Flut,

Sein reiner Sandt tregt Gold und Gut.


Warumb sich Freund und Feinde neiden,

Darbey könnt ihr die Schaffe weyden.

Wer Gold zu waschen erst gelehrt,

Hat ja die Menschen hoch versehrt!


Die Götter lieben solche Sinnen,

Die güldinn' Einfalt lieben können;

So kompt, ihr Hirten, schauet an,

Was ich und kein Mensch zeigen kan.


Wir stunden verwundert und bestürtzt, weren auch auß Schrecken zurück gelauffen, wann sie mich nicht mit höfflicher Demuth bey der Hand genommen und die andern zu folgen vermahnet hette. Als wir in die Höle hinein kamen, sahen wir nichts für uns als ein lauter Wasser, das sich gegen ihr wie ein Berg aufflehnete, und wir also trucken hindurch gingen. Von dannen befunden wir uns in einer fast kühlen Grotte, auß welcher nicht allein dieses Wasser sämptlich geflossen kam, sondern auch andere Ströme durch verborgene Gänge und Adern der Felsen hinauß drungen. Diß ist, sagte sie, die Springkammer der Flüße, darvon so viel Felder befeuchtet, so viel Flecken unnd Stätte versorget werden. Diese kleinere Bach (darauff sie dann mit ihren schneeweissen Fingern zeigete) ist auch ein Theil deß Zackens, an dem ihr hierher gegangen seyd, und wird nicht ferrn von dem Gebirge mit dem andern vermenget. Hier zur Seiten sehet ihr den Ursprung deß fischreichen klaren Bobers, der ihm in einem schattichten Walde sein Thor gesucht hatte, darauß er sich durch Berg und Thal zwinget und windet und nach dem er bey Hirschberg den Zacken in sich geschluckt, auch etzliche Städte, darunter, sagte sie zu mir, dein nicht allein dir, sondern auch uns Nimfen liebes, aber erschöpfftes Vatterland Buntzlau ist, begrüsset hat, endlich an dem Endt deß Landes Schlesien seinen Strom und Nahmen der Oder, dem Haupt und Regentin der Schlesischen Flüsse, zugleich einantwortet. Wie dann die goltführende[119] wilde Katzbach, derer Brunnen nechst darbey herauß quellet, nicht weit von Parchwitz dergleichen thut. Stracks oberhalb dieser krieget der durchbrechende Queiß, da zur Seite die hochfallende Aupe, unnd, wo ihr den glatten Kieß sehet, die Iser ihren Ursprung, welcher wir zwar wenig Wasser, dennoch aber so viel andere reiche Gaben verliehen, daß sie den Mangel deß Gewässers darmit wol ersetzen kan. Ich hette auß Begier fast angefangen zu fragen; sie aber, die es mir am Gesicht ansahe, dieser grosse Strom, sprach sie, der gerichts für euch mit solchem Strudeln unnd Prausen herauff steiget, ist die Elbe, so von ihrer Geburts-Stadt, den hohen Alben', die wir über uns haben, den Nahmen bekommen hatt.

Wie wir uns nun über den seltzamen Dingen der Natur verwunderten und den unerschöpfften Lauff der Gewässer bestürtzt in Augenschein genommen, auch von wegen deß grossen Gethönes und Rauschens der auffspringenden Fluten fast das Gehör verlohren hatten, gieng sie durch ein weisses Thor, welches uns von Marmorstein zu seyn bedünckte, für uns her und: Beschauet nun, sagte sie, das Ort, welches für Manns-Augen zwar sonst verschlossen ist. In diesem Erdengemache pflege ich sampt meinen Schwestern der Thalien, Arethusen, Cydippen, Opis und den andern die Zeit zu vertreiben. Diese anmuthige Höle war nach Art der alten Tempel zirckelrund und in zimlicher Höhe. Ringes umbher stunden gefrorne Cristallen Säulen, welche von der grünen bewachsenen Erden biß an die Deck reichten und mit ihren durchsichtigen Glantze das gantze Zimmer erleuchteten. Mitten innen sassen die Nimfen, alle blüende und jung von Antlitz, auff grünen Teppichen in einen Kreiß umbher, sponnen, stickten und neheten an der subtilsten Leinwad, hatten allerhand liebliche Gespreche und erwehnte gleich damals eine, wie die stoltze Weberin Arachne der Minerven Kampff angebotten, weil aber ihre Arbeit der Himmlischen nicht zugesagt, sich selbst erhenckt habe und nachmals in ein Spinnen verwandelt worden sey; daß sie nunmehr als ein Beyspiel der Vermessenheit für den Augen aller Welt wircken und weben müsse. Wer seine Hoffart an den Unsterblichen außlassen wil, fieng eine bräunlichte an, so Lycorias seyn solte, (unsere Begleiterin aber hiesse Hercinie) dem bekömpt es ja allzeit übel unnd erzehlte, wie der närrische Midas mit seiner Blockpfeiffen den Apollo außgefordert und entlich nicht allein den Danck, sondern auch gar Eselsohren darvon bekommen habe, welches er zwar, gemeinem Gebrauch der Menschen nach, verbergen wollen, solches auch seinem Diener zu offenbahren verbotten habe. Dieser aber, dem gäntzlich zu schweigen unmöglich gewesen, were zu einem schilffichten Orte gegangen, hette seine Heimligkeit den Rohren vertrauet, die, wann der Windt daran geschlagen, nachmahls alle zu schreyen angefangen: Midas hat Eselsohren. Sie lachten, und: Es mögen wol Rohre seyn, fieng eine andere an, darmit gelehrte Leute schreiben unnd die jenigen für der gantzen Welt zu Schanden machen, welche[120] mit ihrem unbesonnen Urtheile von hurtigen unnd gelehrten Gemütern wol zu erkennen geben, daß sie Midas gleichen sind.

Nicht weit von ihnen lagen etzliche Lauten, Geigen und andere musicalische Instrumente, auch Köcher und Pfeile, die sie, wann sie nebenst den Waldgöttinnen und Bergnimfen sich mit dem Gejägte ergetzen, zu gebrauchen pflegen. An der Wand waren unterschiedene Historien mit Muscheln unnd kleinen Steinlein, unnd zwar so künstlich eingelegt, daß wir hinzu giengen und es mehr für eines Apollens Werck als für sonst etwas ansahen. Unter andern stund die Geschichte, wie der Jupiter, welchen sein Vatter Saturn fressen wollen, dem aber die Mutter Rhea einen Stein in die Windeln gewickelt und zu verschlucken gegeben habe, von ihren, der Nimfen, Schwestern sey erhalten unnd durch einen Adler bedienet worden. Bald darneben, wie andere auß ihnen den Bacchus bey Nisa in Asien erzogen, welche Jupiter nachmals zur Danckbarkeit hinauff genommen unnd zu den Hyaden, dem schönen Gestirne, das uns gemeiniglich Regen ankündiget, gemacht habe. An einem andern Orthe, wie die Nimfen Erato, Pemfredo unnd Dino dem Perseus Flügel unnd Tasche (welche ihm gleichwol von den Mahlern der himmlischen Bilder abgestrickt wird,) geliehen, durch derer Hülffe er der Medusen das Haupt abgeschlagen und entlich die Andromeden, der stoltzen Cassiopeen Tochter, von dem grausamen Meerwunder erlöset. Ferner wie die Syrinx, als sie für dem Pan geflohen, in die Pfeiffe, so Mercurius nachmals gebrauchet, wie andere Flußnimfen von dem erzürnten Achelous in die Echinadischen Inseln verwandelt worden, unnd was allhier zu erzehlen nicht Gelegenheit ist.

Kompt weiter, sagte Hercinie, unnd beschauet die Wohnung Thetis, der unsterblichen Mutter der Nimfen, wann sie durch die verborgenen Gänge deß Erdtreichs mit ihren Seerossen hieher zu fahren und uns besuchen pfleget. Wir giengen in Begleitung aller anderer Najaden, denen die gelben Haare umb den zarten Halß und Brüste und die dünngewebten Mäntel umb ihre blosse Leiber flogen, durch eine ärtzinne Pforte und kamen in einen köstlichen Saal von grosser Länge und Breite. Der Boden war an sich selbst cristalinn und mit allerhande Schlangen, Fischen unnd Meerwundern von anderer Art berühmten Steinen dermassen eingefüget, daß wir im ersten Anschauen fast nicht trauen und auftretten wolten, dessen dann die Nimfen mit einem süssen Anblicke sämptlich lachten. An der gewölbten Decke, die mit blauen Lazursteinen über und über belegt war und durch welche auß zweyen runden crystallinnen Fenstern der anmuthige Tag den gantzen Platz von oben her beleuchtete, schiene nicht weniger von eben dieser köstlichen Arbeit das Geflügel alß in den Wolcken herumb schweben und mangelte, unsers Bedünckens, nichts als die Stimme. Auff beyden Seiten stunden in gleicher Zahl und Abtheilung Sessel von Agsteine deren einer umb den andern roth oder gelb war. Hinten, wie auch[121] gegen der Förderthür zu, waren zwey vergüldete Altare, auff deren einem dem grossen Ocean, auff dem andern der Thetis geopffert war. Nicht weit von einem jeglichen sprungen auß zweyen weiten silbernen Becken oder Schalen, so ingleichen von silbernen Sirenen gehalten worden, sehr anmutige Quelle, die eine blancke metallene Kugel in die Höhe trieben und darmit spieleten, auch gleich wider herab fielen unnd von sich selbst verschluckt unnd stets widerumb auffgestossen wor den. In der Mitten war ein lange Tafel von polirtem Steine, an welche Thetis mit ihnen Speiß unnd Tranck zu nehmen pfleget.

Ihr Hirten, fing Hercinie an, wir wissen, was der Himmel und die Musen euch verliehen und mit was für Begier der Wissenschafft ihr behafftet seyd. So lasset euch nun, in dessen daß meine Schwestern den Unsterblichen ihren Dienst erzeigen und ihr gebürliches Opffer fürtragen, von mir zeigen, was die Gemälde und Schrifften an den Wänden allhier in sich halten. Wisset, sagte sie ferner, daß alles, was ihr biß anher gesehen unnd noch sehen werdet, inheimische Außbeute, in diesen Gründen geseiffet, in diesen Wässern gewaschen, hier gefunden und gearbeitet sey. Der weisse Chalcedonier, der schwartze Cristall, der violbraune Ametist, der blaue Saffir, der striemichte Jaspis, die tunckelrothen Granaten, der fleischfarbene Carniol, der rothgelbe Gifftfeind, der Hyacinth, der gelbichte Beryll, der vielfärbichte Achat, der gelbe Topazier, welchen ihr in der Hand jenes Adlers (und zeigte einen Adler an der Decken, darauff Ganymedes saß) als einen Plitzfünckeln sehet, der helle Demant, sind alle hier zu Hause. Diese Perlen, dieses Silber, diß Goldt ist in Flötzen und Quärtzen, flämmicht und körnicht in hiesigen reichen Gefilden unnd Gegenden anzutreffen, des Zinnes, Kupffers, Eisens, Glases unnd allen dessen, was die Macht deß höchsten Gottes und die gütige Mutter der Menschen, die Natur, sonst gebiehret, zu geschweigen. Hiermit führte sie uns widerumb der Pforten zu, darüber folgende Reimen stunden:


Ihr blinden Sterblichen, was zieht ihr und verreist

In beydes Indien? Was wagt ihr Seel und Geist

Für ihren Knecht, den Leib? Ihr holet Krieg und Streit,

Bringt auß der neuen Welt auch eine Welt voll Leidt.

Ihr pflügt die wilde See, vergesset euer Landt,

Sucht Goldt, das eysern macht, unnd habt es bey der Handt.

Den Demant findet kaum der schwartze Mohr so weiß,

Der Jaspis ist uns schlecht, die Perlen tregt der Queis,

Hieher Mensch, die Natur, die Erde ruffet dir:

Wohin? Nach Gute. Bleib! Warumb? Du hast es hier.


Nechst diesen Versen, die in eine schwartze steinerne Platten gehauen waren, folgeten auff der einen Seiten viel Historien und Bilder von Erschaffung der Welt, von der güldenen, silbernen, irrdenen unnd letztlich[122] eisernen Zeit, von den himmelstürmerischen Giganten, der Ueberschwemmung deß Erdbodens, alles in der Ordnung, wie es Hesiodus, Apollodorus, Hyginus und andere, sonderlich der sinnreicheste unter allen Poeten in seinen Verwandelungsbüchern, (darumb es allhier zu widerholen unnöthig ist) verzeichnet haben. Auff der andern Seite stund erstlich eine Landtafel, darinnen unterschiedene Berg, Schlösser, Flüß und Felder zu sehen waren. Dieses, sagte sie, ist die Gelegenheit hiesiger Ort, deren gröstes Theil von langer Zeit her die edlen Schaffgotschen, wessen Geschlechts Verlauff ihr in folgenden Gemählten und Schrifften biß auff jetzigen werthen Helden vernehmen solt, beherrschen. Ihr uhraltes Geblüt, ihre Tugendt, ihre löbliche Thaten und sonderlich die stille Ruhe, welcher wir unter ihnen als gleichsam Schutzgöttern biß anhero genossen, hat verdienet, ihnen bey uns allhier diß Gedächnuß auffzurichten. Damit ich aber euch, als denen, so zu Nachsuchung der alten Zeiten sonderliche Lust tragen, etwas Außführung thu, so wisset, daß wie hiesiges rohe Riesengefilde, hiesiger Flintzberg und Schneegebirge anfänglich von natürlichen erbursprünglichen Deutschen, den Marcomannen, Marsingern und dergleichen bewohnt, also auch von ihnen zuweilen der Hartz oder Hercinische Wald, darvon ich heisse, zuweilen das Sudeten oder Sudöden Gebirge sey genennt worden, biß die Sarmatischen Winden (nicht die wandalische Völcker) ihre Vistul oder Weixel überschritten und sich dieser und anderer Land bemächtigt haben. Daß aber dennoch allzeit etwas von Deutschen übrig verblieben sey, könnet ihr dannenher von euch selbsten schliessen, daß der Nahme Böhmen, welcher allbereit vor anderthalb tausent Jahren und viel Zeiten vor der Winden Einfall berümbt gewesen, noch heutiges Tages nicht verloschen ist; wie dann auch ein Theil dieser Berge, die Alpe oder Elbe und dergleichen, bey ihren ältern Wörtern biß anjetzo verblieben sind. Hätten euere Deutschen mit solchem Fleiß denckwürdige grosse Thaten auffschreiben, als verrichten können, oder die blutigen Krieg für etzlichen hundert Jahren mit den Leuten nicht auch zugleich das Gedächtniß derselben und alle Geschickligkeit außgerottet, so köndte der edelen Schoffe (dann also worden sie vormals genennet) werther Name unnd die Tapfferkeit, welche sie zu Beschützung deß Vatterlands angewendet, euch mehr vor Augen gestellt werden; bey uns haben wir ihren Ruhm allein von der Zeit auffgemercket, seyt unsere Bäch unter ihrem Schirm ruhig geflossen und sie Besitzer der Ort, die zum Theil hier entworffen stehen, gewesen sind.

Hierüber trat sie fort und: Dieser, sagte sie, welchen ihr in gantzem Küriß stehen sehet, ist der freywerthe Held Gothard, oder, wie damals den Alten zu reden beliebet hat, Gotsche Schoff, der seinen Kindskindern mit dem grössern Lob und Auffnemen auch seinen Namen, dessen sie sich sämptlich rühmen übergeben hat. Wir wissen nicht anders, als daß sein Vatter Ulrich Schoff geheissen unnd fast für dreyhundert Jahren Burggraff[123] zu Kinßberg gewesen sey. Edele Nimfe, fieng ich an, wann ein Mensch eine Göttin zu fragen Macht hat, warumb daß seine rechte Faust gleichsamb blutig abgebildet ist? Vor Erffurt, gab sie zur Antwort, hielte er sich bey Gelegenheit eines Außfalles so wol, daß ihn der Feldherr, Kayser Carl der vierdte, alsbald für sich fordern ließ, ihm seine wolverdiente Gnad persönlich anzutragen und die Hand zu bieten. Er aber, der vom Würgen der Feinde erst zurück gekehret, hat die blutigen Finger an seine blancke Rüstung gewischt unnd also den Kayser mit dieser werthen Faust geehret, welcher ihn dann zum Ritter geschlagen unnd das hochadliche Wapen mit vier rothen Strichen dessentwegen gezieret hat, daß seine Nachkommen nicht allein wissen möchten, wie ihr Adel, der vor Alters von trefflichen Thaten hergerühret, ingleichem von trefflichen Thaten vermehrt worden sey, sondern auch durch dieses Zeichen als einen lebhafftigen Zunder zu dergleichen solten angeregt und auffgemundert werden. Wannenhero aber ist der grüne Baum in eben diesem Wapen? fragte ich. Der sieghaffte Bolco, sagte sie, Hertzog zur Schweidnitz unnd Jauer, dessen Bruders Tochter Carl der vierdte zur Ehe hatte, liebte jetzt erwehnten Gothard Schoff, seinen Wassenträger, deß löblichen Verhaltens unnd vieler hohen Tugenden wegen dermassen, daß er ihm hiesigen Riesenberg, die trächtige Iser sampt angräntzenden Böhaimischen Wald, das Birggut Schmidberg neben aller Zugehör, wie auch das feste Schloß oder Berghauß Kinast, auß fürstlicher Miltigkeit zu erbeygen übergab und verehrete, darumb dann der Kieferbaum oder Kinast zu dem uhralten Wapen ist gezogen worden. Mit Friedeberg aber, das ihr in der Tafel gegen dem Gebierge zu am Queisse liegen sehet, wie auch mit der Stadt Greiffenberg, welche der himmlischen Weberinn Minerven dermassen lieb ist, und der Festung oder dem Berghauß Greiffenstein, so Hertzog Boleßlaus, der heiligen Hedwigen Sohnes Sohn, erbauet, hat ihn vorbemeldteter Kayser beschencket, daß also die Besitzung hiesiger Ort ein lauteres Verdienst der Tugend ist.

Allerschönste Nimfe, sagte Nüßler, wir müssen gleichwohl die Reime darbey nicht ungelesen lassen. Sie stellete es uns anheimb und gab so viel zu verstehen, sie weren darumb eingehauen. Ritters Gotschen Ueberschrifft war diese:


Ich werde recht von dir, mein werther Stamm, geehret,

Weil ich dir Namen, Ruhm und Wapen hoch vermehret;

Die roten Striche hat kein Geldt noch Gunst erdacht,

Der Keyser hat sie nur gelobt, der Feindt gemacht.


Unter dem Wapen neben seiner Tafel:


Schau hier den edlen Schildt als je der Tag beschienen;

Was zeigt der frische Baum? die Tugendt muß stets grünen;

Und was das Schaff? ein Mensch soll gut und gütig seyn;

Das Blut? Wo Gut nicht hilfft, schlag mit der Faust darein.
[124]

Nachfolgend drey, redete Hercinie ferner, sind Ritter Gothards Söhne. Der erste zur rechten Hand eben deß Namens, dessen drey Söhne, Ulrich, Gotsche und Hanß, welcher fast für anderthalb hundert Jahren gestorben, gleich unter ihme sind. Der dritte, so zur lincken, Henrich oder Hentze Schoff auff Kemnitz, dessen zwey Söhne, Henrich unnd Peter, auch unter ihm stehen. Der andere, in der Mitten, ist Hanß Schoffgotsche auff Kinast, den wir in seinen Nachkommen noch anjetzo blühen unnd wachsen sehen. Die sechse, wie ihr sie ordentlich nacheinander allhier gesetzt findet, sind seine Söhne. Der ältere ist Christoff, den ein anderer Edelmann wenig adelich unversehens erschossen hat. Der andere, Ernst deß Nahmens, welcher darumb ein zusammen gerolltes Schreiben in der Faust hat, weil er der Fürstenthümer Schweidnitz und Jauer Cantzler gewesen, wie dann solche Cantzley nebenst dem Ampt deß Hoffrichters zur Schweidnitz von etzlichen hundert Jahren an den Herrn Schaffgotschen eygenthümblich hat zugehört. Der dritte ist Jeronymus der Blödsinnige, der vierdte Antonius. Er siehet schwartz auß, sagte einer von uns. Man hat ihn auch, gab Hercinie zur Antwort, wie er sich dann selbst, den Reppelgotschen geheissen, ist ein stattlicher Mann unnd mit einer gebornen Freyin von Schumburg vermählet gewesen. Der fünffte Kasspar, der letzte Ulrich, ein streitbarer Mann, der mit seiner strengen Faust die Nitterschafft auff der Buntzlischen Heyden gewonnen, wie auff seinem Schwerdt, das noch vorhanden, zu zu lesen ist. Doch besagt es auch die Ueberschrifft:


Deß Ritters rühm ich mich, dieweil ich obgesieget:

Ich bin auch kein Soldat, der niemals hat gekrieget,

Kein Ritter ohne Feind, kein Reuter ohne Pferdt;

Wer von mir wissen wil, der frage nach mein Schwerd.


Wie nun Christoff, Jeronymus und Ernst Leibes-Erben nicht gelassen, also sehet ihr unter einem jeglichen der andern ihre Söhne. Deß Antons Friedrich, Ernst, Ulrich, Ritter Anton, welcher mit einer Ketten umb die Armen abgebildet, weil er von den Saracenen gefangen, an den Pflug gespannet unnd sehr übel gehalten worden, wiewol er endlich in seinem Vatterlandt verschieden, Ritter Hanß, kayserlicher Nath und Cämmerer, und Bernhard auff Rurlach; deren Kindskinder theils noch bey Leben. Ueber dem Anton waren diese Wort eingegraben:


Ich ward gefangen zwar und habe viel erlitten,

Du wilder Saracen, nach dem ich dich bestritten;

Doch was dann hast du jetzt von mir in deiner Handt?

Der Himmel hat den Geist, den Leib das Vatterlandt.


Caspar, redete Hercinie weiter, wie ihr sehet, hat fünff Söhne hinterlassen, Watzlawen, der ihm durch Reisen unnd Geschicklichkeit grosses Ansehen gemacht, Hansen, Christoffen, Casparn (dessen einiger Sohn Adam, Freyherr auff Trachenberg unnd Praußnitz, wiewol er zwey Gemahlin,[125] deren die letzte ein Gräffin war, gehabt, ohn Erben gestorben ist) und Balthasern, der vier Söhne erzeuget, wie dann der letzte ritterliche Heldt Ulrich, der fast viertzig Jahr über die Fürstenthümber Schweidtnitz unnd Jauer Hauptmann gewesen unnd in die neuntzig Jahr alt worden, Wolffen und Hansen erzeuget, dessen Wolffens Sohnes Sohn Ulrich oder Udalrich (vielmehr Adelreich) zu seiner Vorfahren Thaten auch die Liebe der Weißheit gebracht unnd einen artlichen Poeten gegeben hat, wie er selbst von sich redend allhier eingeführt wird:


Soll ich mich schämen dann deß Nahmens der Poeten?

Ist Kunst unnd Wissenschaft dem Adel nicht vonnöthen?

Standt blühet durch Verstandt, hett ich nicht Standt gehabt,

So hette mich Verstandt mit Adel doch begabt.


Obberührte vier deß Herrn Balthasars Söhne, Freyherren, sind der zur Rechten Herr Balthasar auff Langenau, der zur lincken Hand Herr Caspar, so das Lähnhauß gehalten, der neben diesem Herr Watzlaw auff Bernßdorff, und der in der Mitten oben an der in Kriegs und Friedens Tugenden erfahrne Herr, Herr Christoff, unter dessen Sohne, dem Hochwolgebornen Herrn, Herrn Hansen Ulrichen, dem freyen unverzagten Helden, dieses Vorgebirge, diese Wälder und Brunnen und wir Nimfen solcher Ruh, solchen Friedens geniesen, daß wir die angräntzenden Feuer der blutigen Bellonen, dieses klägliche Getümmel der Waffen biß anhero zwar von ferren angeschauet haben und gehöret, aber, (welches zu einer guten Stunde geredt sey) nie erfahren dürffen.

Hierauff schwiege die leutselige Hercinie etwas still, ich aber lase die Reimen, so bey Herren Christoffen seliger Gedächtnuß verzeichnet waren:


An Tugend bin ich recht und linckisch auch gewesen;

Warumb? Dieweil ich diß geschrieben und gelesen,

Was Thaten würdig ist und gleichfals das gethan,

Was der, so Thaten lobt, gar wol beschreiben kan.


Indessen fragen die andern wegen der Sachen, die nach ihm stunden. Hier zunechst, fieng sie an, ist seine tapffere, hochverständige Gemahlinn, deß uhralten Geschlechts der Freyherrn von Promnitz, welcher Unsterblichkeit unnd Verdienst eine grössere Zeit bedörffen, als daß sie allhier könten erzehlt werden. Sehet aber ihre Ueberschrifft:


Ich bin in dieser Welt von Heldenstamme kommen,

Die Zier der Helden hat zur Ehe mich genommen,

Ein Heldt der kam auß mir an dieses Liechtes Schein,

Wie solte dann nicht ich auch eine Heldin seyn?


Von jetzigem erstgemeldeten Regenten, sagte die Nimfe, könnet ihr den Inhalt folgender Tafeln weitläufftig vernemen. Seine hohe Beschaffenheiten, sein Verstand in Anschlägen, sein Muth im Streiten, seine ritterliche[126] Thaten verdienten zwar von allen edelen Gemüthern sinnreicher Poeten in das Register der Ewigkeit eingetragen zu werden, er aber, als ein vollkommener Held, ist auch mit solcher Demuth begabet, daß er nicht gern von ihm rühmen läst, was doch die That und Warheit selber redet. Was ihr aber allhier sehet, haben die Parcen, Clotho, Lachesis und Atropos, als sie ihn auff Befehl deß Himmels die Faden deß Lebens gesponnen, einhelliglich gesungen unnd mit Buchstaben von Demant dem Roste der Zeit zugegen in diesen schwartzen Cristall versetzt. Wir verwunderten uns nicht so sehr über der Menge der edelen Gesteine, als über der fürtrefflichen Arbeit, welche von solcher Kunst unnd Schönheit war, daß wir wol abnehmen kundten, Menschen Hände würden dergleichen nachzuthun sich umbsunst bemühet haben. Das Gedichte aber und Weissagung der Parcen waren von Wort zu Wort diese:


Brich an, du schöner Tag, und komm, du edles Kind,

Dem Götter und das Hauß der Götter günstig sind,

Der Himmel und auch wir. Wir haben zwar gewunden

Ein Garn, ein weisses Garn zu seines Lebens Stunden;

Wo ist die Farbe hin? Die Faden werden Goldt.

Brich an Tag, komm, o Kind! Die Götter sindt dir holdt,

Ihr Himmel und wir auch; sie sollen dich begaben,

Dir schencken diß, was viel wol wüntschen, wenig haben;

Mars seinen grossen Muth und Jupiter Verstandt.

Komm an, dein güldenes Garn das wächst uns in der Handt

Und spint sich selber auff. Schau hier die schönen Blicke

Der Heldinn, welche dich mit solchem guten Glücke

Der liechten Sonnen zeigt, der Heldinn, die jetzt dir

Das Leben und hernach deß Lebens beste Zier,

Die Tugendt, geben wirdt; du wirst zwar weise werden

Durch deines Vattern Todt, der kürtzlich dieser Erden

Soll geben gute Nacht, wie unser Buch vermag,

Doch die, durch welche du gebracht wirst an den Tag,

Wird nicht nur Mutter seyn, wirdt auch mit Vattersinnen

Zur wahren Tugendlust dich bald gewöhnen können,

Dir zeigen einen Weg, wohin der gehen soll,

Stracks wann er gehen lernt, der edlen Lobes voll

Wil brechen durch die Zeit, du wirst für allen Dingen

Auff ihrem Arme noch am liebsten hören klingen

Die Trummel und Trompet, wirst reisen mit der Handt

Auff einen Degen zu, der etwan an der Wandt

Mag auffgehencket seyn. Daß Mittel dich zu schweigen

Wirdt seyn ein blanckes Helm, ein schönes Roß zu zeigen,[127]

Die Lantz' und Rennebahn; ein solches Tocken-Spiel

Liebt erstlich bald ein Kindt, das nicht versauren wil

In seiner Mutter Schoß; wann dann zu deinen Tagen

Die Sprache kommen wird, so wirst du lernen fragen

Nach dem, was Ritterschafft und Lob der Ahnen ziert,

Wirst werden zu der Lust der Weißheit angeführt,

Kein Feindt der Bücher seyn, wirst Rom begierig hören,

In ihrer Sprache selbst dich lassen von ihr lehren,

Durch was für Witz und Krafft sie ihr die gantze Welt,

Was Titan überscheint, zun Füssen hat gefellt.

Es wird von Dapfferkeit, von strengen Kriegeswesen

Dir Leipzig, Tübingen und Altorff weiter lesen

Und sagen, daß ein Heldt, der grosse Thaten liebt,

Den Thaten noch mehr Schein durch Kunst und Klugheit giebt,

Biß daß der hohe Sinn dich über Berge treget,

Wo Freyheit ihren Grund tieff in die See geleget

Von langen Zeiten an, und Nereus eine Stadt,

Die aber Länder zwingt, zu seinem Weibe hat.

Dann wirst du nechst darbey ein Gast Antenors werden,

Solange Cynthia sechs mal den Kreiß der Erden

Mit gantzem Liechte füllt; du wirst hier deinen Standt,

Dein edeles Ritterblut auch zeigen mit der Handt,

Die offtmals sagen muß, was mancher führt im Hertzen;

Wirst Kunst zur Mannheit thun und mit dem Degen schertzen,

Inkünfftig ernst zu seyn; wirst legen deine Zeit,

Die Zeit, so güldinn ist, an güldene Tapfferkeit,

An Sprachen und Verstandt. Wirst hin nach Rom verreisen,

Und an den Tiberstrom, daselbst dir lassen weisen,

Wo Rom gewesen sey; hier stund die Zier der Welt,

Wird sprechen, wer dich führt: hier war der Tugend Feldt,

Das Ort, von dem sich ließ der Erdenkreiß beschönen.

Auff dieses solt du sehn die Mutter der Sirenen,

Der Welt Sirene selbst und Bajas und ihr Badt,

Was Cuma, was Puzol für Lust und Wunder hat,

Der Schauplatz der Natur; dich wirdt zu Nosse setzen

Das blüende Florentz; es soll sich selbst ergetzen

Der weisen Nimfen Schar am hohen Apennin,

Wann deine freye Faust deß Pferdes stoltzen Sinn

Wird brechen durch den Zaum, baldt sicher lassen fliegen

Mit schäumender Begier, den Winden ob zu siegen.

Dann lessest du die Flut der See dich nach Messan,

Von hier nach Malta zu, von Malta auff Drapan,[128]

Den Lilibeer Port, mit vollem Segel tragen,

Darffst gegen Africa nach Thunis zu dich wagen,

Machst die Tyrrhener See dir weit und breit bekandt,

Biß Napolis dich setzt noch ein mal an sein Landt,

Das reiche Napolis, und dann auff Pisa sendet,

Diß wieder nach Florentz, wo zwar der Weg sich endet,

Nicht aber auch der Fleiß; du wirst auffs neue hier

Die gantze Sommers-Zeit vermehren deine Zier

Durch Sprachen und Verstandt, hierauff nach Luca ziehen,

Und darnach Genua, wo Krieg und Friede blühen,

Und auff Minerven Stadt, das künstliche Milan,

Und was die Tafel hier sonst mehr nicht fassen kan,

Biß endlich Spanien dir in den Sinn wird kommen,

Daß nunmehr beydes Hauß der Sonnen eingenommen

Und ihm verbunden hat; dein Weg soll Franckreich seyn,

Der Sitten Meisterinn, der Künste Liecht und Schein,

An Vieh und Leuten reich, daß weit und breit beschlossen

Mit starcken Klippen steht, mit Wässern gantz umbflossen,

Verwahret mit den See. Du wirst durch Delfinat

Hin auff Marsilien und da auff Arelat

Und ferner an den Fuß der schneeichten Pirenen,

Die ihre Spitzen fast biß an die Wolcken lehnen,

Wo du begrüssen solt zum ersten Arragon

Und dann nicht ohn Gefahr das stoltze Barcelon,

Tortosa und Sagunt, berühmbt vom Hungerleiden,

Die Königin Valentz, wo Duria viel weiden,

Viel Blumen, Graß und Waldt umb seine Ströme hegt,

Biß dich ein langer Weg hin nach Toledo tregt,

Von dannen nach Madrid, auß denen jenes Eysen

Und Stahl, diß Weißheit hat. Dann wirst du rückwerts reisen,

Da wo der Iber fleust auff Saragosa hin,

Und auß der Sonnen Brunst in besser Wetter ziehn.

Wie nun dir Spanien gegeben Witz zu hören

Und schweigen, also wird dich Franckreich reden lehren,

Der Außzug aller Lust, der edlen Demuth Landt,

In welcher jederman geehrt wird und bekandt,

Der Tugend leiden kan. Die erste Ruh und Wonne

Das wird Tolosa seyn am Strande der Garonne;

Auff diese Bordeaux, Roschelle nechst nach ihr,

Das Mars liebt und Neptun, hierauff der Musen Zier

Unnd Künstemarckt Poictiers, dann wirst du sampt den Flüssen

Der gelben Loir Angiers und Tours und Blois begrüssen,

Nicht minder Orleans, das Bacchus also liebt

Und dem Mercur das Lob der reinen Sprache giebt.[129]

Wo lassen wir Pariß? Hier wirst du auch verbleiben,

Wo alle Weißheit wohnt, wirst deine Zeit vertreiben

Mit Uebung, die ein Heldt und Ritter haben muß.

Nach Franckreich, wann du nun der stoltzen Seyne Fluß,

Den faulen Gang der Ar, deß Rhodans schnelles Fliehen

Gesehn hast, wirst du dann auch an die Temse ziehen,

Den wolgebauten Strom, beschauen Engellandt,

Das durch den Ocean von uns ist abgetrant.

Dein Rückweg sollen seyn die starcken Niederlande,

Ostende, Brug und Schluys unnd Gendt am Scheldestrande

Und Brüssel und was mehr deß Zepters Willen hört,

Das gegen Ost und West gehorsamb wird geehrt,

Nicht nur von einer Welt dann seine Gegenwercke,

Die nun so lange Zeit mit grosser List und Stärcke

Sich wieder ihn gesetzt. Hier halt die Flügel an,

Hier schaue wieder heim, es ist genung gethan;

Die Deinen ruffen dich, du Blum und Zier der Jugend,

Sie wollen nunmehr sehn das Reichthumb deiner Tugend,

Der Reise neue Frucht. Was wird für Wonne hier

Bey deinen Quellen seyn, wann du, ihr Trost und Zier,

An Beute reicher noch als Jason heim wirst kommen.

Nach dem du alles das in Augenschein genommen,

Was Sehens würdig ist und nicht nur Feldt und Landt

Und Städte, sondern auch die Leute hast erkandt,

Die Phebus oder Mars begreifft in seinem Orden,

Wann dir der Musen Volck zu Freunde wirdt seyn worden,

Zu Londen Casaubon und zu Pariß Thuan,

Zu Leiden Scaliger und was man nennen kan

Für etwan einen Geist, der nicht auß schlechter Erden

Vom Titan ist gedreht; die grünen Wiesen werden

Sich freuen umb und umb, es wird Thal, Pusch und Feldt.

Ein grünes Kleidt anziehn, es werden dir, o Heldt,

Die klaren Bäche hier mit Lust entgegen fliessen,

Die Felsen höher stehn, der Nimfen Schar dich grüssen,

Der zarten Nimfen Schar von dreyerley Gestalt,

Als denen heilig sind die Flüsse, Berg und Waldt,

Bey welchen wir diß Liedt in Demant einverleiben,

Damit es von der Zeit mag unbetastet bleiben,

Mag seyn ein stetes Pfandt deß Himmels, der dich liebt

Und uns noch mehr Befehl, also zu setzen, giebt:

Ihr schönes Himmel-Volck, ihr glatten Oreaden,

Du der Napeen Herr, ihr flüchtigen Dryaden

Und ihr Najaden auch, du Echo, die du nicht

Was anders sagen kanst, als was man zu dir spricht,[130]

Ihr süssen Gratien, du Pales, du Diane,

Seyd günstig, wann er hie auff einem grünen Plane

Auff eure Püsche zu, umb euer edles Feldt,

Bey dieser Einsamkeit nach schnellem Wilde stellt

Und sucht ergetzt zu seyn. Er wird die Wälder zieren

Mit seiner Gegenwart, wird an den wilden Thieren,

Ein neuer Hercules, versuchen seine Krafft

Und diß nach dem er hat die Sorgen abgeschafft.

Für seine Leut' und Landt. Man muß die Arbeit mengen

Mit einer freyen Lust und auch der Ruh verhengen,

Wie selbst thut die Natur, die nie stets Winter macht,

Stets Sommer, oder Lentz, stets Regen, oder Nacht.

Dein Bogen, Delia, wird gleichfals abgelassen;

Es pfleget Jupiter den Becher an zu fassen

Mit eben dieser Handt, in der er Donner tregt,

So wird der Heldt auch thun nach dem er abgelegt

Deß Vatterlandes Last, für welches er soll streiten

Mit ritterlicher Faust, wann gar in kurtzen Zeiten

Auch diß Orth, welches jetzt der werthe Friede ziert,

Auff Krieg ohn alle Schuld wird werden angeführt.

Als wie deß Windes Zorn die Eyche nicht kan spalten,

Wie eine Klippe pflegt die Wellen auff zu halten,

So wird er unverzagt auch eine kecke Schar

Den Kürtzern lehren ziehn, wird suchen die Gefahr,

Durch die er wachsen soll; ihm wird der Hauffe weichen,

Als wie das schöne Volck der Sternen muß verbleichen,

Wann etwan Cynthia das gantze Liecht bekömpt

Und einen vollen Glantz von ihrem Bruder nimpt

Der gegenüber steht; der starcke Löwe zeiget

Umbsonst die gelbe Mahn, die Thracer-Leyer schweiget,

Orion dreuet schwach, daß groß' und kleine Thier

Schaut dunckel umb sich her und blickt kaum halb herfür

Auß einer hellen Lufft; er wird dem Feinde weisen,

Wie schlechtes Glücke hat, wer Hunger, Glut und Eisen

Zu frembden Leuten tregt und bringt ein armes Land

Umb Freyheit, Recht und Heil ohn Ursach und Verstand.

Damit er rühmlich auch mag nach dem Todte leben,

So wird der Himmel ihm viel edle Zweige geben

Durch einen werthen Stamm, den du, o Heldt Piast,

Mit Zepter und Gewalt so weit erhaben hast,

Den eine Göttin selbst zum Himmel auffgeführet

Mit ihrer Frömmigkeit, den Henrich hoch gezieret[131]

Mit Blute für sein Landt, dem seine grüne Frucht

Kein Wetter dieser Zeit, und keiner Jahre Flucht

Wird legen unter sich; auch dieser Held soll schauen

Sich selbst in seiner Art, soll schöne Pflantzen bauen

Von aller Tugend Zier, die Lust und Fröligkeit

Und Ruhm ihm machen wird die gantze Lebenszeit.

Genung, was sonst allhier ist unverzeichnet blieben,

Das ist mit Golde doch in unser Buch geschrieben.


Wir hatten uns an der schönen Tafel die Augen, an der Weissagung aber, welche wir nun mehrentheils erfüllet zu seyn wusten, auch das Hertze erquickt unnd wünschten dem Helden solche ersprößliche Wohlfahrt, wie ihm allhier zu Ende angekündigt würde. Die andern Nimfen hatten sich unter dem Lesen alle hinauß verlohren, Hercinie aber: Ihr Hirten, sagte sie, so viel ist menschlichen Augen allhier zu besichtigen erlaubet und ihr werdet mit meiner unnd meiner Schwestern anjetzo erzeigten Gunst vergnüget seyn. Also führte sie uns durch ein anders Thor in eine neue Höle, die zuweilen enge war, daß wir fast nach der Seyten durch gehen musten, zuweilen aber viel Thäler und Berge in sich zu halten schiene. Nach dem wir eine gute Weile also gegangen waren, kamen wir an einen fast heissen Orth voll schweffelichten Dampffes, zu dessen beyden Seyten ein Knallen und Prausen gleichsam eines auffkochenden Wassers und, ich wuste nicht, was für ein Gethöne gehöret ward. Uns war nicht aller Massen wohl bey der Sache: Ich habe, fieng aber die Nimfe an, euch nicht ohne Ursach an dieses Ort geführet. Wisset, daß Sicilien nicht allein Cyclopen und Thessalien Titanen getragen hat, es liegen allhier zweene mächtige Giganten, welche sich eben wie jene an dem Himmel zu vergreiffen unterstanden und von den Göttern unter diese Klüfften sind verstossen worden. Sie haben den Geschmack deß Schwefels noch anjetzo nicht verlohren und riechen nach dem Plitze und Donner, darmit sie Jupiter hat herab gestürtzt. Auß ihren Rachen lauffen starcke unnd hitzige Ströme, die dennoch auß gnädiger Verordnung der Unsterblichen zum Besten der Menschen gereichen unnd nicht weit von hier mit zweyen heilsamen Quellen in dem Gebiete jetzt gemeldeten Heldens entspringen müssen. Es solte mir auch unschwer seyn, euch zu ihren ungeheuren Cörpern zu führen, wann eure blöde Augen unnd Ohren das scheußliche Anschauen unnd Brüllen vertragen könten. Lernet aber gleichwol, daß die jenigen, die sich den Himmel anzutasten vermessen, von dem Himmel verstossen und von der Erden verschlungen werden.

Als wir nun unter wehrendem Gespreche gleichsamb bergan gegangen waren, kamen wir an den Außgang einer Höle, darein der Tag seine Stralen mit vollem Scheine fallen ließ; Hercinie aber verschwand, ehe wir es gewar worden und kam uns weiter nicht zu Gesichte. Wir wendeten uns gegen der Grotten und ehrten die Nimfe und den Ort, darinnen wir[132] so merckliche und wunderbahre Sachen gesehen und erfahren. Ob uns auch zwar die Gelegenheit deß Gefildes, da wir herauß gegangen, etwaß selßam fürkam, so kunten wir doch aller Beschaffenheit nach fast erkennen, daß wir eben an der andern Seyten deß Berges, wo wir zuvor hinein gelassen worden, seyn musten, stiegen also gemach und gemach gegen der Spitzen zu. Wir waren noch ziemblich ferren von der Höhe, als sich bey so lieblichem Wetter dennoch ein dünner Schnee sehen ließ, der aber auff der Erden also bald zu Tau und Wasser ward. Weiter hinauff war es gantz heiter unnd stille, da wir dann nachfolgendes Gelübde in einem Lindenbaum eingeschnitten funden:


Du Geist, der du allhier bewohnst den öden Plan,

Du seyst auch, wer du wilt, wann ich vollbringen kan,

Was mein Gemüte sucht durch deine Kunst und Rath,

So wil ich dir allhier an dieser grünen Stadt

Erhöhen ein Altar, darauff zur Danckbarkeit

Ein Opffer, das du liebst, soll brennen jederzeit.

Du Riesenherr, du Artzt, du Berggott, komm herfür,

Der jene, so dich ehrt, erwartet deiner hier.


Dieser, fing Nüßler an, hat sich auch bereden lassen, es sey ein Rübezal allhier, wie ihn die jenigen nennen, die ihn nie gesehen haben. Wir sindt eben auff dem rechten Orte, gab ich zur Antwort, da er seyn soll und nicht ist. Ich habe gleichwohl vernommen, ihr Schlesier, sagte Venator, es solle nicht gar richtig bey euch seyn. Freylich nicht, fieng ich an, dann es liegt einer hier oben begraben, der nicht mehr lebet. Ich weiß wol, redete Buchner darzwischen, daß ihr alle drey dem Hauffen zugethan seydt, der nichts übrigs glaubet; was aber durch lange Erfahrung bestetigt ist und die Augen selbst sehen, das kan das Hertze ja glauben. Mit einem stinckenden Aase, sagt Nüßler, ist wol sonst wenig anzufangen. Darwieder bin ich auch nicht, spricht Buchner; wiewol manches ehe verdirbet als ein anders. Ich habe viel mal gehöret, wann einen der Donner erschlagen hat, daß sein Cörper nicht verfaulen und wann einem mit Giffte vergeben ist, daß das Hertz soll unvertorben bleiben. Ein Mensch, der mässig gelebet, wird nicht so baldt verwesen, als einer, so durch Schwelgen und Vollbretigkeit seinen Leib zu einer Pfützen gemacht hat, da alle Feuchtigkeit und Flüsse hinein geronnen. Habt ihr nie gesehen, daß den Todten die Haare unnd Nägel gewachsen sind, sonderlich den jenigen, die Jupiter abwäscht, Apollo salbet und trucknet? Welchen, fragt Venator? Den Gehangenen, meine ich, spricht Buchner, denen die Geister plötzlich umbzwenget und zugeknüfft werden. Hiervon nun kan man merentheils natürliche Ursachen geben; daß aber der Menschen Seelen sich in Gestalt der verblichenen Leiber sehen lassen, ist dermassen klar, daß es[133] keiner läugnen kan, der gleich noch weniger als ihr glaubet. Doch wollen wir den Birgman Rübezal in diese Zahl nicht setzen; dann angesehen, daß er durch Zauberey geruffen wird, so muß er weder eine fromme noch eine verdammte Seele seyn, weil sie beyde biß zu seiner Zeit unter der Handt deß Gottes aller Götter sindt, der sich mit Beschwerungen nicht zwingen lest. So muß es dann der Teuffel seyn, fang ich an. Recht so, sagt Buchner, er ists leibhafftig; wiewohl nicht alles baldt der Teuffel ist, worfür man sich sonderlich bey Nachte zu entsetzen pfleget. Natürlich sind die Flammen oder Irwische umb die Gesümpffe, natürlich die Dünste, so offtmals in der Höhe wie Menschen, wie Thiere und andere Sachen herumb wandern, natürlich in den Leibern, sonderlich gewissen Frauenzimmers, das seltzame Kurren, Zischen, Krehen, Bellen, daß nach Gestalt der Sachen unnd Gänge von der durchdringenden Lufft also geartet wird und unerfahrenen Aertzten eine Nasen drehen pflegt, unnd was dergleichen mehr ist.

Wo bleiben dann die Säuffer, sagt Venator, die so ungewisser Augen, unstetigen Ganges und seltzamer Einbildungen sind? Wann sie den Kopff fallen lassen, so kömpt es ihnen bißweilen für, sie versincken, und wann die Stube ein Radt mit ihnen macht, so legen sie sich nieder und erwischen mit beyden Händen den Boden; bald erhebt sich ein Sturm in ihren Ohren, daß sie meinen, sie sind zur See und schauen, wie weit es noch zu Lande ist; springen wol über ihren eygenen Schatten und sehen ihn für einen Graben, eine Katze für einen Löwen an; in Summa, schlaffen wachende unnd fechten schlaffende, schreyen nach Pflastern und wollen sich verbinden lassen.

Auff diese Weiße wird mancher bezaubert, sagt Buchner; aber ohne Schertz, ihr Brüder, von andern Gespensten redet die gantze Welt unnd von diesem viel Leut die hierumb wohnen, die ihn zuweilen in Form eines schönen Rosses, einer Kröten, eines Rabens, einer Nachteule, eines Bergmännlins, eines Münches unnd dergleichen gesehen haben. Eines Münches? sagt Venator. Warumb nicht? gibt Buchner zur Antwort. Pflegt sich nicht der Teuffel in einen Engel deß Liechts zu verkehren, und hast du nie gehört, daß er dem heiligen Martin in Gestalt deß Heylands der Welt erschienen sey? Muß er dann eben, spricht Nüßler, umb diese Felsen unnd tunckele Hölen seinen Wohnplatz haben? Er ist, antwortet Buchner, ein Vatter der Traurigkeit und bezeuget solches mit den einöden traurigen Oertern, da er zu nisten pfleget. Vielleicht will er ihm hierdurch ein grösseres Ansehen machen, fange ich an, weil ihm nicht unwissend, daß der, so über uns ist, an den stillen unnd einfältigen Orten mit einfältigem Hertzen und ruhigem Gewissen von allen Zeiten her hat wollen geehrt seyn. Solches begehrten die ungöttichen Götter, Rübezales gleichen, daß man ihnen nicht weniger erzeigen solte; wie dann die Alten nicht so sehr helffenbeinerne und güldene Bilder, als dicke Püsche unnd das geheime Stillschweigen darinnen angebettet, ja Wälder, Wiesen, unnd See geheiliget unnd sie mit Nahmen der Götter genennet haben. Die[134] Dacier auch Berge, hebt Buchner an. Freylich, sagte ich, Berge, und die jenigen, so einen Schein der Göttligkeit zu erlangen sich darein verborgen, als Zamolxes und andere. Ich meinte, sagt Venator, du würdest uns dergleichen in deinen weitläufftigen Berichten von den Daciern außführlich machen. Zwar ich weiß nicht, ob es mir wie jenen Bergen gehen möchte, gebe ich zur Antwort, die nach langem Gebehren eine Mauß zur Welt brachten. Wie ich mich aber anjetzo mit meinem Zustandt und der Zeit Gelegenheit genungsam geschützt zu seyn befinde, so hoffe ich, soll ich leben, ich will erweisen, daß ein Hirt mehr als weyden, und ein Poet mehr als lügen kan.

Unter wehrendem Reden, als wir zwischen der Trennung zweyer Hügel, dahin wir uns durch Hecken und Gestäude mehr einen Weg gemacht, als gefunden hatten, gerichts eingiengen, erblickten wir hinter den Birckenbäumen unnd Eychen eine grüne Wiese, auff welcher von einem andern Ort her ein altes Weib mit grauem Haupte, zitterndem Gange, krummen Rücken und einem Korbe darauff fast gekrochen kam. Wir winckten einander und legten uns unvermerckt in die Sträuche nieder, zu erfahren, was die redliche Mutter guts machen würde. Sie war fast in die Mitten an einen Scheydweg zweyer engen Stege kommen, da ließ sie ihre geflickte Schauben fallen, strich die hägeren Armen auff unnd fieng mit klingender Stimme also an zu ruffen:


Ist dann kein Mittel nicht, zu zwingen den Gesellen,

Der eine Jungfrau fleucht? Soll dann das Heil der Höllen

Erst sein herfür gesucht? Es muß ja sonsten mir

Gehorchen, was die Welt in See, in Lufft und hier

In ihrer Schoß verbirgt; die Sternen müssen schwitzen,

Der Monde stille stehn und seinen Wagen stützen;

Der Nortwindt legt den Sturm zu meinen Füssen hin,

Der Sommer schneyet mir; es machen, wo ich bin,

Die Todten sich herzu; auff mein Geheisse gehen

Die starcken Eychen fort, die Flüsse bleiben stehen;

Die Klippen sencken sich, die Saate reiffet nicht,

Die Thäler steigen auff, der Schlangen Leib zerbricht,

Die Löwen werden zahm, was gilt, ich wil was finden,

Den wilden Tigersinn genungsam zu entzünden.

Du Dreykopff, Hecate, die älter ist als ich,

Du Geist, der diesen Berg beherrschet, höre mich;

O, Pluto, komm herauff, ich achte nicht der Sachen,

Die meines Alters Volck zu langsam reicher machen;

Ich suche nicht Metall, nicht Jaspis, nicht Demant,

Ein fester Hertz' als er soll werden umbgewandt.

Dieweil kein Krötenblut, noch Drummel in den Rohren,

Noch Federn, so die Eul hat umb ein Grab verlohren,[135]

Noch heisse Pferdebrunst, kein Westerhembde nicht,

Kein Nagel von der Hand, kein Haar, kein Blut, kein Liecht

Zu rathen deiner Treu, o Jungfrau, derer Schmertzen,

Wie hart' und rau ich bin, mir dringen selbst zu Hertzen,

Bey ihm verfangen wil und ich umbsonst gethan

Was Menschen Klugheit weiß, so helffe, was da kan.


Der Glantz deß Himmels, die Sonne, welche, wie wir auß unserm Schatten abnehmen kundten, den Tag biß über die Helffte gebracht hatte, schiene für Schrecken zu erbleichen, kein Geflügel hörte man singen, es regte sich nichts als das Zittern der Bäume, und wir selbsten zweiffelten, welches sicherer were, zu lauffen oder zu bleiben. Sie zoge den lincken Schuch auß, nam ein Tuch über den Kopff, kehrte sich zweymal gegen Morgen und zweymal gegen Nidergang, grub mit einer Sicheln ein Loch in die Erden unnd machte darauff einen Zirckel umb sich her, murmelte auch eine gute Weil eins und anders, das wir nicht verstehen kundten. Hiernach brachte sie auß ihrem Korb allerhand Kräuter, welche sie vermuthlich bey vollem Mondenschein und für Auffgang der Sonnen, auch sonst zu gewissen Jahrszeiten, mit der lincken Handt eingelesen hatte, mengete etzliche Steinlein, wie auch Gebeine von den Todten darzu und rührete mit einer Ruthen alles durcheinander. Also legte sie es auff Wachholterholtz und Eisenkraut, darbey ungebrauchter Schwefel unnd Weyrauch war, zündete es auff, und wie der Lohe in die Höhe schlug, redete sie folgende Wort:


So müssen gleichfals auch desselben Sinnen brennen,

Der von sich selbst nicht wil den treuen Sinn erkennen.


Ferner knüpffte sie einen Haarlocken umb drey Federn von ungleicher Farben und sprach:


Diß sind die Federn hier, so ich zu diesem Wesen,

Auß dreyen Nestern zwar umb Mitternacht erlesen

Vom Vogel, den ich weiß; diß ist sein cygnes Haar,

Das bey dem lincken Ohr' ein falsches Zeichen war

Der Liebe, die er fleucht; die Feder lest das fliegen,

Sein Haar wird jetzt ein Band, er soll mir auch erliegen.


Auff diß sprützete sie dreymal in ihre Schoß, nam ein Bildlein von Jungfrauen Wachs in die Hand, beraucherte dasselbe, bandt ihm drey wüllene Faden von dreyerley Farben umb den Halß und sagte:


Ungrad' ist den Göttern lieb, dreymal ist er auch gebunden;

Dreyer Farben Faden sind umb den harten Halß gewunden.
[136]

Unter solcher Rede stach sie mit einer langen Nadel dreymal hinein und fing an:


Also geh' es auch dem Hertzen

Das ein Weibesbild darff schertzen,


warff es hierüber in das Feuer mit diesem Wort:


Als wie das reine Wachs muß rinnen,

Soll ihm auch schmeltzen Muth und Sinnen.


Nachdem nun alles nider gebrennet war, grieff sie auff die Erden, warff die Asche dreymal übern Kopff, sahe nicht hinter sich und hub wie erstlich mit verbrochenen Worten an zu murmeln. Sie hatte erschreckliche Beschwerungen in dem Maul herumb zu werffen nicht recht angefangen, als sich ein mächtiges Wetter, Schloß, Hagel und Krachen erregete.


Das Liecht ward schwartze Nacht, der Himmel lieff zusammen

In dickes Finsterniß, die Wolcken gaben Flammen

Und eilten hefftig fort, man sahe keinen Tag,

Als wann der grimme Plitz durch einen Donnerschlag

Vorher gesendet kam, der Winde starckes Prausen

Bewegte Wald und Berg mit seinem wilden Sausen,

Die Lufft ward lauter See, der Höllen gantzes Reich

Erregte seine Krafft, die Bäume wurden bleich;


und was mich das Schrecken noch jetzo nicht erzehlen lest. Ich, wie ich zuvor am letzten mich niederlegen unnd dieser vierdten Furie zuhören wollen, also war ich der erste, so von dannen und auff die nechste Strasse zu lieff. Die andern kamen hernach gerennet und hatten mit dem Athem auch fast die Sprache verlohren, wolten den Blättern der Espen, so umbher stunden, am Zittern nichts bevor geben. Eine seltzame Sache, es stundt der Hügel, auff dem wir uns damals befunden, so ferren nicht von dem vorigen Ort, dennoch blickte uns die Sonne mit so einem gnädigen Auge an unnd das Graß umbher war dermassen trucken, daß wir leicht verstehen kunden, wie der Teuffel nicht allenthalben zu gebieten hat, und also in dem Grünen ein wenig Ruhe zu nehmen veranlast worden.

Als wir nun beydes von dem Verlauffe jetziger schrecklichen Künste und sonsten diesem und jenem Unterredung hielten, gefiel uns die Landtart gegenüber liegenden Königreiches sonderlich, als dessen Ebene von dem gemach unnd gemach auffsteigenden Gebirge gleich wie von einem Krantze umbgeben ist unnd das Außsehen eines künstlichen Schauplatzes hat, darinnen etwan die Alten ihre Spiele zu zeigen gewohnt gewesen. Hierüber dann meine drey Mitgesellen in Erwegung jetziger betrübter Läufften auff folgendes Hirtenlied oder Gespreche geriethen.


[137] Venator.


Ist jenes dann das Feldt, liegt dahinein das Landt,

Wo unlengst eine Glut so hoch ist auffgebrandt,

Darvon wir Schäffer auch bey unserm klaren Reine

Sind worden angesteckt? Wir fassen vor im Weine,

Das Vieh gieng in das Graß biß an den Bauch hinein;

Jetzt sehen wir den Krieg für Schaffe, Blut für Wein.


Buchner.


Hat diß Gebirge dann den Nahmen von den Riesen?

Entspringt mein Landesstrom umb diese schöne Wiesen?

Du suchst dir ja den Weg zur Mulde gar zur weit

Und hast auß ihr geschöpfft, o Elbe, Noth und Streit.


Nüßler.


Diß ist der Böhmerwald, daß heissen die Sudeten,

Wie hoch sie aber gehn, so sind doch Angst und Nöthen

Geflogen über sie; du hast nur unser Landt

Vergebens, o Natur, von diesem abgetrant.


Venator.


Wer hette diß gedacht? Noch ist es so weit kommen,

Ein frembdes Glücke hat den Necker eingenommen

Sampt unsrer Hirtentrifft und mich hinweggejagt

Von dessen Bühels Ruhe, wo Jette wahrgesagt.


Buchner.


Ich hette doch vermeint, es solte ja dein Singen,

Dein edler Schäfferthon, dir Gunst und Liebe bringen

Und freye Sicherheit.


Nüßler.


Der Musen Seytenspiel,

Es sey so gut es kan, schafft eben also viel

Bey einer Heereskrafft, als etwan eine Taube

Für einem Adler gilt, der außfleucht nach dem Raube.


Venator.


Es ist ein Berg bey uns, vom Neckar nicht sehr weit,

Er heist der Königsstul, da hat zu mancher Zeit

Von einer Eychen her die Schildkrae angekündet,

Was eben jetzt mein Landt (nicht jetzt mein Landt) empfindet;

Sie hat uns wol gesagt: Ihr Schäffer seht euch für:

Nun milckt man unser Vieh auff eine Stunde zwier;

Die Euter werden schlaff.


[138] Buchner.


Es bleibet nichts bestehen

In dieser gantzen Welt, muß doch zu Rüste gehen,

So offt es Abend wird, der schöne Himmelsschildt.


Nüßler.


Wo Häuser sind, war Feld, es leufft vielmahl ein Wildt,

Da etwan für der Zeit ist eine Statt gewesen.


Venator.


Das Obst ist abgerupfft, der reiffe Wein gelesen,

Die Eycheln fallen selbst, die zarten Rinden hier,

Die Bircken lassen gehn ihr Laub, die grüne Zier.


Buchner.


Die Blumen werden welck, die Weide muß verderben.


Nüßler.


Man schlacht' es oder nicht, so muß das Vieh doch sterben.


Venator.


Den leichten Vögeln wird ihr Leben gar nicht schwer;

Sie fischen in der Lufft gesichert hin und her

Und können stets daheim und in dem Ihren reisen;

Ein Quell giebt ihnen Tranck, der Pusch und Acker Speisen.

Doch müssen sie darvon.


Buchner.


Der rauen Kälte Zeit

Die dringt uns auff den Hals.


Nüßler.


Wann alles überschneyt

Und zugewintert ist, so kompt der Früling wieder.


Venator.


Dann hört man durch die Lufft der Vögel schöne Lieder.


Buchner.


Das Vieh verlest den Stall.


Nüßler.


Die Weide wird verjüngt.


Venator.


Die Blumen finden sich.


Buchner.


Eibelens Fichte bringt

Ein neues Laub herfür.


Nüßler.


Die fromme Bircke blühet.


[139] Venator.


Die Eiche schleget auß.


Buchner.


Der süsse Weinstock siehet

Sich nach den Augen umb.


Nüßler.


Der Obstbaum zeucht sein Kleidt,

Die Blätter wieder an.


Venator.


Das Stadtvolck ist erfreut.


Buchner.


Das Dorff geht auff das Feldt.


Nüßler.


So last uns dem vertrauen,

Der Dorff, Statt, Obst unnd Wein, der Bäume, Feldt und Auen,

Der Vieh und Vögel hegt; sein werther Sonnenschein

Wird nach der strengen Lufft uns desto lieber seyn.


Diß Hirtengedichte ermuntere mich, nicht gar leer auß zu gehen; damit ich aber nicht auß meiner alten Gewohnheit schritte, fing ich also an zu singen:


Meine Freude, die mich bindet,

Ist der List und Kräuter frey;

Zwar sie hat mich angezündet,

Doch ohn alle Zauberey;

Daß mein Sinn sich ihr ergiebt,

Kömpt daher, weil sie mich liebt.

Diese Circe hat beysammen

Ihrer Augen Plitz und Glantz,

Deß Gesichtes helle Flammen,

Das mir meines nicht lest gantz;

Ihre Wörter, die sie weiß

Nemen aller Kunst den Preiß.

Ihre Zier darff nichts begehren,

Was man sonst zu Hülffe rufft,

Darff den Monden nicht beschweren,

Rath nicht suchen bey der Lufft;

Lufft und Monden darff nicht seyn,

Wo schon ist ihr Tageschein.

Welchem nicht zu Hertzen steigen

Dieser Wangen Milch und Blut,

Dieses Reden, dieses Schweigen,

Diese Jugend, dieser Muth,

Der mir meinen Muth zerbricht,

Den bekehrt kein Zaubern nicht.
[140]

Hiernach stunden wir auff und wanderten allgemach durch die Gefilde und Wiesen disseits und nach Mitternacht zu, wo wir erstlich hiesiger Ort einander angetroffen. Im Heruntersteigen sahen wir zwischen den Felsen unnd Hügeln drey tieffe Thäler, darinnen der Schnee, welcher niemals abzugehen pflegt, uns dermassen in die Augen gläntzte, daß wir gleichsamb darvon geblendet wurden. Wir geriethen auch an einem heckichten und wüsten Ort zu einem See, dessen schwartzes und finsteres Wasser, darinnen weder Fisch noch Geflügel gespüret ward, uns fast ein Grausen verursachte. Kurtz darauff giengen wir durch ein lustiges Püschlein, dessen Gelegenheit, wegen der Nähe noch eines andern kleinern Sees, der grünen Bäume, bergab rauschenden Bäche unnd sonderlichen Anmutigkeit einer Herbrige der Waldnimfen, eine Ruhe der Hirten, ein gelehrte Entweichung der Poeten, ein Spatzierplatz der liebhabenden Gemüther zu seyn schiene, wie wir dann an den Stämmen der hohen Bäume unterschiedene Gedancken unnd Tichtungen sinnreicher Geister eingeschnitten funden. Wir kunden uns mit Lesen kaum sättigen, und zwar schiene sich nichts besser zu Reimen als die ungereimte folgende


Sechstine

Wo ist mein Auffenthalt, mein Trost und schönes Liecht?

Der trübe Winter kömpt, die Nacht verkürtzt den Tag;

Ich irre gantz betrübt umb diesen öden Waldt.

Doch were gleich jetzt Lentz und Tag ohn alle Nacht

Und hett' ich für den Wald die Lust der gantzen Welt,

Was ist Welt, Tag und Lentz, wo nicht ist meine Zier?


Ein schönes frisches Quell giebt Blumen ihre Zier,

Dem starcken Adler ist nichts liebers als das Liecht,

Die süsse Nachtigal singt frölich auff den Tag,

Die Lerche suchet Korn, die Ringeltaube Waldt,

Der Reiger einen Teich, die Eule trübe Nacht;

Mein Lieb, ich suche dich für allem auff der Welt.


So lange bist du mir das liebste von der Welt.

So lange Pales hegt der grünen Weide Zier,

So lange Lucifer entdeckt das klare Liecht.

So lange Titans Glantz bescheint den hellen Tag,

So lange Bacchus liebt den Wein und Pan den Waldt,

So lange Cynthia uns leuchtet bey der Nacht,


Die schnelle Hindin sucht den Hirschen in der Nacht,

Was schwimmt und geht und kreucht, liebt durch die gantze Welt,

Die grimme Wölffin schätzt den Wolff für ihre Zier,[141]

Die Sternen leihen uns zum Lieben selbst ihr Liecht;

Ich aber gehe nun allhier schon manchen Tag,

O Schwester, ohne dich durch Berge, Wildt und Wald.


Was ist, wo du nicht bist? So viel der kühle Waldt

Ein Sandfeldt übertrifft, der Morgen für der Nacht

Uns angenemer ist, der Mahler dieser Welt,

Der Lentz, für Winterlufft, so viel ist deine Zier,

Die Schönheit, diese Lust mir lieber, o mein Liecht,

Als das, so weit und breit bestralt wird durch den Tag.


Der Trost erquickt mich doch, es komme fast der Tag,

Da ich nicht werde mehr bewohnen Berg und Wald,

Da deine Gegenwart und die gewünschte Nacht

Der Treu noch lohnen soll; in dessen wird die Welt

Vergessen ihrer selbst, eh' als ich deiner Zier,

Mein höchster Auffenthalt, mein Trost und schönes Liecht.


Laß wachsen, edler Wald, mit dir mein treues Liecht,

Die liebste von der Welt; es schade deiner Zier,

O Baum, kein heisser Tag und keine kalte Nacht.


Sie andern drey lobten das


Sonnet über die Augen der Astree

Diß sind die Augen; was? Die Götter; sie gewinnen

Der Helden Krafft und Muth mit ihrer Schönheit Macht.

Nicht Götter, Himmel mehr; dann ihrer Farbe Pracht

Ist himmelblau, ihr Lauff ist über Menschen Sinnen.


Nicht Himmel; Sonnen selbst, die also blenden können,

Daß wir umb Mittagszeit nur sehen lauter Nacht.

Nicht Sonnen, sondern Plitz, der schnell und unbedacht

Herab schlegt, wann es je zu donnern wil beginnen.


Doch keines; Götter nicht, die Böses nie begehen;

Nicht Himmel, dann der Lauff deß Himmels wancket nicht;

Nicht Sonnen, dann es ist nur einer Sonnen Liecht;


Plitz auch nicht, weil kein Plitz so lange kan bestehen:

Jedennoch siehet sie deß Volckes blinder Wahn

Für Himmel, Sonnen, Plitz und Götter selber an.


Die Unterschrifft war: Der unwürdig Gekrönte zu Ehren dem Nutzbaren. Daher wir abnemen kunden, daß es auff Personen auß dem edelen[142] Mittel der unsterblichen Fruchtbringenden Gesellschafft gemeinet sey. Ob wir nun gleich deß Kletterns und Steigens halben fast müde waren, schätzten wir doch den Gang von dieser Lust wol bezahlt zu seyn; nahmen uns aber für, nunmehr ohn Umbschweiff gerichts einzugehen und den Tag mit Besichtigung deß warmen Brunnens, dessen Ursprung uns von der holdseligen Hercinie erzehlt worden, zu beschliessen. Unterwegs hielten wir allerhand Gespräch von der miltreichen Versehung unnd Güte Gottes, dessen gnädigste Außtheilung ein Land mit dieser, das andere mit jener Eygenschafft und Güte begabet hat.


Hier wächset gern das Korn, da Obst und dorte Wein,

Sabéa schickt Geruch, der Inde Helffenbein;


sagte Nüßler. Sonderlich, fieng Buchner an, hat sich die Magd deß Höchsten, die gütige Natur, an der See, den Flüssen und Quellen außgelassen unnd ihr bestes Meisterstück erwiesen. Das Meer ist ein stetswehrendes Gefährde deß Mondes, wächst mit ihm auff und wird auch mit ihm alt; deß Wassers Gaben aber sind so vielfältig, daß es vom Thales das stärckste Element, aller Dinge Ursprung, eine geseelete Welt, die voller Geister sey, ist genennt worden. In Beotien sollen zwey Flüß seyn, deren einer alle Schafe, so darauß trincken, schwartz, die andere weiß macht. In der Stadt Garamant sol der Brunnen Dubris deß Tags zehen mal eißkalt und deß Nachts zehen mal siedend heiß seyn. In der Larinensischen Gegend sind zwey Brunnen nahe beysammen, von denen der eine alles in sich schluckt, der ander alles außwirfft. Welcher auß dem Clitorischen Brunnen trinckt, soll auch den Wein nur nicht riechen können. In Teno ist ein Quell, dessen Wasser sich unter keinen Wein mengen läst, und ich möchte leyden, daß alle Wässer dieser Art weren.

Man sagt von einem Brunnen in unserm Deuschland, daß wann jemandt eine Henne hinein steckt, die er mit gutem Titul bekommen kan, so sollen ihr die Federn stracks gebrühet werden und abgehen; hat er sie aber gestolen, so bleibt sie wie sie zuvor gewesen. Unsere Reißleut auß Italien wissen von den zweyen Brunnen zu sagen, in deren einem ein Hund stracks sterben, in dem andern bald widerumb lebendig werden soll. In Schottland soll sich ein Wasser in Stein verwandeln. Das habe ich, fieng ich an, im Zips an etlichen Brunnen mit meinen Augen gesehen. Doch ist mir noch seltzamer fürkommen die Pfütze oder das See bey Thorda in Siebenbürgen, welches, ob es zwar von unglaublicher Tieffe ist, dennoch keinen Menschen untersincken läst, er kan schwimmen oder nicht.

Dieses sind Kunstwässer, sagte Nüßler, derer Eygenschafften auch ihrer natürlichen Ursachen sonder Zweiffel nicht mangeln, wiewohl sie bey einem leichter zu ergründen sind als bey dem andern; aber dennoch kommen sie der Fabel deß Elendes dem Menschen also nicht zu staten wie andere, denen die Göttin Higia und die heilsamen Nimfen eine solche Krafft und[143] Art eingepflantzet, welche Nutzbarkeit unnd Frommen bringt. Auß denen ist auch das liebliche Augenquell bey Cicerons Mayergut, so Academie geheissen, darvon sein Freygelassener Laurea Tullius fast dessen Inhalts geschrieben:


Du hochberedter Mann, dem Rom muß schuldig seyn

Die Freyheit und sich selbst und alle sein Latein,

Der Wald hier, der durch dich in neuen Bau ist kommen,

Diß Vorwerg, wo du dir zu schreiben fürgenommen,

Zu suchen deine Ruh, ist schöner als zuvor,

Und diß noch nicht genung; es springt ein Quell empor,

Ein neues Wunderquell, das unter andern Sachen

Ein blödes Angesicht kan klar und lauter machen.

Der Ort, o Cicero, thut dieses alles dir,

Der edle Brunnen quillt nur wegen dein herfür,

Dann weil man weit und breit dich lesen wird auff Erden,

So muß das Wasser auch der Augen Artzney werden.


Zur Schmelnitz, fing ich an, etzliche Meilen von Caschaw, wird das Eisen durch ein Quell innerhalb wenig Stunden in Schlich und dieser in Kupffer verwandelt. Aber wir haben fast gewonnen, redte ich weiter. Schauet, das feste Schloß zur rechten Handt auff dem hohen Berge ist vorgemelteter Kinast; dort hinein zur Lincken liegt die Kemnitz, welche Ihr Gn. Herr Obrister Schaffgotsch mit einem herrlichen Hause unnd lustigen Gebäuen nicht wenig gezieret hat. Gleich für uns ist der warme Brunnen, den wir uns zu besuchen fürgenommen. Ihr könnet auß der lustigen Gelegenheit deß Ortes, wo nicht ferren so fruchtbare Berge und Hügel ringes herumb, da zu nechst der Zacken, hier die grünen Wiesen sich anmutig zeigen, leichtlich absehen, daß die Natur diß heilsame Wasser in so ein köstliches Landt, als einen fürnemen Stein in einen güldtenen Ring, habe versetzen wollen. Von seiner Art und Eygenschafft lasse ich die jenigen reden, denen der geneigte Phebus die Geschickligkeit solcher Dinge verliehen hat; es komme auch gleich diese Wärme entweder von einem verborgenen Kalcksteine, oder von dem durchdringenden Zwang der Winde, oder von Bestralung der Sonnen unnd deß Gestirnes, oder von der schnellen Fortschiessung und gähem Abfall oder von dem heimlichen Feuer deß Erdreichs, darüber das Wasser lauffen muß, oder von andern Ursachen her, so geben doch die kräfftigen und heilsamen Wirckungen, daß es der Gesundtheit deß Menschen (welcher wegen auch so viel Blumen und Kräuter wachsen müssen, da wir ihr doch mit einen einigen Gewächs am meisten schaden) fürnemlich zum Besten geschehe. Taug diß Wasser wohl zu trincken? sagte Venator. Deß Erdtbeches, Saltzes unnd Schwefels halben, den es führet, ist der Geschmack etwas widerwertig, gab ich zur[144] Antwort, auch den Augen nicht allermassen dienstlich. Die jenigen aber, welche sich etwan an unreinen Weibesbildern verbrennt haben, wil es gar nicht leiden, und melancholischen unnd colerischen Leuten bringt es mehr Schaden als Frommen.

Du bist, fieng Buchner zu mir an, dieser Orten nicht unbekandt. Freylich nicht, sagte ich; ich habe mich vor etzlichen Jahren bey einer hochansehnlichen Gesellschafft zwey Monat über allhier zimlich wol befunden unnd nicht allein das Leben deß stattlichen Kriegesheldens Seyfriedens von Promnitz, darvon Venator ein Urtheil zu fellen pfleget, dessen meine Wissenschafft nicht würdig ist, sondern auch unterschiedene Gedichte, mehrentheils aber in dem Wäldichinn an dem Ufer dort oben, das nechst dem Stege ist, auffgesetzt, daß ich also erfahren, wie auch unsere Musen bey den zarten Najaden nicht unangenehm sind.

Unter wehrendem Gespreche kamen wir durch das Dorff an den Brunnen, von dem wir reden, betrachteten die neue Art des Baues, der seiner Kunde und anderer Weise halben einem heydnischen Tempel nicht ungleich sahe, inwendig aber mit Gemächern und Stuben also eingetheilet war, daß ihrer mehr zu seyn schienen, weder fast der Raum deß Ortes solte leiden können. Mitten innen nun war das berühmbte Quell selbst, daß im Auffschiessen viel kleine Blasen empor warff, an der Farbe aber helle, durchscheinend und auff Art eines weissen Saffirs etwas blaulicht anzuschauen war. Nach dem wir uns nun genungsam ersehen und an dem Wunderwercke der Natur Augen und Gemüte ersättigt hatten, ehreten wir deß glückseligen Quelles halben die anheimischen Nimfen und Wassergöttinnen dieses Orteß, deß schönen Baues wegen aber den werthen Helden Hansen Ulrichen von Schaffgotsch, zu dessen billichem Lobe wir folgendes Innhalts Taffeln an die eussere Wand deß edelen Baues auff zu hencken bey unserem Abschiede, welchen die nunmehr anbrechende Nacht verursachte, sämptlich gelobeten.


1. Nüßler

Hier, wo das kleine Quell mit Einfalt war umbringet,

Daß seiner Adern Krafft in unsern Adern regt

Und beydes Sinnentrost und Leibeswohlfahrt hegt,

Hier, wo ihr Najades in schlechter Einfalt gienget


Und euren Jägerzeug an faule Wände hienget,

Ist worden umb euch her ein neuer Grund gelegt,

Der jetzt das edle Hauß zu euren Ehren tregt

Und der Natur auch selbst nicht wenig Schönheit bringet.


Diß hat der Heldt gethan, dem dieses Ort gehöret,

Der seinen Nahmen zwar mit grossen Thaten mehret,

Doch gleichwohl wird von ihm nicht minder auff die Noth
[145]

Und Lust der Lebenszeit durch dieses Werck geschauet.

Fragt ihr, warumb er es nach Tempelsart gebauet?

Er meint, Gesundheit sey der siechen Leute Gott.


2. Buchner.

An Ihr Fürstliche Gnaden, Ihr Gn. Gemahlinn.


Solt ich das grosse Lob, den Königlichen Schein,

Die Thaten und Verdienst, so von dem werthen Stande,

Der dich erzeuget hat, durch alle ferne Lande

Am liechten Tage sind, recht preisen können? Nein,


Mir sey die Faust dann Stahl, die Feder Demantstein,

Die Tinte hergeholt von dem gelehrten Strande,

Der beym Parnaß entspringt, mein Schiff bleibt an dem Rande

Und lest sich kühnlich nicht in solche Wellen ein.


Wann einer ferner auch die Sitten, den Verstand,

Die Tugend, so du hast, der edlen Gaben Pfand,

Die dir der Himmel schenckt, der gantzen Welt wil zeigen,


Muß höher gehn als ich, wiewol Apollo mir

Mit milden Handen reicht die Leyer, meine Zier,

Muß, Heldinn, überauß wol singen oder schweigen.


3. Venator

Ihr Schwestern, derer Geist auff uns Poeten schwebet,

Anjetzt begehr ich nicht zu eurem Helicon;

Ihr Wassernimfen kompt, sucht einen süssen Thon,

Damit ihr dessen Ruhm, der euch auch ziert, erhebet.


Ihm dancket, daß ihr jetzt das Quell noch schöner gebet,

Seht jung auß, wie ihr seyd, besitzet einen Thron,

Der Schauens würdig ist, da Venus und ihr Sohn

Und alle Gratien und Ruh und Freude lebet.


Du Heldt, dem dieses Bad von Alters zugehört,

Du hast ihm seine Zier durch deinen Bau vermehrt,

Drumb hebt ein weiser Sinn dich billich hoch auff Erden.


Nach dem durch dein Verdienst, durch Thaten, durch Verstandt,

Dein Schuldner worden ist das gantze Vatterlandt,

So muß das Wasser auch von dir begabet werden.


4. Opitz

[146] Auff, ihr klugen Pierinnen,

Lasset uns ein Liedt beginnen

Einem Helden, der euch liebt,

Der bey seinen schönen Flüssen,

Welche sich herumb ergiessen,

Uns auch eine Stelle giebt.


Weiß er gleich mit Rittersachen

Ihm ein solches Lob zu machen,

Das der Alten Nahmen gleicht,

So erkennt er doch, daß Thaten

In die lange Nacht gerathen,

Wann ihr nicht die Hände reicht.


Keine Heereskrafft kan streiten

Wieder die Gewalt der Zeiten,

Das Metall und Eysen bricht,

Kron und Zepter legt sich nieder,

Aber eure schöne Lieder

Wissen von dem Todte nicht.


Herr, wo sind die strengen Kriege

Deiner Ahnen? Ihre Siege,

Ihr Verdienst liegt unbeklagt;

Was schon bleibet unbesungen

Von der Schwestern weiser Zungen,

Wirdt nicht lange nachgesagt.


Unser Phebus muß es bringen

Und mit grüner Jugend dringen

Durch der Eitelkeiten Wahn,

Phebus, der mich angetrieben

Daß ich diß von dir geschrieben,

Was deß Grabes lachen kan.


Deine Blüte, deine Wercke,

Diese ritterliche Stärcke

Fühlet endlich doch die Zeit;

Komm, Heldt, friste dir das Leben,

Komm, Thalia wirdt dir geben

Einen Krantz der Ewigkeit.


Quelle:
Martin Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, Berlin und Stuttgart [1889], S. 107-147.
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