Vielgut

[95] [1629.]


Indessen daß mein Sinn der Welt gemeines Ziel

Vernichten und sein Lob auff etwas stellen will,

Das gut ist und die Zeit deß Lebens gut kan machen,

So komm, o höchstes Gut, du Ursprung guter Sachen,

Deß Bösen ärgster Feind, erwecke mir Verstand,

Verleyhe kecken Muth und schärpffe meine Hand

Zu dringen durch den Neyd deß Volckes von der Erden,

Das sonst mit seiner Schar mein Meister möchte werden

Und Warheit kaum verträgt. Du aber, wehrter Heldt,

O mehr als guter Fürst, dem diese Lust gefällt,

Der du das Gute liebst, von dem ich hier will singen,

Beschaue neben mir, wie nichts an vielen Dingen,

Am Guten Gutes sey, das gut heist und nicht ist

Und wenig diesem gleicht, was du dir hast erkiest.


Der Vatter der Vernunfft unnd Kunst und vieler Wercke

Prometheus hatte zwar auß seiner Weißheit Stärcke

Dem Menschen, welchen er vor ohne Geist gemacht,

Deß Feuers edlen Schein vom Himmel eingebracht,

Durch nütze Dieberey in seines Leibes Höle,

Die erstlich dunckel war, daß also Witz und Seele

Deß Cörpers Wirthe sind, wann Epimetheus nicht

Ein Faß hätt' auffgethan und an das Sonnen-Liecht

Viel Uebel, das uns kränckt, mit Hauffen außgelassen.

Der Arme wolte sich zwar mit dem Deckel fassen,

Zu stopffen diß Geschirr; doch leyder gar zu spat,

Was einmal Lufft bekompt, das gibt auff keinen Rath

Und kehrt nicht wider umb. Seit angeregter Zeiten

Sind Armut, Ueppigkeit, Betrug, Gewalt und Streiten

Und Kranckheit und der Todt geflogen umb und an

Durch alles was der Tag bey uns bescheinen kan.

Prometheus hat uns wol ein klares Liecht gegeben,

Ein Feuer auffgesteckt, dem Rechten nach zu streben,

Zu kennen, was uns dient, sein Bruder aber macht,

Daß schwartzer Nebel sich mit einer dicken Nacht

Umb unser Hertze legt und läßt uns nicht entscheyden

Wohin zu gehen sey; was billich, das vermeyden,[96]

Was falsch ist, suchen wir; worauff deß Menschen Muth

Am meisten sieht und denckt, das heißt sein bestes Guet.


Ein Theil das pfleget sich zum Ertze zu verdammen

Und Höllenab zugehn; da lesen sie zusammen

Das Gold, den reinen Koth, der bleichen Sorgen Kindt,

Deß Glückes Außgespey, den Rauch, den theuren Wind,

Der in die Tugend stürmt. Sie scharren auß der Erden,

Wordurch sie mehr unnd mehr dem Himmel frembde werden,

Darein kein Goldt nicht kompt. Sie holen über Meer

Auß einer andern Welt der Laster Werckzeug her,

Versetzen ihren Halß den Wellen selbst zum Pfande,

Sind Blutarm auff der See umb reich zu seyn zu Lande,

Das weit von dannen liegt. Wo ist dein Sinn und Rath?

Was baust du auff ein Hauß, das keinen Boden hat,

O Mensch, du Glückes-Ball, was haust du auß den Gründen,

Und suchest in der Bach, im Sande deine Sünden?

Was lauffst und rennest du und schwitzest Tag unnd Nacht,

Was trägst du diese Last, die sorgenvolle Pracht

Durch Recht und Unrecht ein? Daß Jason doch ist kommen

An Colchos wilden Strand und hat das Fell genommen!

Nun weiß man umb das Golt und auch umb Hassz und Streit;

Da noch kein Goldt nicht war, da war die güldne Zeit.


Die Götter haben selbst das, was wir Goldt jetzt nennen

Und erstlich Erde war, gar langsam lernen kennen:

Man sagt, daß Jupiter, zu zeigen seine Macht,

Auff einen Feyertag den Plitz herfür gebracht,

Neptun den Dreyzackstab; Minerva trug die Eule,

Die Harpffe Cynthius, Alcides seine Keule,

Die braune Ceres Korn, Pan Pfeiffen, Flora Graß

Und Amor sein Geschoß; ein jeder wuste was,

Mit dem er Meister ward; doch hatte schon für allen

Der grosse Fürst Neptun dem Mittel wolgefallen,

Wo nicht die Erde noch auff ihre Schoß gezeigt.

Wie wann des Tages Zier die Sonne seewerts steigt

Und ihre Strahlen läßt mit einem schönen Blincken,

Daß Landt unnd See sich freut, den süssen Schlaff-Trunck trincken,

So ließ sie gleichfalls auß deß Goldes falsche Pracht,

Dadurch der Himmel auch ihr dienstbar ward gemacht.


Alsbald nimpt Jupiter ihm Goldt zu seinem Throne,

Zum Scepter, den er trägt, die Juno ihr zur Krone,

Mercur umb seinen Stab, der vor nur höltzern war,

Und Pallas umb den Schildt: Der Gott der Krieges-Schar,[97]

Mars, läßt ihm Helm und Schwerd, der Titan seinen Wagen,

Saturn das Siegelhefft mit Goldte gantz beschlagen,

Ja der Gerechtigkeit, die nie geliebt den Schein,

Muß ihre Wage-Schal jetzt selbst vergüldet seyn.

So ist das arge Goldt ein Gott der Götter worden,

Der Himmel geitzet auch und reitzt mit seinem Orden

Den, der bey Gütern darbt, der seinen Feind bewacht,

Sich hasset und liebt Gelt, das blind ist und blind macht,

Lahm kömpt, geflügelt weicht; der sein Gemüthe hencket

An einen güldnen Strick und nie vernünfftig dencket,

Daß dieses, was man kriegt und auch besitzt mit Pein

Und übel leben lehrt, kein rechtes Gut kan seyn.


Was soll ich aber dann von Ehr und Würden sagen,

Darauff ein stoltzer Geist sein gantzes Wolbehagen

Und alle Sinnen setzt? Ist diß das beste Gut,

Wann einer, dem sein Leib, sein eygen Fleisch und Blut

Zum Herren worden ist, deß andern Leib und Leben

In seinen Händen hat, beherrschet nur was neben,

Und nicht was in ihm ist? Diß Fell, diß Ueberkleydt

Kan underthänig seyn; der Sinn bricht durch die Zeit

Und aller Fürsten Sinn, er läßt sich nicht regieren

Von einer frembden Hand, nicht bey der Nasen führen,

Als wie ein armes Vieh, und was du für Gewalt

Hast über seine Haut, das hat auch dergestallt

Ein andrer über dich. Diß wird kein Gut nicht heissen,

Worauff ein böser Mensch sich pfleget zu befleissen,

Der alles Uebel thut, zu treffen auff sein Ziel,

Und wann es troffen ist, schafft, was er kan und will.


Es ist ein grösser Lob, daß gute Leute fragen

Warumb nicht, als warumb dir was wird auffgetragen.

Was kümmert Cato sich, daß etwan ein Vatin,

Ein Narr hoch oben sitzt? Ich bleibe, wer ich bin,

Wann ich zu Fusse geh' und Struma prächtig fehret,

Der zwar so viel nicht kan, doch aber mehr verzehret,

Dann einer, der nichts weiß, als nur verständig seyn.

Du Stock, die gantze Statt die kennet deinen Schein;

Kreuch in ein Löwen-Fell, so reden doch die Ohren;

Durch Hoheit wird der Standt deß Hertzens nicht verlohren;

Die Aehre beuget sich, worinnen Körner sind,

Die auffrecht steht, ist Spreu und fleuget in den Wind.
[98]

Zwar köstlich ist es wol, ein Theil der Welt regieren,

Herr vieler Herren seyn, das Schwerdt und Scepter führen,

Besitzen Gut und Blut, doch ist hier minder Ruh

Als auff der wilden See, die grimmig ab und zu

Mit ihren Wellen jagt und nie vermag zu stehen.

In einem grossen Hoff, wo tausend Leuthe gehen

Zu suchen Gnad' und Recht, da schleichen auch hinein

Gefahr, Betrug und List; es führt der grosse Schein

Viel Schatten hinter sich. Die auff dem Throne sitzen

In voller Herrligkeit und also häuffig schwitzen,

Was meynst du, daß es sey? Der Sommer thut es nicht,

Die Sonne kan nicht hin; was auß der Stirnen bricht,

Ist Arbeit und Beschwer. So viel hier Leute dienen,

Sind ihnen mehrentheils zu Dienste selbst erschienen,

Die ehren nur die Macht deß Fürsten und nicht ihn,

Und wann sein Glücke fällt, so gehn sie auch dahin.


Ist ferrner diß so gut, ein starckes Lob erlangen,

Bekandt seyn weit und breyt, mit grossem Titul prangen,

Der kaum kan auff den Brieff der edlen Ahnen Zahl

Zerstümmelt und zerhackt umb einen gantzen Saal

Mit Wappen und Panir in ihrer Ordnung weisen?

Ich ehre deinen Standt; doch soll ich dich auch preisen,

So lebe ritterlich und laß mich unverlacht,

Ob du gleich edel bist gebohren, ich gemacht.

Wann schon ein gutes Pferdt auß Barbarey nit kommen,

Wann seine Schlacht schon nit von Naples ist genommen,

Das sonst nur edel ist und erstlich trifft das Ziel,

Es habe gleich sein Graß gefressen, wo es will,

So kriegt es doch den Preiß. Die Bilder, die hier stehen,

Von welcher wegen du pflegst oben an zu gehen,

Die ruffen auff dich her und schauen, was du thust;

Folg' ihrer Tugend nach, hast du zum Lobe Lust.


Die Schönheit wird es seyn, die gut genennt kan werden,

Dann alles schön ist gut; das schöne, was der Erden

Allhier nichts schuldig ist, was alles schöne macht,

Was Titans Hauß besternt, was güldner Blumen Pracht

Auff Feld und Wiesen setzt, und Wald auff grüne Hügel,

Was Brunnen Quelle gibt und Vögeln ihre Flügel

Und alles uns verleyht, was schönes an uns ist,

Dasselb' ist schön' und gut. Wer dieses nicht erkiest,[99]

Nicht gut von ihm lernt seyn, der will mit etwas prangen,

Das keiner Hoffart werth. Die rosenroten Wangen,

Der lilienweise Halß, die Augen, dieser Mund

Sind eine schöne Wandt, ein Hauß, das seinem Grundt

Von innen haben muß. An Cedern, an Cypressen,

Am Lorbeerbaume zwar ist keine Zier vergessen,

Die Früchte desto mehr; ein wolgemahltes Weib,

Das nichts zu zeigen weiß, als seinen zarten Leib,

Ist ein gemeiner Raub, dem Mann' ein theures Prangen,

Den Eltern eine Schmach, den Frembden ein Verlangen,

Der andern Frauen Neyd, ein schöner Koth und Wust,

Ein Opffer und Altar der offentlichen Lust,

Und was du haben wilt. Gestalt pflegt auß zu tretten,

Und ist ihr Kuppler selbst; die keiner hat gebetten

Die bleibt am meisten keusch. Es weiß die gantze Welt,

Daß reiner Wille sich mit Schönheit kaum gesellt,

Mit Schönheit, welcher Stahl und grimmes Feuer weichet,

Doch die nicht minder bald zerrinnet und verbleichet,

Wie eine Blume thut, die mit dem Tage steht

Und wan der Abend kömpt mit ihm auch untergeht.


Viel suchen grossen Ruhm und meynen zu bekleiben

Durch Lob, das nimmer stirbt mit Lesen und mit Schreiben,

Und sehen diß doch nicht in ihren Büchern an,

Daß einer, welcher Lob und Ruhm verachten kan,

Sey über alles Lob. Was wilt du dich bemühen,

O Mensch, der Sterbligkeit deß Menschen zu entfliehen,

Wann du die Menschen fleugst, machst noch im Leben dir

Auß deinem Hauß' ein Grab und tichtest für und für

Auff Bücher an den Mayn zur Messe fort zu senden,

Da kluge Thorheit wird von so viel tausend Händen

Durch Land und See geschlept? Bedencke, daß die Welt

Noch einen weitern Raum als Teutschland in sich hält,

Und Holland auch darzu. Vermeynst du, daß dein Wesen

Madrill, Pariß und Rom pflegt sonderlich zu lesen,

Da mehr Gehirne wächst? Drückt an Quinsai Bach

Deß Landes China Volck dir deine Träume nach?

Kennt Nilus deine Hand? Sey sicher, dieses Schlachten,

Das keiner Völcker schont, wird deiner Kunst nit achten;

Die Weißheit nem' ich auß, die Noth und Tod zerbricht;

Wer diese Kunst nicht kan, der kan gar keine nicht.
[100]

Noch hab' ich nie gesagt von Epicurus Söhnen,

Der rauen Art, die Gott und Menschen pflegt zu höhnen

Und schätzet ihren Bauch für Gott und für ihr Gut;

Denselben opffert sie den Wein, der Erden Blut,

Und lebet so dahin, als dörffte sie nicht sterben

Und stirbt, als sey hernach kein Leben mehr zu erben;

Sie denckt nicht eines an, daß ihre Schwelgerey

Der blossen Dürfftigkeit und Kranckheit Mutter sey.


Was klaget doch so sehr deß Volckes Lentz, die Jugendt,

Der Tag verlauffe sich und sey zu kurtz zur Tugendt?

Die selbst fleugt für der Zeit und nicht die Zeit für ihr.

Was scheubest du viel auff? Dein heute das ist hier,

Nicht lebe morgen erst. Du must das wilde Fressen,

Den Wein, der Venus Milch, die Venus auch vergessen,

Zu leben nach Gebühr. Was deine Gurgel heißt,

Worauff ein Bauersmann und Schiffer sich befleißt,

Was See und Acker trägt, das wird gezeugt zum Leben

Und bringt das Leben umb; wilt du dem Leibe geben,

So frage die Natur. Man soll, daß uns der Wein

Nicht Schaden bringen mag, ihm selber schädlich seyn,

Und Bach darunter thun. Die Vollheit lehret hassen,

Entdeckt, was dunckel ist, pflegt Argwohn außulassen

Und alles, was nit taug: sie schärpfft die schnöde Brunst,

Die Liebe, welche nichts von einer Himmels-Gunst,

Vom besten Guten weiß. Dann wohnet solchen Dingen

Auch etwas Gutes bey, die bösen Außschlag bringen?

Die Liebe sucht in Müh' und Arbeit ihre Ruh,

Im Schmertzen ihre Lust, schleußt dessen Hertze zu,

Der ihr die Augen gönnt, heißt Knechte nach den Frauen,

Den Edlen nach der Magdt, den Greiß nach Jungen schauen,

Beschönt, was graulich ist; sie wird in Angst begehrt,

In Hoffnung fort gepflantzt, in Furchtsamkeit gewehrt,

Und Eckel folgt ihr nach: Die Röhte, dieses Blicken,

Der Schweiß, das Hertzenweh, diß Auff- und Niderschicken,

Der Säufftzer zeiget ja, daß ihre beste Frucht

Ein wahres Stücke sey der rechten schweren Sucht.


O Gut, o böses Gut, was kanst du denen geben,

Die deine Folger sind und dir zu Dienste leben!

Du Wollust, wann du mir zu schauen hast gebracht

Die Furche, die ein Schiff auff wilder See gemacht[101]

Und eines Adlers Flug, so will ich dir auch finden

Den Weg, auff welchen du gewohnt bist zu verschwinden

Und nimbst mit dir dahin die Blüte von der Zeit,

Vor welche du nichts gibst, als Armut, Schmach unnd Leyd.


Komm mit mir, wann du kanst; ich will dir etwas weisen,

Darnach du nicht erst darffst biß in Peru hin reysen,

Wo solcher Werckzeug wächst, darauff dein Volck sich fleißt.

Komm mit mir an den Orth, der Vielguet ist und heißt,

In unserm Schlesien, dem jetzt nicht reichen Lande,

Das dennoch Vielguet hat; schau an dem kleinen Strande

Der Weyde dessen Ruh, der seinen Sinn gesetzt

Auff etwas, das den Leib und Sinn zugleich ergetzt.


Vergönne mir, o Trost des Landes, dein Verweylen

Und angenehme Lust auch andern mit zu theylen;

Ein Fürst, ein hohes Haupt, ist ein gemeines Gut,

Kan nicht verborgen seyn, und was er sagt und thut,

Ja fast auch bey sich denckt, zerbricht und wider bauet,

Das wird von Jung und Alt begierig angeschauet

Und hin und her geweltzt. O wol dem, der wie du

Kein anders nicht beginnt, als wo das Volck darzu

Mit Hauffen rennen mag und auff die Wage setzen

Das Leben, so er führt! Ein Stein pflegt Stahl zu wetzen,

Die Obrigkeit ihr Volck; ein Mensch wie ich, der fällt

Und steht auch heimlich auff, ein Herr für alle Welt.


Wohin nun soll ich wol die Augen erstlich senden?

Dein Vielguet, edler Fürst, das ist an allen Enden

Ein Vielguet, wie es heißt, ein Wohnplatz aller Ruh,

Ein Außzug der Natur und trifft dem Namen zu,

Als wie der Name dir. Hier hast du auffgesetzet

Ohn Hoffahrt, nicht ohn Lust, ein Hauß, das dich ergetzet

Und deine Sorge kühlt, so durch dein hohes Ampt,

Durch unser Vatterland und durch uns allesampt

Dir stets wird auffgelegt. Was wolt ihr Menschen bauen

Biß nach den Wolcken zu? Was laßt ihr Marmor hauen

Mit solcher theuren Kost? Worzu taug dieser Pracht?

Was mauret ihr euch ein? Die Unschuld wird bewacht

Von ihrer Frömmigkeit. Was wolt ihr euch beschliessen,

Verriegeln umb und umb, und fürchtet das Gewissen,

Das mitten in euch wohnt? Was hilfft es, daß die Wandt

Von aussen schöne sey, und drinnen fehlt Verstandt,[102]

Deß Hauses bester Schmuck? Es ließ ihm Nero machen

Gar einen güldnen Hoff, darein von allen Sachen

Nichts Schlimmers kam, als er, der Wust, der schnöde Grauß,

Der gantzen Erden Spott. Hier ziert der Herr das Hauß,

Das Hauß, so ferren liegt von Falschheit, von dem Neide,

Der in Pallästen wächst. Der stille Strom, die Weide,

Laufft ringes hier umbher und wird doch kaum gehört;

Und dieses hat ihn auch sein Hertzog selbst gelehrt,

Das Bildt der Gütigkeit. Hier wohnen die Najaden,

Der keuschen Nymphen Chor, so mit den Schwanen baden,

Die unser Phebus liebt, weil keiner, wie man sagt,

Wann Zeit zu sterben ist, sich über diß beklagt,

Was Todt genennet wird: sie fangen an zu singen

Ein süsses Grabe-Lied und gehn von diesen Dingen

Mit solcher Frölichkeit, als ihnen auch bewußt

Wie uns und kündig sey, daß dieser Erden Lust

Zergeht und eytel ist. Hier sieht man frölich irren

Umb ihre Körbe her mit einem süssen Kirren

Der frommen Tauben Schar; hier Vieh und Herde gehn

Auff ihre Weyde zu; hier schöne Rosse stehn

Durch ihren gantzen Stall. Geliebt dir zu spatzieren?

Hier kanst du dich zur Lust der Gärten lassen führen,

An welchen die Natur nicht wenig hat gebaut

Und reichlich sich erzeigt. Hast du auch sie beschaut,

So nim der Wiesen war; hier lebet auff den Teichen

Der Endten zahmes Wildt; hier sind die hohen Eichen,

Der Pusch, so allerseits den gantzen Orth umbringt,

Wo Pan, der Waldtgott, selbst mit seinen Faunen singt

Und umb die Stauden tantzt, wo manche Drias gehet,

Und durch ihr kühnes Lob den starcken Sinn erhöhet,

Der alle Liebes-Brunst getrost verlachen kan,

Wo manches schnelles Wild auff seiner freyen Bahn,

Die ihm sein Herr gezeugt, der einig Macht zu schonen

Und Macht zu nehmen hat, mag ungehindert wohnen,

Mag lauffen hin und her. Du immergrüner Waldt,

Ihr Bäume Jupiters, der Hirschen Auffenthalt,

Der leichten Hindin Ruh, ihr Häuser der Geflügel,

Ihr frischer Hitze-Schirm, ihr Thäler und ihr Hügel,

Ihr Wiesen, Pusch und Feldt, ihr Ort der Einsamkeit,

Wer euch besuchen kan, wer seine stille Zeit

Mit eurer Lust vermengt und läßt sich diß ergetzen,

Was ihm sein Schöpffer gibt, den muß man selig schätzen,[103]

Muß preysen seine Lust, es mag deß Glückes Schein

Und dieser Zeiten Lauff gleich noch so böse seyn.


Ihm wohnt viel Gutes bey und seinem gantzen Leben;

Wann sich die Sonne will auß ihrer Ruh erheben

Und schickt die Morgenröth im Kühlen vor ihr her,

So steht er auff mit ihr, sein Haupt ist ihm nicht schwer

Von einer frembden Last; er pflegt sich an zu legen,

Zwar sauber, doch nicht stoltz, mit seinem Morgensegen,

Und ruffet dessen Schirm zum allerersten an,

Ohn welchen weder Mensch noch Thier sich regen kan,

Der alles schafft und ist; ihn lobt er mit dem Munde

Und mit dem Hertzen auch, und bringt die erste Stunde

Mit seinem Helffer zu. Auff dieses, wo sein Sinn

Und nicht ein andrer will, da geht er selber hin,

Verwündschet, daß ihn Gott auch ferrner also treibe,

Zu leben, wie er heischt, und bey gesundem Leibe

Gesundes Hertze sey, nimbt also frölich für,

Was seines Amptes ist, verfähret nach Gebühr

In allem, was er schafft, und läßt ihm sein Gewissen

Mit Sachen, die ihm nicht gebühren, unzerrissen

Und treibt sie also fort, daß auch der helle Tag

Diß was er redt und thut und denckt bescheinen mag.


Kömpt dann das Mittagsmahl, so pfleget er zu leben

Von diesem sonderlich, was ihm sein Gut gegeben,

Was etwan auff der Jagt sein Windspiel hat gehetzt,

Darmit er vor den Muth, jetzt auch den Leib ergeßt,

Was ihm sein Teich gebracht, ißt seinen reinen Bissen,

Nimbt seinen klaren Trunck mit redlichem Gewissen,

Ist sicher, daß kein Gifft auff dessen Tafel kan,

Der seine gantze Zeit dergleichen nichts gethan,

Das Gifftes würdig ist; ihm wird ein Glaß gereichet,

Nicht zwar, darvor ein Mensch verschwartzet unnd erbleichet,

Ein helles Cristallin, darauß ihm, wann er trinckt

Deß Bacchus schöner Glantz biß in die Augen blinckt.


Er siehet frölich zu, wird eines außgestochen,

Das Muth zu reden macht; als wie vor wenig Wochen

Die güldne Stutte war, die, also ritterlich

Ich meinen Mann gewehrt, mich dennoch neben sich

Fast hätte hingelegt. Der Wein erfrischt die Alten

Und weckt die Jugend auff; ich kan darvon nichts halten,[104]

Das einer gar kein Glaß in seine Fäuste nimbt

Und zu der Sicherheit deß Lebens nüchtern kömpt.

Es heißt uns die Natur mit Masse mässig leben,

Die ihrer Güter Schar nicht hat umbsonst gegeben:

Wer seine Zeit vollführt, wie jetzund wird gesagt,

Der weiß, was sich geziembt, sitzt, wie es ihm behagt,

Heißt wegthun, wann er will, erträgt nicht Zanck unnd Streiten,

Das voller Sinn gebiehrt, läßt doch den Frölichkeiten

Beym Essen ihren Platz, thut alles nach der Lust,

Die dieses Reichthumb hat, ihm selbst seyn wol bewust.


Im Fall er also dann mit Ruh ist auffgestanden,

So nimbt er nachmahls auch kein anders unterhanden,

Als einig, was ihn Gott und sein Gemüte heißt;

In dem der Hundes-Stern anjetzt so hefftig gleißt,

Und Feldt und Wiesen kocht mit seiner schweren Hitzen,

Erkiest er ihm ein Orth, an dem er frey kan sitzen,

Liegt etwan bey ein Quell, sucht Schatten an der Bach,

Spatziert umb ihren Strandt den kühlen Bäumen nach

Und bringt die Stunden hin mit ehrbaren Gedancken,

Die immer eines sind, nicht augenblicklich wancken,

Als wie ein schwaches Schiff, das, wo der Wind hin steht,

Den blinden Wellen nach mit vollem Segel geht.


Indessen will nun fast das grosse Liecht der Erden,

Das Auge dieser Welt, wie wir auch, schläffrig werden,

Da nimbt er widerumb das Nachtmal also ein,

Daß wol zu sehen ist, den Tag ein mal satt seyn

Sey der Natur genung; legt dann darauff sich nider

Und allen Kummer auch, danckt seinem Schöpffer wider,

Befiehlt ihm Leib und Geist, der ihn die gantze Nacht,

In dem er ruhig schläfft, gar vätterlich bewacht.


O drey und vier mal ist ja selig der zu nennen,

Der also leben kan und keinen besser kennen

Nicht lernet als sich selbst; der, was sein Standt und Zeit

Nur immer leyden will, mit stiller Einsamkeit

In dem, was sein ist, lebt, und bey sich kan vernichten,

Wo Ruh und Einfalt wohnt, worauff die Leute tichten,

Das nichts als eytel ist. Was nutzt ihn der Demant,

Daß viel zu theure Glaß, an seiner werthen Hand?

Kan etwas, das nicht lebt, deß Menschen Glieder zieren,

Der Seel' unnd Sinnen hat? Der Raub von wilden Thieren,

Der Würmer Webe-Garn, soll dieses Hoffart seyn?

Habt ihr nichts Eygnes nicht, muß euer gantzer Schein[105]

In dem, was flüchtig ist und ausser euch bestehen?

Den Höchsten hat beliebt euch gleichfalls zu erhöhen;

Ihr aber schätzet euch noch minder als ein Thier,

Dieweil ihr ja von ihm entlehnet eure Zier

Und seine Schuldner seydt. Wer an dem Orte wohnet,

Wo Demut Wirthin ist, der bleibet gantz verschonet

Von solcher falschen Pracht und Gauckeley der Welt,

Die nur gemeiniglich von nichts am meysten hält.


Er fraget von ihm selbst sein Hertze, das nicht leuget,

Nicht Schmeichelworte giebt, und wann er je betreuget

Mit einer guten List, so stellt er auff ein Wildt,

Auff keinen Menschen nit. Er zeugt kein falsches Bildt

Für sein Gesichte her, er redet, was er dencket,

Und dencket, was er redt, hat nichts bey sich versencket,

Das andern Schaden bringt, er führt sein Hertze bloß,

Sein Hertze, welches ja ein Schutz, ein starckes Schloß

Und freyer Hafen ist. Er zähmet seine Sinnen,

Die nur sehr irrdin sind, und führet sein Beginnen

Auß ihren Augen weg, sein Geist sieht über sich

Und weiß, daß diese Last der Zeit, so ihn und dich

Von allen Seiten drückt durch Leyd nicht ist zu wenden;

Drumb nimbt er, was Gott schickt mit außgestreckten Händen,

Mit eysernem Gemüt und allen Freuden an,

Erkennt, daß beydes er kein Uebel leyden kan

Und auch kein Uebel thun, verhenget böse Sachen,

Braucht Ruten unnd auch Schwerdt, die Bösen gut zu machen,

Die Guten besser noch, zu prüffen, wer ihn liebt,

Und wer ihm Hertz und Sinn in beydem Glücke giebt.


Ein armes junges Kind nimbt offtermals ein Messer

Und spielet umb sich her, ein Vatter weiß es besser,

Beraubt es ohn Gefahr; so thut der Vatter auch,

Der alles hat erzeugt, und reißt uns den Gebrauch

Der scharpffen Güter auß, darein ein Mensch sich stechen,

Ja Seel' und Halß zugleich darüber köndte brechen.

Wie bitter er auch ist, so nim den Tranck nur ein,

Den er, dein Artzt, dir reicht, wo du gesund wilt seyn.


Ein Leben, das von Noth, von Creutze nicht kan sagen,

Dem alles auff der Welt ergehet mit Behagen,

Ist wie ein todtes Meer, das gantz steht unbewegt

Und niemals an das Landt mit seinen Wellen schlägt.[106]

Ein Fechter fordert auß, ein Landtsknecht liebt das Kriegen,

Ein weiser Mannes-Muth will über Unglück siegen,

Begehrt den Feind zu sehn; er steht, wann alles fällt,

Und schlügen schon vielleicht auch Stücke von der Welt

Auff seinen Halß herab; er kan mit grossem Hertzen

Vernichten Furcht unnd Trost, zertretten Noth unnd Schmertzen,

Stirbt ab der Sterbligkeit, ist seines Lebens voll

Und hoffet auff den Tag, an dem er wandern soll.


Und solches kömpt daher, daß diese trübe Höle,

Diß Sünden-Nest, der Leib, an seiner reinen Seele

Die minsten Kräfften hat, der Seele, welcher Glut

Nach ihrem Himmel steigt, wie sonst ein Feuer thut,

Das freye Lufft bekömpt; die nicht ihr Gut auß Sachen

Erzwingt, so sterblich sind und gleichfalls sterben machen,

Die alles Gut und Lust nur in sich selber sucht,

Da Freuden ohne Leyd und Reichthumb ohne Flucht

Beständig wohnen kan, die ihren Heyland kennet,

Die hertzlich Tag und Nacht für seiner Liebe brennet,

Mit ihm sich gantz vergnügt und jetzt schon zu voran,

Worauß sie kommen ist, im Himmel wohnen kan.


Diß Gut ists, was ihm hier ein frommer Sinn begehret

Und was das höchste Gut nach Wündschen ihm gewehret,

Derselbte, dem er Gut und Leben in die Lufft

Mit allem Willen streut und kompt, so bald er rufft.


Quelle:
Martin Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, Berlin und Stuttgart [1889], S. 95-107.
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