5. An der Liebsten Vatterland

[25] Du allerschönster Ort der Flüß unnd kalten Bronnen,

Dahin sich alle Zier und Lust hat eingestallt,

Dahin sich alles Gut begeben mannigfalt,

So jemals worden ist beschienen von der Sonnen;
[25]

Du allerschönste Statt, du Haus der Freud und Wonnen,

Princessin aller Städt' an Reichthumb und Gewalt,

Doch mehr, weil du erzeugt meins Lebens Auffenthalt,

Der keine Schätze nicht vergliechen werden können.


Verzeihe mir, du Stadt, darinnen ich gebohren,

Hier hab' ich mir zu seyn inkünfftig außerkohren,

Hieher hab' einig ich mein Hertz' und Sinn gewandt.


Und, ob es mir gleich schwer, daß ich dich werde meiden,

Wil dennoch ich von dir als ihr viel lieber scheiden,

Dann wo mein Leben ist, da ist mein Vatterlandt.

Quelle:
Martin Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, Berlin und Stuttgart [1889], S. 25-26.
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