6. An einen Berg

[26] Du grüner Berg, der du mit zweyen Spitzen

Parnasso gleichst, du hoher Felß, bey dir

Wüntsch' ich in Rhu zu bleiben für und für

Und deine Lust gantz einsam zu besitzen,


Weil du mir auch für aller Welt kanst nützen;

Dann wann ich bin auff deinem Klippen hier,

So seh' ich stets derjenen Ort für mir,

Die für dem Tod alleine mich kan schützen,


Mein' höchste Freud' und meines Lebens Leben;

So weiß ich auch, daß man sonst nirgend findt

Mit solcher Zier ein einig Ort umbgeben;


Natura hat die Lust allher gesetzet,

Daß, die auff dich mit Müh gestiegen sind,

Hinwiederumb auch würden recht ergetzet.

Quelle:
Martin Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, Berlin und Stuttgart [1889], S. 26.
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