An Georg Herwegh

[45] 1843


»Aber wollen mich die Männer

Nicht verstehn, die schwerverirrten,

O so höret Ihr mich Frauen

Traget Ihr ein Schwert in Myrten,

Denn mich dünket: Frau und frei

Nicht so fremd einander klingen

Diese Worte, diese zwei.«

G. Herwegh.


Und den Ruf hab ich vernommen aus dem kühnen Dichtermunde

Und ich nahm das Wort zu Herzen, nahm es für Prophetenkunde,

Fröhlich will das Schwert ich tragen, fröhlich für mein Volk es schwingen,

Jubelnd deutsche Schlachtenlieder, unserm Feind entgegen singen.


Nicht die Kraft ein Schwert von Eisen in der schwachen Hand zu zücken,

Nicht der Mut aus tiefen Wunden blutge Blumen uns zu pflücken.

Nicht die Kunst den Blitz zu lenken aus dem mörd'rischen Geschoß –

Solches ward uns nicht gegeben, solches nicht der Frauen Los.
[46]

Aber wenn Ihr zieht zum Streite für des Vaterlandes Rechte,

Sticken wir die Freiheitsfahne, die Euch leitet im Gefechte,

Schlingen wir um Eure Schultern, schöngewebte Kriegerbinden

Sind es wir die Eure Wunden pflegen, Eure Lorbeern winden.


Doch so lang Ihr Euch nicht rüstet, eine Freiheitsschlacht zu schlagen,

Für die höchsten Menschenrechte eine kühnen Strauß zu wagen,

Doch so lang noch Eure Waffen in der engen Scheide bleiben,

Werden wir es denn vermögen Euch hinaus ins Feld zu treiben?


Alle Mädchen müssen schwören keinen, keinen Mann zu minnen

Der nicht für die Freiheit stritte seinem Volk sie zu gewinnen.

Wie Frau Gertrud einst gesprochen, müßten alle Frauen sprechen,

Als sie Stauffacher den Gatten, hieß der Schweizer Knechtschaft brechen.
[47]

Also, also müßt es werden, könnt ich meiner Schwestern Herzen

So begeistern wie ich selber, fühle meines Volkes Schmerzen.

Könnte ich die kalten Herzen, die nur kleine Qual und Freuden

Füllen und in Schlummer singen, könnt ich sie zum Großen leiten.


Was vermag ein deutsches Mädchen, still und arm in enger Zelle,

Aber frei gleich wie vom Berge niederschäumt die freie Quelle –

Aber singend wie das Vöglein, das sich wiegt in blauen Lüften,

Aber feurig wie der Blitzstrahl, kommt aus dunklen Wolkenklüften:


Was vermag ein solches Mädchen, dies zu schaffen will ich streben

Für die Freiheit für den Fortschritt weihe ich mein ganzes Leben.

Denn mein Herz kennt nur ein Sehnen, nur ein stetig Vorwärtsringen

Und dem Vaterland gehört es und der Freiheit will ich singen.
[48]

Singen, denn im Kampf mit Liedern, denn im Kampf mit kühnen Reden,

Darf auch ich, die Fahne tragend, zu den Gleichgesinnten treten,

Darf mit heil'gem Eide schwören, nimmer mich von ihr zu trennen,

Darf der kriegerischen Muse treu ergebne Magd mich nennen.


Und auf meine Kniee sink' ich – über mir die Fahne wehet:

Bis das Vaterland vereinigt und mit neuem Glanz erstehet:

Schwör ich brünstig im Gebete – will ich nicht vom Banner weichen,

Bis die Frauen gleich den Männern ihrer Heimat wert sich zeigen.

Quelle:
Louise Otto: Mein Lebensgang. Leipzig 1893, S. 45-49.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Jürg Jenatsch. Eine Bündnergeschichte

Jürg Jenatsch. Eine Bündnergeschichte

Der historische Roman aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges erzählt die Geschichte des protestantischen Pastors Jürg Jenatsch, der sich gegen die Spanier erhebt und nach dem Mord an seiner Frau von Hass und Rache getrieben Oberst des Heeres wird.

188 Seiten, 6.40 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon