Einhundert drey und neunzigstes Sonett.

[24] Ich weint', itzt sing' ich, da ihr himmlisch Glühen

Nicht mehr die Sonn' entziehet meinen Blicken,

In der mich sittig Amor läßt erblicken

All' seine süße Kraft, sein fromm Bemühen,

Woraus er pflegte solchen Strom zu ziehen,

Schnell meines Lebens Faden zu zerstücken,

Daß mir nicht Furth, nicht Segel, Ruder, Brücken,

Selbst Fittige nicht gnügten zum Entfliehen.

So tief war und so reich der Thränen Quelle,

So weit das Ufer, daß kaum zu erstreben

Mit den Gedanken war die ferne Stelle.

Nicht Lorbeer, Palmen; Oehlbaums stille Reben

Sendet das Mitleid mir und spendet Helle,

Trocknet die Thrän' und will annoch mein Leben.

Quelle:
Petrarca, Francesco: Italienische Gedichte. Band 2, Wien 1827, S. 24.
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