Zwey und neunzigstes Sonett.

[159] Voll jener Süße, die, nicht auszudrücken,

Aus schönem Aug' in meines übergangen,

Am Tage, da ich's lieber hätt' umhangen,

Um nimmer klein're Schönheit zu erblicken,

Ließ ich, was mir das Liebst'; und mit Entzücken

Ist ganz in ihr des Geistes Blick befangen,

Der, was nicht sie ist, wie aus einer langen

Gewohnheit haßt und ansieht mit dem Rücken.

Zu einem Thale, rings umher verschlossen,

So meinen müden Seufzern Kühlung spendet,

Kam ich mit Amor sinnend und verdrossen.

Da sah ich Frauen nicht, nur Fels und Quelle

Und jenes Tages Bild, das wunderhelle

Vorm Geist mir steht, wohin mein Blick sich wendet.

Quelle:
Petrarca, Francesco: Italienische Gedichte. Band 1, Wien 1827, S. 159.
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