Der Tiger

[79] Ein Tiger scharrte mit geschärften Klauen

Den Leichnam eines Bramen aus,

Dem hinter seinem Palmenhaus

Sein Sohn ein Grab in weichen Tuff gehauen.

Dieß sah der Redliche: mit bangem Grauen

Kam er herbey, vom schauerlichen Schmaus

Durch frommes Flehn das Unthier abzuziehen.

Laß, rief er, laß das heilige Gebein!

Hier ist ein bessrer Raub. Des Tigers Augen glühen;

Er stürzet auf den Jüngling ein

Und reißt das Herz, das Brama nun belohnet,

Ihm aus der Brust. Der Bösewicht!

Doch wer die Todten nicht verschonet,

Verschont die Lebenden auch nicht.

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 3, Tübingen 1802, S. 79-80.
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