Der Inquisit

[75] Es stritten sich im Todesthal

Ithuriel und Belial

Um einen angekommnen Schatten.

Es war ein armer Inquisit,

Den wilde Priester in Madrid

Zu Gottes Preis gebraten hatten.

Der Dämon sprach: Er starb im Bann;

Die Kirche selbst gab ihn der Hölle.

Der Seraph: Redlich war der Mann:

Im Paradies ist seine Stelle. –

Sie kämpften lang, wie Michael

Und Lucifer. Doch würklich neigte

Der Sieg sich zum Ithuriel,

Als sich der Inquisitor zeigte.

Er hob den Hals wie ein Kameel

Und schwang ein Kreuz. Der Schatten bebet

Und schmiegt sich an den Seraph an,

Wie im zertrümmernden Orkan

Der Scheiterer am Felsen klebet.

»Was! rief der Mönch mit stolzem Trutz,

Dem Frevler, den mein Arm geschlachtet,

Weil er den Rosenkranz verachtet,[76]

Gewährt ein Engel seinen Schutz?

Ein Engel! Nein! mich zu verführen,

Hüllt Satan sich in falsches Licht.«

Itzt fieng er an, den Bösewicht

Nach Würden zu exorzisieren;

Allein des Seraphs Flammenblick

Lähmt ihm die ausgestreckte Rechte.

Hilf! heilger Vater Dominik!

Rief er, hilf deinem treuen Knechte!

Der Vater Dominik erschien;

Allein nicht mit dem Fluch im Munde,

Nicht mit den Augen, die, dem Schlunde

Der Hölle gleich, Verderben sprühn.

An ihren Wimpern glänzten Thränen,

Geweint um eine schwere Schuld

Beym Allerbarmer auszusöhnen,

»Mein Sohn! sprach er mit sanfter Huld:

Nicht um den falschen Wahn zu nähren,

Den du von mir geerbet hast,

Nein, um die Täuschung zu zerstören,

Um Schaam und Reue dich zu lehren,

Erschein ich dir.« Der Mönch erblaßt

Und sinkt dem Vater vor die Füße.

»O Sohn! wie viele Finsternisse,

Fuhr dieser seufzend fort, zerstreut[77]

Der große Tag der Ewigkeit.

Vernimm, daß Gott die Sektenstifter,

Die Kirchenräuber, die Vergifter,

Selbst die Erobrer minder straft,

Als die Tyrannen der Gewissen,

Um meine blinde Wuth zu büßen,

Die Myriaden hingerafft,

Muß ich schon seit fünfhundert Jahren

Die bleichen Schatten der Barbaren

Von meiner Zunft dem ernsten Ort

Der Reinigung entgegenführen:

Und eher schließt das Allmachtswort

Der Gnade mir des Himmels Thüren

Nicht auf, als bis zum Heil der Welt,

Dein Richterstuhl in Staub zerfällt.«

Er schweigt und öfnet ihm die Höhle

Der Buße. Stumme Traurigkeit

Begleitet ihn. Zu gleicher Zeit

Trägt der Olympier die Seele

Des Märtyrers ins Paradies.

Ha! rief der Dämon, der die Zähne

Mit stillem Grimm zusammenbiß:

Ein Glück ists, daß die Erdensöhne

Des Muckers Rede nicht gehört,

Dann wüßten erst die Hierarchen,[78]

Inquisitoren und Monarchen,

Was den Verfolgern widerfährt;

Sie steckten bald des Würgens müde,

Das orthodoxe Rachschwerdt ein:

Und macht einmal die Kirche Friede,

Wer möchte da noch Teufel seyn?

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 3, Tübingen 1802, S. 75-79.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Fabeln und Erzählungen
Politische Fabeln und Erzählungen in Versen
Fabeln Und Poetische Erzählungen, Volume 2 (German Edition)
Fabeln Und Poetische Erzählungen, Volume 1 (German Edition)

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Der Condor / Das Haidedorf

Der Condor / Das Haidedorf

Die ersten beiden literarischen Veröffentlichungen Stifters sind noch voll romantischen Nachklanges. Im »Condor« will die Wienerin Cornelia zwei englischen Wissenschaftlern beweisen wozu Frauen fähig sind, indem sie sie auf einer Fahrt mit dem Ballon »Condor« begleitet - bedauerlicherweise wird sie dabei ohnmächtig. Über das »Haidedorf« schreibt Stifter in einem Brief an seinen Bruder: »Es war meine Mutter und mein Vater, die mir bei der Dichtung dieses Werkes vorschwebten, und alle Liebe, welche nur so treuherzig auf dem Lande, und unter armen Menschen zu finden ist..., alle diese Liebe liegt in der kleinen Erzählung.«

48 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon