Der Kater

[111] An Herrn Pfarrer Grynäus.


Ein Kater sah bey einem Schmauß

Die goldgefüllten Römer blinken;

Er sah die Gäste wacker trinken

Und rief in vollem Eifer aus:

O Himmel, welch ein toller Haufen!

Wie schändlich ist es Wein zu saufen,

Uns Katzen ekelt vor dem Wein.

Nur bey den Menschen giebt es Prasser;

Wir löschen unsern Durst mit Wasser,

O lernt von Katzen weise seyn!

Herr Murner, nur nicht so vermessen,

Rief ihm ein Gast mit Lachen zu:

Ich bin so tugendhaft als du,

Denn ich kann keine Mäuse fressen.


Freund, der aus Wahl die Tugend liebt,

Ist der wohl tugendhaft zu nennen,

Der sich den Lastern nicht ergiebt,

Die seiner Lust nicht schmeicheln können?

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 1, Tübingen 1802, S. 111-112.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Fabeln und Erzählungen
Politische Fabeln und Erzählungen in Versen
Fabeln Und Poetische Erzählungen, Volume 2 (German Edition)
Fabeln Und Poetische Erzählungen, Volume 1 (German Edition)