Der Koch

[18] In eines Königs Küchenrathe

War Veit bestallter Großvezier,

Und nach dem Großalmosenier

John Fallstafs treustes Bild im Staate;

Doch gieng er in des Fürsten Gunst

Ihm vor; denn in der seltnen Kunst,

Die wälschen Hähne fett zu mästen,

Glich kein Genie dem dicken Veit

Im ganzen Reich der Wirklichkeit;

Und bey dem Herrn und seinen Gästen

Galt ein gebratner welscher Hahn

Mehr als sein bester Unterthan.

Er füllte stets, dies war die Regel

Des Hofs, wie der Monarch der Kegel,

Das Centrum auf der Tafel aus.

Bey einem frohen Gallaschmaus,

Da Veits Talente Wunder schufen,

Ließ bey dem siebenten Pokal

Der frohe Fürst ihn vor sich rufen.

Erst drängt ein Bauch sich in den Saal,

Und nach und nach die mindre Hälfte

Des Thaumaturgs; ein Pudelkopf,[19]

So führt ihn weiland Carl der Zwölfte

Im Holzstich, formt des Thurmes Knopf.

Begehre von mir eine Gnade,

Sprach der Monarch, getreuer Veit;

Die ganze Welt erfahre heut,

Wie ich der Pflicht der Dankbarkeit

Mich gegen das Verdienst entlade.

Begehre, was du willst. Der Koch

Bückt sich und schweigt. So rede doch,

Rief der Trajan. Kein Glück auf Erden,

Herr König, zeigt mir größern Lohn,

Als Esel oder Narr zu werden

Bey eurer heiligen Person.

Der König lacht; die Schranzen sperren

Den Mund auf. Lacht, so viel ihr wollt,

Schrie Veit; der Hofnarr sitzt im Gold,

Die Esel werden große Herren.

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 1, Tübingen 1802, S. 18-20.
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