Der Basilisk

[152] Zu Satan sprach die alte Schlange:

Ich borgte dir zum Untergange

Des Menschen meinen Balg; allein was war mein Lohn?

Des Rächers Fluch und der noch ärgre Hohn,

Als Wurm auf meinem Bauch zu gehen.

Kann deine Kunst mein Ungemach

Nicht lindern, ha! so mußt du mir gestehen,

Mein Freund, du bist auch gar zu schwach.

Ich kann es und du sollst es sehen,

Rief der Verführer brüllend aus.

Er speyt die Natter an. Aus ihrem Rücken sprießen

Zween Flügel, gleich der Fledermaus;

Ihr Bauch erhebet sich auf gelben Hahnenfüßen

Und zeigt der schauernden Natur

Den grassen Basilisk. Mit höllischem Vergnügen

Schaut Satan auf sein Werk. Die neue Kreatur

Versucht es bald zu gehen, bald zu fliegen,

Und zischt den Rächer aus. Itzt bleibt ihr trunkner Blick

Auf einem klaren Bache kleben:

Sie sieht ihr Bild und fährt zurück[153]

Und haucht bereits ihr junges Leben

In ihres Schöpfers Hand. Allein der alte Wicht

Faßt lachend sie beym Kamm: »was soll das dumme Beben,

Gefällst du dir im neuen Schmucke nicht?«

Der Basilisk erwacht: »vergieb mir meinen Schrecken,

Mein blöder Geist war nicht darauf gefaßt,

Im Körper, den du mir gegeben hast,

So manchen Zug des Deinen zu entdecken.«

Ey nun, ich mach es wie mein Feind

Dort oben in dem Sterngefilde,

Versetzt der Schalk: ich schaffe meinen Freund –

Nach meinem Ebenbilde.

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 2, Tübingen 1802, S. 152-154.
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