Nachwort

Bis hierher reichen die autobiographischen »Denkwürdigkeiten« der Verfasserin; was zur Vervollständigung derselben über ihre letzten Lebensjahre noch hinzugefügt werden muß, läßt sich in wenige Worte zusammenfassen.

Vor allem verdient erwähnt zu werden, daß sie, trotz der Bürde ihrer Jahre, mit wahrer Aufopferung den größten Teil ihrer Zeit der Erziehung ihrer Enkel widmete, ja selbst noch ihnen in Sprachen, Geschichte, Musik usw. Unterricht erteilte; und – was noch mehr als dies alles wert war – durch ihr eigenes Beispiel als Muster strenger Pflichterfüllung in jeder Hinsicht vorleuchtete.

Natürlich nahm in so vorgerücktem Alter ihre literarische Produktivität ab; doch schrieb – außer diesen »Denkwürdigkeiten«, die großenteils erst nach dem Tode ihres Gatten niedergeschrieben wurden – und veröffentlichte sie noch selbst die, unter dem Titel: »Zeitbilder« erschienenen Wiener Sittengemälde, denen sie einige »kleine Aufsätze« beifügte (Wien 1839 – 1841, 2 Bände), und übergab noch kurz vor ihrem Tode eine »Neue Folge zerstreuter Blätter« (Wien 1843, I. Bd.) dem Drucke.

Auch nahm sie fortwährend an den neuen Erscheinungen in der Literatur den lebhaftesten Anteil, so daß z.B. Dr. Frankl, der sie vorzugsweise mit derlei Novitäten versah, über hundert Briefe von ihrer Hand besitzt, worin sie ihm ihre Ansichten und Urteile über die zugesandte Lektüre mitteilt1.[389]

Freilich konnte sie, deren Bildung einer ganz anderen Richtung angehörte und die schon Mühe hatte, mit der sogenannten romantischen Schule sich zu verständigen, noch weniger in die moderne Denk- und Schreibweise sich finden und mit der, auch in der geistigen Welt wie mit Dampfkraft vorschreitenden Entwicklung, den Emanzipationstheorien, sozialen Umgestaltungen und den, alles wieder in Frage stellenden Spekulationen der jüngsten Philosophie und Dialektik sich befreunden. Mit dem Kontraste und dem Mißverständnis wuchsen natürlich auch ihre Mißstimmung und Abneigung gegen die umgestaltende Hast der Jetztwelt, und sie zog sich immer mehr in den engen Kreis ihrer nächsten Umgebung, ihrer Familie und einiger treu gebliebenen Freunde zurück.

Dazu kam noch eine immer mehr zunehmende Kränklichkeit. Ihre Kräfte sowie ihre Gesundheit sanken leider mit jedem Jahre mehr, und nach manchen ängstenden Unterleibsleiden stellten sich sogar apoplektische Anfälle ein. Zwar gelang es mehrmals, diese augenblickliche Gefahr abzuwenden; aber eine gänzliche Erschöpfung, welche die Ärzte Altersschwäche nannten, verhinderte ihre Erholung und machte ihrem Leben am 9. Juli 1843 zum Schmerz ihrer Angehörigen und ihrer Freunde ein Ende. Sie starb, wie sie gelebt, mit der Ergebung und dem Vertrauen eines frommen, gläubigen Gemütes.

Ein einfaches, aber von der dankbaren Liebe ihrer Hinterlassenen geweihtes Grabdenkmal bezeichnet die Stelle, wo ihre sterbliche Hülle auf dem »großen Währinger Kirchhofe« ruhet.

Was auch immer die unbestechliche Nachwelt für ein Endurteil über Karoline Pichler als Schriftstellerin[390] feststellen mag, das über ihren rein menschlichen Wert, wie es die ihr näherstehenden Zeitgenossen mit einstimmiger Anerkennung ausgesprochen haben, kann sie nur bestätigen.

Sie war im vollsten Sinne des Wortes ein deutsches Weib; einfach-natürlich, tiefgemütlich, klar und wahr und stets eingedenk, daß, wie die Bestimmung des Mannes in der Bildung und Entwicklung der gesellschaftlich-staatlichen Verhältnisse, die Lebensaufgabe des Weibes in der Erhaltung und Veredlung der Familienbande und der häuslich-geselligen Zustände besteht.

Kurz sie hatte – was den geistreich-blendenden, genial-überschwenglichen, den »großen begabten Naturen« unserer Tage nur oft zu sehr fehlt–Gesinnungsreinheit, Willenskraft und Charakterstärke.

Daher hat sie sich auch in diesen »Denkwürdigkeiten« nicht bloß in der sorgfältigen Toilette der Schriftstellerin oder in dem Salonkostüme der berühmten Frau, sondern auch in dem schmucklosen Hauskleide der Familienmutter, ja selbst im Bußgewande der reuigen Christin zeigen wollen, und auch hier galt ihr, wie in ihrem ganzen Leben, dessen treues Spiegelbild diese »Denkwürdigkeiten« eben nur sein sollten, Wahrheit über alles.

Fred. Wolf.

1

Einige davon hat er bereits in seinen »Sonntags-Blättern« bekannt gemacht.

Quelle:
Pichler, Caroline: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben. 2 Bände, Band 2, München 1914, S. 391.
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