Dritter Auftritt.

[28] Der Schauplatz stellet einen Theil vor von einem Gartenunweit dem Berge Rhodope in einem lustigen Gefilde und Walde.

Eurimedes. Orpheus.


EURYDICE.

Ist hier Cephisa nicht? Ist hier mein Orpheus nicht?

Mein Freund, wo find' ich dich? Wo find' ich dich, mein Leben?

Cephisa, gönne mir dein holdes Augen-Licht![28]

Dein Antlitz kann allein in dieser Einsamkeit,

Da Orpheus Gegenwart mich nicht erfreut,

Mir allen Trost und alle Freude gehen.

Jedoch wo find' ich dich? wo find' ich dich, mein Leben?

Aria.


Augeletti, che cantate,

Zeffiretti, che spirate,

Aure dolce, intorno a me;

Il mio ben dite dov' é:


Ihr Vögelchen die ihr singet

Ihr Zephirsdie ihr lispelt

Ihr angenemen Lüffte die ihr

um mich herum spielet

Saget: wo hält sich mein Leben auf?


Er bekömmt den Orpheus ins Gesicht welcher für sich ganz traurig sitzet.


Wie freu' ich mich, mein Freund, dich wiederum zu sehen?

Doch warum so betrübt? Orpheus. Ach laß mich itzt allein,

Um meinen Jammer-Stand mit Seufzen zu beklagen.

EURYDICE.

Allein? Ich will mit dir dein Glück und Unglück tragen.

ORPHEUS.

Dadurch wird meine Qual ja nur vergrössert seyn.

EURYDICE.

Sieht Orpheus mich nicht gern bey sich?

ORPHEUS.

Geh, laß mich doch allein! dein Hierseyn quälet mich.

EURYDICE.

Wo bleibt das Frenndschafts-Band, das mich und dich

So fest umstrickt? Orpheus Verzweiflung bey dem Lieben

Lässt sich durch nichts mehr trösten.

Was vormals mich vergnügt, macht itzo meine Pein

Am allergrösten.

Nichts soll hier anders um mich seyn,

Als meine Leyer, mein Betrüben,

Und dann ein sehnlichs Angedenken.

EURYDICE.

So willt du nie dein Herz auf deinen Freund mehr lenken?

Jedoch ich liebe dich gleichwol,

Und wenn ich auch dich niemals sehen soll.

Aria.


DER CHOR.

Wanket / ihr leichten und flüchtigen Sinne!

Hier ist ein beständigs Herz.

Meine Treue weiß nicht zu wanken;

Glück und Unglück; Freud' und Schmerz

Aendern niemals meine Gedanken.[29]


Quelle:
Georg Philipp Telemann: Die wunderbare Beständigkeit der Liebe, [Hamburg] [1726], S. 28-30.
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