Warum?

(1841)


Wär es ein Roß, das mit verhängten Zügeln

Erdwärts den Reiter schleudert aus den Bügeln:

Die Mähne fliegt, die heißen Nüstern dampfen,

Die Adern beißt es mit dem eignen Zahn,

Rings dröhnt das Tal von seiner Hufe Stampfen

Und, gleich dem Sturmwind, fliegt es seine Bahn:

Wär es ein Roß, ihr würdet es nicht wagen,

Zum Stall zurück das freie Tier zu jagen.


Wär es ein Sturm, was jetzt die Erde rüttelt,

Mit ehrner Faust der Bäume Kronen schüttelt:

Da kracht der Wald, da stürzen eure Mauern,

Da schäumt der Gießbach durch die wüste Flur,[179]

Und atemlos, als wie in Fieberschauern,

Gebeugten Knies, lauscht zitternd die Natur:

Wär es ein Sturm, mit ängstlicher Gebärde,

Das Haupt bekreuzend, lägt ihr an der Erde.


Ja wenn's ein Feuer wäre, was hier lodert

Und unerbittlich seine Opfer fordert:

Hoch wallt der Dampf und lust'ge Funken sprühen,

Beschwingte Drachen, durch die Nacht daher,

Die Erde seht ihr, seht den Himmel glühen,

Wohin ihr schaut, ein einzig Flammenmeer:

Ja wär's ein Feuer, mit gesenkten Händen,

Ihr grimmig Werk ließt ihr die Glut vollenden. –


Und doch das Roß ist nur ein Tier, nichts weiter,

Und leicht bezwingt es der gewandte Reiter;

Lahm wird der Sturmwind, mit gebrochnen Schwingen,

Ein müder Vogel, sinkt er in den Sand,

Und wenn des Wassers linde Quellen springen,

Erlischt zuletzt der fürchterlichste Brand –:

Die ihr euch feig vor Roß, Sturm, Feur' bewiesen,

Den freien Geist, warum bekämpft ihr diesen?


Quelle:
Robert Eduard Prutz: Zwischen Vaterland und Freiheit. Köln 1975, S. 177-180.
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