Des Thirsis Vereinigung mit Damon und Doris den Himmel zu besingen

Ein grosser Geist, der Sternen Erb und Sohn,

Genießt, o Freund, in ewig hellen Sphären,

Weit von der blinden Nacht der tiefen Welt,

Der heiligsten Tage.


Die Ehr erweckt die weise Jugend schon,

Der väterliche Trieb des holden Himmels

Wacht stets um ihn, und stöhrt unruhig stets

Vergiftendes Schlummern.
[38]

Mit weichem Arm zerreißt er schon das Band

Der Vorurtheil und niedrigen Begierden;

Er ehret nur das himmlische Gesetz

Der Weisheit und Tugend.


Durch sie gestärckt, hebt er sein siegend Haupt,

Vom Sonnenlicht erhellt, aus Dunst und Nebel.

Die Ewigkeit zeigt von des Himmels Höh

Die Fackel und Palme.


Er steigt und singt das Lob des Ewigen;

Es schalt sein Lied von allen Sternen wieder.

Der Pöbel sieht den Glantz der hohen Bahn,

Er sieht ihn und bellet.


Wohlan, mein Freund, laß deine Flügel nie

In jener reinsten Luft ermüdet werden.

Dein Thirsis folgt, sieh, er versuchet schon

Die wachsenden Schwingen.


O Damon, nichts zerreisset unsern Bund,

Ein gleicher Weg wird beyder Spuren führen.

Getrost, es grünt des Tempels Höhe schon

Mit ewigen Bäumen.


Komm, Doris, komm, durch deine Freundlichkeit

Verklären sich die allertrübsten Wolcken.

Komm, würdige mit tugendvollem Blick

Die Seelen zu stärcken.


Dein sanftes Bild, der Anmuth Abdruck wird

Durch unsre Hand gemeinschaftlich vollendet,

Dereinsten dort, an jenem keuschen Baum,

Im Schatten erhoben.


Der Musen Chor, der Ring der Tugenden,

Und jede Schäferinn wird Blumen sammlen.

Und stets dein Bild, und den geweihten Ast

Mit Kräntzen behängen.
[39]

Der schönste Tag wird stets dein Festtag seyn.

Da werden sie im Schatten deiner Zweige

Dein würdig Lob und deines Mannes Ruhm

Im Reihen erneuern.


Du aber wirst mit dieser Mine stehn,

Womit du sonst auf dein muthwillig Söhnchen,

Wenn es im Schoosse schertzt, und deinen Mann,

Ja mich auch gelachet.

Quelle:
Freundschaftliche Lieder von I. J. Pyra und S. G. Lange, Heilbronn 1885, S. 36-40.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Der Condor / Das Haidedorf

Der Condor / Das Haidedorf

Die ersten beiden literarischen Veröffentlichungen Stifters sind noch voll romantischen Nachklanges. Im »Condor« will die Wienerin Cornelia zwei englischen Wissenschaftlern beweisen wozu Frauen fähig sind, indem sie sie auf einer Fahrt mit dem Ballon »Condor« begleitet - bedauerlicherweise wird sie dabei ohnmächtig. Über das »Haidedorf« schreibt Stifter in einem Brief an seinen Bruder: »Es war meine Mutter und mein Vater, die mir bei der Dichtung dieses Werkes vorschwebten, und alle Liebe, welche nur so treuherzig auf dem Lande, und unter armen Menschen zu finden ist..., alle diese Liebe liegt in der kleinen Erzählung.«

48 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon