Von der Schöpffung

[244] Gott, du warest für und für

Und von Ewigkeit in dir,

Alles selbst dir und dein eigen.

Nie ohn Werk, nie müßig nicht,

Doch allein in deinem Licht,

Niemand dörfft dir Ehr' erzeigen,

Und doch warest du erhöht

In der höchsten Majestät.


Herr warst du, und Herr allein,

Und kontst dies ohn Knechte seyn;

Herrlich war es, wo du wohntest,

Und es war sonst nichts, als du,

Aller Reichthum stand dir zu

Und doch war nicht, dem du lohntest,

Liebster Gott, ein Stand und Sitz,

Der zu hoch für unsern Witz.


Biß es endlich dir gefiel,

Daß, Herr, deiner Hände Spiel

Diese Welt zuwege brachte.

Nicht bedörfftstu dazu Müh,

Nur ein einigs Wort war hie,

Das gab an, das baut' und machte.

Es gescheh! sprachst du allein,

Dieß hieß Nichtes Alles seyn.


Höchster Schöpffer, was für Zier,

Was für Krafft muß seyn in dir,[244]

Der ein solches Pracht-Gebäude

So befestigt, groß und schön,

Also leichtlich heist entstehn;

Macht das Werk solch Augenweide,

Von wie außerwehltem Schein

Muß doch dessen Meister seyn.


Ach, wie weis' in solcher Eyl

Hat ein Jeder doch sein Theil,

Wie schickt eines sich zum andern,

Was für Kreyse groß und klein

Schliessen ein den andern ein,

Um das Punkt gesamt zu wandern,

Das Punkt, das sich doch so weit

Und in so viel Reich' außbreit.


Oben spantest du dein Hauß

Wie den hellsten Leinwand auß,

Der, bedruckt mit güldnen Sternen,

Gleich dem schönsten Stickwerk glänzt

Und den Herren-Stuhl umgrentzt,

Wofür Alle dienen lernen,

Und der reinen Engel Stat

Ihren Stab und Sitzthum hat.


Mitten hat die Lufft den Platz,

Drinn der Thau- und Regen-Schatz,

Hagel, Reiff und Schnee verborgen

Und dein Donner sich anstimmt,

Wenn du über uns ergrimmt;

Hie entfreyt sich seiner Sorgen

Der erfreuten Vögel Chor

Und bringt dir sein Lob-Lied vor.


Unten blieben Erd' und Flut,

Unser Stand und Ritter-Gut,

Unten an sind wir gesetzet;

Aber welch ein mildes Feld,

Welch ein' hulde Garten-Welt

Hat uns um und um ergetzet![245]

Kräuter, Früchte, Vieh und Fisch

Waren All vor unsern Tisch.


O niemals verdiente Gnad,

Die uns so begütert hat,

Doch die der nicht zu vergleichen,

Welch' an uns selbst deine Hand

Als ihr Meister-Stück gewandt,

Die, Herr, deiner Gottheit Zeichen,

Deine Weißheit, deine Zier

Hat in uns gebildet für.


Aber ach, wie dankten wir

Dir doch, treuer Gott, dafür?

Alles gabst du uns ohn Massen

Nur ein einger Baum allein

Solte dir behalten seyn.

Sieh, den konten wir nicht lassen,

Nichts von Unserm stand uns an,

Nur was dein war muste dran.


O ein theurer Apffel, Gott!

O ein eiferigs Gebott,

Das dafür den gantzen Garten

Uns durch strengen Spruch entzog,

Ja, schon den zum Tode bog,

Der noch erst war zu gewarten.

Wie kömmt eines Menschen Sünd'

Auff sein Kind und Kindes-Kind?


Aber, Herr, du bist gerecht,

Wir sind Knecht' und böse Knecht',

Wir der Thon, du bist der Töpffer,

Was will jener wider den?

So auch würd' es uns anstehn,

Strafften wir dich, unsern Schöpffer;

Du hast dennoch deine Hand

Nicht gantz von uns abgewandt.


Wie uns sonst nichts helffen könnt,

Hastu selbst dein Kind ernennt,[246]

Das für uns sich tödten lassen

Und hiedurch uns neu erzeugt.

Warstu vor uns so geneigt,

Da an uns nichts, als zu hassen,

Wie kanst du uns abhold seyn,

Da dir unser Blut gemein?


Schön war Alles vor gemacht,

Drum die Sünd' uns hat gebracht,

Schöner aber sind wir worden,

Da dein auserkohrner Sohn

Unser Fleisch auf seinen Thron

Und uns in den Himmels-Orden

Zu der höchsten Majestät

Aus dem Staube hat erhöht.


Herr, wie groß ist deine Güt!

Stell mir dieses zu Gemüth,

Daß ich nicht undankbar werde;

Trag' ich denn itzt wenig ein,

Wird es künfftig besser seyn.

Weil ich hie bin, geb' ich Erde,

Machest du mich himmlisch dort,

Soll auch himmlisch sein mein Wort.


Zweymal hastu mich bereit,

Erst erschaffen, nach erneut;

Noch das drittemal ist über,

Wenn du meinen Todt belebst

Und mich auß dem Grabe hebst.

Ach, je öffter, Herr, je lieber!

Drey ist vollkommn insgemein,

Laß auch so mein drittes seyn.

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 30, Stuttgart [o.J.], S. 244-247.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Chamisso, Adelbert von

Peter Schlemihls wundersame Geschichte

Peter Schlemihls wundersame Geschichte

In elf Briefen erzählt Peter Schlemihl die wundersame Geschichte wie er einem Mann begegnet, der ihm für viel Geld seinen Schatten abkauft. Erst als es zu spät ist, bemerkt Peter wie wichtig ihm der nutzlos geglaubte Schatten in der Gesellschaft ist. Er verliert sein Ansehen und seine Liebe trotz seines vielen Geldes. Doch Fortuna wendet sich ihm wieder zu.

56 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon