Die zwei Mächte

[333] Wein und schöne Mädchen

Sind zwei Zauberfädchen,

Die auch die erfahrnen

Vögel gern umgarnen.


Becherrand und Lippen,

Zwei Korallenklippen,

Wo auch die gescheitern

Schiffer gerne scheitern.


Kommst du in die Schenke,

Auf ein Knie dich senke!

Denn hier sitzen Fürsten,

Die nach Ruhme dürsten.


Und die Liebeszettler

Schelte keine Bettler!

Jeder trägt von Schmerzen

Einen Schatz im Herzen.


Liebe und Herr Becher!

Freigeborner Zecher[333]

Königin und König!

Eurem Throne frön' ich.


Helfet ihr zu Rechte

Menschlichem Geschlechte,

Wird es unter Trümmern

Niemals gar verkümmern.


Gestern trat ein Weiser

Vor des Himmels Kaiser,

Frug, wie lang' die närr'schen

Leute sollten herrschen?


Und Gott sprach: So lange

Eure Weisheit bange

Wird den Menschen machen,

Soll die Thorheit lachen.


Quelle:
Friedrich Rückert: Werke, Band 1, Leipzig und Wien [1897], S. 333-334.
Lizenz:
Kategorien: