Aus dem römischen Tagebuch,

von Allerheiligen bis Weihnachten

[303] 1817.


Herr! laß mich nicht im fremden Lande sterben,

Wo keine Hand die Augen zu mir drücket

Und keine mir den Ort mit Blumen schmücket,

Wo man mich hinwirft bei zerbrochnen Scherben.


Einst wünscht' ich eine Stätte zu erwerben

An jenem Orte, der seitdem entrücket

Dem Geist ward wie den Augen, wo gepflücket

Vom Tod ich sah die schönste Blum' entfärben.


Das waren Wünsche, die ich that in Reimen,

Als ich, mit Blumenspielwerk überhäufend

Ein Menschengrab, Abgötterei getrieben.


Jetzt fühl' ich still den Ernst im Herzen keimen

In nächt'ger Stund' und flehe, Thränen träufend:

»Herr! laß mich sterben heim bei meinen Lieben!«


Quelle:
Friedrich Rückert: Werke, Band 1, Leipzig und Wien [1897], S. 303.
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