27.

[769] Giebt es wirklich die Zeit, die zerstörende?

Wann, auf dem ruhenden Berg, zerbricht sie die Burg?

Dieses Herz, das unendlich den Göttern gehörende,

wann vergewaltigts der Demiurg?


Sind wir wirklich so ängstlich Zerbrechliche,

wie das Schicksal uns wahr machen will?

Ist die Kindheit, die tiefe, versprechliche,

in den Wurzeln – später – still?


Ach, das Gespenst des Vergänglichen,

durch den arglos Empfänglichen

geht es, als wär es ein Rauch.


Als die, die wir sind, als die Treibenden,

gelten wir doch bei bleibenden

Kräften als göttlicher Brauch.

Quelle:
Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Band 1–6, Band 1, Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955–1966, S. 769.
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