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[271] 1.
Es wahrtet alles, HERR, auff dich,
Der du die Welt gantz mildiglich
Ernährest und so weit und breit
Die Speise gibst zur rechten Zeit.
2.
Wenn du die reiche Hand thust auff,
So kommen wir mit vollem Lauff'
Und werden, sind wir noch so matt,
Von deinen Gühtern alle satt.
3.
Du trägst Erbarmung Tag für Tag',
O grosser Gott, hörst unser Klag':
Erhör' auch uns zu dieser frist,
Weil du doch unser Vatter bist.
4.
Auff diß Vertrauen kommen wir,
Getreüer Vatter, auch zu dir,
Daß wir mit Behten, Lob' und Dank
Empfangen frölich Speis' und Trank.
5.
Drauff bitten wir aus Hertzen Grund':
Ach HERR, gesegn' uns diese Stund'
Und laß die liebe Kost allein
Von deiner Hand gesegnet sein.
6.
Verhühte, daß, O grosser Gott,
Wir nicht vergessen dein Gebott
Und etwan sagen ungefehr:
Diß komt von unser Arbeit her!
7.
Vielmehr laß uns bescheidentlich
Erkennen und drüm loben dich,
Daß du nur bist der rechte Mann,
Der alles Fleisch versorgen kan.
8.
Immittelst, Herr, erleucht' uns doch,
Daß wir dich Kindlich fürchten noch,
Damit an Leib' und Seel zugleich
Wir endlich werden fett und reich.
[272]
9.
Gib auch den Armen Brods genug,
Daß etwan sie durch Satans Trug
Nach fremden Gühtern trachten nicht
Und fallen in dein Strafgericht.
10.
Drauf sprächen wir das Tischgebet
Und setzen uns zum Taffelbret'.
HERR, laß die Mahlzeit so geschehn,
Daß wir mit Freuden von ihr gehn!
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