Brockenfahrt

[19] (28. August 1849.)


Das war eine wilde Reise,

Da wir froh nach Burschenweise

Stiegen auf zum Brockenhaupt!

Ueberall in deutschen Landen

Ward ein hohes Fest gefeiert:

Goethefest – gespielt, geleiert.

Doch nach andrer Feier standen

Uns die Sinne, und wir fanden

Uns ein Fest, so recht romantisch,

Nicht voll Reden, nicht pedantisch,

Nicht so professorisch kühl,

Nein, so recht im Blocksbergstyl.


Lustig schien die Herbstessonne

Ueber unsre Wanderwonne,

Köstlich war die Luft, und klar.

Freudig schallten Wandersänge

Durch der hohen Felsenmassen

Ungebahnte, steile Straßen.

Doch die schroffen Bergeshänge

Stuften sich im Felsgedränge

Immer höher, immer grauer,

Und ein kühler Nebelschauer

Zauberte durch Fichten schwarz

Um uns her den echten Harz.
[20]

Denn des Blocksbergs wilde Trosse

Wollten heut zu Fuß und Rosse

Feiern auch ihr Goethefest.

Bang die Sonne sich verstecket,

Und schon läßt der Sturm sich hören

Dumpf in des Gebirges Föhren,

Und sein Brausen ruft und wecket

Schnell das Heer. Und kreischend strecket

Sich begrüßend, aus der Lauer

All der wilde Koboldschauer,

Springt und tanzt mit Teufelssang

Wild von Fels zu Felsenhang.


Und nun weiter, immer weiter,

Auf des Brockens Felsenleiter

Schrillt und brüllt, und jauchzt und stürmt's

Angstvoll fliehn der Vögel Schaaren,

Das Gewild im schwarzen Forste

Flieht herab vom Waldeshorste.

Tannen mit zerzausten Haaren

Stürzen krachend hin zu Paaren.

Schwarz umwölket droht der Himmel

Ueber dem Naturgetümmel,

Und vom Donner mit Getos

Riß der Wiederhall sich los.


Halt! wo ist der Weg? Verloren!

Auf die Lust der Erdenthoren

Legt der Teufel seinen Schwanz.

Welch ein Schrecken, welch ein Grausen

Antwort durch die finstern Lüfte[21]

Schreien höhnend alle Klüfte,

Und wir stehn im Sturmesbrausen

In des Festes tollstem Hausen.

Und auf Besen, Ziegenböcken,

Hexentanz in allen Ecken,

Regenguß und Nebelnacht –

Weh, wir sind im Höllenschacht!


Wohin wenden? Wohin schreiten?

Denn kein Weg mehr will uns leiten!

Hurtig, muthig, grade aus!

Aber jäher nur verdichten

Sich die Felsen. Auf, und klettert,

Ob auch Erd' und Himmel wettert!

Seht, schon hellen sich die Fichten,

Nieder gehn die Felsenschichten.

Aber weh! da lauern Sümpfe,

Und es bleiben Schuh und Strümpfe

Stecken in dem Teufelsschlamm,

Jedem Schritt ein Pfuhl und Damm!


Zaubermeister, Vater Goethe,

Hilf uns bannen unsre Nöthe!

Ach, so flehten wir im Chor.

Willst du, daß wir sterben sollen?

Kamen ja zu deinem Feste,

Weih'n dir unsrer Lieder beste! –

Horch! da schwieg des Sturmes Grollen,

Und die Nebel seitwärts quollen,

Und ein Tagesblick bot Rettung

Uns aus unsrer Sumpfesbettung,[22]

Jubelruf: da Leid ist aus,

Droben winkt da Brockenhaus!


Rechts und links, und tief und oben,

Ließen wir den Sturm nun toben,

Heimlich warm war Stub' und Haus.

Hei, wie perlte neues Feuer

Jetzt der Wein uns in die Glieder,

Weckte tausend Jubellieder,

Während draußen, nicht geheuer

Schnob die Nacht um das Gemäuer!

Vater Goethe, du Befreier!

Sahst du unsre lustge Feier?

Jung auch warst du niemals kühl

Für ein Fest im Blocksbergstyl!


Quelle:
Otto Roquette: Gedichte, Stuttgart 31880, S. 19-23.
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