III, 9.

[68] FAUSTINE.

So sind wir endlich denn allein,

Und nichts steht zwischen uns, das schiede.

Nun laßt uns recht vertraulich sein,

Und nehmt bereit, was ich euch biete.

Ich fühl' für euch seit der Sekunde heiß,

Wo wir an euerm neuen Heim uns trafen,

Wo unter warmer Asche leis'

Die Flamme an zu züngeln fing

Und auf in lohend Feuer ging.

Erwidert meine Lieb' mit Fleiß;

Und wollt nicht meinen Eifer strafen.

Ihr seid das Lied, von dessen Klang

Die Seel' zum erstenmale ward erschüttert;

Setzt fort den süßen Schmeichelsang,

Der noch in meinen Pulsen zittert.

Erhöret meinen Lockeruf!

Habt mit dem heißen Drang Erbarmen!

Des Weibes herrlichsten Beruf

Find' ich erregt in euern Armen.[68]

MUSARION.

So schnell nicht, fiebernde Sirene!

Ihr macht den kühnsten Helden scheu.

Wahrhaftig, diese grelle Scene

Ist so erstaunlich mir wie neu!

Euch hat der Teufel voll umsponnen.

Doch lösch' ich eu're helle Gluth.

So hurtig werd' ich nicht gewonnen;

Ich hab' zum Widerstand noch Muth. –

Sie setzt es kühner fort, als ich begonnen.

FAUSTINE.

Ihr müßt an meiner Brust erwarmen!

Fühlt's, wie die Schläfen brennen heiß!

MUSARION.

Es zischt. Der Strahl fiel auf das kalte Eis.

In solchen Dingen kenn' ich kein Erbarmen.

FAUSTINE.

So hab' vergeblich ich gefleht,

In euch versehen mich? Mein alt Geschick!

Sobald mein Meer in Wogen geht,

Kehrt jedes Schiff zum Port zurück.

Ich fass' in keine Segel, wie der Sturm,

Der Mann und Ladung reißet mit.

Ich bleib' der arme Erdenwurm,

Der sich verkrümmet vor des Abscheu's Tritt.

Zum Lindwurm werd' er, der verlangt nach Blut.

Thor, fühle meine ganze Wuth!

MUSARION.

Ihr schreckt und dauert mich. Vernehmt,

Ich kann euch nimmer Lieb' erweisen;

Mein voll Gefühl dahin erströmt,

Wo Arme schon mich froh willkommen heißen![69]

Ein Mädchen, wonniglich und gut,

Es harrt auf meiner Lippen Küsse;

Es hält mein Herz in frommer Hut,

Auf daß dies treu ihm bleiben müsse.

FAUSTINE.

Unsel'ger! In den Schatten stößt du mich zurücke;

Und doch lebt' ich im schönen Wahn,

Die holde Blüthezeit fing' für mich an.

Verlocker! Deinen Mordstahl zücke,

Und laß' mich sterben, Ich ertrag'

Nicht des Verlustes herben Schlag.


Faustine sinkt ohnmächtig nieder.


MUSARION.

Ihr nahmt ein flüchtig Spiel für heil'gen Ernst.


Für sich.


Zeit ist's, daß du dich nun entfernst.

Mein heit'rer Sinn, mein leicht Geblüt

Scheu'n jedes tragische Gebiet.

Ich nutz' die Ohnmacht zum Entflieh'n:

Der Teufel giebt ihr schon dagegen Medizin.


Musarion ab.


Quelle:
Schäfer, Wilhelm: Faustine, der weibliche Faust. Tragödie in sechs Aufzügen nebst einem Vorspiel und Prolog, Zürich 1898, S. 68-70.
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