21.

[379] Nicht zwergenhaft, sondern in menschlicher Gestalt und Grösse zeigte sich das Holzfräulein zu Pfaffenreut bey Stadt Eschenbach. Dort, beym Häring, haben sie es einen ganzen Winter gehabt; es sah aus, wie ein gewöhnliches Weibets, nur blässer, und trug ein Kopftuch und einen ganzen Rock, aber zerrissen, von Leinwand; die Füsse waren bloß. Den ganzen Winter fütterte die Holzfrau, nur mußte man ihr das Futter darrichten; sonst saß sie auf dem Ofenmäuerl Tag und Nacht, ohne herabzugehen, redete nicht und die Leute mußten ihr des Tages dreymal von ihrem Essen hinstellen. Gegen das Frühjahr, wo man das Vieh austrieb, ging sie in das Holz des Hofbesitzers hinaus. Die Leute stellten ihr dann das Essen auf einen Stock, worauf sie herkam und es holte; das leere Geschirr stellte sie wieder dar. Die Bäuerin ließ ihr zuletzt ein Kleid machen. Da jammerte sie und sagte, sie müsse jetzt auf's Neue so lange leiden, bis dieses Kleid zerrissen sey. Und als die Bäuerin ihr rieth, das Kleid lieber jetzt zu zerreissen, erwiederte sie, das dürfe sie nicht. Im Winter darauf verschwand sie.

Diese Holzfräulein leben einsam, auf gewissen Strichen; manche davon sind schneeweiß gekleidet.

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Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 2, Augsburg 1857/58/59, S. 379.
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