Die schlimmen Monarchen

[104] Euren Preis erklimme meine Leier –

Erdengötter – die der süßen Feier

Anadyomenens sanft nur klang;

Leiser um das pompende Getöse,

Schüchtern um die Purpurflammen eurer Größe

Zittert der Gesang.[104]


Redet! soll ich goldne Saiten schlagen,

Wenn, vom Jubelruf emporgetragen,

Euer Wagen durch den Walplatz rauscht?

Wenn ihr, schlapp vom eisernen Umarmen,

Schwere Panzer mit den weichen Rosenarmen

Eurer Phrynen tauscht? –


Soll vielleicht im Schimmer goldner Reifen,

Götter, euch die kühne Hymne greifen,

Wo, in mystisch Dunkel eingemummt,

Euer Spleen mit Donnerkeilen tändelt,

Mit Verbrechen eine Menschlichkeit bemäntelt,

Bis – das Grab verstummt?


Sing ich Ruhe unter Diademen?

Soll ich, Fürsten, eure Träume rühmen? –

Wenn der Wurm am Königsherzen zehrt,

Weht der goldne Schlummer um den Mohren,

Der den Schatz bewacht an des Palastes Toren,

Und – ihn nicht begehrt.


Zeig, o Muse, wie mit Rudersklaven

Könige auf einem Polster schlafen,

Die gelöschten Blitze freundlich tun,

Wo nun nimmer ihre Launen foltern,

Nimmer die Theaterminotaure poltern

Und – die Löwen ruhn.


Auf! Betaste mit dem Zaubersiegel,

Hekate, des Gruftgewölbes Riegel!

Horch! die Flügel donnern jach zurück!

Wo des Todes Odem dumpfig säuselt,

Schauerluft die starren Locken aufwärts kräuselt,

Sing ich – Fürstenglück. – –


Hier das Ufer? – Hier in diesen Grotten

Stranden eurer Wünsche stolze Flotten?

Hier – wo eurer Größe Flut sich stößt?[105]

Ewig nie dem Ruhme zu erwarmen,

Schmiedet hier die Nacht mit schwarzen Schauerarmen

Potentaten fest.


Traurig funkelt auf dem Totenkasten

Eurer Kronen, der umperlten Lasten,

Eurer Szepter undankbare Pracht.

Wie so schön man Moder übergoldet!

Doch nur Würmer werden mit dem Leib besoldet,

Dem – die Welt gewacht.


Stolze Pflanzen in so niedern Beeten!

Seht doch! – wie mit welken Majestäten

Garstig spaßt der unverschämte Tod!

Die durch Nord und Ost und West geboten –

Dulden sie des Unholds ekelhafte Zoten,

Und – kein Sultan droht?


Springt doch auf, ihr störrige Verstummer,

Schüttelt ab den tausendpfundgen Schlummer,

Siegespauken trommeln aus der Schlacht!

Höret doch, wie hell die Zinken schmettern!

Wie des Volkes wilde Vivat euch vergöttern!

Könige, erwacht!


Siebenschläfer! – o so hört die hellen

Hörner klingen und die Doggen bellen!

Tausendröhrigt knallt das Jagdenfeur;

Muntre Rosse wiehern nach dem Forste,

Blutig wälzt der Eber seine Stachelborste,

Und – der Sieg ist eur!


Was ist das? – Auch Fürsten schweigen selber?

Neunfach durch die heulenden Gewölber

Spottet mir ein schleifend Echo nach –

Hört doch nur den Kammerjunker düsseln:

»Euch beehrt Madonna mit geheimen Schlüsseln

In – ihr Schlafgemach.«[106]


Keine Antwort – Ernstlich ist die Stille –

Fällt denn auch auf Könige die Hülle,

Die die Augen des Trabanten deckt? –

Und ihr fodert Anbetung in Asche,

Daß die blinde Metze Glück in eure Tasche

Eine – Welt gesteckt?


Und ihr rasselt, Gottes Riesenpuppen,

Hoch daher in kindischstolzen Gruppen,

Gleich dem Gaukler in dem Opernhaus? –

Pöbelteufel klatschen dem Geklimper,

Aber weinend zischen den erhabnen Stümper

Seine Engel aus.


Ins Gebiet der leiseren Gedanken

Würden – überwänden sie die Schranken –

Schlangenwirbel eure Mäkler drehn;

Lernt doch, daß, die euren zu entfalten,

Blicke, die auch Pharisäerlarven spalten,

Von dem Himmel sehn.


Prägt ihr zwar – Hohn ihrem falschen Schalle! –

Euer Bild auf lügende Metalle,

Schnödes Kupfer adelt ihr zu Gold –

Eure Juden schachern mit der Münze, –

Doch wie anders klingt sie über jener Grenze,

Wo die Waage rollt!


Decken euch Seraile dann und Schlösser,

Wann des Himmels fürchterlicher Presser

An des großen Pfundes Zinsen mahnt?

Ihr bezahlt den Bankerott der Jugend

Mit Gelübden, und mit lächerlicher Tugend,

Die – Hanswurst erfand.


Berget immer die erhabne Schande

Mit des Majestätsrechts Nachtgewande!

Bübelt aus des Thrones Hinterhalt![107]

Aber zittert für des Liedes Sprache,

Kühnlich durch den Purpur bohrt der Pfeil der Rache

Fürstenherzen kalt.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 1, München 31962, S. 104-108.
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