An Zilla

[415] Wie der Frühling lächelt!

Wie der junge West

Den erhitzten Schäfer fächelt,

In die Busenrose seines Mädchens bläst!

Wie die Regenbogenschale

Siebenfarbig glänzt!

Wie im nahen Thale

Ein Olympus glänzt![415]

Wie der Frühling in dem stillern

Sturmbefreiten Aether schwebt!

Wie die Nachtigall mit Trillern

Weiße Blüthen hebt!

Ach, wie lieblichblühend ist die Flur!

Wie elysisch die Natur!

Doch ich fühle keinen Maien,

Keinen Junius.

Kann den Jüngling ein Olympus freuen,

Ohne deinen Kuß?

Drohend steh' ich hier, wie Werther,

Mit dem Mordgewehr,

Alle Haine, Thäler, Oerter

Liegen um mich freudenleer!

Denn nicht ich, en andrer

War's, den, Zilla, du gewählt.

Donnre, Mordgewehr! – ich sinke! – Wandrer,

Liebe hat den Jüngling hier entseelt.

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 415-416.
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