Von Mariæ Heimsuchung

[76] [1.]

Maria gieng hinauß/

Zu Zachariæ Hauß/

Sie gieng in aller Eyl/

Berg auff vnd ab viel Meyl/

Zu Hebron in die Statt/

Da sie jhr Bäßle hatt.
[77]

2.

Sie gieng alleine nit/

Es gieng Sanct. Joseph mit/

Sie trug auch Gottes Sohn

Jn jhres Hertzen Thron/

Darzu ein Englisch Schar/

Vnsichtbar bey jhr war.


3.

Als sie zum Hauß außgieng/

Sie das Gebett anfieng/

Zu Gott all Vhr vnd Stund/

Hub sie jhr Hertz vnd Mund/

Von Gott sie viel betracht/

Also die Reyß vollbracht.


4.

Da nun die Jungfraw thet

Ersehn Elisabeth/

Sie sich demütig neigt/

Der Alten Ehr erzeigt/

Vnd grüst das Bäßle sehr/

Mit Reuerentz vnd Ehr.


5.

Elizabeth behendt

Die Mutter Gottes kent/

Empfieng die Jungfraw zart/

Zugleich gesegnet ward/

Jhr Kind ward Gnaden vol/

Jm Hauß ward allen wol.


6.

O Hauß! O Himmelreich!

Dem waren Himmel gleich/

Du Hauß der Himmel bist/

Darinn Gott selber ist/

Vnd alle Heyligkeit/

Was heylig weit vnd breit.
[78]

7.

Maria bliebe da

Drey gantzer Monat nah/

Sie bett ohn vnderlaß/

Auch nimmer müssig saß/

Ließ sich abhalten nicht/

Jm Hauß all Ding verricht.


8.

O Mensch hie fleissig merck

Vier grosse Wunderwerck.

1.

Gott Mensch die Jungfraw bringt.

2.

Jm Leib Joannes springt.

3.

Elizabeth sagt weiß.

4.

Gott singt Maria Preiß.


9.

Ach kom O Jungfraw rein

Auch in mein Hertz hinein.

Bring mit das höchste Gut/

Gott Sohn in Fleisch vnd Blut/

Vns segne Seel vnd Leib/

Vnd bey vns ewig bleib.

Amen.

Quelle:
Friedrich Spee: Die anonymen geistlichen Lieder vor 1623, Berlin 1979, S. 76-79.
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