Ade, fahr deine strassen,
Du schnöd vnd böse welt:
Ade, will dich verlassen.
Weg, weg mit gut, vnd gelt!
Dein zeitlich lust, vnd frewden,
Pracht, ehr, vnd herrlichkeit
Will fürhin gäntzlich meiden;
Achts nur für eitelkeit.
Vor trawrigkeit deß hertzen
Seufftzt ich auß tieffen grund;
Vor immerlichem schmertzen
Ruff ich all tag, vnd stund:
Die zähr mir allweg rinnen,
Wie sanffte regenguß;
Vnd augen immer schwimmen,
Wie stäte wässer-fluß.
Als offt ich dein gedencke,
Mein Gott, vnd höchstes gut,
Zu dir mich gütlich lencke,
Das blut mir wallen thut.[190]
Begird sich thut erheben,
Vnd wird mir lang die zeit;
In ruh kan ich nit leben,
Biß ich von hinnen scheid.
Ach wan, wan soll es werden,
Daß ich mich scheiden thu?
Ist ja doch nichts auff erden,
Da drinn man friedlich ruh.
O wan, wan wird erscheinen
Der villgewunschte tag,
Wan ich von stetem weinen
Einmal auffhören mag?
Trost wolt ich mir bald finden,
Wan ich ein Täublein wer;
Hinauff wolt ich mich schwingen,
Wol in daß himmlisch heer.
Da wolt ich mich versencken
Wol in das höchste gut:
O Gott, wer wird mirs schencken,
Was mich verlangen thut?
Nun will doch ich verbleiben
Bestendig allezeit,
In lust, vnd auch in leiden;
In frewd, vnd trawrigkeit:
Nie soll die lieb erkalten,
Nie soll sie nemen ab;
Zu Gott will ich mich halten,
So gar biß in das grab.
Vnd wan dan schon thut sausen
Der wind auff disem meer;
Wan schon die wellen brausen
Rund vmb mein schifflein her;
Will ich doch nie verzagen,
Gott wird mein hülffer sein;
Den ancker will ich schlagen
Zu seinem hertzen ein. Amen.
Buchempfehlung
Bereits 1792 beginnt Jean Paul die Arbeit an dem von ihm selbst als seinen »Kardinalroman« gesehenen »Titan« bis dieser schließlich 1800-1803 in vier Bänden erscheint und in strenger Anordnung den Werdegang des jungen Helden Albano de Cesara erzählt. Dabei prangert Jean Paul die Zuchtlosigkeit seiner Zeit an, wendet sich gegen Idealismus, Ästhetizismus und Pietismus gleichermaßen und fordert mit seinen Helden die Ausbildung »vielkräftiger«, statt »einkräftiger« Individuen.
546 Seiten, 18.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro