[O Venus Kind, du blinder knab]

O Venus Kind, du blinder knab,

Leg hin die pfeil, vnd bogen.

Ich nichts mit dir zu schaffen hab,

Dem strick bin längst entflogen:

Dein kocher gut: dein stral, vnd glut,

Dein flüttig zart beyneben,

Solt du nun schwind: Marien kind

Gantz erblich vbergeben.
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Zwar deiner pfeil vergiffte spitz

Mit lust, vnd frewd vmbwunden

Entzünd daß hertz mit süsser hitz,

Gar lieblich thuts verwunden;

Bald aber drauff, ehe man verschnauff,

Der tod kompt heimlich bucken.

Dein süsse Stral: bricht er zumahl,

Vnd reisst all frewd in stucken.


O Jesu mein, du schöner knab,

Nim hin Cupidons waffen:

Reiß ihm die pfeil vnd kocher ab,

Vnd leg ihn ewig schlaffen.

Nur du bitt ich: du zihl auff mich;

Von dir will sein getroffen:

O reines gifft: wan Jesus trifft!

Alßdan ist heil zu hoffen.


Wen Jesu lieb wird machen wund,

Ein Creutzlein zwar muß tragen:

Doch meidet er der höllen schlund,

Wird ewiglich nit klagen.

O sünder schwach: nit mich verlach,

Mit dir ichs trewlich meine.

Was hilfft doch ie, man lach allhie,

Vnd nachmahls ewig weine?


O Ewigkeit! O Ewigkeit!

Wer dich zu sinn wolt fassen,

Wurd bald von hertzen sein bereit

All vppigkeit zu lassen.

Die Sünd vergeht: die straff besteht:

Wer wolt nun lust begeren?

Ein langes leid: für kurtze freid

In Ewigkeit muß wehren.


Quelle:
Friedrich Spee: Sämtliche Schriften, Band 2, München 1968, S. 191-192,197-198.
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